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Verbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie Versamm- lungen abhalten wird i die Gemeindevorstände sollten zum Besuch der Versammlungen einladen und selbst daran teilnehmen, Am 30. Mai erhielten die Gemeindevorstände ein Rund- schreiben, das vom Landrat unterzeichnet war, in dem auf die Gefahren der immer mehr erstarkenden Sozialdemokratie hin- gewiesen wurde. In dem Schreiben wurde besonders betont, daß die Sozialdemokratie jetzt auch die Landarbeiter auf ihre Seite zu ziehen sucht. Zur Bekämpfung der Sozialdemo- kratie sollten sich die Interessenten zusammenschließen zu diesem Zwecke wurde eine vertrauliche Versammlung für Frei- tag, den 2. Juni nach Drethem einberufen. Dieses Schreiben an die Gemeindevorstände hatte dieselbe amtliche Form, wie die sonst üblichen amtlichen Schreiben. Zwar soll ein preußisches Landratsamt ein vollständig unpolitisches Institut sein, aber die Bekämpfung der Sozialdemokratie und ebenfalls des Freisinns, dort wo er vorhanden, scheint mit zu den amt- lichen Beschäftigungen des Landrats zu gehören. Was amtlich ist, kann nicht politisch sein, also hat der Minister recht. Die preußischen Landräte treiben als solche keine Politik. Die Sozialdemokratie wird auch den Landrat noch zu ertragen wissen, selbst wenn er Arm in Arm mit den Wahrheitssuchern des Reichsverbandes anrückt. Kirchlich-sozialer Kongreß. Der Kirchlich-soziale Kongreß, dessen Vater Adolf Stöcker ist, hielt vom 6. bis 8. Juni seine alljährliche Tagung, es war die sechzehnte, in Nürnberg ab. Die Tagung war fast ausschließlich von Theologen beschickt, nur einzelne christliche Arbettwsekretäre und sonstige Interessenten waren anwesend. Unter den zahlreich ein- gelaufenen Zuschriften waren solche vom ReichZmarineamt, vom Kolonialamt, von verschiedenen Handelskammern und vom Reichs- versicherungsamt. Die Eisenbahndirektion Nürnberg war durch einen Beamten vertreten. Selbst der ehemalige bayerische Minister, jetziger Musteraufsichtsrat Herr v. Crailsheim , der neben seiner Minister- Pension noch ganz ungewöhnlich hohe Tantiemen sBadische Anilin) bezieht, hat den Kongreß antelegraphiert. Auf der Tagesordnung standen Referate über:Theologie und Kirche", Referent Dr. Hün- zinger-Erlangen ;Die soziale Lage der Schauspielerinnen", Referent Pfarrer Hans Ellger- Leutringhausen;Staatsarbeiterverbände". Referent Karl Hoser-Elberfeld. Ferner:Die Heimarbeiterbewegung", Referentin Frl. v. Kurbel-Döberitz, undDie soziale Bedeutung des Mittelstandes", Referent Dr. Wienbek, Syndikus der Handelskammer Hannover . Vertreter des Evangelisch-sozialen Kongresses(Harnak) und des Evangelischen Bundes versicherten, daß sie im Grunde die gleichen Ziele als der Kirchlich-soziale Kongreß verfolgen. Man versicherte in den Begrüßungsreden, daß man durch gemeinsame Arbeit den Gegner" überwinden(Damit meint er mir!" können mit Wrangel die Sozialdemokraten sagen.) und der todkranken Zeit Heilung bringen werde. Dr. v. Seeberg-Derlin zitirte bei anderer Gelegen- heit ein Wort Höckels, das vielleicht hier pastend ist. nämlich:Erst Venn eS Abend wird, beginnt die Eule ihren Flug". Militärjustiz« Nm 1. April b. I. hatten die Kanoniere Wilhelm Seidel, Johann Riedel und Adam Hörath der 2. Batterie des 10. Bayerischen Feldartillerie-RegintentS in Erlangen bis nachts 12 Uhr Urlaub. Beim Nachhausegehen, kurz bor 12 Uhr, wurden Riedel und Hörath auf dem Kasernenhofe durch den Trompeter Unteroffizier Becker angehalten, weil sie sangen. Die Soldaten waren etwas an- getrunken und reagierten nicht sogleich auf den vom Unteroffizier gegebenen Befehl, ruhig zu sein. Der Unteroffizier Becker befahl hierauf barsch, die Leute mögen mit auf die Wache gehen. Die» hörte Seidel, der eben dazu kam. Seidel, der eben- falls angetrunken war, rief den Kameraden zu:Wir gehen nicht mit» wir kneifen aus I" Hierauf liefen die Soldaten in die Kaserne. Unteroffizier Becker ging den Leuten nach und traf in der Kaserne auf Riedel, den der Unteroffizier das Seitengewehr abnehmen wollte. Riedel wollt« dies verhindern. Das war Widerfetzung. Seinen Rainen hatte Riedel dann anstandslos angegeben. Inzwischen kam Seidel wieder dazu, faßte den Unteroffizier an einen Knopf des Waffenrocks. und sagte in kameradschaftlichem Ton:Was wollen Sie eigentlich. glauben Sie. ich, als alter Mann, bin auch so dumm", danach fügte Seidel hinzu Parole 18» und machte dabei, an die Mütze greifend eine ironische Verbeugung. DieS war alles, dem Unteroffizier wurde kein Haar gekrümmt. Dafür bekam Seidel wegen Auf- Siegelung, Widerfetzung, Achtungsverlctzung und Bedrohung S Jähre Gefängnis. Riedel bekam wegen Ungehorsam und Widersetzung IJahr 3 Monate Gefängnis; Hörath wegen Ungehorsam und Achtungsverletzung 28 Tage strengen Arrest. Die Strafen sind so ungeheuerlich, daß jederKommentar Überflüssig erscheint. Oer EJukktanck in Mbanien« Die optimistischen Hoffnungen, die namentlich in Deutsch » land. an das Regime der Jungtürken geknüpft werden, stellen sich immer mehr als eitel heraus. Das hat für den Nichts UeberraschcndeS, der sich die ungeheueren Schwierigketten ver» gegenwärttgt hat, mit denen die Begründung einer modernen zcairalisierten Staatsmacht in der national und konfessionell zerklüfteten Türkei mit ihren einander befehdenden Stämmen. die auf den verschiedensten Stufen der ökonomischen Ent- Wickelung vom Nomadentum bis zum Kapitalismus stehen, zu kämpfen hat. Je mehr aber die inneren Wirren zunehmen« desto mehr wächst auch die Gefahr auswärtiger Interventionen. Der jüngste russische Vorstoß schou hat bewiesen, daß die Diplomaten des Zarismus die Zeit ge­kommen glauben, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumengen. Und nun meldet sich auch der ö st e r- reichische Imperialismus zum Wort. In einem Artikel desFremdenblatts", dem Organ des Auswärtigen Amtes heißt es: Die ernsten Nachrichten, die auS Albanien käwen, seien gc- eignet, die Hoffnungen herabzustimmen, daß diesem Lande nach zwei Jahren endlich die Wohltat des Friedens beschieden werde. Die türkische Regierung habe die Unterstützung, welche die mohamedanischen Albanesen der Begründung des kon- stitutionellen Regimes leisteten, mit Undank gelohnt. Dies habe zum Ausstande>m Frühjahr IStv geführt. Die Art der Unter- drückung und die darauf eingeleitete Entwaffnungsaktion hätten den Boden für die gegenwärtige Erhebung vorbereitet. Schon angesichts der unnötigen Härten jener vorjährigen Regierungsaktion in Albanien habe die österreichisch- ungarische Diplomatie auf den zweifelhaften Wert einer Unternehmung aufmerksam gemacht, deren Erfolg nicht die Unker- werfung des albanesischen Geistes unter den türtischen Staats- gedanken, sondern nur das grollende Ver st um in en einer Nation sein konnte, mit deren Treue der Bestand der europäischen Türkei verknüpft sei. Dennoch halle die türkische Regierung dem neuerlichen Ansstande der Albanesen gegenüber an der Methode s ch o n u n g S l o s e r E n e r gi e fest. Vielleicht werde die jetzt gemeldete Bewegung unter den Miriditen dazu bei- tragen, daß das Konsiantinopeler Kabinett endlich die Zweck- Widrigkeit feiner albanesischen Politik und die guten Absichten der wiederholten Ratschläge Oesterreich-UngarnS erkenne. Die besondere Eigwart der albanesischen Stämme erheische«ine besondere Be-. Handlung im Sinne einer aufgeklärten und wahrhaft liberalen Regierung. Das albanesische Volk dürfe nicht gebeugt, sondern müsse versöhnt werden. Die Hebung des wirtschaftlichen Wohlstandes fei das beste Mittel, um Albanien an das osmanische Reich zu schmieden. Das lebhafte Jnteresie, mit welchem die öffentliche Meinung in Oesterreich-Ungarn die letzten Peripetien der türkischen Politik in Albanien verfolge, entspreche nicht nur den guten Ge- sinnungen der Monarchie für das osmanische Reich, sondern auch ihren alten Sympathien für die Albanesen aller drei Konfessionen, insbesondere auch noch dem Pro tek« torate, das sie über den Katholizismus in Albanien ausübe. Wenn Oesterreich-Ungarn auch die albanesische Frage immer für eine innere Angelegenheit der Türkei erklärt habe, so berechtigten doch der Wunsch nach dem Fortbestehen der europäischen Türkei und die traditionellen Beziehungen zu den Albanesen die Diplomatie der Mon- archie, ihre Ansicht über eine Politik zu äußern, die zu u n h a l t- baren Zuständen geführt habe. Der Ton, der hier angeschlagen wird, unterscheidet sich in seiner Schärfe kaum von dem der russischen Note. Und die Einmengung Oesterreichs ist um so bedenklicher, da Albanien ein altes Streitobjekt zwischen Oesterreich und Italien bildet, die beide aus dem Erbe der Türkei Stücke Albaniens sich angliedern möchten. Die offiziöse Auslassung spricht offen vonunhaltbaren Zuständen" und deutet ziemlich unverhüllt' darauf hin, daß der Bestand der europäischen Türkei gefährdet sei. Sicherlich ist der n ä ch st e Zweck dieser offiziösen Fanfare nur der, den Verlust des mit allen Mitteln einer oft sehr skrupellosen Propaganda erreichten Einflusses in Albanien zu verhindern und den Al- banern zu zeigen, daß Oesterreich sie vor allzu großer türkischer Energie zu schützen bereit ist. Aber die türkischen Verhältnisse sind verworren genug, um jede Intervention über ihren nächsten Zweck hinauszutreibcn und Komplikationen herbeizuführen, die den F r i e d e n auf dem Balkan bedrohen. Der Krieg auf dem Balkan aber könnte kaum lokalisiert bleiben, und so be- deutet die Schwäche der Türkei zugleich den schwachen Punkt des europäischen Friedens. Eine Intervention der Großmächte. Konstantinopel , 8. Juni. Mehrere Botschafter inter « v e'n i e r t e n neuerdings bei der Pforte wegen des albanesischen Auf­standes und gaben derselben den dringenden Rat, durch G e« Währung der von den Albanesen geforderten und von den Mächten als berechtigt anerkannten Reformen der Aufftandsbetvegung ein schnelles Ende zu bereiten._ Frankreich . Stellung der Vertrauensfrage. Paris , 8. Juni. Im Mini st errat wurde heute der Inhalt der Erklärungen festgesetzt, die der Finanzminister Caillaux abgeben soll für den Fall» daß sich heute die Kammer mit dem Vorschlage befassen sollte, die gcAinwärtig bestehenden Gebiets- abgrenzungen aufzuheben. Das Kabinett wird sich danach jedem Vorschlage dieser Art widersetzen und die Vertrauens- frage stellen; Die Regierung würde sich aber damit einverstanden erklären, daß in Zukunft keine neuen Gebietsabgren- zungen mehr vorgenommen werden sollen. Tie Wmzerbctvcgung und das Ministerium. Paris , 3. Juni. Bei der gestrigen Debatte über die Ab- gren�ungsfrage ist deutlich zutage getreten, daß die Mehrheit der Kammer für Abschaffung jeder Abgrenzung ist, und daß dem Ministerium leicht ernste Schwierigkeiten er- wachsen könnten, wenn es dieser Stimmung nicht Rechnung trüge. J-aures erklärte in derHumanitte": Wenn das Ministerium, dessen Lage durch die Krankheit seines Oberhauptes ohnehin schwierig ist, nicht in allen großen Fragen einmütig und geschlossen vorgeht, dann tauchen immer wieder Mitzhelligkeiten auf» und die zersetzenden Kräfte nehmen in bedenklicher Weise zu. Die Deputierten des Aubo-Departements, Paul Meunier und Bachimont, haben eine Resolution eingebracht, in der die Abschaffung der Abgrenzung befürwortet und die Regierung auf- gefordert wird, die Verlautbarung des neuen Erlasses über die Abgrenzung aufzuschieben. Diese Resolution wird vielleicht schon am Schlüsse der heutigen Kammcrsitzung zur Erörterung gelangen. Die Winzerausschüsse von Bar-sur-Aube und Bar-sur. Seine haben in einer gestern abend abgehaltenen Versammlung einen Beschlußantrag angenommen, in dem die Entscheidung des Staatsrats als ungesetzlich und demütigend abgelehnt wird, da die Zoneneintetlung niemals bestanden habe. Ferner werden die ParlamentSvertreter des Bezirks aufgefordert, für die Abschaffung der Abgrenzung überhaupt einzutreten. Zum Schluß wurde an die Winzer die Mahnung gerichtet, sich rphlg zu ver- halten. Portugal . Tie Anerkennung der Republik. Washington , 7. Juni. Die Gesandlschaft der Bereinigten Staaten in Lissabon hat Weisung erhalten, die portugie- fische Regierung im Namen der Vereinigten Staaten gleich nach Annahme der neuen Verfassung durch die konstitui«rrßde Ver- sammlung offiziell anzuerkennen, « Rußland . Die Mißhandlung der Ausländer. Peking , 8. Juni. Der deutsche und der franzosische Geschäftsträger haben auf der russischen Gesandtschaft leb- haften Protest gegen die ungerechtfertigte Behandlung ihrer Staatsangehörigen durch die russische Eisenbahnbehörde einer mandschurischen Stadt erhoben. Tie russischen Beamten waren in die Bureaus der betreffenden fremden Staatsangehörigen ein- gedrungen, tveil diese sich geweigert hatten, die erhöhte Taxe, welche die.Eisegpahnbchörde cinheben wollte, zu bezahlen.' China . Di: Vtrsaffnngsbewegung. Peking , 8. Juni. Ter Verband der Provinzial- k o m t t e e s hat sich an den Thron Mit einer Petition gewandt. in der auf die Unzuträglichkeit hingewiesen wird, die darin liege, daß an der Spitze des Kabinetts ein Mitglied des Kaiser- Hauses stehe, wodurch die Verantwortlichkeit des KabinxttS ausgeschlossen sei. Marokko. Das Vorgehen Spaniens . Madrid , 8. Juni. Eine Meldung aus Tanger besagt, daß der spanische Truppcnring um Tetuan derartig eng ist, daß jederzeit die Besetzung der Stadt durch die Spanier erfolgen kann. Schon jetzt befindet sich Tetuan vollkommen in den Händen der spanischen Truppen, wenngleich dies- selbst die Stadt noch nicht betreten habe«. Irgendwelchen Widerstand haben sie bei einem Einzug nicht zu be- fürchten; sie können ohne jeden Flintenschuß in Tetuan einrücken, sobald dcx spanischen Regierung notwendig erscheint.- MxiKo. _ Ein Manifest Maderos. Mexiko , 8. Juni. Madero hat einen Aufruf an ote Be« völlcruug gerichtet, ig den ex die Lxfstiggg MMcht die Mexi­kanische Revolution werde die Völker Süd- und Mittel- amerikas veranlassen, nach der politischen Freiheit zu trachten. Der Geist der Freiheit sei noch nicht befriedigt.«Wiv alle," fährt die Adresse fort,werden nicht glücklich sein, bevor nicht die Demokratie auf dem ganzen amerikanischen Festland zur H e r r s ch a s t gelangt ist."_. Hud der partei* Da» Nachspiel zur Stuttgarter Bürgcrmeistertvahk. Heber die Stellungnahme der Stuttgarter Organisation zur Bürgermeisterwahl wird uns aus Stuttgart geschrieben: In zwei Bersammlungen, am 2». Mai und am 2. Juni, zogen die Stuttgarter Parteigenossen das Fazit der Wahl und ihrer Be- gleiterscheinungen. Beide Versammlungen waren überfüllt, denn immer schärfer trat in die Erscheinung, daß die durch die Wahl erzeugte Stimmung, die Begeisterung für die sozialdemokratische Kandidatur, die Enttäuschung über die Niederlage des Kandidaten, dazu benvtzt werden sollte, die Stuttgarter Parteileitung zu stürzen. In dieser Situation fanden die beiden Parteiversammlungen am 29. Mai und am 2. Juni statt. Die Parteileitung, untei stützt von den Vertrauensmännern, war gezwungen, eine klare Entscheidung herbeizuführen, so oder so! Parteileitung und Vertrauensleute legten demgemäß eine Resolution vor, die in ihrem entscheidenden Teile ausspricht: Der proletarische Klassenkampf ist und bleibt der unerschütter- liche Boden für die Kämpfe und die Tätigkeit der Parteiorgani« sation und der sozialdemokratischen Vertreter auf allen Posten. Die Versammlung betont daher, daß es die selbstverständliche Pflicht aller Genossen ist. Arbeit und Kampf in strenger Ueberein- stimmung mit den Grundsätzen der Sozialdemokratie zu halten und die Beschlüsse der Parteitage und der Organisation unverbrüchlich zu beachten." Dieser Resolution setzten die Genossen Reichstagsabgeordneter K. Hildenbrantzt und LandtagSabgeordner, Gewerkschafts- sekretär M a t t u t a t eine zweite entgegen, tn der dem Genossen Dr. Lindemann Dank ausgesprochen, dem Stuttgarter Korrespondenten auswärtiger Parteiblätter, die Kritik an der Art der Aufstellung Dr. Lindemanns geübt bezw. vor dem Experiment gewamt hatten, eine entschiedene Zurückweisung" ausgesprochen wird usw. Beide Partei» Versammlungen waren überfüllt, in der zweiten waren weit über 1000 Personen anwesend. Die Bedeutung der von den Partei- genossen zu treffenden Entscheidung wurde von den Rednern beider Richtungen in schärfster Form erläutert. Die von der Parteileitung vorgesehene schriftliche Abstimmung mußte, nachdem sie be- reits begonnen hatte, wieder aufgehoben werden, weil fest- gestellt worden war, daß eine Anzahl Parteigenossen in den Besitz mehrerer Stimmzettel gelangt war. Die Abstimmung erfolgte so- dann durch Handaufheben und Auszählung. Sie ergab die Annahme der Resolution der Parteileitung und der VertkauenSmänner mit 886 Stimmen. Die Hildenbrand-Mattutatsche Resolution fand bei 481 Genossen Unterstützung. Ein Teil der Parteigenossen hatte sich leider bei Beginn der schriftlichen Abstimmung entfernen müssen, um noch Fahrgelegenheit in die Vororte finden. Rechnet man die von diesen schriftlich abgegebenen Stimmen hinzu, so fallen auf die Re- solution der Parteileitung 623 Stimmen, aus die Hildenbranbsch« Resolutton 476 Stimmen. So gering die Mehrheit für die Erklärung der Parteileitung ans den ersten Blick scheint, angesichts der überaus heftigen Agitation gegen die Parteileitung, wie sie feit Monaten betrieben worden ist, und auch angesichts der für die Parteileitung schwierigen, für die Gegner der Parteileitung außerordentlich günstigen Situation be« deutet die Abstimmung ein Vertrauensvotum für die Partei« leitung und die von ihr vertretenen Grundsätze, wie eS bestimmter nicht gedacht werden kann. Daran ändern auch alle Versuche, das Resultat der Abstimmung anzuzweifeln, gat nicht». E« ist zu hosfen, daß nunmehr endlich Ruhe eintritt in der Organisation, schon in Rücksicht auf die dicht bevorstehenden schweren Kämpfe mit den bürger« lichen Gegnern, denen die Partei entgegengeht. Die Partei« leitung hat deshalb, wie aus einer Erklärung in derSchw. Tag- wacht" hervorgeht, beschlossen, auf alle Preßangriffe in der Partei- presse und auch in den bürgerlichen Blättern, die schon wieder ein- setzen, wenn irgend möglich nicht zu antworten. Sie glaubt damit den, Willen der übergroßen Mehrheit der Parteigenosse» Rechnung zu tragen. Soweit unser Korrespondent. Wir können uns seinem zuletzt geäußerten Wunsche nur dringend anschließen. ES ist kein Zweifel, daß in der Gesamtpartei die Meinung fast einhellig dahin geht, daß jeder Parteigenosse, er werde von der Partei auf welchen Posten immer gestellt, an die Einhaltung der grundsätzlichen Partei- beschlüsie gebunden bleibt. Ebensowenig kann geleugnet werden, daß wie die Reichstagsfraktion dem Gesamtparteitage, die Landtagsfraktionen den Landesparteitagen in erster Linie verantwortlich sind.ffo auch die RathauSfraktion und event. der Bürgermeister für ihr Verhalten in grundsätzlich politischer Beziehung tn Uebereinstimmung mit der lokalen Organisation bleiben muß, unbeschadet dessen, daß natllr« sich der Reichsparteitag in allen grundsätzlichen Parteifragen die letzte entscheidende Instanz ist. Die Stuttgarter Versammlung, die des Genossen Lindemann Kandidatur aufstellte, beging den Fehler, einen zweideutigen Beschluß zu fassen, der so ausgelegt werden konnte, als ob die grundsätzlichen Parteitags- und Organifations- beschlllsse für einen Genossen, der in ein bestimmtes Amt gewählt würde, ihre Geltung verlieren würden. Diese Zwei- deutigkeit ist durch den Beschluß der letzten Stuttgarter Versammlung beseitigt, und dieser Beschluß ist deshalb in den meisten Kreisen der Partei mit Befriedigung aufgenommen worden. Er gibt der Partei, was der Partei ist und beugt von vornherein unklaren Situationen vor, die in ihren letzten Konsequenzen der Partei zum Schaden gereichen würden. Eben deshalb aber möchten wir wünschen, daß damit auch das letzte Wort gesprochen sei, und daß nicht eine wichtige und im ganzen und große» würdig diskutierte und erledigte Parteiangelegenheit auf das persönliche Gebiet verschleppt und zum Gaudium der Gegner inS Endlose gezerrt werde. Dazu ist die politische Situation denn doch nicht angetan und der württembergische Boden von den Gegnern zu heiß umstritten. Deshalb bedauern wir außer- ordentlich, daß dieStuttgarter Tagwacht" Erklärungen Raum gibt wie der dcS Genossen Roßmann. der seiner sehr subjektiven Ansicht dahin Ausdruck gibt, daß ein anderer AbstimmungSmoduS ein anderes Ergebnis gezeitigt hätte. Diese Meinung wird sicherlich nicht viel Anhänger gewinnen, sie ist geeignet, persönliche Er- bitterung zu wecken und einen abgeschlossenen Streit neu auf- zurühren. Damit wird aber weder der Stuttgarter noch der Gesamt- Partei ein Dienst erwiesen._ Personalien. An Stelle des aus der Redaktion de» Karls- ruherVoltfreundes" ausgeschiedenen Genossen Weißmann ist Genosse Eugen Kirchpfening aus München . bisher Parlamemsberichterstatter und Mitarbeiter derMünchener Post", aetreten. Genosse Robert Grötzsch hat das Gefängnis in Görlitz , wo er sechs Monate zubringen mußte, weil sich Staats» anwalt und Richter eines ostpreußtschen Städtchens durch einen Artikel der Görlitzer.BoBzeitung" beleidigt gefühlt hatten, am DienStsg verlassen.