Bei stellte sich heraus, daß auf eine amtliche Anfrage desReichsversicherungsamtes der Magistrat berichtet. hatte, be-sondere Mißstände seien ihm bei den ihm unterstellten Kranken-lassen nicht bekannt geworden, aber er habe den Eindruckgewonnen, daß in Braunschweig die Arbeitnehmer ihren Einfluß benützten, sozialdemokratische Gesinnungsgenossen in diebesoldeten Krankenkassenposten zu bringen und andersgesinnteAngestellte daraus zu entfernen. Im Reichstage habeMinisterialdirektor� Caspar den Vordersatz verschwiegen undnur den Nachsatz angeführt.Als nun die sozialdemokratischen Stadtverordneten wissenwollten, wie denn der Magistrat zu seinem Eindruck ge-kommen sei, wußte dieser nicht mehr zu sagen, alV daß erermittelt hätte, daß in der Krankenkasse für das Handels-gewerbe von d?» vier Beamten zwei politisch nnd gewerk-schaftlich organisiert seien. Von der Metallarbeiterkranken-kasse habe der Magistrat auch den Eindruck, daß Sozial-demokraten bei der Besetzung der besoldeten Stellen be-borzugt würden, aber die Ermittelungen seien erfolglosgeblieben.Das also war das Material, das den sozialdemokratischenTerrorismus in den braunschweigischen Krankenkassen beweisensollte und das Ministerialdirektor Caspar dem Reichstage alsBeweismaterial auszugeben sich nicht scheute. Das schönsteaber ist die Art, wie sich der Magistrat seine Eindrücke ver-schaffte. Er wandte sich an die Polizei und diese beauftragteihren Spezialisten in Arbeiterbeschnüffelung, einen Oberwacht-meister Schulze, mit der Ermittelung. Schulze berichtete dann,daß er den Eindruck habe, daß die Sozialdemokraten bevor-zugt würden usw. Dieser persönliche, subjektive Eindruck einessubalternen Polizisten war das ganze Material, das mandem Reichstage als Tatsachenbeweis anzuführen wagte.Man hätte nun annehmen sollen, daß die braunschweigischeRegierung beschämt schweigen würde, aber das tat sie nicht.sie ließ am Montag durch den Gesandten und Bundesrats-bevollmächtigten Boden im Reichstage eine Erklärung ab-geben, die die Handlungsweise des Magistrats rechtfertigensollte. Der Magistrat hätte ja sein Urteil nur in der Formvon Eindrücken abgegeben. Diese Eindrücke aber halte eraufrecht.Herr Boden scheint gar nicht gefühlt zu haben, was erdamit sagte. Eine Aufsichtsbehörde soll einem Reichsamt überMißstände in den Krankenkassen berichten. Mißstände sindnicht bekannt geworden, um aber doch im gewünschten Sinnezu berichten, macht sie sich die subjektiven, aus der Luft ge-griffenen Eindrücke eines Polizisten zu eigen. Nnd einBundesratsbevollmächtigter hat den Mut, ein lediglich aufEindrücken ruhendes Urteil zu verteidigen.Man muß sich dieses Beispiel wohl merken, wenn derReichsverband mit Flugblättern kommt, in denen behauptetwird, der sozialdemokratische Terrorismus in den Kranken-kassen habe die Aushebung der Selbstverwaltung notwendiggemacht.________Die Osboroe-Qorlage.London, 31. Mai.(Eig. Ver.)Der zweiten Lesung der Osbornevorlage wurde im Unter-hause ein sehr kühler Empfang bereitet. Die Regierung weiß,daß ihre Vorlage den Gewerkschaften nur ein elendes Surro-gat bietet: ihre Wortführer bemühten sich daher, in einemrecht versöhnlichen Tone zu reden und den Gewerksck)aftenArtigkeiten zu sagen. Der Minister Churchill ging sogarso weit, den konservativen N i ch t e r n. die die Gewerkschaftsbewegung in den letzten Jahren heftig angegriffen haben,Parteilichkeit vorzuwerfen, was auf den konservativenBänken zu einem großen Tumult Anlaß gab.Er vergaß natürlich zu erwähnen, daß liberale Richterim Verein mit konservativen Richtern das berüchtigte Klassen-urteil zugunsten Herrn Osbornes und seiner Hintermännergefällt haben. Aber die Freundschaftsbeteuerungen der Re-gierung machten auf die Arbeiterparteiler keinen merklichenEindruck. Sie erklärten sich bereit, für die zweite Lesung derVorlage zu stimmen, da sie glaubten, die Vorlage in derKomiteeberatung in einer Weise umgestalten zu können, daßden Gewerkschaften ihre früheren politischen Rechte wieder-gegeben werden.Es ist aber sehr schwierig anzugeben, auf welche Weise einKompromiß zwischen der Regierung und der Arbeiterparteiherbeigeführt werden könnte. Die Arbeiterpartei verlangtdie gänzliche U m st o ß u n g des Osborneurteils und dieEinsetzung der Gewerkschaften in ihre alten Rechte. Sie stehtaus dem Standpunkt, daß die Gewerkschaften nicht allein be-rufliche Interessen zu vertreten, sondern auch politische Auf-gaben zu erfüllen haben. Man kann diese Anschauung überdas Wesen der Gewerkschaften teilen oder verwerfen: eineMittelstellung läßt sich schwer einnehmen, wenn man logischbleiben will. Aber gerade diese Mittelstellung hat die eng-lische Regierung gewählt. Sie erkennt das Recht der Gewerk-fchaften. sich politisch zu betätigen, an, will aber den Gewerk-fchaften als politischen Körperschaften nicht dieselbe Autonomiezugestehen, die diese Organisationen als berufliche Vereini-gungen genießen. Als berufliche Vereinigungen baben dieGewerkschaften das Recht, die Minderheit der Mitglieder ZurBeobachtung der von der Mehrheit gefaßten Beschlüsse anzu-halten, so verwerflich der Minderheit die Beschlüsse auch vor-kommen mögen. Als politische Organisationen sollen die Ge-werkschaften dieses Recht nicht besitzen. Die OSbornebill legtdiesen Grundsatz in der Weise fest, daß sie bestimmt: Gewerk-fchaften können sich politisch betätigen, müssen aber zu diesemZwecke einen besonderen Fonds schaffen, für den kein Mit-glied, das sich weigert zu zahlen. Beiträge zu entrichtenbraucht. Die Mehrheit der stimmenden Miffstieder einer Gc-werMhaft kann nach dieser Vorlage zum Beispiel beschließen,einen politischen Fonds anzulegen: alsdann werden sich nichtallein die Minderheit und die indifferenten Mitglieder, son-dern auch die Mitglieder der Mehrheit der Zahlung des be-fchlossenen Beitrags entziehen können. In der Praxis würdediese Bestimmung das zugestandene Recht zur politischen Be-tütigung illusorisch machen. Denn die Zahl der organisiertenArbeiter Großbritanniens, die sich mit Eifer in den politischenKampf ihrer Klasse werfen, ist doch noch sehr gering. DieAbstimmungen der Gewerkschafter über politische Fragenzeigen dies deutlich. So beteiligten sich zum Beispiel voreinigen Jahren von den 107 000 Mitgliedern der Gewerk-schaft der Maschinenbauer nur 7166 Mitglieder an einer Ab-stimmung, die die Sammlung eines politischen Fonds zumGegenstand hatte. 2000 von ihnen stimmten gegen den Vor-schlag. Gewiß muß in Betracht gezogen werden, daß diejugendlichen Mitglieder, die Mitglieder, die die Gewerkschaftin anderen Ländern besitzt und manche andere bei dieser Ge-legenheit nicht stimmen konnten:«her seihst wenn man allesdies berücksichtigt, kann man nicht zu der lMerzeugung ge-langen, daß sich die Maschinenbauer, die doch zu den in-telligentesten Schichten des Proletariats gehören, sich lebhaftfür die selbständige politische Vertretung der Arbeiterklasseinteressieren. Unter diesen Umständen wjrd es jedermanneinleuchten, daß die Regierungsvorlage wenig geeignet ist, diefinanziellen Schwierigkeiten zu beseitigen, in die das Os-borncurteil die Arbeiterpartei gestürzt hat.Ein weiterer Mangel der Vorlage ist das Fehlen einerBestimmung, die das Gesetz rückwirkend macht. Durchdie gegen die Gewerkschaften auf Grund des Osborneurteilserlassenen Jnhibitionsöefehle sind große Summen, die fürpolitische Zwecke gesammelt worden waren, lahmgelegt wor-den. Gelingt es nicht, diese Summen frei zu machen, so scheintdas Unternehmen, die Finanzen der Arbeiterpartei inOrdnung zu bringen, fast hoffnungslos. Vielleicht hält dieRegierung mit diesem Trumpf zurück, um die Arbeiterparteischließlich zur Annahme ihrer Vorlage zu bewegen.politifcbe ücbcrlichtBerlin, den 2. Juni 1911.Der Flottenrummcl zu verfrüht!Die„Deutsche Tageszeitung" hak binnen48 Stunden eine sonderbare Schwenkung vollzogen. Nachdemsie erst die Resolution des Flottenvereins, die den Bau vonsechs neuen großen Kreuzern gefordert hatte, als befreiendeTat gepriesen, veröffentlicht sie jetzt eine ihr von«geschätzterSeite" zugegangene Zuschrift, die also lautet:„Unbeschadet des sachlichen Gewichtes, das die Ausführungendes Großadmirals von Kocster über den Kreuzerbau haben, mußdoch folgendes festgehalten werden: Wenn auch die vom Deut-schen Flottenvereine aufgestellte Forderung sich äußerlich imRahmen des Flottengesetzes hält, so darf nicht übersehen werden.daß seit dem Beginne der D r ea d n o u g h t Periode die Kampf-kvast der großen Schiffe in einer Weise verstärkt worden ist, daßwir eS tatsächlich mit ganz anderen Objekten zu tunhaben, als sie seinerzeit im Flottengesetz vorgesehen waren. Seit-her hat jedenfalls auch die Qualität der Schiffe gegenüberihrer Fahl die größere Bedeutung erlangt; und naturgemäßist auch die Rückwirkung dieser technischen Veränderung aufdie finanzielle Seite des Flottenausbaues eine auherordent-lich große. Wenn ferner gesagt wurde, daß die Regierungdie sachlichen Ausführungen des Großadmirals von Koester alsrichtig anerkennen werde, so hat doch andererseits der Staats-sekretär des RcichZmarineamtS auf das deutlichste zu erkennengegeben, daß er die gegenwärtigen Dispositionen unseres Flotten-auSbaues für ausreichend hält. Das ist offenbar mit Rücksichtauf die eben angedeuteten Gesichtspunkte geschehen."Aber nicht genug damit. Das Oertel-Organ sagt oben-drein zu dieser Zuschrift:„Mit diesen Darlegungen könnenwir uns durchaus einverstanden erklären." Einrascherer Stimmungsumschlag ist wohl noch nicht in einemBlatte, das politisch ernst genommen werden will, dagewesen.Aber sicherlich erklärt sich dieser jähe Umschwung wenigeraus über Nacht gekommener politischer Einsicht, als vielmehraus dem Wunsche, dieKartennichtallzufrühauf-zudeckenunddieOeffentlichkeitnichtnochvorden Reichstagswahlen durch die neuenFlottenprojekte zu beunruhigen! Nach denReichstagLwahlen kann man ja dann eine neue Schwenkungvollziehen. Die„Deutsche Tageszeitung" wird dann schonirgendeine Ausrede finden.Auch Herr Erzberger wendet sich mit großer Schärfegegen den Vorstoß des FlottenvereinS. Er schreibt in der„sRärk. Volkszeitung":„Daß einem neuen Flottengesctz mit diesen vermehrtenErsatzbauten der Einwand: Schraube ohne Ende! entgegen-gehalten werden kann, liegt auf der Hand. VermehrteSckiffsbauten müssen obendrein die ruhige internationale Ent-Wicklung stören und gerade heute sind sie eine Gefahr für denWeltfrieden, keine erhöhte Sickserung desselben. Warum?Dutzendmal hat unsere Regierung gegenüber eng-lischen Stimmen erklärt, daß unser Flottenbaupro-grammvorallerWeltoffenliege.daßwirnichtsverheimlichen und daß wir uns genau an diesesProgramm hielten, es enthalte die für unö erforderlich«Risikoprämie gegen fremde Angriffe; nur zu unserem Schutzeund unbekümmert um fremde Rüstungen sei das ganze Gesetzaufgestellt. So beginnen sich die Wogen in England zu glätten;aber allseitig sagte man sich in dem Jnselreiche: Daö JahrISIS wird der Prüfstein für die deutschen Wort«sein; da müssen die Deutschen weniger bauen, wenn sie ihreFriedensworte wahr macbe» wollen. Die ruhig denkendenEngländer redeten ihrem Volke zu, daß es Deutschland Glaubenschenken solle. Dakommtnun derFIotten verein miteiner ganz unglaublichen politischen Toll-p a i s ch i g k e i t. Er e r s ch ü t t e r t durch seine Resolution denGlauben andaSgegebenedeutscheWort und erschwertso die gesamte internationale Lage. Wer auf eingutes Verhältnis zu England nur ein wenig Wert legt, muß dahersagen, daß der Flottenverein trotz des Rahmens von Protektorenund Seeoffizieren ein rein privater Verein ist, und wennHerr von Tirpitz m i t hörbarem Ruck jetzt vomFlottenvcrein weiter abrücken würde, wäredieSderbesteerneuteBefähigungZnachweiKsürseine diplomatischen Fähigkeiten. Nicht falscheRücksicht oder Schwäcke diktiert dies« Worte, sondern das Be-streben, daß man im Ausland dem deutschen Wort glauben undvertrauen darf."«Herrn ErzbergerS Argumente sind so durchschlagend, daßes ganz undenkbar sein sollte, daß das Zentrum für die Plänedes Flottenvereins zu gewinnen wäre. Aber Herr Erzbergerhat ja schon gegen so manches gewettert, was das Zentrumnachher doch getan hat. Man braucht sich nur an die famosenErzbergerschcn Wahlbroschüren zu erinnern, in denener gegen jede neue indirekte Steuer donnerte. Und als cszun, Klappen kam, machte das Zentrum mit den Konscr-vativen zusammen die skandalöse Reichsfinanzreform desSchnapsblocks! Die Kriegserklärung des Herrn Erzbergerbietet also nicht die geringste Gewähr für das spätere Fest-bleiben des Zentrums. Immerhin verdienen sowohl seineAuslassungen als auch die der„Deutschen Tageszeitung" demGedächtnis eingeprägt zu werden, um sie später mit denTaten des Schnapsblocks vergleichen zu können IDas konservativ-freisinnige Stichwahlabkommen.Das„Verl. T a g e b l." bedauert nochmals das in Naum»biirg-WeißenfelS-Zeitz yetroffene Slicbwoblabkommen zwischen Frei»sinnigen und Konservativen, bemerkt jedoch dem.Vorwärts" gegen«über, daß aus diesem an sich bedauerlichen Vorkommnis nicht ohneweiteres ein Rückschluß auf die Haltung der fortschrittlichenVolkspartei gezogen werden könne. Wir möchten demgegenüberdas„Berk. Togebl." darauf auftnerksam machen, daß gerade imRegierungsbezirk Merseburg sowohl bei der letzten als auch bei denfrüheren Wahlen der Freisinn ganz allein den höchstenGrad von politischer Charakterlosigkeit bewiesenhat. So wurde 1903 in Bitterfeld-Delitzsch durch die Unterstützung' des Freisinns der Wahlkreis an den Reichsparteiker aus-geliefert. Im Jahre 1907 verzichtete der Freisinn, der 1903 5338Stimmen erhalten hatte, von vornherein auf jede Svnderkandidaturzugunsten eines nationalliberalen Kandidaten.Diese liberalen Stiminen ginge» dann bei der Stichwahlvollzählig auf den Reichsparteilcr über! ImWahlkreis Querfurt-Mcrscburg stimmten bei der Stich-wähl 6990 Freisinnige für den konservativen Kandidaten!In beiden Kreisen wäre der Sozialdemokrat gewählt worden, wennder Freisinn sich nicht zur Reaktion geschlagen hätte!Nicht nur in Weißenfels-Zeitz, sondern auch in den beiden ge-nannten Wahlkreisen, sowie in Sangershauseu-Eckertsberge wärealso bei den nächsten Wahlen der Reaktion die Niederlage sicher,wenn der Freisinn nicht wiederum jämmerlichen Verrat übte. Allewirklich freisinnigen Kreise würden sich deshalb ein Verdienst er-werben, wenn sie mit der gebotenen Rücksichtslosigkeit recht-zeitig gegen dergleichen konservativ-freisinnige SchachermacheienProlest erWen!_Ironie.'Herr Professor v. LiSzt, der verdiente Gelehrte, de? in derDubrowSki-Debatte im Abgeordnetenhause durch seinen unglaublichenOptimismus den Freisinn so arg kompromittiert hatte, soll nun nacheiner Mitteilung der.Liberalen Korrespondenz' in einer Char-lottenburger Versammlung erklärt haben, daß er fernen Dank anden Minister„ironisch" gemeint habe. Selbst da?.Verl. Togebl."kann sich der Bemerkung nicht enthalten, daß aus dem Parlaments-bericht der ironische Charakter der Rede nicht zu erkennen wäre.Wir können hinzufügen, daß schwerlich auck nur ein einziger Ab-geordneter, der Obrenzeuge dieser Dankergüsse war, die ironischeAbsicht des Herrn Professors gemerkt hat. Wer denkt nicht vielmehrbei der nachträglichen Erklärung des Herrn von Liszt an dieWorte Heines:„Ehemals, liebes Kind, wenn jemand eine Dummheitbeging, was war da zu tun? Das Geschehene konnte nicht un-geschehen gemacht werden und die Leute sagten: der Kerl war einRindvieh. Das war unangenehm... Die Not war groß, bis endlich einrückwirkendes Mittel erfunden ward, wodurch man jede Dummheitungeschehen machen und zugleich in Weisheit umgestalten kann.Dieses Mittel ist ganz einfach und besteht darin, daß man erklärt,man habe jene Dummheit bloß aus Ironie begangen und ge-sprachen."Immerhin ist eS erfreulich, daß Herr Professor v. L,Szt zetztwenigstens eingesehen hat, daß sein Verhalten in der Dubrowsli-affäre einer nachträglichen Korrektur bedarf.Unzufrieden mit der Reichsversicherungsorduungist auch die w ü r t t e m b e r g i s ch e Regierung. In derZweiten Kammer erklärte am Donnerstag Minister v. Pischekbei der Beratung des Etats des Innern, die Organisation derKrankenkassen, wie sie schließlich vom Reichstag gestaltet wurde,habe die württembergische Regierung nicht befriedigt. DieRegierung sei davon ausgegangen, daß die Beiträge von denArbeitgebern und Arbeitnehmern halbiert würden. Zu dieserStellungnahme habe sie die Erwägung bestimmt, daß sich eingroßes Mißtrauen in weiten Kreisen geltend gemacht habe, dadie überwiegenden Zwcidrittel der Arbeitervertreter im Vor-stände ihre Macht nicht ganz sachgemäß angewandt hätten.Deshalb habe die Regierung die Hälftelung vertreten. Auchhätte er cs für wünschenswert gehalten, die Altersgrenze von70 auf 65 Jahre herabzusetzen; aber aus finanziellen Rück-sichten sei dies unmöglich gewesen.— Den Beweis für die„nicht ganz sachgemäße" Machtanwendung der Kassenvorständeist Herr Pischek natürlich schuldig geblieben.Gegen Fortführung der Sozialpolitik.Das elende Machwerk der Reichsversicherungsordnungsoll jetzt gar noch als Vorwand dienen, künftighin derSozialpolitik Halt zu kommandieren. In der„Magdeb.Ztg." schreibt Herr Dr. Stresemann. der Unternehmer-sekretär und nationalliberale Reichstagsabgeordnete, nachdemer der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß im Herbst diePcnsionsversicherung der Privatangestellten vom Reichstagnoch erledigt werde:.Man wird der deutschen Volkswirtschaft eine Spanneder Ruhe gönnen müssen, um sich in diese neuen sozial-politischen Verhältnisse hineinzuleben, sie zu ertragen und sie zuüberwinden, denn die Forderungen, die durch diese Gesetzeswerlegestellt wurden, sind nicht nur für die Arbeitgeber, sondern auchfür die Arbeitnehmer eine beträchtliche neue Last, die nun nichtohne weiteres in sozialpolitischen Experimentenweiter fortgesetzt werden kann, ohne vielleicht auf beiden Seitendie Grenze des Erträgliche» zu überschreite n."Also diese Spottreform, die selbst der dritigeiidsteu Ver-besserungen entbehrt, soll auf lange hinaus der Schluß-st e i n der Sozialpolitik sein I Und das sagt nicht einer deroffenen scharfmacherischeii. sondern einer der„sozialpolitischinteressierten" Nationallibcralcn l Man wird sich für dieWahlen diese Absage an die Fortführung der Sozialresormwohl zu merken haben._Eine Rcichsvcrbands-Ente.Die.Korrespondenz des ReichsverbandeS gegen die Sozial-demokratie' vom 23. Mai 1911 enthält u. a. einen Artikel mit derNeberschrift:.Ein bemerkenswertes Zugeständnis". Es wird darinbehauptet, der deutschen Sozialdemokratie sei eö.bekanntlich" sehrpeinlich, daß Deutschland in der sozialpolitischenGesetzgebung allen übrigen Kultur st aaten weitvoraus sei: damit sei ihrem wirksames Agitati onSmittelaus der Hand genommen. AuS diesem Grunde hätten die deutschenGenossen auf internationalen Kongressen die ausländischen Partei«Vertreter schon sehr oft aufgefordert, endlich ihr« volle Krafteinzusetzen, um eine Deutschland ebenbürtigeSozialgesetzgebung zu erreichen. DieS Ziel werdevon der Sozialdemokratie aber nicht etwa verfolgt, damitdie arbeitende Bevölkerung in den ausländischen Staatenin den Genuß der Wohltaten einer großzügigen Arbeiter-schütz- und VcrsicherungZgesetzgebnng gelange, sondern nur— wieder frühere sozialdemokratische ReichstagSabgeordnete Fräßdorf.der Vorsitzende deS Verbandes der Ortskrankenkassen Deuticklandö,in einer Versammlung in Nadeberg bei Dresden(lt..Leipz. NeuesteNachrichten" vom 9. August 1910) hervorgehoben habe— damitendlich im Politischen Kampfe tu Deutschland dieewigen günstigen Vergleiche niit dies«» auSlan-discken Staaten ausgeschaltet werden könntemSo der Reichsverband. In Wahrheit hat Gen--sse Fraßdorfselbstverständlich etwas ganz anderes gesagt. Genosse Frändort teiltunS dazu mit: Dresden, den SO. SKai 1911...J» habe in meiner Radeverger N-de miSgeführt: Es.strichtig, daß die Brbeiterversickierung in Deutschland emen größerenUmfang hat. als in andere» Ländern, in denen nllerdmgs eimgeZweige der Versicherung besser eniwickelt sind als be> uns. Wirsind auch auf iineruativnalen ArbeiterverficherungSkongrenen dafüreingetreten, daß man im Auslände schneller folge.»DannhörRüi* C � Ich" habe" die reichSverbändlerische Verdrehung schon im„Grenz-blatt" in Sebnitz i. Sachsen bcrichtizcn wollen. Das Reich»-