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|t. 264. 28. IahtMg. 3. Kkilm Ks Jotmäilo" DMcr Bolliolilalt, Frettag. 10. November 191L Italiens RriegssähigKeit. Die letzten Tage haben die große militärische Wider- standsfähigkeit der Türken und Araber gezeigt und da wirft sich die Frage auf, ob Italien ökonomisch in der Lage ist, einen langwierigen Kolonialkrieg überhaupt führen zu können, ohne großen politischen Erschütterungen entgegenzugehen. Eine Untersuchung der treibenden Kräfte, die zum Kriegs- abenteuer geführt haben, und der allgemeinen Wirtschaft- lichen Verhältnisse des Landes wird uns auf diese Frage Antwort geben. I. Die Bevölkerung Italiens betrug 1909 34,56 Millionen Personen oder durchschnittlich 312,7 Personen pro Quadrat- meite(etwa 120 pro Quadratkilometer). Die einzelnen Pro- vinzen sind aber sehr ungleichmäßig bevölkert. Ueber den Durchschnitt haben nur wenige Provinzen: Ligurien mit 594,6, Campanien mit 522,1, die Lombardei mit 479,9, Ve- netien mit 369,7, Sizilien mit 361,7 und Emilia mit 320,9 Personen pro Quadratmeile. Das übrige Land hat eine viel geringere Bevölkerung, besonders Süditalien . Der größte Teil der Bevölkerung beschäftigt sich noch mit der Landwirtschaft. Die Berufszählungen von 1881 und 1901 zeigen folgende Verteilung der Bevölkerung nach den Hauptberufen: Landw.itlchast ÄS, in Millionen Personen 1881.. 8,68 4.18 0,69 1,79 1901.. 9,67 3,99 1,19 1,42 in Prozenten aller Erwerbstätigen 1881.. 66.7 27,6 8.9 11,8 1901.. 69,4 24,6 7.4 8.7 Die Berufszählung ist sehr ungenau: immerhin muß man zugeben, daß Italien in der Hauptsache noch ein agrarisches Land ist. In Deutschland waren schon 1895 nur 37 Proz. aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Ackerbau ist also in Italien die wichtigste Erwerbsquelle der Bevölkerung. Wie steht es aber mit ihm? Die Gesamtfläche Italiens stellt sich auf 28,7 Millionen Hektar: davon war 1910 landwirtschaftlich benutzt 21,8 und forstwirtschaftlich benutzt 4,5 Millionen Hektar. Taraus ist� schon ersichtlich, daß Italien seinen Boden soweit wie möglich ausnutzt, da es fast gar keine Brache kennt: ein Re° fultat der für ein Ackerbau treibendes Land bedeutenden Be- Völkerungsdichte. Der Bauer bearbeitet selbst ungünstiges Land, um nur existieren zu können, da er keine andere Be- schäftigung findet. In der Tat sind die durchschnittlichen Ernteerträge in Italien sehr niedrig. So wurde in Doppelzentnern pro Hektar geerntet: Weizm Roggen Gerste Hafer Kartoffeln Deutschland... 19,9 17,0 18,6 18,4 131,9 Italien .... 8.8 11,3 8.3 8,2 60,6 In einzelnen Provinzen steigt aber der Ernteertrag sehr bedeutend an, so in der Emilia bis auf 20 Doppelzentner, in der Po-Ebene auf 16 Doppelzentner. Der niedrige Durch- schnitt kommt also dadurch zustande, daß man vielfach unfrucht- bare Böden bestellt. Jgm allgemeinen ist aber die italienische Landwirtschaft rückständig, arbeitet noch mit sehr veralteten Werkzeugen und seufzt unter dem Joch von Verhältnissen, die eine halbe Leibeigenschaft bedeuten, und dem Drucke der Wucherer und des Staates. Der Grund und Boden gehört wenigen Magnaten, die ihn in Teilpacht an die Bauern oder an Großpächter abgeben, die diesen wieder erst durch Mittels- Personen an die Bauern verpachten. Zum Teil wird der Boden direkt von Tagelöhnern bestellt. Die Bauern werden fürchter- lich ausgebeutet: die Teilpacht speziell, ebenso wie die Boden- bestellung durch billige Arbeiter, hindert jeden kulturellen Fortschritt: denn dadurch muß der Teil des Grundbesitzers steigen, der der Pächter aber wird gekürzt. Wie soll der Pächter da Kopital aufwenden können? Dazu kommt noch die Plage der Wucherer auf dem platten Lande, die aus dem Bauer alles aussaugen, was der Grundbesitzer und Großpächter übrig ließ. Und schließlich vollendet der Staat das Werk dieser Elemente. Die Grund- und Gebäudesteuer verschlingen 3035 Proz. des Ertrages der Landwirtschaft. 60,8 Proz. aller gerichtlichen Zwangs- verkaufe von 1895 kamen auf Fälle von nicht bezahlter Grund- und Gebäudesteuer.... In Sardinien kommt auf 14 Einwohner eine Exmittierung wegen Nichtzahlung der Steuer, in Kalabrien auf 114 Einwohner usw. In den Iahren 1885 1897 kamen zirka 100 000 Exmittierungen dieser Art vor.... Unter diesen Umständen wird es erklärlich, warum aus Italien soviel Leute jahraus und jahrein auswandern. Die Kulturfläche läßt sich nicht mehr ausdehnen. Die Gesamt- fläche, auf der Getreide gebaut wird, betrug 1874 4.74 Mill. Hektar und 1907 5.23 Millionen. In niehr als 30 Iahren ist die Kulturfläche bloß um knapp 500 000 Hektar gestiegen. Der Intensivierung des Betriebes stellen sich die geschilderten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse entgegen. Dagegen führt jeder technische Fortschritt zur Verminderung der auf dem Lande notwendigen Arbeitskräfte: in noch stärkerem Maße wird das gleiche Resultat dadurch erreicht, daß die Großgrundbesitzer die Pächter durch Saison- arbeiter ersetzen und die bäuerlichenFamilien einfach aus demLandevertreiben. So ist die Auswanderung aus Italien von Ivo<71 Per- sonen in, Jahre 1876 auf 787 977 im Jahre 1906 gestiegen. In den letzten Iahren ist sie etwas zurückgegangen, stellte sich 1908 auf 486 674. schnellte aber schon 1909 auf 62o 637 wieder empor. Während Ende der siebziger Jahre auf 100 VW En n- wohner rund 400 Auswanderer famei,. stieg ihre Zahl ,etzt auf 1826 an. d. h, auf das Es gibt in stallen viele Dörfer, wo die männliche Bevölkerung ganz ausge- wandert ist(Weiberdörfer")... Das ist eine der Ursachen des italienischen Impermlis- tnus: das Bestreben nach Landvergrößerung. DerLand- Hunger" des Bauern macht aus ihm einen Kolonialschwarmcr. Er hofft außerhalb seiner Heimat das Brot zu finden, das ihm Italien nicht gibt. Er horcht deshalb aufmerksam auf die Reden der Imperialisten, die ihm sagen, daß Tripoli- tanien ein Land sei, wo er Boden genug haben kann. Es ist also das kümmerliche Los des Bauern in der Heimat, das ihn ZU einemImperialisten" macht, obgleich der Aus- Wanderer sonst keineswegspatriotisch" gesinnt ist. Daß die Hoffnungen auf Tripolitanien fehlschlage« Werden, braucht man gar nicht erst auszuführen: Charakte- ristisch ist, daß die italienische Auswanderung sich keineswegs nach Tripolis wendet. Von den 600 000 Auswanderern gingen ganze 350 nach Tripolis , einfach, weil die Aus- Wanderer meist Lohnarbeiter werden und Tripolis für sie keine Beschäftigungsgelcgenheit darbietet. Für die Kulti- vierung des afrikanischen Bodens fehlt den Italienern das Geld: hätten sie Geld dazu, so könnten sie auch in der H e i m a t b l ei b e n, um dort sich ein Stückchen Land zu er- werben. In der Tat gingen auch fast 300 000 Italiener nach den europäischen Ländern, und von den 400 000, die nach Amerika auswanderten, haben auch Wohl nur wenige dort Land erworben. Nicht außerhalb seiner Heimat hat der italienische Bauer die Lösung seiner Lebensfrage zu suchen, sondern zu Hause. Sie liegt ihm sehr nahe: dieVerstaat- lichung des Grund und Bodens, wodurch erst der wahrhaften Landflucht gesteuert werden kann. Es ist sick>er, daß, wenn es dazu kommen sollte, die italienische Kolon:- sation von Tripolis die italienischen Bauern gar zu bald enttäuschen würde.... II. Die industrielle EntWickelung Italiens hat zweifellos bedeutende Fortschritte gemacht. Italien besitzt keine Kohlenlager, wohl aber viel Wasserkraft, und diese sucht es auch auszunutzen. Im Januar 1910 betrug die zu elektrischem Betrieb ausgenutzte Wasserkraft 580 000 Pferdekräfte, die durch Dampf erzeugte 270 000 Pferdekräfte. In Deutschland wurden 1907 7,28 Millionen Dampfpferde- stärke und 1,54 Millionen Kilowatt elektrischer Kraft fest- gestellt. Relativ betrachtet, befindet sich also Italiens In- dustrie in den Anfangsstadien. 1903 wurden im ganzen 117 278 industrielle Anstalten mit einer Motorkraft von 777 730 Pferdekräften und 1,4 Millionen Arbeiter gezählt. Davon kommen auf die Minen- und Metall- i n d u st r i e 33 208 Anstalten mit 422 531 Arbeitern und auf die T e x t i l i n d u st r i e 7263 Anstalten mit 452 969 Ar- beitern. Damit vergleiche man die Zahlen für Deutschland , das beinahe die doppelte Bevölkerungszahl besitzt. In Deutsch - land waren 1907 im Bergbau 860 900, in der Metall- und Maschinenindustrie 2,06 Millionen, in der Textilindustrie 1,09 Millionen Personen beschäftigt. Im Bergbau und in der gesamten Industrie waren in 2,09 Millionen Betrieben 10,85 Millionen Personen tätig. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn wir den Verbrauch der wichtigsten Rohstoffe betrachten. So war der Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung in Tonnen: Steinkohle Roheisen Kupfer Blei stink stinn 1906 1903 1903/7 1903/7 1903/7 1903/7 Italien ... 0,19 6,1 0,62 0,83 0,17 0,07 Deutschland . 1,86 164,2 2,94 8,03 2,68 0,26 Wenn Italien also im letzten Jahrzehnt auch Fortschritte gemacht hat, so sind diese doch bei weitem nicht so groß, daß man schon sagen könnte, für seine Industrie würde der innere Markt zu eng. Allerdings, die italienische Bevölkerung ist arm und stellt keinen aufnahmefähigen Markt dar. Deshalb macht die italienische Textilindustrie große Anstrengungen, um sich auch einen auswärtigen Markt zu sichern. Diesen hat sie aber hauptsächlich in der Türkei gefunden, wohin sie für 42 Mill. Lire Baumwollwaren ausführt. Anderer- seits führt sie aus der Türkei Rohstoffe(Seidenkokons) ein, die ihr unentbehrlich sind. Deshalb merkt man auch im i n d u st r i e l l e n Norden Italiens sehr wenig von der Kriegsbegeisterung. Im Gegenteil, die Industriellen sind damit recht unzufrieden. Auch der Wider- stand der Arbeiter gegen den Krieg war im Norden stärker, als im bäuerlichen Süden. Anders verhält sich zum Kriege ein Teil der italienischen Händler. Diese werden natürlich ebenfalls durch den Krieg getroffen, speziell die. die den Warenverkehr mit der Türkei vermitteln. Aber viele italienische Händler hoffen, in Tripolis ein neues Betätigungsfeld zu finden. Ihre Begeisterung gilt nicht dem heutigen Tripolis , das sehr arm ist und nur einen geringen Warenverkehr zuläßt, sondern dem künftigen Tripolis . Hier stoßen wir auf ein Märchen� das in der Hauptsache von dem Italiener G. R o h l f verbreitet wurde, nämlich, daß mit dem Besitze von Tripolis die Herrschaft überdenSudan verbunden sei. Durch Tripolis geht der größte Teil des Verkehrs mit dem Innern Afrikas . Allein Prof. Minutilli und der deutsche Prof. T h. Fischer weisen mit Recht darauf hin, daß der Handel mit dem Sudan notgedrungen nach dem Westen über Senegal und Niger , die ihm viel näher liegen, nach dem Osten über Benue und Niger , dann nach dem Nil. nach dem Süden über den Kongo abgelenkt werden muß. Auch in dieser Beziehung also erwartet die Italiener eine bittere Ent- t ä u s ch u n g. die um so früher eintreten wird, als F r a n k- reich und England schon eifrig an der Arbeit sind, den Sudanhandelansichzuziehen. Mit diesen Mäch- ten zu konkurrieren, wird aber Italien außerstande sein. schon deshalb, weil es ihm an Kapital mangelt. Dabei sind die Franzosen schon weit vorgerückt; ihre Bahnlinie geht schon bis tief in das Herz von Afrika . Die B a n k w e l t Italiens ist ebenfalls keineswegs einig. Die einen so die Societä Commercial d'Oriente sind an der Ausbeutung der Türkei beteiligt; dagegen tritt der B a n c o d i Roma als der Hauptführer im Kampfe um Tripolis auf. weil er dort verkrachte Unternehmungen hat, die er durch den Krieg zu retten hofft. Ter Baanco di Roina ist eine katholische Gründung: an ihm sind die hohen Würdenträger der Kirche beteiligt. Des- balb treiben diese jetzt auch eine kriegshetzerische Agitation, die, wie wir gesehen haben, unter den Bauern des Südens guten Boden findet. Man muß sich dabei die politischen Verhältnisse Italiens vergegenwärtigen: eine kleine Oligarchie von Strebern, Ad- vokaten usw. hat das Staatsruder ergriffen und kämpft mit allen Mitteln gegen jede weitere Reform des W a h l r e ch t s. Jetzt herrschen sie unter dem Schein der Demokratie fast unbeschränkt. DerEconomista dell'Italia moderna" schrieb noch kürzlich:Man kennt die Art. wie unsere politischen Wahlen heute zustande kommen. Die Mehrzahl der söge- nannten Erwählten des Volkes ist mit der Erbsünde von Wahlen behaftet, die durch Banknoten und Kor- ruption erzielt werde n." Da man die Banknoten aus den Kassen des Danco di Roma entnahm, so kann man sich doch nicht seinem Willen widersetzen.... Dazu kommt noch etwas Wichtigeres: Die Radikalen und vor allem die Arbeiter drängen auf eine Wahlreform. DieAdvokaten" wollen diese nicht, sind aber zu schwach, um sich dem zu widersetzen. So griffen sie zu dem militärischen Abenteuer: ein Schachzug aller Despoten.... Dem Lande wurde vorgelogen, daß die Okkupation von Tripolis ein militärischer Spaziergang sei. Nun, da die grau- same Wirklichkeit es eines anderen belehrte, wird man sehr bald einen Umschwung in der Stimmung der Bevölkerung erleben, einen Umschwung keineswegs zugunsten der herrschen- denAdvokaten".... Die Hurrastimmung hat schon nach- gelassen: an ihre Stelle tritt in steigendem Maße eine Un- zufriedenhcit, die zur Stärkung der r e v o l u t i o- nären Elemente viel beitragen muß. Das Schicksal aller solcher kriegerischen Abenteuer ist der Zusammen- bruchdesherrschendenSystems. 8o2ia!es. Gewerbe- oder Handlungsgehilfin? Gegen die Restaurationsbetriebsgesellschaft Zoologischer Garten G. m. b. H., die schon recht häufig das Gewerbegericht beschäftigte. klagte das im französischen Weinrestaurant des Zoologischen Gartens als Kassiererin tätig gewesene Frl. Kleiber. Die Klägerin forderte 226 M. Entschädigung, weil sie nicht fristgerecht entlasten worden ist. Mit ihr war, wie mit den anderen Angestellten, eine dreitägige Kündigungsfrist vereinbart worden, die von der Beklagten auch eingehalten worden ist. Die Klägerin bestritt aber nun die Gültigkeit dieser Vereinbarung, denn sie wäre kaufmännische Angestellte, und für diese dürfe eine kürzere als monatliche Kündi» gungsfrist nicht vereinbart werden. Obwohl die Klägerin mit denn Servieren der Getränke und Speisen absolut nichts zu tun hatte. sondern nur das Ausschreiben der Gastrechnungen nach den von den Kellnern ausgestellten Bon« zu besorgen und die Beträge dafür ein- zuziehen hatte, erklärte sich daS K a u f m a n n S g e r i ch l für u n- z u st ä n d i g und verwies die Sache an das Gewerbegericht. Dieses behandelte jedoch die Sache etwas eingehender und forderte ein Gutachten von den Aeltesten der Kaufmannschaft ein. Die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft gaben ihr Gutachten dahinab, daß die Dienste der Klägerin kaufmännischer Art seien, denn sie erforderten Gewandheit im Rechnen und Schreiben. Im letzten Termin focht nun der Vertreter der Beklagten , Direktor Schmidt, dieses Gutachten an, weil angeblich die Gutachter die Parteien nicht genügend gehört haben. Dem hielt der Vorsitzende. Magistratsrat Dr. S e ck t, entgegen, daß beide Parteien in dem ersten Termin vor dem Gewerbegericht in ausführlichster Weise zum Worte gekommen sind und die beiderseits geltend gemachten Ansichten im Protokoll, welches auch den Gutachtern vorgelegen hat. nieder- gelegt worden seien. Trotzdem vertrat der Vertreter der Beklagten die Ansicht, datz nur ein Fachmann oder die Handelskammer, die einen Beirat aus dem Gastwirtsgewerbe habe, zur Abgabe eine» Gutachtens kompetent gewesen wäre. In der weiteren Verhandlung wurde noch festgestellt, daß die Klägerin zwar eine Handelsschule nicht besucht hat, aber schon 10 Jahre als Kassiererin im Gastwirtsgewerbe tätig ist. Einig waren sich die Parteien auch darüber, daß die Klägerin für Mankos zu haften hatte und speziell die Abrechnungen mit den Kellnern zu besorgen hatte. Diese Tätigkeit betrachtete jedoch der Vertreter der Beklagten als ein Teil der Tätigkeit der Kellner; auch die Bundesrats- Verordnung betreffend die Ruhezeit der Angestellten im Gastwirts» gewcrbe, sagte er, stütze seine Ansicht. Denn die Klägerin unterstehe denselben Bestimmungen wie die Kellner. Mit dem gleichen Rechte. meinte er, könnten dann auch z. B. die Omnibusschaffner und die Kassenboten bei den großen Banken als kaufmännische Angestellte betrachtet werden: aber kein Gericht werde daS tun. Bisher haben auch alle Kassiererinnen, die bei der Beklagten tätig waren und sich beschwert fühlten, sich als Gewerbegehilfinnen betrachtet und das Gewerbegericht angerufen, auf vier Fälle allein aus der letzten Zeit verwies der Vertreter der Beklagten dabei. Das Gewerbegericht hielt die KündigungS» Vereinbarung für nichtig und verurteilte die Beklagte zur stahlung der geforderten Ent- schädigungssumme. In den Gründen wurden die Einwände der Beklagten entsprechend gewürdigt. So sagte da« Gericht, daß es den gegebenen Anlaß benutzt habe, um zu dieser Frage von prin- zipieller Bedeutung Stellung zu nehmen. Wenn bei den bisherigen Fällen dies nicht geschehen sei, so weil sich die klägerischen Parteien selbst zu der sozialen Schicht zuzählten, die von der Gegenpartei angenommen wurde. Die Aufgabe, der Frage prinzipiell näher zu treten, sei hier gegeben. ES gibt zweifellos eine ganze Anzahl von Berufen, deren Angehörige eine auf den Umsatz von Waren gerichtete, also eine kauf- männische Tätigkeit ausüben, die aber trotz der Leistung kaufmännischer Dienste nach der historischen Entwickelung nicht dem Kaufmannsstande zuzurechnen sind. So leistet ein Kellner zweifellos kaufmännische Dienste, er wird aber nicht als Handlungsgehilfe be- trachtet, weil er Trinkgelder nimmt und weil seine Tätigkeit keine rechnerische Gewandtheit erfordert. Ein Schaffner leistet zweifellos kaufmännische Dienste, doch auch er nimmt Trinkgeld und benötigt keine Gewandtheit im Rechnen und Schreiben. All diese Gruppen hat der Kaufmannsstand von sich abgestoßen. Der Beruf der Klägerin ist aber nicht abgestoßen worden, sondern von der Kauf- Mannschaft ausdrücklich als kaufmännischer anerkannt worden- Somit war wie geschehen zu erkennen. Das Urteil ist eine erfreuliche Abwendung von der von uns wiederholt kritisierten irrigen Anschauung des hiesigen Kaufmanns- gerichts._ Aus dem Ausschuß des Berliner KaufmannSgerichtS. Der Ausschuß deS Berliner KaufmannSgerichtS tagte am Mitt- wach, um zu verschiedenen Anträgen Stellung zu nehmen, welche an das Reichsamt des Innern, den Bundesrat sowie den Reichs- tag gerichtet werden sollen, um eine Abänderung und Verbesserung des Dicnstrechtrs der Handlungsgehilfen herbeizuführen. Die vorliegenden Anträge sind von den deutsch -nationalen Beisitzern bereits am 21. Dezember 1910 eingereicht. Der erste Antrag verlangt zwingendes Recht für alle Schutz» Vorschriften im Handelsgewerbe. Der Antrag wurde von den Kaufleutebeisitzern lebhaft be- kämpft, jedoch mit sämtlichen 10 Stimmen der Gchilfenbcisitzer und der Stimme des sozialdemokratischen Kaufleutebeisitzers an­genommen. Der zweite Antrag verlangt, daß der Lehrvcrtrag schriftlich abgeschlossen wird, ferner erhöhte Sicherung der LehrlingSaus- bildung, Beschränkung des Rechts der Lehrlingshaltung und Aus- bildung durch geeignete Knufleute und deren Stellvertreter, schärfere Bestrafung von Pslichtwidrigkeiten, Unterstellung der Volontäre unter den 6. Abschnitt(Teil 1) des Handelsgesetzbuches. Hierzu liegen noch zwei Unteranträge eines GehilfenbeisitzcrS bor , welcher verlangt, daß1. der Lehrherr verpflichtet ist, dem Lehrling eine angemessene Vergütung während der Dauer des Lehrvertrages zu gewähren und zwar auch für di« Zeit, für welche