Nr. 103. 28. Jahrgang.1 Ktilxge des Jotrtrts" Keelim UcksdlRAaaaerstag, L Mai 1911.Reichstag«165. Sitzung. Mittwoch, den 3. Mai,nachmittags 1 Uhr.ilm BundeSratStisch: Dr. Delbrück.Die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr.Aufhebung des HilfskaffengesetzeSwird fortgesetzt.Abg. Graf Westarp(k.): DaS Verhältnis der Hilfskassen zu denKrankenkassen wird in der Reichsversicherungsordnung geregelt, undes handelt es sich jetzt lediglich darum, die Hilfskassen dem Aussichts-amt für Privatversicherung zu unterstellen. Dafür sprechen die beiden Schwindelkassen hervorgetretenen Mißstände; aber auch ausprinzipiellen Gründen sollte man die Krankenversicherungsvereinenicht anders behandeln als andere private Versicherungen. Zurnäheren Beratung der Einzelheiten beantrage ich die Ueberweisungdes Entwurfes an die Kommission für die Versicherungs-ordnung.Abg. Stadthagen fSoz.):Ich stehe dem Entwurf nicht so sympathisch gegenüber wie dieVorredner. Deren Uebcreinstimmung verstehe ich, wenn sie meinen,mit diesem Gesetz dem Arbeiter daS letzte Recht der Selbstbestimmungzu nehmen. Auf die Wünsche der Arbeiter ist bei der Vorlage nichtRücksicht genommen, nur auf etwaige Wünsche der dentschnationalenHandlungsgehilfen, aber gerade die gutgeleiteten Hilfskassen befindensich nicht im deutschnationalen Fahrwasser und haben gegen dieRuinierung der Hilfskassen protestiert. Als Zweck desGesetzes wird die Beseitigung der Schwindelkassen angegeben, aberdieser Erfolg wird nicht erreicht werden. Die Schuld an dem Be-stehen der Schwindelkassen trägt die Regierung; in Hamburg,wo die Hilfskafien ungehindert sind, existieren keine Schwindelkassen,sowie man aber über die preußische Grenze kommt, nachAltona, blühen die Schwindelkassen, die sich mit patriottschenNamen ausstatten, und deren Leiter meist dem Reichsverband an-gehören. Die Arbeiterpresse, welche vor diesen Schwindelkassenwarnt, wird verfolgt und sozialdemokratische Redakteure sind v e r»urteilt worden, weil sie vor solchen Schwindelkassen als Schwindel-kaficn gewarnt haben. sHörtl hört! bei den Sozialdemokraten.)Das ist noch bis in die allerletzte Zeit geschehen. Jetzt sagen Siefreilich, Sie wollen Schutz gegen die Schwindelkassen geben, undwollen nun die Zulassung in daS diskretionäre Ermessen der Ver-waltung stellen. Wenn wirklich es in der Macht der Behörde liegt,Schwindelkasien nicht zuzulassen, so wäre es nur konsequent, imFalle doch Schwindler zugelassen werden, die Behördeschadenersatzpflichtig zu machen.(Sehr richtig I bei denSozialdemokraten.) Diese Konsequenz lehnen Sie ab undschon das genügt, um zu beweisen, daß Ihr Vorschlag nicht geeignetist, den Schwindlern entgegenzutreten. Ich gehe aber noch weiterund behaupte, der Entwurf ist geradezu einePrämiiernng neuer Schwindeleien.Schon bei der Beratung der Gewerbeordnung wurde darübergeklagt, daß die Arbeiter nicht das Recht hatten, ohne staatliche Ein-Mischung Kassen zu gründen, und jetzt will man den Arbeitern daSletzte Recht der Selbstverwaltung nehmen. In den Krankenkassensollen sie gezwungen werden, 3 Proz. ihres Einkommens abzugeben,um irgendwelche verkrachten bürgerliche» Existenzen zu halten, und nunwill man ihnen auch bei den Hilfskassen sagen, Ihr dürft solche nichtschaffen ohne behördliche Genchmiguiig. Damit kommt man zu demZustand zurück, der vor 1863 in Preuven bestanden hat und der vonniemand schärfer bekämpft wurde, wie von den Zentrumsabgeordneten.z. B. von Reichens perger. Ich bin neugierig, was er sagenwürde, wenn er heute feine Epigonen hören könnte. Die Selbst-Verwaltung wird durch das neue Gesetz gefährdet und durch Ihre(zum Zentrum) Zustimmung schädigen Sie die Gewerkschaften inhöchster Weise. Die Behörde soll nach dem Entwurf nicht bloß dieGesetzmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit der Kasseprüfen. Dabei hat das Aufsichtsgesetz mit den von Arbeitern fürArbeiter geschaffenen Kassen gar nichts zu tun. In dem Augenblick.wo die Aufsichtsbehörde auch die Zweckmäßigkeit zu prüfen hat,hört die Selb st Verwaltung aus.Dieselbe Furcht vor der Arbeiterklasse, die Sie jetzt bei derSchaffung des neuen Ausnahmegesetzes beseelt, brachte Sie in denKleines feuilletonSchumann unter französischem Verschluß. Herr Malherbe hatmit seinem famosen Brief, worin er die deutschen Schumannfreundeso rührend vor dessen revolutionären Chören bewahren zu müssenvorgibt, hat auch in der bürgerlichen Presse Anstoß erregt. Die»Kölnische Zeitung" schreibt zum Beispiel:»Ohne uns die Kritik, die der„Vorwärts" an dieses Schreibenknüpft, zu eigen zu machen— er erblickt darin einen neuen Beweisfür die alte These, daß das Privateigentum kunstfeindlich sei. undbehauptet, man wolle dem deutschen Volke seine»revolutionäreKunst" vorenthalten—, möchten wir doch auch unserem BedauernAusdruck geben, daß Schöpfungen eines großen deutschen Musikersin einem Pariser Privatarchiv verstauben sollen. Wenn man auchnicht, wie es der„Vorwärts" tut, aus der Tatsache, daß der Textder betreffenden Chöre revolutionären Charakter hat, gerade zufolgern braucht, daß Schumann sie in seinen kühnsten und bestenStunden komponiert habe, so genügt doch schon der Name Schu-mann allein, um den formalen Eigentumsrechteneines einzelnen allgemein künstlerische Jnter-essen gegen ü herzustellen. Angenommen, daß der Kom-ponist selbst wirklich seinerzeit die Veröffentlichung der Chöre nichtgewünscht hat, so ist es doch sehr fraglich, ob in den mehr als fünf-zig Jahren, die jetzt seit seinem Tode verflossen sind, nicht auchdie Gründe weggefallen sind, die ihn damals zur Zurückhaltungzwangen. Daß revolutionäre Texte aus den 40er oder 50er Jahrenjetzt noch bei uns Schaden anrichten oder das Andenken RobertSchumanns herabsetzen könnten, möchten wir schwerlich annehmen,und ebensowenig will uns einleuchten, daß der Besitz eines preußi-schen Ordens jemandem das moralifche Recht verleihe, uns jeneSachen vorzuenthalten. Sollte aber die Weigerung in Wirklichkeitnur von der Befürchtung diktiert sein, daß die materiellen Jnter-essen des Besitzers bei dem Angebot der„Arbeiter-Sängerzeitung"zu kurz kämen, so darf man doch vielleicht hoffen, jene Schumann-schen Chöre bald einmal in dem Lande erklingen zu hören, wo ihrSchöpfer nicht nur als Mensch, sondern auch als Künstler wurzelte.Denn die Musikfreunde in Teutschland sind zahlreich genug, ummit Leichtigkeit auch die etwa hoch bemessenen Ansprüche des HerrnMalhcrbe befriedigen zu können. Nur müßte es bald geschehen, eheirgendein Amerikaner die willkommene Gelegenheit benutzt, seinemprivaten Raritätenmuseum ein neues Opfer einzuverleiben und esdamit der Allgemeinheit endgültig zu entziehen."Das Organ der rheinischen Bourgeoisie schließt sich also imGrunde unserer Kritik an und erkennt ausdrücklich an, daß privateEigcntumstitel vor allgemeinen Kunstinteressen zurückzutretenhaben. Es ist ja in der Tat toll genug, daß irgendwelche zufälligeBesitzer wertvolle Kunst- und Litcraturwerke der ganzen Welt vor-enthalten können. Man denkt dabei auch an die erste Fassung vonGoethes»Wilhelm Meister", die voriges Jahr gefunden und als-bald von„Goethes Erben" reklamiert wurden. Die Schacherei, diesie alsbald anfingen, um ihr„rechtmäßiges Erbe" möglichst teuer«tzubringeo. iai heißt Pank des Urheberrecht pgs deutsche Vpüfünfziger Jahren dazu, vor Zwangskassen als vor kommunistischenEinrichtungen zu warnen. Reichensperge-r erklärte damals,wenn es auch kommunistisch ist, so ist es doch vernünftig. Ausderselben Furcht heraus erklärten Sie in den siebziger und achtzigerJahren jede gewerkschaftliche Kasse für sozialdemokratisch.Ebenso schaffen Sie jetzt aus parteipolitischen Gründe» ein Gesetz,wonach bei der Schaffung von Hilfskassen parteipolitische Gründematzgebend sein werden. Das geht schon daraus hervor, daß Sie inden Motiven sich auf die Motive zu der früheren Vorlage berufen,in denen es heißt, daß Vereine, deren politische, religiöse oder Wirt-schaftliche Tendenzen der Staat zu bekämpfen Anlaß hat, durch dasHilfskassengesetz in den Stand gesetzt werden, eine kräftige Organi-sation zu gründen. Die Behörde soll also die Möglichkeit haben,Vereinen, deren politische, religiöse oder wirtschaftliche Tendenzen zubekämpfen der Staat Anlaß hat, die Genehmigung zur Gründungvon Hilfskassen zu verweigern oder ihnen das Lebenslichtauszublasen. Das ist der Zweck des ganzen Gesetzes.Wenn Sie das nicht wollen, wären Sie verpflichtet, Kautelengegen solche Willkür zu schaffen. Nach dem Gesetz kann die Ge-ne'hmigung versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche dieAnnahme rechtfertigen, daß die Geschäftsführung der Kasse den Ge-setzen oder den guten Sitten widerspricht. Das letztere wird vonder Behörde angenommen werden, wenn z. B. Sozialdemo-k r a t e n Mitglieder des Vorstandes sind.(Sehr wahr I bei denSozialdemokraten.) Zu bestimmen hat darüber das Aufsichtsamtfür Privatversicherung, in welchem kein Arbeiter ver-treten ist(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten), und derBeirat des Auffichtsamts, in welchem der Direktor derFarbwerke, Herr Beyer sitzt, neben Herrn Bassermann.Herrn B e u m e r, Herrn Gans Edler zu Putlitz, HerrnB ö t t i n g e r. Glauben Sie. daß zu diesen ausgesprochen Unter-nehmerinteressen fördernde Herren irgend ein Arbeiter Zutrauenhaben kann? Die Garantie dafür, daß die von ihnen zugelassenenKassen nicht schwindeln, wollen die Herren mit ihrem Geldbeutel nichtübernehmen. Daß Sie die der Arbeiterklasse entgegenstehenden Ge-bilde schützen wollen, beweist auchdie Geschichte des Bersicherungswesens.Die Sorge für die Arbeiter in den Jnnungskassen hörte in demAugenblick auf, wo die Großproduktion eintrat. Im Gesetz von 1854wandte man sich dagegen, daß Arbeiter ohne Genehmigung der Ve-Hörde Unterstützungskassen begründeten, weil das kommunistisch sei.Dosselbe sagt man jetzt. Ueberall, wo etwas für die Arbeiterherausschaut, nennt man die Einrichtung sozialdemokratisch.Richtig ist allerdings, daß alle wirkliche Fürsorge für die Arbeiterauf sozialdemokratische Anregungen zurückzuführen ist. Nach Erlaßder Gewerbeordnung entschieden die Gerichte, daß den Arbeiterndas Recht gegeben sei. Kassen auch ohne Genehmigung der Be-Hörden zu begründen. Aber die Verwaltungsbehörde wehrtesich dagegen und löste gutgeleitete Kassen auf. DerReichstag verwahrte sich dagegen wie ein Mann. Heute aber sinddie Herren vom Zentrum einverstanden mit derAuslieferung der Kassen an die Negierung.In Frankreich und England haben die freien Kassen unter derSelbstverwaltung der Arbeiter Vorzügliches gewirkt. In Deutschlandaber hat man ihr Selbstverwaltungsrecht zurückgeschraubt und gabNormativbestimmungen heraus, in der Absicht, den sozialdemo-kratischen Vereinen das Wasser abzugraben. Genau sosteht es heute. Nicht die geringsten Bedenken gegen die Hilfskassender Arbeitervereine haben wir gehört und doch soll nicht bloß ihreGesetzmäßigkeit, sondern auch ihre Zweckmäßigkeit geprüft werden,und zwar von den Herren B a s s e r m a n n, dem Direktor derFarbwerke, Herrn B e u m e r, diesenOberscharsmachern ersten Ranges,und daS soll nicht ein Aufgeben der Rechte der Arbeiter sein. Min-bestens Kautelen müßten in das Gesetz hineingebracht werden unddeshalb begrüße ich die Kommissionsberatung. Ich habe aber nichtdie Hoffnung, daß dort unparteiisch die Gründe ab-gewogen werden, sondern ich fürchte, man wird dort die Gründegegen die Regierungsvorlage zwar anhören, dann aber, weil mansie nicht zu widerlegen vermag, inGcheimkonventikcln mit dem Zcntralveriand deutscher Industriellerzusammenkommen und ein neues Ausnahmegesetz gegen die Arbeitermachen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Sollte die Borgründlich schröpfen zu können, hat glücklich dazu geführt, daß dasWerk immer noch nicht erschienen ist.Schumann hat keinen Pfennig Honorar für seine revolutio-nären 5!höre bekommen und sie auch nicht um dessentwillen geschrie-ben. Aber Herr Malherbe(woher hat er übrigens diese Komposi-tionen?) hat nach bürgerlichem Recht alle Autorisation, Geschäftedamit zu machen— oder sie in den Ofen zu stecken. Das Privat-e igentum an Kunstwerken ist aber nach der»Kölnischen Zeitung"trotzdem nicht gesellschaftsfeindlich!Daß die Degradation des Kunstwerks zur Ware und dieDegradation des Schaffenden zum Warenproduzenten für die Kunstselbst verderblich ist, haben auch genug unabhängige bürgerlicheKöpfe eingesehen. Schopenhauer sagt einmal:„Honorar und Ver-bot des Nachdrucks sind im Grunde der Verderb der Literatur.Schreibenswertes schreibt nur, wer ganz allein der Sache wegenschreibt.... Dahin aber kann es nie kommen, solange Honorar zuverdienen ist. Denn es ist. als ob ein Fluch auf dem Gclde läge:jeder Schriftsteller wird schlecht, sobald er irgend des Gewinneswegen schreibt."Man kann freilich von einem ironischen Geschäftsmanne, wieHerrn Malherbc, nicht erwarten, daß er dergleichen unterschreibe.Aber möge er sich nicht länger zieren und den Preis nennen, derseine Bedenken wegen des toten Schumann und des lebenden Königsvon Preußen zu beschwichtigen imstande ist.(Die„Franks. Z t g.", die auch hierzu sich äußert, entnimmtmerkwürdigerweise den Brief Malherbes— der„Rhein.-Westf.Zeitung", die ihn aus dem„Vorwärts" abgedruckt hatte.)Die Leichenverbrennung in Deutschland. Die Entwickelung derLeichenverbrennung in Deutschland beleuchtet eine interessanteStatistik, die Dr. Erich Simon in dem soeben erschienene» zweitenJahrgang seines„Statistischen Taschenbuches für das Deutsche Reich"zusainnrenaestellt hat. Seit 1878—1910 haben im Deutschen Reicherund 30 000 Einäscherungen stattgefunden; während in dem erst-genannten Jahre nur eine einzige zu verzeichnen war, hatte sich dieZahl im Jahre 1891 schon auf 165 gehoben, war nach zwölf Jahrenauf 1074 gestiegen und wuchs dann 1904 auf 1331, 1905 auf 1768.Nach weiteren zwei Jahren wurden 2977 Leichenverbrennungenvorgenonrmen und die drei letzten Jahre haben die Zahlen:4050, 4779 und 6074 gebracht, das heißt die Zunahmewächst nicht nur absolut, sondern auch nach Prozenten.In Deutschland sind jetzt 23 Verbrennungsöfen vorbanden; vonden 26 deutschen Ländern haben die beiden größten KönigreichePreußen und Bayern keine Krematorien, Sachseir dagegen vier undWürttemberg drei; Baden hat vier, Hessen zwei, in den thüringischenStaaten finden sich sechs, ferner haben alle drei freien StädteKrematorien, und schließlich verfügt da? Herzogtum Anhalt übereins in seiner Hauptstadt Dessau. In die sein wurde im letztenJahre die kleinste Zahl von Einäscherungen, nämlich 25, vorgenommen. während in Hamburg die größte Zahl. 678, Ver-brennringen stattfanden. Nicht viel geringer war die Zahl inChemnitz: 643. Da außerdem in Leipzig 477, in Zittau 206 undin Zwickau 139 Leichen im Jahre 1910 verbrannt worden sind, fälltauf die sächsischen Krematorien beinahe ein Viertel der 6074 Ver-breunungen. Die drittgrößte Zahl von Einäscherunge� 549, entfielauf den ältesten Verbrennungsofen in Gotha.<läge wirklich Gesetz werden, so gießen Sie nur neues Wasserauf die Mühlen der Sozialdemokratie. Nichts kannso sehr die Aufklärung des Mittelstandes, dtt durchdie Aushebung der freien Hilfskassen am meisten geschädigtwird(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten) und die Aufklärungder Arbeiter fördern, als die Klarheit und Entschlossenheit, mit derdie Regierung in diesem Gesetzentwurf und ähnlichen damit vorgeht,den Arbeitern wohlerworbene Rechte aus der Hand zu schlagen, undihnen den Teil des Koalitionsrechts zu nehmen, der ihnen gestattet,über ihre Vermögensverwaltung selbst Bestimmungen zu treffen. EineSteuer von 3 Proz. des Einkommens erlegen Sie den Arbeitern auf,um Sinekuren zu schaffen für pensionierte Offiziere, ehemaligeBeamte, Unteroffiziere und dergleichen. Wenn man auf daSAufsichtsamt für Privatversicherung hinweist, in welchem dieScharsmacher sitzen, so wird man cS vielleicht für gegendie guten Sitten erklären, wenn ein politischbestrafter Sozialdemokrat in dem Vorstand einer Kassesitzt:— der Staatssekretär suchte ja � erst kürzlich)politische Bestrafungen als besonders schlimm hinzu«stellen. Statt sozialdemokratischer Arbeiter wird man Leute in denVorstand nehmen, die nicht wissen, wo den Arbeitern der Schuhdrückt. Vielleicht gelingt es Ihnen, den Mörder des Ar-beiterS Herrmann ausfindig zu machen und ihn als K a s s e n-rendanten zu bestallen. Glück auf dazu.(Lebhaftes Bravo! bei denSozialdemokraten.)Abg. Dr. Ncumann-Hofer(Vp.): Eine Aenderung der Gesetz-gebung über die Hilfskassen scheint uns notwendig wegen derbei den Hilfskassen hervorgetretenen Mißstände. Aber die neuen Be-stimmungen müssen so gefaßt werden, daß die Hilfskassen bestehen bleibenkönnen, wie es übrigens nach dem Entwurf geschieht. Die Hilfskassensind sehr wichtig für die Saison- und Wanderarbeiter,und als Z u s ch u ß k a s s e n für die besser gestellten Arbeiter undHandwerker, die Beseitigung der Mißstände kann durchAenderung des HilfskaffengesetzeS geschehen, oder wie dieVorlage will, durch seine Aufhebung und durch Unter-stellung deS HilfskaffengesetzeS unter daS Aufsichtsamt fürPrivatversicherung. Die Einzelheiten der Vorlage aber müssen wirin einer Kommission prüfen; denn wir wollen keineswegs, wie derVorredner von dem Entwurf fürchtet, Bestimmungen zustimmen, dieauf eine Entrechtung der Arbeiter hinauslaufen.(Bravo l bei derVolkspartei.)Abg. Dr. Weber(natl.): Auch wir weisen entschiedenzurück, daß wir die Absicht hätten, mit diesem Gesetz politischeBestrebungen gegen irgend eine Partei zu verfolgen. In Kassen,die sozialdemokratischer Leitung unterstehe», wird genau so vielSchwindel getrieben(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Beweisen Siedas doch I DaS ist eine Gemeinheit I), wie in Kassen, die von bürgerlicherSeite geleitet werden: wir sind eben alle Menschen. Und wegendieser Schwindeleien ist es nötig, die Hilfskassen dem Aufsichtsamtfür Privatversicherungen zu unterwerfen. Wir stimmen daherdem Gesetzentwurf zu.Vizepräsipent Dr. Spahn: Es fiel vorhin der Zwischenruf Ge-meinheit I Ich habe den Zwischenrufer nicht erkannt. Wer war es?Abg. Emmcl(Soz.s: Ich war es.Abg. Bebel(Soz.) sich zu Emmel wendend: Sie habennicht zu antworten, wir sind hier in keiner Schule.Vizepräsident Dr. Spahn: Ich rufe den Abg. Emme! zurOrdnung.(Beifall rechts und im Zentrum.)Abg. Behrens(wirtsch. Vg.): Meine Freunde begrüßen die Vor«läge, die geeignet ist, die Schwindelkassen zu bekämpfen. DenSozialdemokraten b e st r e i t e n wir das Recht, sich als diealleinigen Vertreter der Arbeiter hier aufzuspielen.(Bravo I bei denbürgerlichen Parteien.)Abg. Ledebour(Soz.):Auf StadthagenS Bemerkung, daß von sozialdemokratischerSeite in der Presse wiederholt auf Schwindelkassen hingewiesen sei,und daß dann die sozialdemokratischen Redakteure bestraft wurden,hat Dr. Weber erklärt, Schwindler gibt es überall, in der Sozial-demokratie und bei den bürgerlichen Parteien. Diese allgemeine Be«merkung ist richtig, private Schwindler kommen in allen möglichenOrganisationen vor. Aber darum hat es sich hier nicht gehandelt,sondern um den Kampf gegen die Schwindelkassen, diesystematisch zur Bcschwindlung der Arbeiter gegründet sind. HerrWeber suchte den Kampf gegen die Schwindelkassen auf das Gebietder privaten Schwindler hinüberzuspielen.(Widerspruch desHumor und Satire.Der Zauberlehrling.Der Meister Max gab ihm die Hand:Zieh nun hinaus, mein Ferdinand!Ich weihe dich mit diesem Kuß—OedipuS I OedipuS lHin, wo des RosseS Apfel rollt!—.Er eilt, er wandelt ihn in Gold.Der Meister murmelt mit Genuß:Ueberschnß I Ucberschuß IDer Lehrling fand nun seinerseitsAn diesen» Vorgang einen Reiz,Und ein Entschluß stieg in ihm hoch:Mach ick ooch l Mach ick ooch lUnd eh' der Meister sich besann,Fing Ferdinand ein eignes an.Er rollte Blick: Jetzt halte still,Shakespearc-Bill I Shakespeare-Bill!King Richard, deine Schuld war groß.Sie ist gesühnt. Der Bonn ist losUnd hetzt dich durch den ZirkuSring.Armer King! Armer King!Der Meister Max hebt seine Hand::Um Gott, was machst du. Ferdinand?Und jubelnd klingt es wider: Stuß—Ueberschnß I Ueberschuß!(Peter Scher im.Simplicissimus".)Notize«.— Karl Schönherrs»Sonnwendtag* eine bereitsfrüher aufgeführte, aber jetzt umgearbeitete und auf vier Akte ge-kürzte Tragödie wurde im Kasseler Hoftheater mit Erfolg gegeben.— D i e O r e st i e i m Z i r k u S. Die Orestie des altgriechischenTragikers Alschylos soll im ZirkuS Busch in der Ucbersetzung vonWilamowitz eimnal mlfgeführt werden— aber nicht von Neinhardt.Die Aufführung ist besonders für Schüler und Studenten bestimmt.— Ein Brief für 102000 Mark. Die barbarische Suchtder edlen amerikanischen Kunst- und Kultnrprotzen. Europa auSz»»-kaufen, hat wieder einmal einen Rekord geschaffen. Auf einerLeipziger Autographenversteigerung ließ Morgan für einen BriefLuthcrS an Karl V. vom Jahre 1521(unmittelbar nach dein Reichs«tage zu Worms geschrieben) die Summe von 102 000 Mark bietenund erhielt den Zuschlag.— Wenn doch die Amerikaner endlich ein-mal die vielen schönen deutschen Denkinäler kaufen möchten. Dawürden sie sich wirklich verdient um uns machen.— Die 10000 Dollar«Oper. Aus New D o r k wirdgekabelt: Der Mnsikprofesior Parker und der bekannte LibrettistHooker haben den Preis von 10 000 Dollar erhalten, der von derMetropolitanoper für die beste Oper in englischer Sprache von einemainerikanischen Komponisten ausgesetzt war. Die Oper trägt denTitel.Mona" und behandelt eine Druidengeschichte aus den Tagender römischen Herrschaft in England.(Herr Hülsen möge nicht ver»säumen, die neue amerikanische Oper uns vorzusetzen.)