Gewerkrcbaftlichea. Wenn jemand eine Reife tut... In dem Blatte Hertas„Guerre Sociale" wird die Reise der französischen Gewerkschaftsvertreter nach Berlin be- sprachen. Wir entnehnien dem Artikel folgende Stelle: Unsere Gewerkschaftsgenossen haben soeben Deutschland entdeckt. Ganz überwältigt, einige unter ihnen— die hcll- sehendsten— vielleicht gar ein wenig gedemütigt durch den Vergleich, den sie zwischen unserem Zustande der Organi- fationslosigkeit und der machtvollen Organisation der deut- scheu Arbeiterklasse gezogen haben, sind sie zurückgekehrt. In bezug auf Organisation besteht in der Tat zwischen der französischen und deutschen Arbeiterklasse der gleiche Unter- schied wie zwischen der wirtschaftlichen EntWickelung Frank- reichs, das in die Reihe der Länder dritter Klasse zurückver- funken ist, und Deutschlands , das sich auf dem besten Wege befindet, aus dem Gebiete der Industrie und des Handels das erste Land der Erde zu werden. Was bedeuten unsere 400 000 der C. S. T. angeschlossenen Gewerkschaftler gegenüber den 2� Millionen Mitgliedern der deutschen Generalkommission? Was bedeuten denn unsere fast leeren Gewerkschaftskassen gegenüber den millionenreichen deutschen Kassen? Was sollen unsere elenden Blätter(wörtlich: Kohlblätter: keuilles de chon) gegenüber den gewerkschaftlichen und sozia- listischen Zeitungen mit Riesenauflagen in Deutschland be- deuten? Und was sagen wir zu den elenden Löchern, in denen sich die Bureaus unserer Gewerkschaften befinden, gegenüber den großen und bequemen, fast luxuriösen Volks- Häusern, welche die deutschen Arbeiterorganisationen be- Herbergen? Es gibt aber etwas noch Bewunderungswürdigeres wie diese großen Mitgliederzahlen und Reichtümer', das ist die Disziplin, mit der diese ganze Arbeiterarmee voranmarschiert und zwar zu jener Zentralisation, zu der man gezwungener- maßen kommen muß, wenn man nicht nur Scharmützel, son- dern Kämpfe der Massen liefern will. Und wenn nian sich dabei der Streitereien erinnert, die bei uns die Einen gegen die Anderen, Sozialisten, Anarchisten, Gewerkschaftler aufbringen und die auch die geringste, gemein- same Arbeit von vornherein unmöglich machen, muß man dann nicht die deutsche Arbeiterklasse bewundern, deren ge- werkschaftliche und sozialistische Organisationen, obwohl völlig autonom bleibend, Schulter an Schulter zusammenarbeiten in den Tageskämpfcn gegen die feindliche Klasse und gegen ihre Regierung? Gewiß sind dies besondere Charaktereigenschaften, Fr-üchte der Umgebung, wie bei uns der Geist der Kritik, der Ver- achtung jeder Autorität, der Geist des Spontanen, des Jndi- vidualismus, des Wagemuts in Gedanken und in der Tat, und die Gesamtheit dieser guten und schlechten Eigenschaften, die unser revolutionäres Temperament ausmachen, ermöglichten uns, die Regierung Frankreichs der letzten 120 Jahre eine nach der anderen mit dem Gewehrkolben davonzujagen. Aber jene Eigenschaften, die man nicht von Natur aus. nicht seit der Geburt besitzt, kann man durch Studium, durch guten Willen und praktische Anwendung sehr wohl sich an- eignen, ohne befürchten zu müssen, seine ureigensten Fähig- leiten einzubüßen. Wenn die französischen Delegierten von Berlin mit dem festen Vorsatze nach Paris zurückgekehrt sind, bei uns Organi- fation, Disziplin, Einigkeit, hohe Beiträge— ist nicht das ' Geld die Triebfeder des Krieges?— zu predigen, so ist ihre Reise wahrlich ein Ereignis von geschichtlicher Bedeutung... Oeutkches Reich. Der Kampf in der Metallindustrie« Die Aussperrung in Thüringen . Der geschäftsführende Ausschutz des Verbandes Tbilringer Metalliiidusirieller hat am 4. August in Erfurt beschlossen, am 6. August 60 Proz. der bei den Mitgliedern seines Verbandes be- schäftigten Arbeiter auszusperren. Damit war die für den 29. Juli beschlossene Aussperrung auf den 5. August vertagt. Wenn schon die genannten Gründe die Maßnahme bei der ersten Androhung der Aussperrung nicht rechtfertigen, so ist die jetzige Ausführung durch- aus frivol, vom Machtkitzel dikiiert. Bon den sechs Streitfällen, die den Thüringer Metallindustriellen» Verband veranlatzten, die Aussperrung anzudrohen, sind vier durch Lerständigung erledigt worden. In den beiden anderen Fällen, bei Topf u. Söhne in Erfurt und der Nadel- und Stahlwarenfabrik von Wolff Knippenberg u. Co. in Ichtershausen , machten die Firmen die Verständigung unmöglich. Den streikenden Arbeitern der Firma Topf u. Söhne wurde eigensinnig die Erfüllung einiger bescheidenen Wünsche verweigert: die Unternehmer hofften, die Arbeiter würden von der Aussperrung niedergedrückt werden. Der Geheimrat Knippen- berg von der Nadelfabrik in Ichtershausen verweigerte nicht nur die Verhandlung und Besprechung über die von den neun streikenden Kopfschleifern geforderte Alkordpreiserhöhung, er erklärte kategorisch, die neun streikenden Schleifer nicht wieder einstellen zu wollen. Weil die Streikenden nicht auf die Einstellung verzichteten, hat die Firma ani 29. Juli in Ichtershausen 360 Personen ausgesperrt. Das sind die zwei nicht erledigten Fälle, weswegen der Verband Thüringer Metallindustrieller am 6. August tausende unbeteiligte Arbeiter in vielen Orten Thüringens ausgesperrt hat. Im vorliegenden Falle wird die Situation dadurch erklärlich, datz der Geheimrat Knippenberg mit seinem Millionenreichtum einen sehr großen Einfluß ausübt. Der Metallindustriellen-Verband kann sich dem nicht entziehen. Tie Metallarbeiter in den von der Aussperrung betroffenen Betrieben haben für den Fall, daß die Aussperrung erfolge, durch den Metallarbeiterverband Forderungen auf Verkürzung der Arbeitszeit, Erhöhung der Zeitlöhne und der ungenügenden Akkordpreise, Re- gelung der Ueberzeiiarbeit und einer besonderen Entschädigung dafür, dem Verband Thüringer Metallindustrieller unterbreiten laffen. Bei den Verhandlungen zur Herbeiführung einer Verständigung über die bestehenden Differenzen in der vorigen Woche verlangte der Metall- indusiriellen-Verbond die Zurückziehung der Forderungen. Darauf hat der Metallorbeiterverband am 4. August vor seiner Beschluß- sossung über diesAuSsührung der Aussperrung mitgeteilt, daß die Forde- rungen von feiten der Arbeiter als zurückgezogen betrachtet werden, wenn der Metallindustriellen-Verband die angedrohte Aussperrung unterlaffe. Ter Metallindustriellen-Verband war somit nicht in der Lage, erklären zu können: die Aussperrung wird vorgenommen, weil Forderungen vom Metallarbeiterverband gestellt worden sind. An der Aussperrung sind die Orte Altenburg , Apolda , Ariern. Eisenach , Erfurt , Gera , Gotha , Gößnitz , Ichtershausen , Katzhütte , Rordhausen. Ohrdruf , Tambach, Zeulenroda und einige andere Orte beteiligt. Obschon die Aufregung unter den Arbeitern über die stivole Provokation überall sehr groß ist, wurde überall die Ruhe bewahrt. In einigen Betrieben in Erfurt verließen die nicht aus- gesperrten 40 Proz. gemeinschastlich mit den ausgesperrten Kollegen die Betriebe. Es ist aber zu empsehlen, daß die Arbeiter in allen Fällen unter allen Umständen die berechneten und notwendigen An- verantw. Nedokt.: Richard Barth , Berlin . Inseratenteil verantw� ordnungen ihrer VerbandSkeiwng abwarten und befolgen. Die Arbeiter dürfen sich nicht von dem Gedanken leiten laffen: Geteilter Schmerz ist halber Schmerz! Sie müssen sorgen, daß die Leiter der Bewegung in die Lage kommen, die Bewegung ver- schärfen zu können, wenn es notwendig wird; das ist nicht möglich, wenn alle Arbeiter die Betriebe verlassen haben. Die bürgerliche Presse weiß zu der Aussperrung nicht viel zu sagen. In der vorigen Woche versuchten die„Eisenacher Tagespost", die»Deutsche Gewerk- vereinSzeitung" in Apolda und das Zentrumsorgan, die»Kölnische VolkSzeitung", ohne Erfolg die Verhandlungen, die am 2. August in Eisenach zur Verständigung über die Differenzen in der Fahrzeug- fabrik Eisenach stattgefunden haben, gegen den Deutschen Metall- arbeiterverband auszuschlachten. Er soll die Verantwortung für die Aussperrung tragen, weil er die anderen Organisationen nicht ge- fragt hat, ob sie mit den Forderungen einverstanden seien, und weil der Verband die gestellten Forderungen nicht zurückziehe, obwohl die anderen Organisationen und die Arbeit- geber dies verlangen. Man will durch solche Treibereien Verwirrung in die Reihen der Arbeiter hineintragen. Damit keine Legenden entstehen, wollen wir die Tatsachen sprechen lassen. Am 28. Juli beauftragten die Versammlungen der mit der Aus- sperrung bedrohten Metallarbeiter ihre Verbandsleitung, die oben skizzierten Forderungen an den Metallindustriellen-Verband einzu« reichen. Die Bezirksleitung entsprach dem Auftrage am 31. Juli. Am 2. August erhielt der Bezirksleiter auf dem Wege zur Ver- Handlung in Eisenach die Antwort des Jndustriellenverbandes, in der gefordert wurde, der Metallarbeiterverband solle die Forderungen zurückziehen und bis 10 Uhr vormittags am 4. August Bescheid ge- geben haben. In der mündlichen Verhandlung am 2. August, in Gegenwart der anderen Organisationsvertreter, sagten die Arbeit- gebervertreter bis zu der erfolgten Verständigung über die Differenzen in der Fahrzeugfabrik kein Wort. Als der Bezirksleiter deS Metall- arbeiterverbandeS im Auftrage aller an der Verhandlung beteiligten Organisationen die Erklärung abgegeben hatte: Den ausgesperrten Fahrzeugarbeitern werden die letzten Vorschläge der Direktion zur Annahme empfohlen werden, wurde von den Arbeitgebervertretern daS Verhandlungsergebnis verlesen, wie sie es fixiert hatten. Darin war die Bedingung enthalten, datz die Zugeständniffe der Fahrzeug- fabrikdirektion nur bestehen blieben, wenn die Forderungen des Metallorbeiterverbandes zurückgezogen würden. Der Vertreter des Melallarbeiterverbandes erklärte sofort, daß seine vorher abgegebene Erklärung nur für die Vereinbarung mit der Fahrzeugfabrik gelte, aber keine allgemeine Geltung haben könne; darüber sei ja auch nicht verbandelt worden und konnte auch nicht verhandelt werden. Die Arbeitgeber nahmen die Erklärung an, aber die Ver- treter der anderen Organisationen ließen sich in Gegen- wart der Arbeitgeber dazu hinreißen, Vorwürfe gegen den Metallarbeiterverband zu erheben. Selbstverständlich versuchten die Arbeitgeber nun, Kapital auS der Situation zu schlagen, aber ohne Erfolg. Die Vertreter des Metallarbeiterverbandes erklärten schließlich, daß die Fahrzeugarbeiter mit der Annahme der soeben getroffenen Vereinbarungen die Zurückziehung der weitergehenden Forderungen für ihren Betrieb akzeptieren würden. Die Versammlung der Fnhrzeugarbeiter hat die Vereinbarung auch angenommen. Nun hätte die Arbeit aufgenommen werden können, wenn die Aussperrung nicht angedroht gewesen wäre. Die Aussperrung ist trotz der Verständigung in Eisenach erfolgt, und obwohl der Metallarbeiter« verband seine Forderungen nur für den Fall gestellt hatte, daß ausgesperrt werden würde. Die beanstandeten Forde- rungen find also nicht der Grund fiir die Aussperrung. Die bürgerliche Presie-vom Schlage der»Kölnischen VolkSzeitung" und der»Deutschen Gewerkvereinszeitung" werden zu ihrem Leide nicht in die Lage kommen, dem Metallarbeiterverbande die Verantwortung für den Konflikt ausbürden zu können. Der Metallarbeiterverband hatte alle Ursache, die Forderung für den Fall der Aussperrung zu erheben. Er soll durch die Matz- nahnien der Arbeitgeber getroffen werden und mutz sich darum un- gehindert nach eigenem Ermessen verteidigen. In den Fällen, wo andere Organisationen interessiert sind, wird er ihnen die not- wendigen Informationen geben. Für das gesamte Kampfesgebiet muß er selbstverständtich disponieren können, damit er vor Ueber- raschungen gesichert ist. Genaue Angaben über die Zahl der Ausgesperrten liegen noch nicht vor, weil die Arbeitgeber nicht gleichmäßig aussperren und sich zum Teil zu drücken versuchen. Es werden etwa 8000 Arbeiter in Betracht kommen. Die Ansspernnig in Leipzig hat, wenigstens bisher, nicht den vom Metallindustriellen-Verband angekündigten Umfang angenommen. ES find bis Montag früh nur etwas über 5000 Metallarbeiter ausgesperrt worden, dazu etwa 100 Modell- und Fabriklischler. DaS sind statt der angedrohten 60 Prozent der in den Betrieben der Metallindustriellen-Verbändler beschäftigten Arbeiter kaum die Hälfte. Allerdings werden Montag noch Arbeiter ausgesperrt werden, aber von einer Aussperrung von 10- oder gar 12 000 Metallarbeitern, von denen die»Leipziger Neuesten Nachrichten" faseln, ist gar keine Rede. Manche Firmen ind von der Aussperrung höchst unangenehm berührt. So äußern sich einige im»Leipziger Tageblatt ", daß der Zeilpunkt der Aus- Sperrung sehr ungünstig gewählt sei und daß selbst mit der Heran- ziehung von auswärtigen Kräften, also Streikbrechern, nichts auSzu- richten sei. Insgesamt stehen über 6000 Metallarbeiter im Kampk, 5000 am Sonnabend Ausgesperrte und etwa 1100 Streikende und 'chon vor einer Woche ausgesperrte Gelb-Metallarbeiter. Weitere Meldungen aus den Kampfgebieten liegen vor: Erfurt , 7. August. Nachdem am vergangenen Sonnabend 60 Prozent der Metallarbeiter ausgesperrt worden sind, haben heute in mehreren Betrieben die nicht betroffenen organisierten Arbeiter die Arbeit niedergelegt. J: zedessen mußte der Betrieb in mehreren Fabriten vollständig ellt werden. Nürnberg . 7. August. J.> lichen Fabriken der Spiel- Warenindustrie, mit Ausnahme der der Gebrüder Bing Aktien- gesellschast, die dem Verbände bah-risler Metallindustriellen nicht angehören, ruht heute die Arbeit, tci.'nvis« infolge der Aussperrung, teilweise auch infolge de S-S. dem sich auch die christlich organisierten Arbeiter c haben. Bevorstchendc Einigung« Ludwigshafen , 7. A:: ü. heute noch in der Anilinfabrik beschäftigten Arbeiter d iossen in zwei öffentlichen Versammlungen, den Krankenkaffenau. schuh zu beauftragen, mit der Fabriksdirektion wegen Beilegung der bestehenden Differenzen und der eventuellen Aufhebung des Streiks in Verhandlungen zu treten. Die Ausstandsbewegung dürfte sich demnach ihrem End« nähern. In der Walzmühle dauert der Streik fort, doch wird der Mühlenbetrieb aufrechterhalten. Auch in der chemischen Fabrik Pfeiffer u. Schwandncr wird nach Mitteilung der Fabriksleitung trotz des Ausstandes der Betrieb fortgeführt. Herr im Hanse um jeden Preis. Die lieben Arbeitswilligen bei dem Großmühlenbesitzer Plauge in Düsseldorf , wo die Arbeiter wegen geringer Fordeningen und Anerkennung der Organnisation im Streik stehen, haben eS sehr gut. Eins dieser»nützlichen Elemente", schrieb an einen Kollegen: Zh. Glocke, Perlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u Verlagsanstalt� »Wir verdienen jetzt(während de» vir«» hat tkjßam den RauSreitzern einen Lohnzuschlag tum 80 Pro», in SaHicht gestellt) 55—60 M. Bei vollständig freier Verpflegung und Wohnung. Auslagen hat man nicht; alles waS man braucht, be- zahlt die Firma. ES ist dies das reinste Herrenleben: vier Zigarren und Musik, für alles ist gesorgt. Georg— einer der Firmeninhaber— sagte unS, eS fei gletch, WaS«S kostet, und wenn eine halbe Million daraufgehe." Die Forderungen der Streikenden hätten natürlich nicht den dritten Test gekostet. Eine Anzahl der Arbeitswilligen waren auf dem Speicher der Plangeschen Villa einquartiert. Als jedoch Frau Plange aus dem Bade zurückkam, mutzten die Arbeitswilligen aus der Villa hinaus. Ohne Zweifel wollte sie mit solchen Elementen nicht zusammenwohnen. Die Arbeitswilligen nehmen aber die schöne Erinnerung mit, auch einmal in einer Villa mit Marmorplatten und allem möglichen Luxus gewohnt zu haben. Die Polizei steht ständig zur Verfügung der Firma Plange, je zwei Mann zu Fuß und zu Pferde sind im Betrieb stationiert, ein Dutzend andere Polizisten halten die Eingänge zum Hafen besetzt. Datz die Arbeiswilligen obendrein mit Revolvern ausgerüstet sind und friedliche Passanten provozieren, scheint die Polizei nicht zu kümmern. Huslancl. Sieg der Londoner Hafenarbeiter. London , 6. August 1811. Die Londoner Hafenarbeiter haben ein glänzenden Sieg er- rungen. Der heute bekanntgegebene Schiedsrichterspruch sichert den beim Ein» und Ausladen der Schiffe beschäftigten Arbeitern den verlangten Stundenlohn von 8 Pence und einen Lohn von einem Schilling für Ueberstunden(Nachtarbeit). Auch soll der Lohn für die Dauer der Mahlzeiten, wo es bisher üblich war, bezahlt werden. Die Entscheidung des Schiedsrichters kam den Eingeweihten kaum als eine Ueberraschung. Es war klar, daß jeder vernünftige Mensch die Lohnforderung der Dockarbeiter als berechtigt und leicht durchführbar ansehen mußte. Die Unternehmer bestanden nur auf eine Entscheidung durch das Schiedsgericht aus purem Eigensinn. Das Urteil des Schiedsrichter sollt« um halb vier auf der Trafalgor Sqare bekanntgemacht werden. Kurz vor der ange- sagten Zeit strömten die Streikenden in großen Scharen mit ihren Bannern vom Osten her nach dem großen Platz im Westen Londons . Um halb vier war jeder Zoll Boden von Menschen besetzt, die ge- spannt die Ankündigung erwarteten, die von den Sockelplattcn der Nelsonsäule gemacht werden sollte. Ein ni« endenwollcnder Jubel erhob sich, als die Streikführer von den verschiedenen Sockel- platten die Siegesbotschaft verkündeten.„Dreimal hoch die acht Pence!" rief der eine,„sechsmal hoch der Schilling!" warf ein anderer scherzend ein. Die Hauptredner waren die Genoffen Will Thorne und Ben Tillet. Tchorne führte in seiner Rede aus, daß niemand vorläufig die Arbeit wieder aufnehmen sollte, es sei denn aus Befehl seiner Gewerkschaft. Noch müsse die Forderung der Kohlcnträger, Fuhrleute und Lichtersehiffer gewährt werden. In zwei Tagen werde eine Konferenz zwischen den Vertretern dieser Arbeiterkategorien und den wichtigsten Arbeitgebern stattfinden. Er freue sich, mitteilen zu können, daß die Schulbehörden in West Ham (der großen Arbeitervorstadt, die er im Parlament vertritt) beschlossen hätten, an die schulpflickitigen Kinder der Streikenden Mahlzeiten zu verabreichen, obwohl augenblicklich Ferienzeit sei. Der Reederverband versuche, Schisse von London nach anderen Häsen zu schicken, um sie dort laden zu laffen. Die Dockarbeiter möchten aber getrosten Mutes sein; der Reederverband habe kein Monopol auf Telephon und Telegraph. In Zukunft werde die Arbeitsnach- weiskarte des Recderverbandes nur durch die Gewerkschaften aus- gegeben, so daß joder gezwungen sein würde, sich seiner Organi- fation anzuschließen. Er ermahnte die Transportarbeiter, treu zueinander zu halten und nicht wieder in denselben Fehler zu verfallen wie vor 22 Jahren, als viele der Gewerkschaftsmitglieder nach dem Streik wieder davonliefen. Der errungene Stundenlohn von 3 Pence bedeute nur eine Etappe im Ausstieg der Arbeiter- klaffe und die Lohnerhöhung entspreche auch nicht annähernd der gewaltigen Zunahme des Profits der Kapitalisten. Trotz des Sieges der Dockarbeiter wird der Streik doch noch einig« Zeit andauern und sich vielleicht noch ausdehnen, bis daß alle beteiligten Arbeiterkategorien befriedigt sind. Die große So- lidarität der Arbeiter ist das Hauptmerkmal dieses Streits wie auch der anderen ähnlichen Streiks, die in englischen Hafenstädten in der letzten Zeit stattgefunden haben. Von Montag liegen noch folgende Meldungen bor : London , 7. August. Man nimmt an. daß hier morgen 60 000 Mann nicht arbeiten werden. Die Verhandlungen zwischen den verschiedenen Kategorien der Arbeiter und Arbeitgeber nehmen morgen ihren Anfang. Der Ausstand hat sich auf den Medwatz- fluß ausgedehnt, wo in den Regierungsspeichern die Arbeit cinae- stellt worden ist. Liverpool, 7. August. Der Streik, der unter den Last- trägcrn der Lancashire -, Dorkshire- und Nordwest-Eisenbahngescll- schaften ausgebrockscn ist, dehnt sich auch über andere Teile von Lancashire aus und umfaßt bereits 12 000 Mann. Man fürchtet, datz er sich noch auf andere Gesellschaften ausdehnen und den Eisen- bahnverkehr lahmlegen wird. London . 7. August. Der Ausstand der Eisenbahnangc- stellten breitet sich in Liverpool mit beunruhigender Schnelligkeit o is. Es haben sich bei der London and Northwestern Nailwab, wie von Angestellten dieser Bahn erklärt wird, bereits 2000 bis 3000 Mann dem Streik ongeschloffen. Es wurde heute vormittag ein Umzug von einer Station zur anderen veranstaltet. Tie An- gestellten aller Stationen mit Ausnahme einer legten die Arbeit nieder.� Die Angestellten verlangen eine Arbeitszeit von 54 Stun- den wöchentlich und eine Lohnerhöhung von 2 Schilling. Die Streiklage auf der Insel Elba « _ � Rem, den 2. August. Seit einem Monat sind dre Eisenbergwerke der Insel Elba und die Hochöfen verlassen, und noch deutet nichts auf eine baldige Bei- legung diese» Riesenstreiks. Nach einer Berechnung der.Tribuna" beläuft sich der tägliche Lohnausfall aus rund 50 000 Lire. Es liegt auf der Hand, daß unter diesen Umständen der Widerstand nicht durch die einlaufenden Streikunlerstützuligen, sondern vorwiegend durch die Ersparnisse der Streikende» selbst aufrechterhalten werden kann. Da die ganze Insel schwer unter dem Ausstand leidet, haben die Bürgermeister sich wiederholt an die Regierung mit der Bitte um Vermittelung gewendet, aber die Vermiitelung der Regtzrung vermag nichts, so lange beide Teile einander widerstaudssähig gegenüberstehen und keiner Lust hat nachzugeben. Hetzte Nachrichten. Nene Choleracrkranku ngen. Trieft, 7. August. (W. T. B.) Heute sind hier drei neue Cholcrafälle festgestellt worden. Saloniki, 7. August. (W. T. B.) In Jpek sind 47 neue Cholcrafälle vorgekommen, von denen 36 tödlich verliefen. In D j a k o v a sind acht Erkrankungen gemeldet, von denen zwei töd- lich waren, auS M o n a st i r werden zwei Cholerafälle gemeldet. Ein scheußliches Verbrechen. Paris , 7. August. (P.-C.) In der Ortschaft V a r a t wurde in der vergangenen Nacht ein furchtbares Verbrechen verübt. Der Landwirt D o s p r a t und seine Schwägerin wurdcn�crinvrdct und ihre Leichen von den Verbrechern in einen Sack gesteckt. Ter Sack wurde mit Petroleum ü b e r g o s s e n und angezündet. Als Dorfbewohner herbei- eilten, um den Brand zu löschen, fandeu sie die völlig ver- kohlten Leichen._______ aul Singer& Co-, Verlin L1V. Hierzu 2 Beilagen u.UnterhaltungSbl.�
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