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Nr. 211. 28. Jahrgang.

3. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Sonnabend, 9. September 1911.

Der britische   Gewerkschaftskongreẞ. Wortlaut hatte:

London  , 6. September 1911. 3weiter Tag.

Am zweiten Tage platten die Geister auf dem britischen   Ge­wertschaftsfongreß gewaltig aufeinander. Der Tag fing ruhig genug an. Der Bürgermeister von Newcastle  , begleitet vom Sheriff und einer Anzahl Gemeindevertreter, erschien auf dem Kongreß, um den Arbeitervertretern die üblichen Liebenswürdigkeiten zu fagen. Dann erledigte der Kongreß den Bericht des Parlamen­tarischen Komitees, dem er ein Amendement beifügte, in dem er­klärt wird, daß nur die gänzliche Umstoßung des Osborneurteils die organisierten Arbeiter befriedigen werden.

Den Anlaß zu der Erregung gab das Erscheinen der Regie­rungsvertreter auf dem Kongreß. Der Handelsminister wie auch der Minister des Innern war von dem Parlamentarischen Komitee aufgefordert worden, Vertreter zum Kongreß zu schicken. Der Handelsminister schickte die Herren Mitchell und Cummings, der Minister des Innern Herrn Shackleton. Alle drei Re­gierungsvertreter waren bis vor kurzem Gewerkschaftsbeamte; zwei bon ihnen( Shackleton   und Cumming 3) haben sogar schon auf früheren Kongressen den ehrenvollen Posten des Vorsitzenden eingenommen. Die Regierungsvertreter erschienen nun in dem offiziellen statistischen Bericht über den Kongreß neben den Ver­tretern der amerikanischen Gewerkschaften, der Arbeiterpartei und ähnlicher Organisationen als fraternal delegates"( Delegierte der Bruderorganisationen). Gegen diese Bezeichnung erhob Robert Smillie, der Vorsitzende der schottischen Bergarbeiter, ener­gischen Protest. Der Vorsitzende erklärte, daß man in der Tat die Vertreter der Regierung nicht als Delegierte der Bruderorgani­sationen bezeichnen könne und versprach, daß die Stelle im Bericht abgeändert werden würde.

Dabei hätte man es bewenden lassen können; denn die Kritik der Regierung, zu der dieser Protest guten Anlaß bot, sollte ja sowieso im Anschluß an eine Resolution folgen, die das Geschäfts­fomitee ausgearbeitet hatte und die von den radikalen Gewerk­schaftsführern Will Thorne und Ben Tillet begründet und unterstützt werden sollte. Aber das Eingreifen des energischen Präsidenten der schottischen Bergarbeiter hatte auf die zahlreich erschienenen jüngeren Elemente, die gewöhnlich durch die Geschäfts­führung der älteren Gewerkschaftsführer in Schach   gehalten wer­den, eine anfeuernde Wirkung. Nach einem Duett zwischen dem Barlamentarier Clynes und dem Vorsitzenden über die Form, in der die Regierungsvertreter vom Parlamentarischen Komitee eingeladen worden seien, stand Barker, einer der fortgeschritten­ften Führer der walisischen Bergarbeiter, auf und erklärte:" Ich möchte gegen die Anwesenheit der Vertreter einer Regierung pro­testieren, die die Arbeiter niederschießt. Es ist eine Beleidigung des Kongresses."( Lauter Beifall.) Nun ging die Unruhe Ios. Ein Delegierter fragte das Parlamentarische Komitee, ob es dem engen Zusammengehen zwischen dem Ministerium des Innern und dem Kriegsministerium bei Streits Beachtung geschenkt habe. Bromley, ein Vertreter der Lokomotivführer und Heizer, stellte den Antrag, die Geschäftsführung zu unterbrechen, um die auf­geworfene Frage zu diskutieren. Er protestiere dagegen, daß der Kongreß unter die Fittiche der liberalen Regierung gebracht werde, die die Arbeiter niederschieße und die Soldatesta mit aufgepflanzten Bajonetten auf sie loslasse. Der Vorsitzende erklärte, daß diese Angelegenheit zuerst dem Geschäftskomitee unterbreitet werden müsse. Bromley verlangte die Abstimmung über seinen Antrag, der mit gewaltiger Mehrheit( 956 000 gegen 409 000 Stimmen) an­

genommen wurde.

Resolution stimmte, riefen sie aus: Fünf Schüsse, vier Tote; gut­mütige Rumpels!"

Bromley begründete darauf eine Resolution, die folgenden " Dieser Kongreß verurteilt die Handlungsweise des Parla- Das gegen das Parlamentarische Komitee gerichtete Miß­mentarischen Komitees, das die britische Regierung eingeladen trauensvotum wurde mit 262 gegen 70 Stimmen verworfen. Die hat, Vertreter zu diesem Kongreß zu entsenden." Antragsteller hatten zweifelsohne sehr schlecht operiert. In ihrem Er bemerkte, er habe persönlich gegen Herrn Shadleton Verlangen, der Regierung ihre Mißachtung auszudrücken, kam es oder Herrn Cummings nichts einzuwenden. Die Eisenbahner ihnen nicht darauf an, unterwegs das Parlamentarische Komitee hätten einen großen Kampf hinter sich, in dem die ganze Macht zu opfern, was der Mehrheit nicht gerecht erschien. der britischen Armee von der Regierung den Eisenbahnmagnaten Als nächster Punkt kam die vom Geschäftsausschuß aus­anvertraut worden sei, ehe noch die Vorstände der Eisenbahner den gearbeitete Resolution über die Verwendung des Militärs bei der Streif erklärt hätten. Als ihr Genosse Keir Hardie  , der Eisenbahnerstreit zur Beratung. Die Resolution wurde von Will fast ihr einziger Kämpe gewesen sei, davon gesprochen habe, daß Thorne( Gasarbeiter) begründet und lautete: man die Soldaten geschickt habe, um die Eisenbahner niederzu­schießen, habe die Regierung dies verneint. Wenn das nicht der Fall gewesen sei, weshalb habe man dann jedem Soldaten 80 scharfe Patronen mitgegeben. Man solle sich hüten, diese Handlungsweise der Regierung nur als einen isolierten Fall zu betrachten. Wenn es sich die Arbeiter gefallen ließen, von der Regierung in Friedens­zeiten herablassend behandelt zu werden, um in Kriegszeiten nieder­geknüppelt zu werden, dann werde die Solidarität der Arbeiterklasse nicht lange anhalten. Er möchte den Bergarbeitern ins Gedächtnis zurückrufen, daß es dieselbe Regierung war, die ihre Kameraden in Featherstone niedergeschossen habe. Er möchte die Dockarbeiter daran erinnern, daß dieselbe liberale Regierung ein Kanonenboot nach Hull   geschickt habe, um dort ihre streifenden Kollegen einzu­schüchtern. Wenn sie jetzt nicht flar als Vertreter ihrer Klasse ihre Unabhängigkeit von der Regierung betonten, dann seien sie Verräter an ihrer Klasse.

Barker( Bergarbeiter) unterstützte die Resolution und geißelte die verfassungswidrige Handlungsweise der Regierung mit scharfen Worten. Es sei schmachvoll für den Kongreß, diese Re­gierung in Schuh nehmen zu wollen. Shaw( Weber) sprach gegen die Resolution, indem er darauf hinwies, daß der Kongreß seit Jahren ein Arbeiterministerium fordere. Smillie( Bergarbeiter) bemerkte, er könne die Resolution nicht von dem Verhalten der Regierung trennen. Heiße der Kon­greß die Einladung gut, so könne dies den Anschein erwecken, als ob man der Regierung verzeihe.

Der folgende Redner fragte, ob man denn davor Angst habe, daß die Beamten der Regierung die Debatten des Kongresses hörten. In früheren Jahren habe niemand gegen die Regierungs­vertreter Einspruch erhoben.( Buruf: Wir machen auf!) Bowerman( Sekretär des Parlamentarischen Komitees) erklärte im Widerspruch mit den Angaben Smillies, daß seit der Einführung der Arbeiterabteilung jahrein jahraus eine Einladung an das Handelsministerium ergangen sei. Die Einladungen zu diesem Kongreß seien lange vor dem Ausbruch des Seemannsstreits ausgeschickt worden. Die Resolution sei aus politischen Motiven eingereicht worden.

Ueber diese Aeußerung entspann sich eine Auseinandersetzung zwischen dem Redner und dem Vorredner Smillie.

French( Seeleute) meinte, die Regierung wollte durch die Annahme der Einladung beweisen, daß sie gewillt sei, sich mit den Arbeitern zu versöhnen, eine Erklärung, die mit Gelächter empfangen wurde.

" Dieser Kongreß protestiert hiermit energisch gegen das Vorgehen des Ministers des Innern, der in unverantwortlicher Weise bei den jüngsten wirtschaftlichen Kämpfen Militär ver­wandte, und glaubt, daß die Politik den Zweck hatte, den berech= tigten Bestrebungen von Arbeitergruppen, sich bessere Arbeits­verhältnisse zu verschaffen, Hindernisse in den Weg zu legen, und daß sie nicht nur eine schwere Bedrohung der Gewerkschaften ist, sondern auch eine neue Maßnahme von solch ernster Natur, daß sie eine schwere Gefahr für die bürgerliche Freiheit dar­stellt; deshalb verlangen wir, daß Maßregeln getroffen werden, die eine erneute Anwendung dieser Methoden verhindern, daß eine eingehende Untersuchung über die Ausschreitungen der Po-­lizei und des Militärs, besonders in Liverpool und Llanelly, ein­geleitet werde und daß den Gewerkschaftern das Recht des fried­lichen Streifpoftenstehens gesichert werde, ohne daß sie dabei Ge­fahr laufen, Leben und Freiheit zu verlieren."

Diese Resolution war einer großen Zahl der Delegierten viel zu mild. Der Parlamentarier O'Grady versuchte daher ein Amendement einzubringen, wurde aber vom Vorsitzenden daran verhindert. In dem entstehenden Tumult nahm der Kongreß einen Antrag auf sofortige Abstimmung an. O'Grady und seine Freunde protestierten. Man stimmte über die Resolution ab. Nur 97 Delegierte von 521 stimmten für die Resolution. Eine große An­zahl Delegierte verließ demonstrativ den Saal. Die Resolution galt daher als angenommen.

In der schwach besuchten Nachmittagssizung wurde das Parla­mentarische Komitee beauftragt, die Vorlagen der Eisenbahngesell schaften, die die Gewerkschaften nicht anerkennen, auf jede Weise durch parlamentarische Obstruktion zu bereiteln. Auch nahm der Kongreß eine Resolution an, in der die Versorgung der Blinden durch den Staat gefordert wurde. Ferner protestierte der Non­greß gegen die Schmußkonkurrenz, die der Staat auf dem Wege der Gefängnisarbeit den blinden Arbeitern mache. Eine Resolution, die die Abschaffung der Arbeit von Kindern im schulpflichtigen Alter ( sogenannte Half- timers) verlangte, wurde mit großer Mehrheit angenommen. Die in sozialpolitischer Einsicht sehr rückständigen Textilarbeiter Lancashires, deren erster Führer bis vor kurzem Herr Shackleton   war, stimmten dagegen.

Die Annahme einer Resolution für die Verstaatlichung der Eisenbahnen und einer weiteren, die die Osbornevorlage der Re­gierung in ihrer gegenwärtigen Gestalt für unannehmbar erklärt, beschloß die Geschäfte des Tages.

Marktpreise von Berlin   am 7. Septbr. 1911, nach Ermittelung des Brace( Bergarbeiter) erklärte, daß Herr Shackleton nicht Königlichen Polizeipräsidiums. Wartthallenpreise.( Kleinhandel.) weniger ein Freund der Arbeiter sei, weil er jetzt von der Re- 100 kilogramm Erbsen, gelbe, zum Kochen 34,00-50,00. Speisebohnen gierung beschäftigt werde.( Zuruf: Aber die Kugeln töten ebenso weiße, 35,00-50,00. Linsen 20,00-80,00. Startoffeln 8,00-14,00. 1 St.lo  schnell.) Nach seiner Rede verlangte man allseitig die Abstimmung. gramm Rindfleisch, von der Steule 1,60-2,40. Rindfleisch, Bauchfleisch 1,20 Ein Delegierter rief: Weshalb haben unsere Parlamentarier nichts 1,30-2,20. Butter 2.40-3,20. 60 Stüd Eier 3,20-6,00. Stilogramı bis 1,70. Schweinefleisch 1,30-1,80. Stalbfleisch 1,40-2,40. Hammelfleisch über diesen Punkt zu sagen?" Schließlich erhielt der Antragsteller Starpfen 1,40-2,40. ale 1,60-2,80. Bander 1,60-3,60. Hechte 1.40 bis Bromley das Schlußwort. Als die Delegierten der Eisen- 2,80. Bariche 1,00-2,00. Schleie 1,40-3,20. Bleie 0,80-1,60. 60 Stüd bahner bemerkten, daß die Mehrheit der Bergarbeiter gegen die Streble 2,50-36,00.

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