9«. i«3. 28. ite 2. KeilM des„Amiilts" Kelliner AlksblM. 4»« mSegen eines Irrtums einen lüonatGefängnis.Anfang Juni vorigen Jahres verbreitete daS sozialdemokratischePressebureau einen Gerichtsbericht aus Görlitz, deS Inhalts, einFabrikbesitzer in der Oberlausitz habe seinen Konkurrenten Un-Werth, der grotze Lieferungen an Eisenbahnverwaltungen hat,beschuldigt, Beamte der Eisenbahnverwaltung bestochen zu haben.In einem Prozeß vor dem Landgericht Görlitz habe der Fabrik«besitzer Engel den Nachweis führen wollen, daß UnwerthBestechungsgelder an Mitglieder der Eisenbahndirektionen Berlinund Breslau gesandt habe. Auf die Frage, ob diese Angaben zu-träfen, hätten Unwerth und ein Eisenbahnwerkmeister Spiewegdie Aussage verweigert, infolgedessen habe das Gericht denWahrheitsbeweis als erbracht angesehen.Diese Notiz ist von einar Reihe sozialdemokratischer Zeiwngenaufgenommen worden. In etwa zehn Fällen sind die betreffendenRedakteure wegen Beleidigung von Mitgliedern der beiden Eisen«bahndirektionen angeklagt und zu Geldstrafen verurteilt worden. Eshat sich nämlich herausgestellt, daß dem Verfasser des Görlitzer Ge-richtSberichts ein Irrtum passiert ist. Es sind nicht Mitgliederder genannten Eisenbahndirektionen von dem Fabrikanten Unwerthbestochen worden, sondern decEisenbahnwerkmeister Spie-Weg ist es, der Bestechungsgetder erhalten hat.Auch unser verantwortlicher Redakteur, Genosie Barth, istwegen der genannten Notiz, die am 21. Juni im.Vorwärts' er-schien, angeklagt worden. Nachdem Barth die Anklageschrift unddadurch die Möglichkeit erhalten hatte, durch seinen Rechtsbeistandauthentische Feststellungen aus den Akten zu machen, hat der.Vor-wärts' den Irrtum der inkriminierten Notiz sofort richtig gestellt.Doch daS Strafverfahren ging seinen Gang.Barth, der augenblicklich eine Gefängnisstrafe, die er alsRedakteur erlitten hat, in Tegel absitzt, hatte sich gestern vor derersten Strafkammer des Landgerichts I auf die Anklage der B e-leidigung von Mitgliedern der Eisenbahn-direktionen Berlin und Breslau zu verantworten.Gleichzeitig faß aus derselben Ursache der Redakteur des Fachblattes»Die Eisenbahn', Schenk, auf der Anklagebank. Beide wurdenvom Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld vertreten.— BeideAngeklagte gaben den Irrtum, dem sie zum Opfer gefallen, zu, undverwiesen darauf, daß sie alles getan haben, was man billigerweisetun kann, um den irrtümlich Verletzten eine Ehrenerklärung zugeben.Der Erste Staatsanwalt S t e i n b r e ch t, der die Anklage ver-trat, blieb auch in diesem Falle seiner gewohnten Taktik treu. Erbenutzte diese recht harmlose Sache, um den.Vorwärts' und dieSozialdemokratie mit schwerem Geschütz zu bombardieren. DaßIrrtümer in Zeitungsberichten ganz alltägliche Erscheinungen undbeim besten Willen nicht zu vermeiden sind, daran denkt der ErsteStaatsanwalt einem sozialdemokratischen Redakteur gegenüber nicht.Der Erste Staatsanwalt behauptete, ohne mit der Wimper zu zucken,der„Vorwärts' werde alle Tage von seinen Berichterstattern an-gelogen. So seien auch in diesem Falle die höchsten Beamten derEisenbahnverwaltung durchunwahre, erfundene Angabenbeleidigt worden, lediglich deshalb, um die Eisenbahn-arbeiter gegen die Direktion zu verhetzen. SchwereBestrafung des Angeklagten Barth forderte der Erste Staatsanwaltund er begründete diese Forderung mit dem bekannten Schema, daser den.Vorwärts'-Redakteuren gegenüber in jedem Falle anwendet:Der.Vorwärts' hat eine sehr weite Verbreitung, ergenießt großes Ansehen in Arbeiterkreisen, deshalb wiegt eine durchden.Vorwärts' verbreitete Beleidigung ganz besonders schwer. Auch daSrechnet der Erste Staatsanwalt dem Angeklagten Barth als erschwerendenUmstand an, daß er nicht schon nach seiner ersten polizeilichenVernehmung eine Berichtigung gebracht habe. Einen MonatGefängnis beantragte der Erste Staatsanwalt gegen Barth, erfügte aber hinzu, falls das Gericht eine Geldstrafe für ausreichendhalte, möge diese recht hoch, nämlich auf b00 Mark bemessenwerden. Weil die Zeitung des Angeklagten Schenk nur wenig ver-breitet ist. hielt der Erste Staatsanwalt gegen diesen Angeklagteneine Geldstrafe von 200 Mark für daS richtige Maß.Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld unterzog die Rede deSStaatsanwalts einer gründlichen Kritik. Er sagte unter anderem:Die Ausführungen des Ersten Staatsanwalts hätten gezeigt, auswelchem Grunde in diesem an sich harmlosen Falle überhaupt An-klage erhoben wurde. Nicht auf den Inhalt des Artikels allein stützesich der Erste Staatsanwalt, sondern er sage, der Zweck desArtikels sei,die Eiscnbahnarbeiter in die Netze der Sozialdemokratie zu ziehen.DaS fei wohl der Grund, weshalb überhaupt Strafantrag gestelltwurde. Der Erste Staatsanwalt scheine mit den Eisenbahn-direktionen aus dem Standpunkt zu stehen, daß es unstatthaftsei. wenn die Sozialdemokratie für die Eisenbahnarbeiter eintritt.Aus diesem Grunde solle der sozialdemokratische Redakteur gettoffenwerden. Wenn eS sich nur um eine tatsächliche Richtigstellungde« Artikels handelte, dann hätten die Eisenbahndirektionendiesen Zweck durch eine Berichtigung erreichen können.Bürgerlichen Blättern gegenüber werde dieS Verfahren ein-geschlagen und die Sache sei damit erledigt. Gegen sozialdemo-kratische Redakteure aber werde mit Strafanträgen vorgegangen.Die tatsächlichen Unrichtigkeiten hätten die Angeklagten selbst zu-gegeben. Aber sie könnten nicht bestraft werden, weil sie in Wahr-nchmung berechtigter Jnteresien gehandelt hätten. Das folge ja ausden Ausführungen des Ersten Staatsanwalts, welcher sagte, derArttkel sollte auf die Eisenbahnarbeiter wirken. DaSBlatt deS Angeklagten Schenk habe lediglich die Jnter-essen der Eisenbahnarbeiter zu vertreten. Aber auch fürden Angeklagten Barth sei, wenn man sich auf denStandpunkt de? Staatsanwalts stelle, die Voraussetzungzur Anwendung deS§ 1S3 gegeben. Nach Annahmedes Ersten Staatsanwalts habe ja Barth den Artikel veröffentlicht,um die Eisenbahnarbeiter in die Netze der Sozialdemokratie zuziehen. Trifft da? zu, dann hat Barth als sozialdemokratischerRedakteur berechtigte Interessen wahrgenommen. Eskommt noch hinzu, daß die Kritik von Behörden zu denberechtigten Interessen jedes Staatsbürgers ge-hört. Aus diesen Gründen müssen beide Angeklagte freigesprochenwerden. Für den Fall einer Verurteilung sei eine geringe Geld-strafe ausreichend.Das Urteil des Gerichts lautete gegen Barth auf einenMonat Gefängnis, gegen Schenk auf 1(K> M. Geldstrafe.— ZurBegründung des ungeheuerlichen Urteils sagte der Vorsitzende, Land-gerichtSdirektor Schmidt, unter anderem: Die Mitglieder derEisenbahndirektionen seien beleidigt durch unwahre Behauptungen.Der Schutz des§ 1S3 stehe den Angeklagten nicht zur Seite.Den Angeklagten Barth gehe die im Artikel behandelte Angelegen«hett gar nichts an. DaS Gericht fei zu der Ueberzeugung ge-kommen, Barth habe wieder einmal Sensation machen wollen unddeshalb den Artikel veröffentlicht. Deshalb fei von einer Geldstrafeabgesehen und auf Freiheitsstrafe erkannt worden. Gegen den An-geklagten Barth spreche auch der Umstand, daß er nicht gleichnach seiner ersten Vernehmung, sondern erst nach Zustellungder Anklageschrift eine Berichtigung veröffent-lichte. DaS Blatt des Angeklagten Schenk vertretenicht die Interessen der Eisenbahner, sondern es seiein sozialdemokratisches Blatt. Deshalb könne auchdem Angeklagten Schenk nicht der Schutz des§ 193 zugebilligtwerden. Wegen der geringen Verbreitung feines Blattes sei Schenkmilder bestraft worden.Der Gerichtshof abgelehnt.Unmittelbar nach Beendigung der vorstehenden Sache sollte nochin einem zioeiten Falle gegen den Genoffen Barth vor dem-selben Gericht verhandelt werden. In diesem Falle handelte eS sichum einen Bericht über eine Verhandlung vor dem JnnungS-schiedsgericht, durch den sich ein Schmiedemeister Wedler be«leidigt fühlt.Vor Eintritt in die Verhandlung lehnte Rechtsanwalt Rosen-feld namens des Angeklagten den Gerichtshof wegen Befangenheitad. Er begründete den Antrag unter Hinweis auf das Urteil in dervorigen Sache und der Begründung desselben. In zehn Fällen habederselbe Artikel vor verschiedenen Gerichten unter Anklage gestanden.Kein Gericht außer dem gegenwärtigen habe auf Freiheitsstrafe er-kannt. Es seien Geldstrafen von 1<XZ— 200 M. und nur in einemFalle 500 M. verhängt worden. Ein Gericht, welches soweit wie dieseStrafkammer über den durch ständige Rechtsprechung gegebenen RahmendeS Strafmatzes hinausgeht, könne nicht mehr als un-befangen angesehen werden. Der Satz in der Urteils-bsgründung: Der Angeklckgte habe wieder einmal Sen-sation machen wollen, sei ein ebenso schwerer wie un-begründeter Vorwurf, der sich nur daraus erklären lasie, daß daSGericht dem Angeklagten nicht unbefangen gegenüber-stehe, denn der Artikel selbst biete nicht den geringsten Anhaltdafür, daß der Angeklagte Sensation machen wolle. Ein Wider«ruf der beleidigenden Behauptung sei bisher von den Gerichtenzugunsten des Angeklagten beurteilt worden. In diesemFalle sei eS dem Angeklagten erschwerend angerechnet, daß ererst widerrief, nachdem er die Tatsachen kannte. DaS alleS deutedarauf hin, daß daS Gerichtpolitisch voreingenommengegen den Angeklagten sei. Die Ablehnung deS Gerichts fei um somehr begründet, als es sich auch in dem vorliegenden Falle, ebensowie im vorigen.'um einen angeblich unrichttgen Gerichtsberichthandele.Nach diesem AblehnungSanttoge konnte das Gericht nicht über denzweiten Anklagefall verhandeln. Die Sache wurde deshalb vertagt.ZZus Induftne und ftandeLProfitmoral.Die in Hamburg domizilierende Calmon A. G.— Asbest« undGummiwerke— hat einem Teil ihrer Aktionäre eine große Ent-täuschung bereitet. Es muß saniert werden. Man sollte meinen,alle Aktionäre seien darüber aufgebracht, das trifft aber nicht zu.Es gibt eben noch Gemütsmenschen! Die Gesellschaft erlitt u. a.einen Verlust von ca.*l4 Millionen Mark, weil sie intensiv produ-zierte. Hohe Arbeitslöhne haben aber den Verlust nicht verursacht;er resultiert aus hausiemäßig in die Höhe getriebenen Material-preisen. Die Gesellschaft war nämlich so„vorsichtig', kein großesRohgummilager zu unterhalten, dann aber, als die Gumnnpreisewahnsinnig stiegen, große Posten zu kaufen und mit fieberhaftemEiser PneumattkS fabrizieren zu fassen. Ein großer Posten davonist noch zu haben. Daß man kotz der unerhörten Materialpreise dieProduktion steigerte, obwohl man die Verkaufspreise mit den Her-stellungskosten nicht in Einklang bringen konnte, muß man auch alseine seltene Gutmütigkeit ansprechen. Die Verwaltung sagt ganznaiv: weil unsere PneumattkS sich wachsender Beliebtheit erfreuen,haben wir die Erzeugung so enorm gesteigert.— DaS ist wirklichrührend, aber doch wenig erklärlich. Böse Leute wollen allerdingseine einleuchtende Erklärung für die Gutmütigkeit gefunden haben.Die„Z. a. M.' wirft die folgende boshafte Fragen auf:„Bezieht dieCalmon-Gesellschaft ihren Kautschuk von Firmen, deren Inhaber oderMitinhaber der Verwaltung oder der Bankverbindung der Calmon«Gesellschaft nahe stehen? Auf Westen Beranlastung sind die Kautschuk«Vorräte und Lieferungsabschlüsse so gering bemessen worden, daßdie Gesellschaft notwendig während der Herrschaft deS Kautschuk-CornerS einkaufen mußte? Warum mußten ausgerechnet währenddieses Kautjchuk-CornerS„Auf Lager'-Arbeiten von Pneumatiks inso exorbitanter Höhe vorgenommen werden, daß daraus für dieGesellschaft ein Verlust von etwa•/« Millionen Mark entstand?'Die Leser werden sich folgenden BerS auf die Fragen machen:Wenn Leute, die an dem Verkauf von Rohgummi stark inter-essiert sind, in der Verwaltung der Calmon-Gesellschaft direkt oderindirekt maßgebenden Einflciß ausüben, dann erklärt sich allerdingsdie sonst unbegreifliche Geschäftspraxis; auch ist eS nicht verwunder-lich, daß verschiedenen Akttonären die Sanierung gar keine großenSchmerzen bereitet. Den lindernden Balsam fanden sie beim Ver-kauf von Rohmaterial an die Calmon-Gesellschaft. die für sie nurein Stiefkind ist, das sie aus Eigennutz schlecht behandeln. Ob dieSache genau so sttmmt?_AuffichtSratSgeschafte.Nach dem Willen der Gesetzgeber sollen die Aufsichtsräte derdeutschen Aktiengesellschaften die Kontrollinstanzen dieser Betriebesein. In Wirklichkeit sind sie heute alles andere, nur dieS nicht.Die Banken schicken auf Grund ihrer Aktienmajoritäten Leute in denAufsichtsrat der Gesellschaften, damit sie dort die Bankeninterestenvertreten. DaS AufsichtSratSmandat gilt vielfach als Lohn für diverseGefälligkeiten. Ist doch fast stets, zumal bei den größeren Gesell«schaften ein solcher Posten mit ganz erheblichen Einnahmen ver-knüpft. Die Direktoren der Deutschen Bank, der AllgemeinenElektrizitätsgesellschast und anderer großen Institute spielen bei20, 30 und noch mehr Gesellschaften Aufsichtsrat und verdienen sonebenbei Jahr für Jahr Millionen an Tantiemen. Bei Krupp, inder A. E.-G., bei Loewe, in den großen Banken usw. amtieren aus-rangierte Minister und ähnliche Herren, die die verschlungenen Wegeder Regierungsdunkelkammern genau kennen.Die sogenannte„kleine' Finanzreform von 1903 unterwarf auchdie Vergütungen der AnfsichtSräte einer Steuer von 8 Proz. Befreitsind dabei nur die kleinsten Gesellschaften, die insgesamt wenigerals£>000 M. Tantieme zahlen. Die AnfsichtSräte der G. m. b. H.uüterstehen ebenfalls der Besteuerung. Für die bis jetzt abgelaufenenvier Fiskaljahre ergeben sich folgende Summen versteuerter Tan-tiemen resp. daraus erzielter Steuereinnahme.Gezahlte Tantiemen Steuerertrag1907/08... 62,77 Millionen Mark 4,21 Millionen Mark1908/09... 41,01„. 3,231909/10... 69,30„„ 4,741910/11... 6S.ZS„„ 6,23Man sieht, die armen Aufsichtsratsmänner müssen auch dieWirkungen der Konjunkturschwankungen fühlen. Was diese Herrenvon den eigentlichen Gewinnen der Gesellschaften einstecken, zeigteine amtliche Berechnung. Danach ergibt sich, daß die Aufsichtsräte1907/08 3,9 Proz. der Gesamtgewinne resp. 6,16 Proz. der verteiltenDividenden in ihre Taschen steckten� 1903/09 waren die Durch«schnittsziffern etwas niedriger, das lag an den allgemein geringergewordenen Dividenden.So sehen Millionenausgaben der Aktiengesellschaften aus, unterdenen so manche existiert, die über die ruinöse Sozialpolitik herz-zerbrechend lamentieren._Briefe, Telegramme und Telephone sind die drei Mittel deSGedankenaustausches zwischen räumlich getrennten Personen. Jenach der kulturellen Stufe und dem Volkscharakter haben nun diesedrei Verkehrsmittel in den einzelnen Ländern eine verschiedene Ent-Wickelung erfahren. Jnterestante Ergebnisse liefert in dieser Beziehungein Vergleich zwischen der alten und der neuen Welt. Es betrug imJahre 1907 die Zahl derEuropa Ver. Staatenüberhaupt in Proz. überhaupt in Proz.Briefe.... 14 612106 000 76.96 7102 704 800 38,27Telegramme.. 329 698 616 1,73 86 046 793 0,4«Telephongespräche 4 264 819 699 22,32 11372 606 063 61.27100,00 100,00In der alten Welt ist also der briefliche Verkehr bei weitemnoch die beliebteste Form des Gedankenaustausches, die mehr alsdreimal so oft gewählt wird wie die telephonische Verständigung,während der Amerikaner das schnellere und kürzere Telephongesprächvorzieht. Das Telegramm spielt in beiden Territorien eine ver-hältnismäßig untergeordnete Rolle. Ein richtiges Bild von derBenutzung der drei Verständigungsformen gewinnen wir jedoch erst,wenn wir die auf den Kopf der Bevölkerung entfallende Zahl vonBriefen, Telegrammen und Telephongesprächen mit einander ver-gleichen. Dann ergibt sich folgendes Bild: Es kommen auf denEinwohner in Europa Ver. StaatenBriefe..... 34,6 81,6Telegramme... 0,3 1,0Telephongespräche. 10,2 130,4Die gewaltige Ueberlegenheit der neuen Welt tritt aus diesenZahlen deutlich hervor. Es entfallen hier auf den Einwohner mehrals doppelt so viel Briefe, l'/j mal so viel Telegramme und über12 mal so viel Telephongespräche. Freilich ist dabei zu berück-sichtigen, daß in Europa auch noch sehr zurückgebliebene Länder inder Statistik mit enthalten sind. Ein Vergleich mit den Haupt-kulturländern— Deutschland, England, Frankreich— würde wohlein etwas günstigeres Bild für die alte Welt ergeben.SaatenstandSiericht der Preisberichtsstelle deS Deutschen Land-wirtschastSrats vom 1. Mai. Für die EntWickelung der Feldfrüchtewar die bis Mitte April andauernde rauhe Witterung verbundenmit scharfen Nachtfrösten und die bis in die letzten Apriltage an-haltende Dürre wenig förderlich. Erst nach dem am 27. April ein-getretenen Regen begannen sich die Saaten zu erholen, soweit dieSzur Zeit der Berichterstattung schon zu übersehen war. Der Winter-weizen hat auch die Unbilden deS April überstanden, wenn er auchnaturgemäß nur wenig Fortschritte machen kvnnte. Dagegen hatder April die Roggensaaten noch weiter verschlechtert und mancheUmpflügungen notwendig gemacht, die man Ende Märznoch zu vermeiden hoffte. Dies gilt indes nur für denWesten und Süden, während im Osten zwar auch vielfach überdünnen Stand geklagt wird, aber Umpflügungen doch nur in AuS-nahmefällen erforderlich waren. Bielfach sind die Roggensaaten beider heißen Witterung Mitte April hochgeschossen, aber die Neben-triebe nicht mitgekommen. Der Aufgang der Sommersaaten vollzogsich bei der trockenen Witterung vielfach langsam und unregelmäßig,doch ist ihr Stand im allgemeinen ein günstiger, soweit sich dieSschon beurteilen läßt. Auch die EntWickelung der Futterpflanzen warim April gehemmt, namentlich haben die Nachtfröste dem Klee nochweitere Schäden zugefügt und größere Uinpflügungen hervorgerufen.Die Wiesen zeigten bis Mitte April wenig Wachstum, haben aberseither gut angesetzt und sich nach dem Regen weiter gebessert.Soziales.Boykott erlaubt.Die vor kurzem ergangene Entscheidung des Königl. Sachs.Obcrlandesgerichts, nach der vom obersten sächsischen Gerichtshofder öffentliche Boykott als erlaubtes Kampfnttttel anerkannt undder den öffentlichen Boykott unter Strafe stellenden Polizeivcrord-nung die rechtliche Grundlage entzogen ist, hat bereits einen neueninteressanten Fall gezeitigt. An die Wellblechwände der Walther-brücke in Vorstadt Plauen hatte der Metalldreher Maake mittelsSchablonen in schwarzer Farbe die Worte angepinselt:„PlauenscherLagerkeller boykottiert!" Er hatte das hierzu erforderliche Werk-zeug, nämlich Pinsel und Farbe nebst Schablonen, von demBrauereiarbeiter Morgenstern erhalten. Gegen beide wurde An»klage wegen Sachbeschädigung und Ucbertretuug der ungeachtet derjüngsten OberlmcdesgcrichtSentscheidung noch nicht außer Kraft ge-setzten Pylizeiverordnung vom 29. Mai 1894 erhoben. DasSchöffengericht sprach beide von der Anklage wegen Sochbeschädi-gung frei, wegen Uebertretung der angezogenen Polizeiverordnung.den strafbaren Boykott betreffend, erhielten sie jedoch jeder 30 M.Geldstrafe. Die Staatsanwaltschaft legte hinsichtlich der Frei-sprechung wegen Sachbeschädigung Berufung ein, die Verurteiltenihrerseits machten ebenfalls wegen der Verurteilung wegen straf-baren Boykotts von dem Rechtsmittel der Berufung Gebrauch. Inder jetzigen Verhandlung vor dem Dresdener Landgericht zog dieStaatsanwaltschaft die von ihr eingelegte Berufung wieder zurück,so daß lediglich die Verurteilung toegen der Uebertretung der Po-lizeivcrordnung übrigblieb. Auch diese wurde auf Grund der in-zwischen ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden,nach der der öffentliche Boykott als erlaubtes Kampfmittel anzu»erkennen ist, vom Landgericht wieder aufgehoben und die Auge-klagten kostenlos freigesprochen.— Kurze Zeit vor der Entscheidungdes Sächsischen Oberlandesgerichts hatte das Landgericht Plauen ineiner Zivilsache die gleiche Rechtsauffassung vertreten. Auch hierhandelte es sich um eine Brauerei, deren Arbeiter streikten. Auchhier waren die Arbeiter öffentlich aufgefordert worden,„so langeanderen Bieren den Vorzug vor dem Biere der bestreikten Brauereizu geben, bis deren Betriebsleitung die Maßregelung zurücknehmeund den Arbeitern freies Koalitionsrecht einräume". Die Brauereihatte infolgedessen gegen die gewerkschaftlichen Organe eine einst-wcilige Verfügung ausgebracht, durch welche ihnen unter Androhungeiner Strafe bis zu 1500 M. für jeden Zuwidcrhandlungssall ver-boten wurde,„in Wort oder Schrift dritte Personen, insbesonderedie organisierte Arbeiterschaft, aufzufordern, den Genufz der Biereder Antragstellerin zu unterlassen. Diese Verfügung hat dasLandgericht Plauen aufgehoben und hierbei den Grundsatz aufge-stellt:„Der Boykott ist im wirtschaftlichen Kampf zwischen Arbeit-geber und Arbeitnehmer nicht als ein schlechthin unerlaubtes, gegendie guten Sitten verstoßendes Kampfmittel anzusehen. Er kannaber rechtswidrig und sittlich verwerflich werden, wenn der erstrebt«Zweck als berechtigtes Ziel nicht anerkannt werden kann oder wenndie Kampfesart und die Kampfesmittel sich nicht in den GrenzendeS Rechts und der Sittlichkeit hallen".