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Nescha» B«y richtete an den italienischen Kommandanten in Tripo- Iis die Aufforderung, sich zu ergeben. Der italienische Komman- dant antwortete ablehnend. Neschad Bey begann hierauf das Vom- bardement der Stadt, welches zwei Stunden anhielt. Da jedoch der größte Teil der italienischen Truppen sich in die Häuser zurückzog, wurde das Bombardement unterbrochen. Neschad Bey delegierte hieraus seinen Adjutanten als Parlamentär zu den fremden Kon- suln und ließ sie auffordern, sich zusammen mit den Einwohnern außerhalb der Stadt zu begeben, da es ihm unmöglich sei. den Angriff auf die Stadt aufzuschieben. Die dann zwischen den Konsuln und dem italienischen Kommandanten geführten Ver­handlungen scheiterten. Letzterer wollte erst nach Rom referieren, aber Neschad wies diesen Borschlag zurück. Sie Revolution in China . Trotz des kaiserlichen Edikts und trotz allen Reformeifers der Nationalversammlung wird an verschiedenen Stellen des Revolutionsgebietes weitergekämpft und der von Juanschikai angeordnete Waffen st ill st and wird von den kämpfenden Parteien nicht innegehalten. Auch scheint die reaktionäre Beivegnng in anderen Provinzen emporzulodern, so in der Südprovinz I u n a n, die schon inimer zu den unbotmäßigsten gehört hat. Ueber den Aus- gang des Ringens um Hankau läßt sich immer noch nichts Bestimmtes sagen. Auch das Schicksal der Mandschudynastie ist»och keineswegs sicher. Das Reformprogramm der Regierung. Peking, 3. November. (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Ter Thron hat heute eine Reihe von Bestimmungen angenommen, welche die Nationalversammlung als notwendige Grundlagen der von ihr zu entwerfenden Verfassung vorgelegt hat. Die Bestimmungen setzen die Einführung eines Parlaments fest, dem die Kontrolle über die Ausgaben und die Verwaltung zu- stehen, sowie eines Ministeriums, das vom Parlament gewählt werden und ihm verantwortlich sein soll. Bis zur Einführung und Versammlung des Parlaments soll die Nationalversammlung seine Stellung einnehmen. Die Forderungen der Nationalversammlung und der Militärliga. Peking, 3. November. Der wesentlichste Punkt des Programms, welches gemeinsam die Nationalversammlung und Mililärliga aus- gearbeitet haben, ist die vollständige Vernichtung der Mandschu- dynastie. Die Nationalversammlung ist nicht damit zufrieden, dem Adel die hohen Posten zu entziehen. Die Liga ist entschlossen, die Gelegenheit zu benutzen, um den MandschuS ihre seit Jahrhunderten . geheiligten Vorrechte, die sie zur herrschenden Klasse machten, zu entziehen. Zu den Forderungen, welche die Nationalversammlung dem Thron noch stellt, gehört die Abschaffung des Zopf. tragens, die Auflösung der acht Mandschu- regimenter, von deren Wertlosigkeit man seit langem über- zeugt ist und die nur eine Belastung des Budgets bedeuten, ferner daß die MandschuS in Zukunft chinesische Familiennamen an- nehmen sollen, wodurch sie nach und nach von der chinesischen Be- völkerung aufgesaugt werden; endlich daß die Pensionen, welche .W Mandschufamilien bis jetzt von dem Staate erhielten, voll- - ständig abgeschafft werden. Seit der Erhebung der gegenwärtigen «.Dynastie hatten nämlich sämtliche MandschuS von- dem Tage ihrer Geburt an das Recht einer monatlichen Pension von der Regierung. Die öffentliche Meinung gegen die Dynastie und gegen Juanschikai. Schanghai , 3. November. Juanschikai spricht sich in einer Depesche, welche er an den Vizekönig von Nanking nicht offiziell gerichtet hat, sehr pessimistisch über die gegenwärtig« Lage aus, namentlich da er bemerkt hat, daß die ganze Nation auf der Seite der Rebellen, selbst in den extremsten For- derungen derselben stehe. Juanschikai hält die Zahl von 10 000 Mann, welche ihm zum Kampf« gegen die Revolutionäre zur Ver- fügung gestellt worden sind, für zu gering. Er beschwört die Vize- könige. über die Interessen' der Distrikte, die ihrer Jurisdiktion unterworfen sind, zu wachen und fordert sie auf, die aufgeregten Gemüter zu beruhigen. Die chinesischen Zeitungen, welche das letzte kaiserliche Edikt einer eingehenden Kritik unterziehen, schreiben, daß dieses Edikt ohne jeden Wert ist und raten der Nation, unaufhaltsam vorwärts zu gehen in der revolutionären Bewegung, bis alle MandschuS ihrer Posten ent- hoben sind. Sie richten ebenfalls heftige Angriffe gegen I u a n s ch i k a i, den sie als einen Sklaven der MandschuS be- zeichne» und von dem sie behaupten, daß er die Hauptursache dafür gewesen sei, daß die Forderungen des chinesischen Volkes bis jetzt noch nicht erfüllt worden sind. Gleichzeitig klagen sie ihn an, ver- antwortlich für die Zerstörung der Stadt Hankau durch Feuer zu sein. Die Kämpfe um Hankau . London , 3. November. DaS Reutersche Bureau' erhält auS H a n ka u folgende undatierte Depesche: Am Sonntagnachmittag haben die Aufständischen, die Verstärkungen erhalten hatten, die Stadt Hankau wiedererobert. Am Montagmorgen bombardierten die Kaiserlichen die Stellung der Aufständischen. Die Forts von Hanyang feuerten über den Fluß hinweg. Ein japanischer nach Tschangscha bestimmter Dampfer erhielt die Er- laubnis. den Fluß zu passieren. Eine Batterie beschoß den rufst. sch-n Dampfer..Poltawa" und wollte seine Rückkehr nach Hankau von seinem Ankerplatz stromabwärts nicht erlauben. Die Aufstän- dischen enthaupteten den Obersten Schanghsinyang, der in den Kämpfen am Freitag den Befehl geführt hatte, da er des Verrates verdächtig war. Andere Offiziere traf dasselbe Schicksal. Fremde berichten, daß sie mit angesehen hätten, wie die Aufständischen zwanzig ge,angene Kaiserliche und etwa tausend Verwundete töteten. Sschaschi und Jotschu haben die Fahne der Aufrührer gehißt. Die Ausdehnung des Revolntionsherdes. New York , 3. November. Die.United Preß" empfängt aus Tokio ein Kabeltelegramm, dem zufolge die chinesischen Truppen in Tsinanfu meuterten und das Arsenal eroberten. Tie wenigen treugeblieb-nen kaiserlichen Truppen entflohen. In der Pro-' vinz Jünan haben die Truppen die Unabhängtgkelt der gesamten südlichen Landschaften proklamiert. Auch im Norden wächst die revolutionäre Bewegung bedrohlich. Die Kadetten der Militärakademie in P a o t i n g f u. aus der der gesamte Nachwuchs der chinesischen Offiziere hervorgeht, haben sich für die Revolution erklärt und sind zu den Rebellen übergegangen. Dadurch wird die Verbindung der gegen die Rebellen im Felde stehenden Truppen mit der Landeshauptstadt Peking arg bedroht. In H a n! a u dauert der Kampf fort; das Eingeborenenviertel ist Während der Gefechte der letzten Nacht in Flammen aufgegangen. Politische GeberHebt. Berlin , den 3. November 1911. Die schwarze Schwindlergarde. Die Erklärungen des Genossen Vollmar über die denkwürdige Wahlabmachung an den Kaisergräbern im Dom zu Speyer smd der schwarzen Schwindlergarde schwer aus die Nerven gefallen. Es ist ja auch ein böses Pech, so beim Lügen attrapiert zu werden. Aber ein schüchterner Versuch, das Schwindeln fortzusetzen, muß doch gemacht werden. So entgegnet die fromme, wahrheitliebende Germania ", wenn auch vorsichtshalber an ziemlich versteckter Stelle, auf Vollmars Darstellung das Folgende: Dieser Geistliche, der nun nicht der jetzige Erzbischof von München , v. Bettinger war. sondern der ehemalige Ab- geordnete Domherr Zimmern, hat auf Herrn von Vollmars Aufforderung ihm den Dom und die Krypta ge- zeigt. Dem Wunsche Herrn v. Vollmars kam Ab- geordneter Zimmern um so lieber nach, da er viele gemeinschafl- liche Interessen mit jenem teilte. Wenn während der B e- f i ch l i g u n g das Gespräch auch auf Politik gekonimen sein soll, so ist das in politisch bewegten Tagen schließlich kein Wunder. Das Wahtkompromiß aber ist' weder im Speyerer Dom angeregt. noch gar abgeschlossen worden." Es gehört nicht nur eine schon mehr pathologische Ab- neigung gegen die Wahrhaftigkeit, sondern auch ein respektables Maß von Zentrumsdreistigkeit dazu, gegenüber Vollmars un- entrinnbar klarer Darstellung denGermania"-Lesern ein solches Ammenmärchen aufbinden zu wollen I Freilich, die dümmsten Fabeleien und eisenstirniges Ab- leugnen sind schon notwendig, wenn die Zentrumspresse immer wieder anderen Parteien Wahlkompromisse mit der Sozial- demokratie als politische Todsünde anrechnet. So, wenn sich z. B. das Stuttgarter Zentrumsblatt, dasDeutsche Volksblatt", gegen die elsaß -lothrmgifchen Liberalen ereifert: Hier wird offen vor aller Welt dokumentiert, daß der Libe- ralismus mit der tl m st u r z p a r t e i praktisch zusammenarbeiten will und wird. Damit hat sich der Liberalismus ein für allemal aus der Reihe der staatserhaltenden Parteien gestrichen. Wenn die Regierung mit dem Großblock zusammenarbeite,so begeht sie einen folgenschweren Verrat an de» Interessen des Staates und der Monarchie!" Dabei will es das Unheil, daß in einer am letzten Sonn- abend in Slraßbnrg abgehaltenen Versammlung der Genosse B o e h l e dem Zentrumsführer Burguburu gegenüber fest- gestellt hat, daß das Zentrum durch Mittelsmänner auch für die elsaß -lothringischen Stichwahlen der Sozialdemokratie ein Wahlbündnis angetragen, sich dabei freilich einen Korb geholt hatl Genosse Boehle führte in jener Versammlung aus: IM kann nur bestätigen, daß man von Zentrums- feite zweimal zu mir kam in mein Geschäft und man mich nickt traf. Man kam ein drittes Mal, und da wurde mit meiner Frau eine bestimmte Stunde ausgemacht. Die Unter- redung fand in einem Ca statt und es haben fie wohl auch andere verstanden, z. B. der Oberkellner vielleicht.(Heiterkeit.) Da- bei wurde ich gefragt, ob das Abkommen mit de» Liberal-Demo- kraten geschlossen, und als ich erklärte:Noch nicht", sagte man mir:Wenn das Abkommen nicht zustande käme, und ich möchte dafür sorgen, daß es nicht so würde, dann werde daS Zen- trum mituns Hand in Hand gehen. In Straßburg gäbe es dann sechs Sitze für uns." Nr. 2. der dann kam, fragte das Gleiche, meinte ober, a» Blumenthal und Laugel liegt dem Zentrum uicvt so viel, an die halten wir nicht mehr so fest, aber an P r e i tz um so mehr I Den lasten wir nicht I Nr. 8, das war ein Landlagskandidat, meinte:Machen Sie keinen Kompro- miß. die beiden Wölfe dürfen nicht in den Landtag. Sie verlieren nichts dabei I" Als Boehle Herrn Burguburu fragte, ob er noch mehr sagen solle, verduftete dieser Brave! Es ist die alte Geschichte: das Zentrum bettelt erst unter feierlichen Versprechungen um sozialdemokratische Wahlhilfe, um dann den feierlichsten, förmlichsten Pakt dreist abzuleugnen. Wehe den Zentrumsmännern, die der Wahrheit die Ehre geben ivolltcn. Der Fall des preußischen Landtagsabgeordneten S a u c r m a n n ist dafür typisch. Dieser Zentrumsmann verpflichtete sich(gleich anderen Kollegen, z. B. auch dem Herrn Gronowski) in aller Form schriftlich auf die sozial- demokratischen Bedingungen. Nach seiner Wahl sprach er sogar der örtlichen sozialdemokratischen Leitung denauf- richtigsten und herzlichsten Dank" aus. In dem Dankschreiben hieß es wörtlich: Ich bitte, auch bei Gelegenheit den Wahlmännern Ihrer Partei diesen meinen Dank nochmals auS- zusprechen, aber nicht in der Zeitung, weil mir da- durch von anderer Seile sehr, sehr große Schwierig- keilen erwachse» würden." Der Mann wußte, daß das Zentrum allcS verzeiht, nur nicht Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit l Herrn v. Breitenbachs billige Kartoffeln. Minister v. Breitenbach, der geniale Leiter des preußischen Eisenbahnwesens, erklärte am 25. Oktober bei der letzten Teilerungsdebatte im Reichstage, daß von einer Teuerung durchaus nicht gesprochen werden könne, denn die Eisenbahn- Verwaltung habe beinahe eine Million Zentner bester E ß- kartoffeln im Osten zu dem niedrigen Preise von 2,70 bis 2.90 M. pro Zentner aufzukaufen vermocht. Zu dieser kuriosen Beweisführung wird derFrcis. Ztg." auS ihrem Leserkreise geschrieben: Von diesen Karloffeln haben auch Beamte und Arbeiter der Elbeifelder Eistnbahndirektion große Mengen bezogen und sind damil gründlich hineingelegt worden. Die Kartoffeln wurden als gute Speisekartoffeln empfohlen, und die Besteller mußten sich schrifltich verpflichten, 25 Prozent deS Preises sofort und 75 Prozent bei Empfang der Kartoffeln zu bezahlen, indem sie gleichzeitig auf jede Reklamation bezüglich der Qualität verzichten mußten. Die ersten beiden Ladungen sollen leidlich gewesen sein; der größte Teil aber ist derart unter aller Kritik, daß viele Beamte und Arbeiter die Bezahlung ver- weigern, trotz der Verzichileistnng auf Reklamation. Sie sagen, man habe sie in den guten Glauben versetzt, Speisekartoffeln zu erhalten und babe ihneil für Menschen ungenicßbare Schweine- kartoffel» geliefert. Dabei betrug ver Preis nickt, wie der Minister angab, 2,70 bis 2.g0 M.. sondern 3,(50 M. für den Zentner. Allem Anschein nach ist Herr v. Breitenbach der Ansicht, daß Schweinekartoffeln ein Vorzügliches Nahrungsmittel für Eisenbahnbeamte und Eisenbahnarbeiter sind. Damit er den Unterschied zwischenbesten Eßkartoffeln" undnngenieß. baren Schweinekartoffeln" begreifen lernt, möchten wir empfehlen, daß er zwei oder drei Wochen lang ausschließlich mit Schweinekartoffeln gefüttert wird. Wir sind sicher, daß er dann trotz seines etlvas schwerfälligen Auffassungsvermögens nicht wieder öffentlich in» Reichstag Schweinekartoffeln für beste Eßkartoffeln erklärt. NotstandSaktion in Thüringen . Die Bürgermeister der weimarischen Städte unter 10000 Ein- wohnern haben in einer Zusammenkunft eine Nolstondskommission eingesetzt. Sie beschlossen weiter, den Einkauf von Lebensmitteln zu organisieren. Die Nolstandskommission hat die Aufgabe, Orte, in denen ein besonderer Mangel eintritt, so rasch als möglich mit Nahrungsmitteln zu versehen._ Ein militärischer Festkommers. DerFrankfurter Zeitung " wird aus Freiburg i. B. über die Einweihung des dortigen neuen Universitätsgebäudcs ge- schrieben: Ich erlaube mir, Ihnen einiges aus den Reden mitzuteilen, die auf dem Festkommers am 29. Oktober anläßlich der Ein- weihung der neuen Freiburger Universität von dem Prorektor Geh. Hofrat Fabricius und dem hiesigen DivisicmSkom- mandeur Generalleutnant v. Deimling gehalten wurden. Ein Stenogramm der beiden Reden aufzutreiben, war mir bis jetzt unmöglich, auch die Freiburger Presse, die die übrigen Festreden ausführlich wiedergegeben hat, berichtet nur kurz über den Festkommers. Ich muß mich also auf die Mitteilung einiger Aeußerungcn beschränken. Im Laufe seiner Rede erwähnte der Prorektor eine Tafel mit den Namen der 47 Freiburger Studenten, die im Jahre 1870 mit in den Krieg gezogen waren. Im Anschluß daran verbreitete er sich über die jetzige gefahr- drohende politische Lage und über die Möglichkeit eines Krieges. Er warnte dann vor denEinfaltspinsel n", die durch ihreFriedensduselei" das Volk wehrlos machen wollten. Ich kann nur sagen, daß die ganze Rede auf mich mehr den Eindruck einer Agitationsrede, als den einer Festrede machte. Von dieser An- spräche ging Generalleutnant v. Deimling auS, als er später das Wort ergriff. Er hielt eine wahre Lobrede auf den Krieg. Wäh- rend man früherin K ü ra s s i e r st i e f e l n" über die Bühne deS Welttheaters..gestampft" sei. schleiche man heute inFilz- Parisern" daher. Einige losgelöste Zitate von Schiller , Nietzsche u. a. führte er zur Bekräftigung seiner Ansichten an. Das beste, was er der akademischen Jugend wünsche, sei, daß es ihr vergönnt sei, auch einmal Zeiten des Krieges und des Sieges mitzuerleben. Dann redete auch er gegen die Anhänger der Friedensbewegung, die das Volkkastrieren" und zu ,.p o l i- tischen Eunuchen" machen wollen.An der Spitze der Bewegung steht natürlich ein Weib. Berta von Suttner. I st s i e v i e l l e i ch t h i e r? Sitztsie viel- leichtdaobenaufderGalerie?" In diesem Ton gings weiter. Die Rede erinnerte lebhaft an Aeußerungen, die Deim- ling sich vor einiger Zeit gegen die Männer der FriedenSbewc- gung erlaubte, als er sie Männer nannte, die zwar Hosen tragen. aber nichts drin haben. Der stürmische Beifall, den beide Reden fanden, ist sicher zum größten Teil auf die angeregte Stimmung zurückzuführen, in der ein Kommers zu verlaufen pflegt. Aller- dings konnte man auch manchen bemerken, der stumm dasaß und dem die Empörung auf dem Gesichte geschrieben stand." Aufgehobenes Verbot eines öffentlichen Aufzugs. Wieder einmal mußte der höchste preußische VerwaltungS« gerichtshof die Behörden in bezug auf die Anwendung des Vereins« gesetzes eines Besseren belehren. Der Arbeiterturnverein Piimeberg feierte am 14. Mai 1901 die Einweihung seiner Turnhalle. ES war erst ein Festzug mit Musik geplant, an dem die zum Fest geladenen Arbeiterturnvereine der Umgegend teilnehmen sollten unter Mit- führung der Fahnen. Die Polizeiverwaltung versagte die Ge» nehmigung, weil eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu be- fürchten sei. Schließlich wurde ein Festzug ohne MusikkorpS und ohne Fahnen genehmigt. Nur Trommler und Pfeifer durften vorher» gehen. Wegen des Verbots des Zuges in der erst geplanten Form erhob W. Rehnke vergeblich die Beschwerde beim Landrat des Kreises Pinneberg und beim Regierungspräsidenten in Schleswig . Die Behörden beriefen sich vor allem darauf, daß am selben Tage der Pinneberger Kriegerverein seine Fahnenweihe hatte. Dadurch wären, so wurde gesagt, eine große Zahl patriotischer Leute nach Pinne» berg und Umgegend gekommen. Der Umzug der Arbeiterturner, wie er geplant gewesen sei. würde einen parteipolitischen, demonstrativen Charakter gehabt haben. Wegen der gleichzeitig stattfindenden Fahnenweihe deS KriegerverbandeS. hätte die Möglichkeit von Zu» sammen stoßen vorgelegen. Auch habe einmal ein Gesangverein, der an dem Turneranfzuge habe teilnehmen sollen, ohne Genehmigung einen Aufzug mit Fahnen und Gesang gemacht. DaS sei eine Tat- fache, die Ausschreitungen befürchten ließe. DeShalb sei daS Verbot gerechtfertigt gewesen. Rehnke klagte nun gegen den RegierungSprSstdenten beim OberverwaltungSgcricht. Sein Vertreter. Rechtsanwalt W o l f g a n g Heine, machte geltend, daß keinerlei Talsachen vorgebracht worden seien, aus denen auf die nahe Möglichkeit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit geschlossen werden könnte. Kennzeichnend sei für das Vorgehen der Behörde, daß schließlich ein Aufzug ohne MusikkorpS, ohne Fahnen, ohne Gesangverein, aber unter Vorantritt von Pfeifern und Trommlern gestattet worden sei. Hier könne man doch kein anderes Wort gebrauchen als: Schikane I Zu bemerken sei, daß die eigentliche Fahnenweihe deS KriegerbundeS eine halbe Stunde von P i n» e b e r g entfernt zu derselben Zeit habe stattfinden sollen, wie der Zug der Turner in Pinneberg . Immer mehr häufe sich die Zahl der Fälle, wo für Verbote von Arbeiteraufzügen geltend gemacht werde, daß zur Zeil irgend ein patriotischer Verein ein Fest oder einen Aufzug babe und daß Zusammenstöße zu befürchten wären. In keinem der Fälle sei aber der Beweis geführt worden, daß die Mitglieder eines patriotischen Vereins so roh gewesen wären. die Festfreude der Arbeiter zu stören, oder daß umgekehrt ein Arbeiterverein so gehandelt hätte. Die so oft auf- gestellte Behauptung von der Möglichkeit solcher Zusammen- flöße sei nichts als eine Fiktion, die in der Phantasie und in den Akten stehe. Der Anwalt stellte noch verschiedene BeweiSaitträge. Das Oberverwaltungsgericht eiitschied, daß daS Verbot auszuheben sei. ES wurde kurz ausgeführt: In den AuS» siihriingen der Behörden habe der Senat keinen Anhalt dafür finden können, daß in dem in Frage kommenden Festzuge und in der Art. wie er veranstaltet werden sollte, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erblickt werden könnte. Prinzipielle Wahlagitation! Die Konstanzer Liberalen haben ihren Sieg in eiwaS über­schwenglicher Weise gefeiert. Dem neugewählten Abgeordneten S ch m i d haben sie einen Fackelzug dargebracht und einen riesigen Lorbeerkranz überreicht. Dabei haben die Herren freilich auch nicht vergessen, daß sie ihren Sieg der sozialdemokratischen Wahlunter- stützung verdanken. So hat in dem Karlsruher Partelblatt, dem Volksfreund", der nationalliberale Parteiführer Rebmann auch de» sozialdemokratischen Wählern SchmidS sowie den sozialdemokratischen Rednern seine» Dank ausgesprochen. Diese Wahl möge«ein glück- verheißendes Zeichen für den Ausgang der Neuwahlen im nächsten Januar sein". Dazu bemerkt dieLeipz. VollSzeitung": Wir Sozialdemokraten hoffen, daß unsere badn'chen Partei- genossen dann besser bei der Stange der roten Fahne bleiben als bei der Konstanzer Haupt- wähl, denn es muß offen ausgesprochen werden, daß da» Resultat der ersten Wahl unsere Erwartungen nicht erfüllt hah weil wir einen geringeren Stimmenzuwachs zu verzeichnen haben,