GeweffefcbaftUchea.Staatsbetriebe— Musterbetriebe.Tiefgehende Erbitterung herrscht in letzter Zeit wiederunter den Arbeitern der Kaiserlichen Werft Wilhelmshavenüber eine Verfügung, die die Verwaltung wegen des Nichtstempelus der Zeitkarten erlassen hat. Bisher wurde jederArbeiter, der das Stempeln seiner Zeitkarte unterlassen hatte,mit zwei Stunden Lohnabzug bestraft. Gegen diese harteMaßregel wandte sich wiederholt der ArbciterauSschuß. Schließlich wurde auch eine Prüfung der Beschwerde zugesagt. Aberdas Gegenteil von dem, was die Arbeiter erwarteten, ist eingetreten. In geradezu provozierender Weise sagt ein Awschlag, daß von jetzt ab das Nichtstempeln der Zeitkarten beiBeginn oder Schluß der Arbeitszeit das erstemal mit einerStunde, bei Wiederholung innerhalb eines Jahres seitder ersten Bestrafung das zweite Mal mit zweiStunden und das dritte Mal mit fünf StundenLohnabzug bestraft wird. Bei noch häufigerer Wiederholung innerhalb eines Jahres seit der ersten Bestrafung trittEntlassung ein. Die gleichen Sttafen sind für wiederholtesFalschstempeln oder bei Verwechselung der Zeitkarte festgesetzt.Wenn man bedentt, wie leicht es vorkommt, daß ein Arbeiteran der Uhr vorbeigeht oder seine Karte verwechselt, so wirdman die Empörung über eine solche Maßnahme verstehen.Am Schlüsse der Verfügung heißt es noch, daß die LoHwabzüge im Sinne des Z 9 der Arbeitsordnung als Bestrafunganzusehen sind. Hierdurch wird das Vergehen gegen die Arbeitsordnung aufgehoben und den härtesten Sttafen, wie Entzugdes Erholungsurlaubes, ja soforttger Entlassung ist derArbeiter preisgegeben. Unter solchen Uniständcn ist es ver-ständlich, wenn immer mehr tüchtige Arbeitskräfte einen solchenBetrieb verlassen und die Beschaffung von Ersatzkräften schwerwird. Wahrscheinlich werden die Werftarbeiter die Zuständein einem Staatsbetrieb in breitester Oeffentlichkeit bekanntgeben müssen.ßerlin und Qmgegcnd.Gemeingefährliche Spielereien mit Revolvernwerden seit einiger Zeit von Bnreauangestellten der FirmaElektro, mechanische Industrie, Heim u. Co..C h a u s s e e st r. 42, betrieben und führten am Mittwoch zu einerschweren Verwundung des Angestellten Gericke, der einen Schutz inden Leib erhielt und ins Krankenhaus geschafft werden mutzte. Alsder eigentliche Urheber dieses Unglücksfalles muß ein gewisser MaxGlaser gelten, der angeblich bei der Firma als Buchhalter tätigist, der jedoch im Adreßbuch, Pankstr. 73, als Gasarbeiter aufge-führt steht. Dieser Glaser trägt immer einen Revolver bei sich, undsein Beispiel hat offenbar dazu geführt, daß auch die anderen Leutein, Bureau sich erst als rechte Kerle fühlten, als sie auch solch Dingin der Tasche hatten und, gleichwie er, gelegentlich damit herum-spielen konnten. Bei solcher Spielerei ist einer der Revolver los-gegangen, und es scheint zweifelhaft, ob der, den die Kugel traf,mit dem Leben davonkommen wird. Der erwähnte Glaser aber er-scheint denen, die ihn kennen, aber auch sonst noch als ein Mensch,dem man soweit wie möglich aus dem Wege gehen mutz. Er istnämlich als eine Art Spitzel tätig und offenbar auch zu diesemZweck von jener Firma eingestellt worden. Nach dem Unglücksfallhat man ihn vom Lohnbureau nach dem Hauptbureau versetzt. DenArbeitern der Metallindustrie ist der Max Glaser schon von demStreik bei der Firma E v e r R e a d y am Kottbuser Damm herbekannt. Dort war er während des Streiks als„Arbeiter" einge-stellt, seine Streilarbcit bestand jedoch darin, daß er sich vor dem�-Äetriebe aufhielt und die Schutzleute aus die Streikposten aufmerk-sam machte, die er dann auch, wenn sie von den Beamten sistiert�. wurden, mit zur Wache begleitete, wo er sich als guter Bekanntermit den Schutzleuten unterhielt. Kriminalbeamter ist er jedenfallsnicht. Einer der Streikenden sagte ihm damals direkt ins Gesicht,daß er Achtgroschenjunge sei, und gab ihm auch noch andere der-gleichen Titel, forderte ihn auch auf, ihn zu verklagen; aber, obwohldie Personalien des Streikenden dann auf der Wache festgestelltwurden, ist es zu einer Anklage nicht gekommen. Als jener Streikdurch Verhandlungen mit der Firma beendet wurde, verlangten dieArbeiter dringend die Entlastung des Glaser, und der DirektorBraun erklärte darauf, daß er sich bereits am Tage vorher mitihm„abgefunden" habe. Es ist klar, daß die Arbeiter und Arbeite-rinnen von Heim u. Co. auch nicht von der Anwesenheit diesesMenschen in dem Betriebe erbaut sind und keine Lust haben, sichgelegentlich auch einmal eine Kugel in den Leib schießen zu lasten.Sie hielten deshalb gestern abend eine zahlreich besuchte Betriebs-Versammlung ab, in der der Fall gründlich besprochen wurde unddie allgemeine Entrüstung über das Treiben des Spitzels lebhaftAusdruck fand. Dringend wurde die Forderung erhoben, daßdieser Mensch aus dem Betriebe entfernt wsird, und man wählteschließlich eine Kommission, die heute bei der Firma vorstelligwerden soll. Die Versammelten verpflichteten sich, jede Berührungmit dem Menschen zu vermeiden.Maßregelung von organisierten GastwirtSgehtlfe«.Im„Patzenhofer Ausschank" in der Friedrich.st r a tz e 7 1, Ecke Taubenstratze, war bekanntlich vor einigenWochen eine Vereinbarung zwischen dem Inhaber, Herrn B e t t e r-m a n n und dem Verband deutscher Ga st wirtS.g e h i l f e n Zustandekommen. Danach hatte Herr Bettermann sichverpflichtet, seinen Kellnern Kostentschädigung zu gewähren.die A b g a b e n für Bonbücher usw. abzuschaffen. Sämtliche dortbeschäftigten Kellner sind Mitglieder des Verbandes. Herrn Better-mann, der allen Anschein nach erst durch einen sanften Druck der„Patzenhofer Brauerei" zu Verhandlungen veranlaßt worden war,scheint seine Zunge aber bald wieder leid geworden zu sein. Er be-gann damit, unter allerhand nichtigen Vorwänden einen nach demanderen von seinen Kellnern zu entlasten. Gestern nun wurdendreizehn weitere entlasten, nachdem man sie vor die Alternativegestellt hatte, aus dem Verbände auszuscheiden. Die Direktion der„Patzenhofer Brauerei" lehnte den Wunsch der Verbandsvertreter,Verhandlungen mit dem Pächter ihres Lokals in die Wege zu leiten,bisher ab.Für organisierte Ga st wirtsgehilfen i st dieserBetriebgesperrt.Verband deutscher Gastwirtsgchilfen. Ortsverwaltung Verlin I.Achtung, Schiffszimmerer! Der Unternehmer Dobberkau inKetzin hat den Stundenlohn von 45 Pf. auf 43 Pf. reduziert.Ein Versuch, durch Verhandlung die Sache wieder rückgängig zumachen, scheiterte an dem starren Sinn des Unternehmers. Die beiDobberkau beschäftigten Schiffszimmerer legten darauf einmütig dieArbeit nieder. Allem Anichein nach ist dieser Vorstotz auf die amSonntag, den 2g. Oktober, in Brandenburg stattgcfundene Zusammen-kunft der Unternehmer zurückzuführen, in der die Scharfmacherwieder das Wort geführt haben. Zuzug von Schiffszimmerern nachKetzin ist deshalb streng fernzuhalten.Ter Streik der Kutscher bei Richter.Ueber den Streik der Richterschen Kutscher ist zu berichten, daßam Dienstagabend eine große Anzahl der Arbeitswilligen den Be-trieb wieder verlosten haben. Andererseits haben auch die GebrüderRichter verschiedene dieser.nützlichen Elemente' entlasten, wahr»fcheinlich weil dieselben allzu unsichere Kantonisten waren.Da die Unternehmer so wenig Glück mit den bisherigenArbeitswilligen hatten, scheinen sie es jetzt mit gewerbs-mätzigen Streikbrechern versuchen zu wollen. Am Mittwochfrüh gelangte auf dem Lichtenberger Bahnhof unter Führungeine» Sgenten ein Trupp von ungefähr 30 Mann von auswärts an.Im Laufe deS Mittwochvormittags wurden bereits etliche dieserLeute mit Fuhrwerken auf die Tour geschickt. Neben den arbeitswilligen.Kutschern saßen Mitfahrer auf dem Kutscherbock, die man alsKriminal fchutzleute erkannt haben will. Diese Herren zeigtensich in ihrer Betätigung als Mitfahrer jedoch sehr unbeholfen. In derMühlenstraße hatte die Firma Richter für eine größere FabrikBenzin anzufahren. Als der Mitfahrer des WagenS sich bei dem Ab-laden der Kannen und Fässer gar zu ungeschickt anstellte, riefihm einer der mithelfenden Hausdiener zu:„Na Du stellst Dir jaauch an, als wenn Du in Deinem ganzen Leben noch keineFäster angefaßt hast. Bequem Dir man een bißchen mehranzuheben." Der angebliche Kriminalschutzmann soll dann auch einegrößere Kanne mit Benzin im Schweiße seines Angesichts in dieFabrik geschleppt haben.Wie weiter mitgeteilt wird, stammen diese neuesten Arbeitswilligen aus Wismar. Die Firma hat die Leute auf dem Hofe ineiner leerstehenden Wohnung einquartiert. Die Nachtlager be-stehen aus Strohschütten und Decken. Sie erhalten fme Kost undpro Mann 6 M. Die Mieter des Hauses sollen schon lebhaft Klagegeführt haben über das Treiben dieser Kolonne, die sich als Herrder Situation fühlt. Nach den Aeutzerungen der Inhaber derFirma scheinen dieselben selbst nicht allzu viel Wohlgefallen anihrem neuen Personal zu haben, vor allen Tingen ist der Spatzzu kostspielig. Herr Richter soll auch gesagt haben, die Ausständigen hätten folgende Forderungen gestellt: Eine Arbeitszeit vonmorgens 6 bis abends 7 Uhr, geregelte Pausen, 30— 33 M. Lohnund jeden zweiten Sonntag frei. Obgleich nun diese angeblichenForderungen nichts weniger denn unverschämt sind, ttifft dasGesagte nicht zu. Was die Stteikenden verlangt haben ist An-erkennung ihres gesetzlichen Koalitionsrechts und Wiedereinstellungder vier gematzregelten Vertrauensmänner. Weiter nichts.Die besten Fahrer scheinen die neuen Arbeitswilligen, geradenicht zu sein, denn einer fuhr dieser Tage in den Straßengraben,und in Westend und Spandau sollen die zu transportierendenSchweine auf der Straße hcrumgesprungen sein, und es soll großeMühe gekostet haben, sie wieder einzusaugen; selbst die Polizei-organe sollen hierbei— zum Gaudium der Zuschauer— behilflichgewesen sein.Wenn die Gebrüder Richter glauben, mit den Arbeitswilligenvon außerhalb ohne Schädigung ihres Geschäfts auskommen zukönnen, dann werden sie bald sehen, daß sie auf dem Holzwege sind.Dazu find die Gefahren für den Kutscherberuf in dem verkehrsreichenBerlin denn doch zu groß. Wenn auch das Portemonnaie dieserUnternehmer sehr groß ist, auf die Dauer werden sie eS nicht aus-halten, ihre Gespanne in diesen Aufzügen aus die Straße zuschicken. Die Arbeiterschafl Berlins in den größeren Betrieben,Brauereien usw., bat bereits dafür gesorgt, daß sie nicht mehr mitden Richterschen Arbeitswilligen in Berührung kommen. AndereFuhrgetchäfle haben in diesen Betrieben bereits die Fuhren über-tragen erhalten. Die Solidarität der Arbeiterschaft zeigt sich auchbei diesem Streik in erfreulicher Weise. Die Arbeiterschaft Berlinswird gebeten, die streikenden Kutscher weiter solidarisch zu unter-tützcn._Dcutfcbcs Reich-Neue Kampfpraktiken der Tabakindustriellen.Die Unternehmer psanen weitere Maßnahmen. Jedenfalls aufAnraten des TabakfabrikontenverbandeS versuchen die einzelnenUnternehmer jetzt mit den Arbeitern, besonders mit den Sortierern,langfristige Kündigungen zu vereinbaren, um das Weihnachtsgeschäftnoch erledigen zu können.Die Arbeiterorganisationen fordern daher alle Tabakarbeiter,Zigarrensortierer und Kistenbekleber auf, besondere Kündigungsfristenmit den Unternehmem jetzt nicht zu vereinbaren und so die Maß»nahmen der Unternehmer zu durchkreuzen.Ter Rat der Stadt Dresden als Scharfmacher.Der Stadtrat zu Dresden erließ folgenden Ukas:Bekanntmachung.In neuerer Zeit wird wieder versucht, die Bediensteten derstädtiichen Straßenbahn zum Beitritt in den Transportarbeiter»Verband zu veranlassen.Das Bestreben dieses Verbandes und feines Organs„DerSttaßenbahner' ist in der Hauptsache darauf gerichtet, Unzufrieden-heit zu erregen.Wie dies schon mündlich und schriftlich der Standesvertretungder Schaffner und Führer gegenüber geschehen ist, wird nochmalsdarauf hingewiesen, daß die Beteiligung am Transportarbeiter»Verband und die Unterstützung derartiger Bestrebungen mit derStellung der Beamten und der Beschäftigung im Straßenbahn«betriebe unvereinbar ist.Der Gesamtral hat daher beschloffen, allen Beamten undBediensteten der städtischen Straßenbahn den Beitritt zu diesemVerbände, den Besuch der von ihm veranstalteten Versammlungenund die sonstige Unterstützung seiner Bestrebungen sowie dasHalten und Verbreiten der Zeitschrift«Der Straßenbahner' zuverbieten.Wir fordern daher alle diejenigen Beamten und Angestelltender städtischen Sttaßenbahn, die zurzeit Mitglieder des Transport-arbeiter-Verbandes sind, auf. sofort oder spätestens binnen achtTagen aus diesem Verbände auszutreten.Zuwiderhandlungen gegen obiges Verbot oder gegen dieseAufforderung werden mit Dienstentlassung bestraft.Dresden, den 30. Oktober 1911.Der Rat zu Dresden.Direktion der Straßenbahn.Das KoalitionS» und Versammlungsrecht und das Recht zumHalten einer Zeitung werden mit einem Federstrich den Straßen-bahnern genommen bei Strafe deS sofortigen Hinauswurfs. Jeden»falls dürften die Arbeitervertreter im Stadtverordnetenkollegium sichmit diesem UkaS auch noch beschäftigen.Der Leipziger Steindruckereihilfsarbeitcrtarif vor demZivilgericht.AuS Anlaß des Steindruckerstreiks in Leipzig kam eS zuDifferenzen der Hilfsarbeiter und»arbeiterinnen mit den Stein»druckereibesitzern. Als die Steindrucker am 8. September� kündigten,nahmen die Unternehmer unter dem Hilfspersonal viele Kündigungenvor. In diesen Maffenkündigungen sehen die Hilfsarbeiter, den Be-timmungen des Tarifs entsprechend, eine Verletzung des Tarif-Vertrages, und auch sie kündigten nun in größerer Anzahl und er-klärten den Tarifvertrag für aufgehoben. Darin erblickten dieUnlernchmer einen Tariibruch und strengten vor dem Landgerichtin Leipzig Klage an auf Einhaltung deS Tarifvertrages durch dieArbeiter; ferner verlangten sie Schadenersatz. Im ersten Terminvor dem Landgericht erhob der Vertreter der Hilfsarbeiter den Ein»wand, daß das Zivilgericht für die Klage nicht zuständig sei, da imTarifvertrage die Beschreitung dieses Rechtsweges ausgeschaltet sei.Das Gericht vertagte die Verhandlungen zum 8. November.In dieser neuen Verhandlung am Mittwoch, den 8. November,wies nun die 10. Zivilkammer des Landgerichts in Leipzig den Ein-wand des Hilfsarbeiterverbandes zurück. ES entschied, daß dieordentlichen Gerichte zur Entscheidung der Frage, ob die von denArbeitern aufgegebene Tarifgemeinschaft fortzusetzen sei. zuständigind. DaS Landgericht erklärte sich somit für kompetent, über denfortbestand der Tarifgemeinschaft eventuell zu urteilen. Gegendiese Entscheidung wird die Organisation der Arbeiter Berufungbeim Oberlandesgericht einlegen.Lohnbewegung in der Schuhindustrie«Die Zwicker bei der Firma C. L. B r e i t h in Pirmasens habenwegen Lohndifferenzen die Arbeit eingestellt, nachdem die Finna diebereits zugestandenen Verbesierungen wieder zurückgenommen underklärt hatte, daß die Zwicker sofort aufhören könnten. Weiter habendie Zwicker bei der Firma Peter Sandmann in der Apoftelmühlewegen Einführung des Akkordlohnes in der Zwickmafchinenabteilungdie Kündigung eingereicht._Hustend»Auch die Schmiede gegen die Civie Federation.Wie die Bergarbeiter und Mechaniker haben sich nunmehr auchdie amerikanischen Schmiede mit aller Deutlichkeit gegen dieNational Civie Federation erklärt, jene Vereinigung, die die Har»monie zwischen Kapital und Arbeit anstrebt und zu deren BeamtenPräsident Gompers der Federation of Labor und andere Gewerk-schaftsführer gehören. Auf dem Jahreskonvent der Schmiede, dergegenwärtig in Atlanta tagt, wurde eine Resolution angenommen,die das angebliche Ziel der Civie Federation als Schwindel be-zeichnet und den Mitgliedern des Verbandes die Zugehörigkeit zurCivie Federation verbietet.Lritztc Nachrldtfeti.Keine Reichstagsnachwahl mehr.Cassel» 9. November. Amtlich wird bekannt gegeben, daßdie auf den 30. November anberaumte Reichstagsersatz-Wahl für den verstorbenen Abgeordneten Liebermann v.Sonnenberg im Reichstagswahlkreise Fritzlar-Homberg-Zic-genhain aufgehoben worden ist.Der Protest gegen die koloniale Ranbpolitik.Leipzig, 9. November.(Privattclegramin des„Vorw.")Die Leipziger Arbeiterschaft demonstrierte heute im K r i-st al l p a l a st in einer gelvaltigen Versammlung gegen denitalienischen Raubzug nach Tripolis und den feigen Ueber-fall auf türkisches Gebiet. Gerrosse Dr. L e n s ch legte ineiner wuchtigen, großzügigen Rede die Wurzeln des europäi-schen Imperialismus bloß, der erst während der Marokko-krisis den Weltfrieden gefährdete und jetzt bei oem tripoli-tanischen Abenteuer das Volk aufs neue in den Abgrund einesWeltkrieges zu stürzen droht. Die Raubpolitik der herrsefcn-den Gewalten kann nur durch die Eroberung der PolitischenMacht durch das Proletariat beseitigt werden.Die Versammlung war schon lange vor Beginn abge-sperrt, in den angrenzenden Straßen stauten sich gewaltigeMenschenmassen, die vergeblich Einlaß begehrten.Die vorgeschlagene Resolution wurde einstimmig ange-nommen und die Versammlung mit einem begeisterten Hochauf die internationale revolutionäre Sozialdemokratie gc»schloffen._Panik der Italiener in Tunis.Paris, 9. November. Aus Tunis wird gemeldet, unterder italienischen Bevölkerung herrsche eine großePanik, da dort alarmierende Nachrichten verbreitet seien,darunter das Gerücht, Tausende von Eingebore-nen marschierten aus dem Innern des Landes nachTunis. Eine Bestätigung des Gerüchts liegt nicht vor.Tunis, 9. November. Die N a ch t ist r u h i g verlaufen.Heute morgen sind in Barda vier französische See»l e u t e von Eingeborenen überfallen worden, wobei einSeemann getötet und die übrigen drei durch Flinten-schüsse verwundet wurden. In Susa und Sfax soll sicheine gewisse Unruhe bemerkbar machen.Die Verhandlungen mit Spanien.Pari?, 9. November. Der„Temps" richtet im Hinblick auf diebevorstehenden französisch- spanischen Marokko-Ver-Handlungen in sehr nachdrücklicher Weise an England dieMahnung, sich in dieser Angelegenheit auf die Seite Frank»reichs zu stellen, dessen Forderung, daß Spanien La r raschund Elksar räumen möge, durchaus berechtigt und loyal sei.England, welches mit Frankreich und Spanien durch Abmachungenund Freundschaftsbande verknüpft sei und an dem französisch-spanischen Vertrag von 1904 mitgewirkt habe, sei ganz besondersdazu berufen, Spanien zu eröffnen, daß eS die Loyalität Frank-reichs mit gleicher Münze bezahle. Ter Augenblick sei gekommen,wo die französisch-englische Solidarität sich bewähren müsse. Mögeden Regierungsmännern in London und Paris der Vorwurf er-spart bleiben, daß diese Solidarität unfruchtbar geworden sei.Die Spanier in TangerParis, 9. November. Das nationalistische Blatt„La Presse'erblickt in der Entsendung des spanischen Kreuzers„Cataluna' nach Tanger ein Anzeichen dafür, daß derfranzösisch. spanische Zwist sich sehr zugespitzthabe. Der Hinweis aus die durch die sanitären Maßnahmen inTanger hervorgerufene Gärung sei nur ein Vorwand. Die spanischeRegierung wolle zeigen, daß sie Tanger als zur spanischenEinflußsphäre gehörig ansehe.Die Annexionsfrage im Unterhause.London, 9. November. Unterhaus. Dillon(Ire)fragte, ob die italienische Regierung der englischen die Pro-klamation mitgeteilt habe, in der die Annexion von Tripolis ver-kündet wurde, ferner welche Wirkung die Proklamation nachAuslegung der italienischen Regierung für die Bewohner Tripoli-taniens haben würde, die in ihrem Widerstand gegen die Truppenbeharrten; ob drittens die englische Regierung die Proklamationanerkannt oder ihr zugestimmt habe, und viertens, ob die englischeRegierung bei der italienischen gegen etwaige auf Grund der Pro-klamation über die Bevölkerung verhängte Strafen pro-testieren werde. Staatssekretär Greh bejahte die erste Anfrageund erklärte zur zweiten, daß er sie nicht beantwortenkönne, weil er eS selbst nicht wisse. Tie beiden letzten An-fragen verneinte der Staatssekretär. Wenn ich eine andereAntwort gäbe, so würde dies eine Einmischung in den Kriegzwischen Italien und der Türkei bedeuten. Dillon fragteweiter, ob die Proklamation bedeuten solle, dah alle, die denitalienischen Truppen Widerstand leisteten, als Rebellen be-handelt werden sollten. Grey antwortete: Ich kann nichtsagen, welches die Auslegung der italienischen Rgierung über dieWirkung der Proklamation ist. Die Proklamation ist, ebenso wieder Protest ber türkische» Regierung gegen sie, uns mitgeteiltworden. Das scheinen meiner Ansicht nach Dinge zu sein, überdie man nichts weiter sagen kann und denen gegenüber man sichlle Rechte vorbehalten mutz, so lange die Feindselig-leiten andauern.In einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage erklärte derStaatssekretär deS Auswärtigen Sir Edward Grey. dieenglische Regierung habe sich den anderen Regierungen bei der derbulgarischen Regierung abgegebenen Versicherung nicht an»geschlossen, in der erklärt wird, die Regierungen seien über-zeugt, daß die Türkei keine aggressiven Tendenzen gegenüber Bul-garten verfolge, nachdem die englische Regierung erfahren habe, daßdie bulgarische Regierung vollkommen zufriedengestellt seidurch die von der türkischen Regierung erteilten Versiche-rungen.verantw. Redakt.: Richard Barth, Berlin. Inseratenteil verantw.; ZH.Glocke,Bkrlin.Druiku.Verlag:VorwärtsBuchdr.it VerlagSanstalt PaulSingcräCo..?erlinLW. Hierzu 4 Beilagen u.UntrrhaltungSbl.