fdjloccbcn get:cht zu werden. Trotz der ministeriellen Erklärungsind jedoch die getroffenen Vorsichtsmaßregeln nicht«rufgehoben wor-den. Insbesondere lvcrdcn die Londoner und andere G a r n i*s o n e n im Laufe der Nacht noch weiter verstärkt. Die heutenachmittag ausgegebene Streikparole ist auf den LondonerBahnhöfen nur in sehr mäßigem Umfange befolgt worden. In de:Et. PaneraS-Station leisteten ihr vom Güterdienst b<Z0 BeamteFolge, die Beamten der Personenbeförderung lehnten es dagegenab, ihr nachzukommen. Auf der Euston Station ist niemand aus-ständig und auf der Kings Croß-Station haben nur 2b Mann dixArbeit niedergelegt.Streikwirkungen.London, 18. August. Einige Eisenbahnlinien«rrbeitenfast normal, auf anderen ist der Verkehr e r n st l i ch g e st ö r t. DieNachtpostcn und Fahrgäste auf der Fishguardroute sind stecken ge-blieben. Die Passagiere aus Irland können nicht landen. Nacheiner Meldung aus Birmingham ist der Westen von Eng-land gänzlich von Mittelengland abgeschnitten.Die Direktionen der Südlinien erklären, daß der Betrieb fastungestört ist und nur wenig Leute fehlen; die Vertreter der Ange-stellten bezeichnen dies jedoch als unwahr,Der Postdienst.London, 18. August. Der Minister für Post und Telegraphenhat für heute alle höheren Beamten zu einer Konferenz einberufen.um mit ihnen Maßregeln zur Sicherung des Po st dien st eszu treffen. Während der Konferenz wird erwogen werden, ob derPostdienst durch Automobile versehen werden kann für den Fall, daßdie Züge nicht mehr verkehren können.Der Verband der Transportarbeiter hat für nächstenDienstag den Generalstreik proklamiert. Sämtliche Bahnhöfesind von Soldaten bewacht.Augenblicklich haben die Konferenzen zwischen den Ver-trctcrn der Regierung und den Vertretern der Arbeiter begonnen.Auch die Taxameterangestellten haben sich dem Transportarbeiter-verbände angeschlossen. Der Arbeiterführer BenTillet erklärte,wie in letzter Stunde bekannt wird, daß der Ausstand der Transport-arbeiter Mittwoch beginnen wird, wenn bis dahin den Eisenbahnernkeine Genugtuung gegeben worden ist.In L i v e r p o o l hat sich die Lage weiter verschlimmert. Samt-liche Wirtschaften müssen heute dort im Laufe des Nachmittags ge-schlössen werden. Der Verkauf von Mineralwasser ist untersagtworden, weil die Flaschen geeignet feien, als Wurfgeschosse gegendie Polizei zu dienen. Die Behörden von Liverpool haben drin-gcnd um die Entsendung von Truppen gebeten. Man befürchtet inLiverpool die Zerstörung der großen LandungSbrücke, welche übereine Meile lang ist. Die eingetroffenen Kriegsschiffe richtenihr besonderes Augenmerk auf den Schutz dieser Brücke. Anderer-sets befürchtet man den Ausbruch von Epidemien, wenn die Arbeiter,die den Schutt abfahren, die Arbeit nicht bald wieder aufnehmenwerden.In London.London, 18. August. Die Wirkungen des Ausstandes in Londonsind bisher nicht sehr ernst. Es herrscht wohl eine beträchtlicheStörung, aber keine �Stockung des Verkehrs. Früh am Morgensind 15 000 Mann in der Hauptstadt eingetroffen und in Parks inder Nähe der Eisenbahnstationen im Mittelpunkt der Stadt und derWarenlager in Eastend untergebracht worden. Jn don Provin-zen breitet sich der Aus st and allmählich aus. Ineiner Anzahl großer Städte, darunter Manchester und Li ver-Pool, ist der Eisenbahnverkehr vollständig kahmgelegt,ohne daß bisher Ruhestörungen vorgekommen sind.Streik auf den Untergrundbahnen.London, 18. August. Die Hälfte der Leute der drei bedeutend-sten Londoner Untergrundbahnen(Tubes) haben die Ar-beit eingestellt. Auch auf den Metropolitan, und District-Untergrundbahnen verkehren nur wenige Züge, dagegen gehen dieKontinentalzüge fahrplanmäßig ab.Negicrungserklärungen.London, 16. August. Im Unterhaus verlas der Minister desInnern Churchill einen langen Bericht über die Lage desStreiks. Er erwähnte, daß im Zusammenhang mit dem AuS-stand der Eisenbahnangestellten mehrfach Ausschreitungengegen das Eigentum der Bahnen versucht worden seien, um denBetrieb der Bahnen zu hemmen. Jedermann müsse wissen, daßsolche Handlungen schwere Verbrechen seien, auf denen Zuchthaus-strafe stehe. Die Regierung werde alle nötigen Schritte tun, umden ungestörten Transport von Lebensmitteln.Brennmaterialien und anderen wichtigen Gütern auf denBahnhöfen und in den Häfen sicher zu stellen, und werde dafürSorge tragen, daß alle D i e n st z w e i g e. welche für die Gemein-schaft nnumgänglich nötig sind, im Betriebe blieben. Ministerdes Innern Churchill fuhr fort: Die Regierung wird so vorgehen.nicht weil sie auf der Seite der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmersteht, sondern weil sie verpflichtet ist. um jeden Preis die Oes-sc ntlichkeit vor der Gefahr und dem Elend zuschützen, das eine allgemeine Hemmung der Industrie nach sichziehen würde. Es würde auch zu einer Hungersnot unter dengroßen Massen der ärmeren Bevölkerung kommen. Die Regierungglaubt, daß die Vorkehrungen, die zur Aufrechterhaltung des Eisen-bahnbetriebes und der Ruhe getroffen worden find, sich wirksam er-weisen werden. Sollte dies nicht der Fall fein, werden Maßnah-men von weit größerer Ausdehnung schnell ge-troffen werden.(Beifall bei den Uniomsten.) Es ist klar, sagteder Minister, daß man diesen Tatsachen nicht entgehen kann, unddaß sie. da die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung und dieSicherheit deS Lande« hiervon betroffen werden, weit wichtiger find.als sonst etwas.(Lauter Beifall bei den Unionisten.) Schließlicherklärte Churchill, daß irgendeine Mitteilung über den Stand derVerhandlungen im gegenwärtigen Augenblick nicht vorteilhaft feinwürde.Keine Vertagung des Parlantentö.London, 18. August. Unterhaus- Wie ursprünglich vorgesehenwar, sollte sich das Haus heute bis zum 24. Oktober vertagen. Inder heutigen Sitzung aber erklärte Lloyd George, daß es imHinblick auf die kritische und unruhige Lage in der In-dustrie nicht für wünschenswert gehalten werde, daß sich da« Haus«her vertage, als bis man klarer sehe, wie es möglich sei, eine Bei-legung des Streiks zu erzielen. Demgemäß wird sich dasHauS nur bis zum 22. August vertagen.Die Vorlage über die Verschärfung des Gesetzes gegen die Ver-letzung des Amtsgeheimnisses und gegen die Spionage wurde heutein letzter Lesung angenommen.Die tnaroMoaffare.Wochenlang schleppen sich nun die geheimen Vorhand-lungen der Diplomaten hin und noch ist kein Ende des ge-jährlichen Spiels abzusehen. Im Gegenteil, heute wird bekannt. daß in den Verhandlungen eine Pause gemachtwird. Herr C a m b o n, der französische Botschafter, geht zurBerichterstattung nach ParsS und Herr v. Kiderlen-Wächter geht auf ein paar Tage in Privatangelegenheitennach Süddeutschland. Das ist aber auch das einzige, was dieharrenden Völker zu wissen bekommen. Sonst erfährt manüber den Bericht, den die Herren Bethmann Hollweg undKiderlcn-Wächter gestern Wilhelm IL erstattet haben, keinWort.Die„Post" setzt ihre Kriegshetze munter fort. Auch denRadaupatrioten und Panzerplatteninteresfenten, die imnierwieder aufgefordert werden, den Se dantag zu großenKundgebungen für den Krieg zu benutzen, möchten wirraten, nicht allzu üppig zu werden. Es könnte ihnen sonstleicht passieren, daß für jeden dieser Schreier zehn-tausend deutsche Arbeiter aufmarschieren,die ihnen den wahren Willen und die wirkliche Stimmungdes deutschen Volkes sehr deutlich demonstrieren würden.Gegen die blödsinnige Hetze nehmen sogar die„Hamb.Nachr." Stellung, ein Blatt, das sonst von Mordspatriotismusnicht frei ist. Sie schreiben:Auch wir sind jederzeit bereit, den Appell an das deutscheSchlvert gutzuheißen, wenn ein Lebensintercsse von Reich undVolk oder die nationale Ehre bedroht ist. Aber bis jetzt ist dieseBedingung in der marolkanischen Sache nicht erfüllt. Wennwir aber trotzdem losschlügen und siegten: wäre daS bißchenMarokko d i e Ströme deutschen Blutes wert, diein einem solchen Kriege fließen müßten? Der ungeheuerenSchädigung von Handel und Wandel und dersonstigen Opfer, die wir zu bringen hätten, nicht zu gedenken.Wenn wir aber unterlägen— das KriegSglück ist dochschließlich wandelbar— was dann? Mit unserer Machtstellungund Wohlfahrt wäre eS vorbei, wir würden nur aus taufendenvon Wunden verbluten und um viele Jahrzehnte in der Entwickelunggegen andere Völker zurückgeworfen, die Urheber und BefürworterdeS Krieges aber von dem Ingrimm deS deutschen Volkes zerfleischtWerden. DaS find Betrachtungen, die unsere Fanatiker immerhinanstellen sollten, bevor sie die Regierung weiter dazu drängen, eSin der Marokkofrage auf alles ankommen zu lassen. Wir unserer-seitS sind fest davon überzeugt, daß jeder Politiker vonGewissenhaftigkeit und VerantwortlchkeitS»g e f ü h! unsere Ansicht teilt, daß in der Marokkofraga vorläufigBesonnenheit und ruhiges Blut doch mehr am Platzesind als blinde Draufgängerei.Verlassen darf man sich aber auf die Besonnenheit unddas Verantwortlichkeitsgefühl der Diplomaten allein aufkeinen Fall und so ist es sehr erfreulich. daß unsereProtestbewegung im Lande so guten Fortgang nimmt.Es ist natürlich unmöglich, über alle Versammlungen einzelnzu berichten, und wir müssen uns begnügen, kurz die größerenKundgebungen zu verzeichnen. So wird uns qus Frank»surt a. M. berichtet:In einer massenhaft besuchten Versammlung referierte Donners-tag abend Genosse Wendel über das Marokkoabenteuer. Unterstürmischer Zustimmung der Versammelten erhob er Protest gegendie Kolonialpolitik der Regierung und gegen die verbrecherischenPläne der Kriegshetzer. Die Versammlung beschloß einstimmig eineResolution, in der eS heißt:„Die Versammelten wissen fich eins mit dem gesamtendeutschen Proletariat, daß sie den Ausbruch eines b rüder-mörderischen, ku�ltur schänderischen Krieges,der durch die Hetze gewissenloser und profitwütiger Interessentenund Spekulanten entfacht werden kann, mit allen zu Gebotestehenden Mitteln verhindern müssen. Sie verwerfenjedwede koloniale Raub- und Beutepolitil und fordern die sofortigeEinberufung und Mitentscheidung des Reichstages, um allen dasTageslicht scheuenden Treibereien in dem ebenso gefahrvollen wiegewissenlosen Marokkoabenteuer ein Ende zu machen."Die Herren Kriegshetzer, die sich sogar erfrechen, imNamen des deutschen Volkes zu sprechen, können daraus ent-nehmen, daß es der deutschen Arbeiterklasse verfluchternst ist und sie dürfen versichert sein, daß dieser Ernst,wenn es notwendig werden sollte, noch viel deutlicher ihnenzum Bewußtsein gebracht werden wird.Ruhe in Tarndant.Tanger, 18. August. Nachrichten über Tarudant besagen. daßdie Stadt von den Haura eingenommen war, daß aber dieaußerhalb der Mauern gelegene KaSbah unbeschädigt geblieben ist.In ihr befanden sich zwei Europäer, ein Deutscher und«mOesterreicher, Agenten der Firma Mannesman». Jetzt ist die Ruhewieder hergestellt._Die neue ssMeiWesterei.Die offiziöse Presse ist recht kleinlaut. Auch die Blätter, diesonst mit der Verteidigung deS Jagow-ErlasscS und selbst derwunderlichsten Polizeihandlungen ohne weiteres bei der Hand find.begnügen sich diesmal mit einer nackten Mitteilung über den Vor«gang und der lakonischen Bemerkung, daß eine Untersuchung ein-geleitet sei, daß Herr v. Jagow selbst die Untersuchung in die Handgenommen habe, oder- auch, daß ja nun die Staatsanwalt-s chaft darüber zu befinden haben werde, ob der Schuß wirklich inder Notwehr abgefeuert Wörde« sei. In der Tat wäre es wünschenswert, daß die Staatsanwaltschaft sich beizeiten der Untersuchungbemächttgte. denn die Recherchen, die vom Polizeipräsidium selbstunternommen worden sind, haben ja bisher stets zu einem höchstnegativen Resultat geführt. DaS gewöhnliche Ergebnis derJagowschcn Untersuchungen war ja. daß sich n i ch t S f e st st e l l e nlasse, und eS hat allen Anschein, als ob auch diesmal keinanderes Resultat zu erwarten sei.DaS höchst Befremdliche an der Geschichte ist nämlich, daß diepolizeioffiziösen und halboffiziellen Darstellungen, die bisher in derBerliner Presse erschienen sind, eine so unglaublich ver-worrene und von einander abweichende Darstellungdes Vorfalls geben, daß fich kein Mensch daraus ein Bild von denwirklichen Vorgängen machen kann. Wir wollen uns daS Vergnügenmachen, einstweilen.nur" sechs verschiedene Lesarten, die samt-lich von polizeilicher Seite mspiriert sein dürften, zusammen-zustellen:Erste Lesart: Zwei Beamte, ein Kriminalschutzmann undein uniformierter Schutzmann, wollten den Fürsorgezögling BrunoTreptow verhasten. Bei dem Versuch, ihn zu fesseln, kam es zumWiderstand Bruno Treptows und seines Bruder». Dem uni-formierten Schutzmann, der zu Boden geworfen wurde, wurdeder Säbel entrissen. Als ein nun erst hinzukommender dritterSchutzmann sah, daß der e r st e Schutzmann mit seinemeigenen Säbel bedroht wurde, schoß er de» Exzedcntennieder.Zweite LeSart: Beide Schutzleute, die zur Verhaftungschreiten wollten, der Kriminalbeamte wie der uniformierte, wurdenvon Treptow und seinem Bruder bedrängt. DaS Publikumhatte jedoch bereits die beiden Ex Zedenten von denSchutzleuten abgedrängt, als der dritte Schutzmannerschien. Die RowdieS warfen sich nun sofort aus diesendritten Schutzmann, der zu seiner Verteidigung schoß.Dritte LeSart(.Tägliche Rundschau"): Der unifonnierteSchutzmann wurde angegriffen und zu Boden geworfen, derKriminalbeamte jedoch eilte fort, um Hilfe zu holen.Kinder brachten indes schon vorher zwei neue Schutzleute herbei.Einem von diesen neu hinzugekommenen Schutzleuten wurde derSäbel entrissen, mit dem man auf den zweiten ein-schlug, worauf dieser zu seiner Verteidigung den Schußabgab.Vierte Lesart(.Norddeutsche Allgemeine Zeitung"): Diebeiden Exzedenten waren bereits durch Gäste von den angegriffenenSchutzleuten abgedrängt, als der dritte Schutzmann er-schien. Daß irgend einem der Schutzleute der Säbel ent-rissen worden sei, wird nicht gemeldet, sondern einfach gesagt,daß der hinzukommende Schutzmann»angegriffen" wordensei, worauf er Feuer gegeben habe.Fünfte Lesart: Bruno Treptow, der gesuchte Fürsorge-Zögling, wird als der Angreifer bezeichnet, den der bedrohteSchutzmann niederschießen mußte.Sech st e LeSart(.Lokal-Anzeiger"): Es fand kein Säbel-angriff auf einen Schutzmann statt, sondern der hinzukommendedritte Schutzmann wurde mit dem Messer bedroht. Der Angreiferwar aber nicht Bruno Treptow, sondern dessen B r u d e r. Durchden Schuß wurde aber nicht der Angreifer verletzt, sondernBruno Treptow!Ein tollerer Wirrwarr, ein abenteuerlicherer Widerspruch in derDarstellung des Borfalls läßt sich nicht gut denken. Man weißnicht, welcher der Schutzleute bedroht war, nicht, ob der Schuß zureigenen Verteidigung des Schießenden oder zum Schutze des anderenabgegeben worden! Man weiß nicht, ob der Verletzte sich desSäbels oder des Messers zum Angriff bediente oder ob er überhauptkeine Waffe gebrauchte! Man weiß nicht, ob der angeblich Au-greifende niedergeschoffen wurde oder ob, wie doch der vonpolizeilicher Seite gewöhnlich so gut unterrichtete Lokal-Anzeigernoch am Freitagabend meldet, versehentlich gerade derandere Bruder daS Opfer des Brownings geworden ist I Manweiß also gar nichts, weil offenbar die beteiligten Polizei-beamten eine völlig konfuse, miteinander in unlös-l i ch e m Widerspruch stehende Darstellung gegeben haben IAber gerade dadurch wird in höchstem Maße der Eindruck hervor-gerufen, daß auch diese Schießerei nur auf den Jagow-Erlaß zurückzuführen ist, daß sie aber zu vermeidengewesen wäre, da doch wohl drei Schutzleute, von denen zweiSäbel führen, mit zwei Personen hätten fertig werden können.zumal doch gerade nach polizeilicher Meldung anwesende Zeugendes Vorfalls bemüht gewesen sein sollen, die Angreifenden vonden Schutzleuten zurückzudrängenlDaß das Opfer des Polizeirevolvers diesmal ein übelberüchtigtcSJndividmlm gewesen ist, kann die Oeffentlichkeit nicht abhalten, ander ganzen Art der Schießerei, für die Herr v. Jagowund sein Erlaß die Verantwortung tragen, die s ch ä r f st e Kritikzu üben!Nach Lein Ergebnis unserer eigenen Ermittelungen dürfenwir annehmen, dag der Zusammenstoß zwischendem Fürsorgezögling und der Polizei ver-miedenwordenwäre, wenn nicht einer der beiden ihnsistierenden Beamten sofort Miene gemacht hätte, ihn in derüblichen Weise zu fesseln. Treptow, der das bemertte,rief dem ihn am Arm festhaltenden Beamten zu:„Das gibt'snicht! Ich gehe so mit!" Da der Beamte aber nicht losließ.so suchte Treptow sich freizumachen, und es kanr dann zueinem Ringen zwischen ihm und den beiden Polizisten. TenSchuß feuerte ein. dritter Beamter ab, der herbeigerufcuworden war.Ueber diesen Schuß, der nicht„zu spät" fiel,wird von Augenzeugen eine Darstellung gegeben� die sehr fürdie Vermutung spricht, daß die Schießerei unter dem Ein-fluß der Jagow s che n Strafandrohung zustandegekommen ist. Der Schutzmann, der aus Treptow seinenRevolver abschoß, war erst im letzten Augenblick dazu-gekommen, als das Ringen zwischen Treptow und den beidenzu seiner Festnahme abgeschickten Beamten größtenteils schonvorbei war. Treptow stand in der Mitte des Raumes, zubeiden Seiten standen in einiger Entfernung die beiden Bc-amten. wohl auf Gelegenheit wartend, sich wieder auf ihn zustürzen, um ihn zu überwältigen— da zeigte sich in der Türdes Lokals der dritte Beamte. Als Treptow sich bückte-lviLwenn er etwas aufheben wollte, rief der dritte Beamte:„Vor-sehen! Gehen Sie da weg!" und im nächsten Augenblick schoßer ab und traf den sich eben wieder aufrichtenden Treptoiuin die Brust. Ter schießende Schutzmann hat seine Eilfertig-keit damit begründet, daß er einen Angriff habe ab-w e h r e n w o l l e n. Unbeteiligte Zeugen versichern, daß siegerade zu diesem Zeitpunkt nichts von einem An-griffsversuch Treptows bemerkt habenr Es istuns zu glaubhaft, daß unter dem Eindruck der JagowschcnSchießverfügung sich deS Schutzmanns eine Nervosität bc-mächtigt hatte, die ihn voreilig zu seinem Schießeisen greifenließ.WJ e lange soll diese Gefährdung der Bevölkerungdurch Schutzleute, die nicht zu spät schießen zu dürfen meinen,noch andauern? Vielleicht so lange, bis einmal einem vorbei-schießenden Schutzmann irgendeine hohe Persönlichkeit zumOpfer fällt!_politifcbc Qcbcrficbt.Berlin, den 19. August 1911.Ter Fravendorfersche Erlast und daS bayerische Zentrum.Wie wir schon gestern annahmen, ist das Zentrum mitdem schönen Erlaß des bayerischen VerkehrsministersV. Fraucndorfer, des«roten Heinri ch", wie ihn spöttischdie bayerische Zcntrumspresse nennt, durchaus'nicht zufrieden.Die bayerischen Zcntrumsblätter bezeichnen den Erlaß gegenden Süddeutschen Eisenbahnerverband als eine halbe Maßregel, die wenig nützt. Ihre Forderung geht dahin, daß denEisenbahnangcstcllten direkt Verbote ir wird, diesemVerband anzugehören, damit der klerikale Bayerische Eisen-bahncrverband die lästige Konkurrenz los wird und wiederollein das Feld beherrscht. Recht deutlich geben denn auchdie Zentruinsblätter dein„roten Heinrich" zu verstehen, daß,wenn er sich die Gunst des Zentruins erwerben will, er sichnoch ein weit größeres Entgegenkommen gegen die Wünscheund Befehle der regierenden Partei in Bayern angewöhnenmuß. So schreibt z. B. der„Bayerische Kurier":.Der Erlaß ist durchaus unbefriedigend. Daß der Verkehrs-minister sich nicht dazu entschließen konnte, den Süddeut»scheu Eiscnbahnerverband zu verbieten für dasGebiet der bayerischen Verkehr»verwaltung. das wußte man.Aber die seit langem geführten Untersuchungen, für di» eineeigene Kommission im VcrkehrSmiuisterium cingcseht war, hättenbei dem vorliegenden Material mindestens zu der stritten Erklä-rung des VerkehrSministeriums führen müffen, daß ein Arbeiterder VerkehrSairsialten, welcher dem Süddeutschen Eisenbahner-verband angehört, nicht in den Beamtenstand aufrücken darf, weil