Einzelbild herunterladen
 
  

Nr. 209.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel: jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit taluftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Bost- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreic Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708.

=

Vorwärts

10. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Bfg., für Vereins- und Veriammlungs- Anzeigen 20 fg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ift an Wochen: tagen bis 7 Ubr Abends, an Sonn: und Fefttagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt I. 4186. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die schweizerischen

Mittwoch, den 6. September 1893. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

auf 7804, in Bern   von 987 auf 1299, in Solothurn   von 592

König Stumm, der typische Vertreter der Fabrik­despotie, hat auch in der Schweiz   Gesinnungsgenossen.

Die Zahl der Unfälle, über deren Behandlung nicht ein Statut, welches das Verhältniß zwischen Arbeit­Artikel 4 und 5 des Fabrikgesezes bestimmen, hat sich in der geber und Arbeiter ordnen soll. Auf diesen Umstand mag Kantons- Regierungen über die Berichtsperiode gegenüber früheren Jahren in ganz auf- es auch zurückzuführen sein, daß die Arbeiter vielfach bei fallender Weise vermehrt. So im Kanton Zürich   von 5448 der Aufstellung von Fabrikordnungen nicht gefragt und Durchführung des Fabrikgesetzes. deren Zustimmungs- Erklärungen nicht eingeholt werden. auf 858, in St. Gallen   von 1854 auf 1941, im Thurgau   Unsere Direktion( Ministerium) des Innern hat nun an­In der Schweiz   ist die Einrichtung getroffen, daß in von 501 in der Periode 1889/90 auf 706 in den Berichts- gefangen, jede Fabrikordnung, welche hierüber keinen dem einen Jahre die Fabrikinspektion, in dem andern jahren 1891/92 u. s. w. In den Berichten wird theilweise Ausweis enthält, zur Ergänzung zurückzubieten, bevor sie Jahre die Kantonsregierungen für je eine zweijährige geklagt über die gänzliche Unterlassung von Anzeigen oder dieselbe dem Fabrikinspektor zur Begutachtung zugehen läßt." Periode über die Durchführung des eidgenössischen Fabrik- beren Mangelhaftigkeit oder Verspätung, über hier und da gesetzes berichten. Soeben ist nun der Bericht der Kantons- vorkommende höhere Lohnabzüge für Unfallversicherungs­regierungen für die Jahre 1891/92 erschienen. In dieser prämien, als gefeßlich zulässig, über Benachtheiligung der Bezüglich des gesehlichen Elfstundentages Berichtsperiode hat die Zahl der dem Fabrikgeset unter- von Unfall Betroffenen bei der Entschädigung 2c. Die wird in mehreren Berichten ausdrücklich konstatirt, daß seine stellten Etablissemente theilweise eine wesentliche Steigerung St. Galler   Regierung sagt:" Wenn wir den Ursachen Durchführung keine Schwierigkeiten bereitete. In anderen erfahren und zwar infolge der bundesräthlichen Verordnung der 1941 Unfälle nachgehen, finden wir, daß eine Berichten wird von wenigen Uebertretungsfällen berichtet. vom Juni 1891, durch welche die Grenzzahl der Arbeiter beträchtliche Zahl derselben mit mehr Vorsicht und Im Kanton St. Gallen   mußten die Behörden in 37 Fällen von 25 auf 10 herabgesetzt wurde und die Unterstellung der Anwendung der vorhandenen Schuhvorrichtungen hätte einschreiten, welche hauptsächlich die Nichteinhaltung der Im Kanton St. Gallen   mußten die Behörden in 37 Fällen Betriebe schon mit mehr als 5 Arbeitern erfolgen kann, wenn vermieden werden können. In mehreren Fällen mußten Zwischenpausen und den früheren Feierabend am Sonn­Motoren vorhanden sind. Im Kanton Zürich   hat sich dem wir die Erfahrung machen, daß die vorhandenen Schuß abend betrafen. Diese häufigen Uebertretungen in der Be­nach die Zahl der aufsichtspflichtigen Betriebe von 680 vorrichtungen einfach beseitigt und bei gefährlicher Arbeit richtsperiode hängen mit dem Rückgang des Stickereis Ende 1890 auf 793 Ende 1892 vermehrt, im Kanton Bern  ( Fräsen, Hobeln 2c.) ganz außer Acht gelassen wurden. Es verbandes zusammen, der die ausgetretenen Mitglieder richtsperiode hängen mit dem Rückgang von 388 auf 507, in Luzern   von 72 auf 111, in Solothurn   fällt uns deshalb auch gar nicht auf, daß sich die Prämien nicht mehr kontrolliren kann und seine treugebliebenen von 97 auf 136, im Aargau   von 341 auf 358 u. f. w. an die Unfallversicherungsgesellschaften immer steigern und Mitglieder wahrscheinlich nicht mehr so streng kontrollirt, Berücksichtigt man die Zahlen der abgegangenen Betriebe, die Arbeitgeber unzufriedener werden. Strengere Aufsicht wie früher. Im Aargauer   Bericht wird mitgetheilt, so erscheint der Zuwachs noch etwas größer. Die Aus- beim Geschäftsbetriebe und energischere Durchführung der den daß einige Fabrikanten die 102 und 10stündige Arbeits. dehnung des Fabrikgesetzes auch auf die kleineren Mittel- Arbeitern bekannten Vorschriften und Verbote 2c. würden zeit eingeführt haben und damit gute Erfahrungen machen. betriebe scheint ohne Schwierigkeit geschehen zu sein. ohne Zweifel zu einem günstigeren Resultate führen. Schon Die Zahlen der Fälle von behördlich bewilligtér oft gaben uns Unfälle Gelegenheit, auf die Nachlässigkeit speziell der Bauunternehmer aufmerksam zu machen. Die Arbeitszeitverlängerung sind zwar nicht höhere als in Anbringung oder Verwendung von Geländern an Boden- früheren Jahren, jedoch lassen sie erkennen, daß die Be­öffnungen und Gerüsten, Verdecke an Fräsen, Bandsägen, hörden den Geschäftsinhabern in diesem Punkte sehr ent­Hobel- und Abrichtmaschinen, Getrieben aller Art, Tragen von gegenkommen. In einigen Berichten wird gesagt, daß Schutzbrillen, Stiefeln oder Gamaschen beim Gießen zc. hätten Arbeitszeitverlängerung nicht verlangt und daher auch keine Es bewilligt wurde. Bemerkenswerth ist das Verfahren ein­eventuell zwei Drittel der Unfälle verhüten können."

Die Durchführung des Fabrikgesetzes hat sich nach den vorliegenden Nachrichten gegenüber früheren Jahren sehr gebessert, und es darf wohl anstandslos gesagt werden, daß feine Beachtung überall die Regel bildet und Uebertretungen zu den Ausnahmen gehören. Diese Uebertretungen kommen allerdings bezüglich aller Artikel vor, was aber insofern nichts Ueberraschendes ist, als ja alle anderen Gesetze eben­falls seltener oder häufiger übertreten werden.

und

ift altbekannt, daß die oft bei niedrigen Lohnsäßen im zelner Kantonsregierungen bei Ertheilung bezüglicher Be­Die wegen Beschaffenheit der Arbeitsräume erhobenen Afford beschäftigten Arbeiter Schuhvorkehrungen, wenn sie willigungen. Die Regierung von Graubünden   prüft bei Anstände betrafen zumeist Verbesserung oder Ergänzung von nicht ganz zweckmäßig und bei der Arbeit irgendwie hinder- allen Ueberzeitbewilligungs- Gesuchen die angeführten Beweg­Schutzvorrichtungen, und es wurden diese Begehren regel- lich find, selbst bei großer Gefahr beseitigen, um bequemer gründe auf ihre Richtigkeit und die in Frage kommenden mäßig von den Geschäftsinhabern auch erfüllt. Nur in arbeiten zu können! Die Schuld liegt aber in solchen Arbeiter werden von den zuständigen Kreisämtern zu Pro­wenigen Fällen wurde Widerstand geltend gemacht, der von Fällen nicht an dem Arbeiter, sondern an den niedrigen tokoll einvernommen, ob sie sich der beabsichtigten aus­Diese den Behörden durch nachdrückliches Einschreiten überwunden Lohnsäßen resp. an dem verwerflichen Akkordsystem. Wenn nahmsweisen Arbeitszeit freiwillig unterziehen. um Mißbrauch feitens wurde. Die Regierung von Obwalden   sagt in ihrem Be- dasselbe abgeschafft und ein auskömmlicher Tagelohn bezahlt Praxis wurde gewählt, richte, die Fabrikbesizer begriffen ganz gut, daß wurde, fiele es sicher feinem Arbeiter ein, Schutz der Unternehmer zu verhüten. Thatsächlich hat denn auch zweckmäßige Einrichtungen zum Schuße von Gesund- vorrichtungen zu beseitigen und sich bei einer Maschine zu eine Firma, die sich um eine Ueberzeitbewilligung beworben, als die angebliche Nöthigung hierzu einer Untersuchung heit und Leben der Arbeiter auch in ihrem verkrüppeln. eigenen Interesse liegen. Nach dem Solothurner   Bericht Arbeiterverzeichnisse Arbeitsunterstellt werden sollte, ihr Gesuch zurückgezogen. Die tommt noch Ueberhäufung der Arbeitsräume mit Arbeitern ordnungen   wurden im großen Ganzen in Ordnung Lokalbehörden werden ferner stets angewiesen, die an die vor, außerdem lassen in einzelnen Etablissements auch befunden, dagegen waren im Kanton St. Gallen   die Behörden regierungsräthlichen Bewilligungen geknüpften Bedingungen Ventilation, Beleuchtung, Heizung und Reinlichkeit zu in nicht weniger als 106 Fällen zu Tadel, Reklamationen polizeilich überwachen zu lassen. Die Aargauer   Regierung verfährt nach folgenden Grund­wünschen übrig. Verschiedene Mißverhältnisse bestehen nach und Strafeinleitung veranlaßt. Der Aargauer   Bericht be­dem Aargauer   Bericht noch in solchen Fabriklofalitäten, merkt über die Arbeitsordnungen, daß sie nicht selten zu fäßen: Die Gesuche müssen den Nachweis enthalten, daß welche schon vor dem Inkrafttreten des Fabrikgesetzes be- weitschweifig sind und alle möglichen Bußandrohungen ent- eine Verlängerung der Arbeitszeit aus was immer für einem standen haben und die sich oft schwer und nur mit großem halten, während die Hauptsache fehlt. Offenbar stellt sich Grunde wirklich Bedürfniß ist. Ueberzeit Bewilligungen Kostenaufwande beseitigen lassen. der Arbeitgeber darunter eine Art Polizeireglement vor und werden auf einmal für nicht länger als drei Monate und Menschen sehe. Aber wissen Sie auch, wem ich dann zürne? Ter Gesellschaft, die das aus dem Menschen gemacht ehemaligen Kameraden unruhig. Er war in seinen Augen hat, dem bürgerlichen System, das ihnen weder gestattet hat, sich zu bilden, noch sich zu den verfeinerten Genüssen des Lebens zu erheben. Das ist ein Grund mehr für mich,

Feuilleton.

Nachbruc verboten.)

( 61

Die Bekehrung André Savenay's. Sozialiſt zu sein."

Sozialistischer Roman

von Georges Renard.

Autorisirte Uebersetzung von Marie Kunert  .

Sie glauben also," sagte er, daß die Sozialisten ein für allemal zu Bluse und Müze*) verurtheilt sind!" Es thut mir leid, Ihnen diese Illusion nehmen zu müssen. Aber, ob nun mit oder ohne Handschuhe, lieber Alfred, ich gehöre zu den Sozialisten."

" Nicht möglich! Sie können zu diesen Leuten nicht gehören! Sie, ein fein erzogener Mann aus guter Familie, der sogar studirt hat! So wie ich Sie tenne, muß es Ihnen doch schrecklich sein, diese Menschen mit ihren rohen Stedensarten um sich zu haben."

Von den feinen Männern, die im Parlament und in der Presse blühn, weiß man nun auch gerade genug," sagte André mit leisem Spott.

Alfred hörte André ganz verdugt zu. Mit einem Male schien ihm ein Licht aufzugehen:

" Ah," sagte er, Sie wollen sich wohl als Kandidat in einem Faubourg von Paris   aufstellen lassen?"

" Ich habe keinerlei Neigung, Stadtrath zu werden." Aber warum zum Teufel geben Sie sich denn mit diesen Habenichtsen ab?"

Weil ich erkannt habe, daß ihre Forderungen ge recht sind."

Alfred ließ ein sehr erstauntes Ah! hören, machte dann eine refignirte Geste, die bedeutete, daß er darauf verzichtet hatte, die Sache zu begreifen. Schweigen folgte. Guntram unterbrach es durch die Frage:

Und was thust Du jezt?" " Ich bin Graveur."

Das war denn doch zu viel. Alfred betrachtete seinen nicht nur ein hirnverbrannter Mensch, ein Narr, ein leben­des Räthsel, er sah auch einen Verirrten, einen verlorenen Menschen in ihm, mit dem in Berührung zu kommen ge­fährlich war. Er nahm eine kalte, abweisende Miene an, als Guntram fragte:

-

Und mit wem verheirathest Du Dich?" ,, Mit dem jungen Mädchen, das mich Du erinnerst Dich vielleicht noch damals als wir den Wagramsaal besuchten, gerettet hat."

-

,, Eine Sozialistin also," sagte Alfred schnell, der es nicht gern hatte, wenn man ihn an jene Episode erinnerte. ,, Mein Gott, ja. Die Gatten müssen doch zu einander passen!" erwiderte André ruhig.

Alfred wurde jeßt eisig. Er sagte nachlässig: " Und wann Hochzeit?"

In der ersten Hälfte des Mai. Ich werde mich freuen, Euch an dem Tage sehen zu können, aber ich muß Euch darauf aufmerksam machen, daß nur eine Zivil­trauung stattfindet und daß die Hochzeit mehr als einfach sein wird."

Guntram streckte die Arme zum Himmel empor. Also ein Arbeiter! Aber das ist ja entseglich! Du mußt Deine alten Beziehung wieder anknüpfen. Man Alfred erklärte, daß es ihm ein Vergnügen sein wird, Wenigstens gehören die Leute dort doch zu unseren muß Dir irgend eine Stelle im Ministerium verschaffen. zu erscheinen, wenn er in der Zeit in Paris   wäre. Nur Kreisen. Aber Ihre neuen Freunde sind ja Barbaren, So kannst Du unmöglich bleiben! Arbeiter!" fürchte er, dann auf Reisen zu sein. Was Frau Vernaud Halbwilde, schlecht angezogen, ungewaschen und ungebildet!" Beklage mich nicht zu sehr," erwiderte André, durch betreffe, so müsse er leider sagen, daß ihre Grundsätze es " Wer ist denn daran schuld, wenn sie es wirklich diesen naiven Schrecken beluftigt." Ich bin darum durchaus ihr nicht gestatteten, einer Feier beizuwohnen, die ihre wären," fiel André lebhaft ein. Haben sie die Mittel ge nicht unglücklich. Ich verdiene mein Brot und will mich religiösen Gefühle verlegen würde. André dachte daran, habt, um zehn Jahre zu studiren wie wir? Sind fie Faul nächstens sogar verheirathen." daß er der religiösen Hochzeit der jungen Frau seiner Zeit leuzer, um weiße Hände haben zu können? Gewiß, ich beiwohnte und lächelte mitleidig. leide darunter, wenn ich rohe, brutale und unwissende

*) Die Tracht der französischen   Arbeiter.

Eine gute Partie wahrscheinlich, die Sie herausreißen wird," sagte Alfred etwas beruhigt. Meiner Treu! Meine Braut ist arm wie ich. Sie plöglich. lebt nur von ihrer Arbeit."

" Hast Du schon Deine Zeugen?" sagte Guntram " Noch nicht."