Die in den Ortschaften ansässigen Taalinhaver, welche den Verkehr der Arbeiter sehr gern sehen, hofften auch bei dieser Gelegenheittrotz ihrer Weigerung, die Säle zu Bersammlungen herzugeben, aufden Besuch der Teilnehmer an den Bersammlungen, sie hatten jedochda« Nachsehen. Kein einziger kehrte bei ihnen ein.Hoffentlich werden sie durch diese Maßregel eine« Besierenbelehrt.�ieclerbarmin.Zu einer imposante» Kundgebung für die Sozialdemokratiewurde eine konservative Versammlung, welche am Sonntag inSchSuerlindr stattfand. Herr Schriftsteller sfedor alias Gemeinde«Schullehrer Weigel referierte über: Wirtschaftspolitik. Armee undFlotte, Mittelstand und Sozialdemokratie. Seine Ausführungengipfelten selbstverständlich in der Verteidigung de-Z Schutzzolles undder jetzigen Steuerpolitik. Er versuchte ganz besonders darzulegen,in wie horrender Weise gerade die Besitzenden zu den Steuernherangezogen werden. An den unglaublichsten und unsinnigstenBeispielen suchte er der Versammlung klar zu machen, daß esLiebesgaben überhaupt nicht gibt. Hatten schon hierbei wiederholteZwischenrufe dem Herrn zu erkennen gegeben, daß die erdrückendeMehrheit der Versammlung ganz anderer Meinung war, so löstedie Bemerkung de« Herrn Weigel, daß es eine falsche Auffassungsei, wenn man auf der einen Seite nach der neuen ReichSversicherungs-Ordnung die Witwen und Waisen unterstützen und auf der anderenSeite daS Erbe der Witwen und Waisen besteuern will, schallendesGelächter aus. Auf derselben Höhe bewegten filb seine Ausführungen überdie übrigen Teile seines Referats. Sein Versucki, den anwesendenLandwirten und Kleinbauern verständlich zu niacken, daß es alleindie Konservativen seien, die es ehrlich mit dem Mittelstand meinen,scheiterten gleichfalls. Wie Herr Weigel in Mittelstandsfreundlichkeitmacht, zeigte das Eingeständnis, daß er beim Anblick eines in denEhouff'eegrabcn gestürzten Automobils des Warenhauses Tietz einegewisse'Schadenfreude empfunden habe. In der nun folgen«den Diskussion glaubte der Vorsitzende eine Redezeit vonfüuf Minuten für hinreichend zu halten, die Tiraden desReferenten zu widerlegen. Nach längerer GeschästSordnungSdebattegelang eS unseren Genoffen endlich, sür unseren Redner, den Ge»meindevertreler Genoffen K u b i g« Pankow eine Redezeit von einerhalben Stunde zu erlangen. In wirkungsvoller Weise rechnete ermit Herrn Weigel ab und gab ein richtiges Bild der konservativenHerrichaft und der Wirtschaftspolitik. Ganz besonder« wußte er denLandwirten zu zeigen, daß auch sie unter dem heutigen System zuleiden haben und es lediglich die Großgrundbesitzer und Junkerseien, die den.Segen' der Landwirtschaft genießen. Unterstürmischer Zustimmung schloß Genosse Kubig mit der Auf-forderung, am 12. Januar den Kandidaten der Sozial«demokratie zu wählen. In seinem Schlußwort unternahmHerr Weigel noch einen vergeblichen Versuch zu retten, was noch zuretten war. AIS er enden wollte mit der Aufforderung, den koni'cr-vativen Kandidaten zu wählen, ertönte von allen Seiten der Ruf;Stadthagen! Stadthagen' Unter großem Jubel wurdeein Plakat entrollt mit der Aufschrist: Wählt Arthur Stadthagen IMacktvoll erklang der Besang der Marseillaise, und mit dem Lied,„Wer schafft das Gold zutage' verließen weit über hundert Per-fönen den Saal, ein gute« Dutzend der Herren Konservativen zurück-lassend.Abrechnung hielten unsere Liebenwalder Genossen mit demSchriftsteller.Fedor'(Lehrer Weigel), der sich in einer am14. Dezember in Liebenwalde abgehaltenen konservativen Ver-sammlung nach bekannter ReichSvcrbandSmanier zu de» gewagtestenBehauptungen aufgeschwungen hatte. Die erteilte Abfuhr war«in«gründliche. Leider war Herr Weigel trotz mehrfacher Einladung auchbier, wie in anderen unserer Versammlungen, nicht erschienen. DerEinberufer erhielt verspätet die Mitteilung, daß Herr W. anderweitigtätig sei und daß derselbe eS bedauere, nicht erscheinen zu können.Nach einen, vortrefflichen Referat des Genossen Mirus, indem auch dieser scharf mit den Konservativen abrechnete, wurde dieimposante, von über 300 Teilnehmern besuchte Versammlung nachdreistündiger Tagung mit begeisterndem Hoch auf die Sozial-demokratie geschloffen.In Mühlenbeck referierte vor gutbesuchtcr Versammlung GenosseSteinbrenner. An der Diskussion beteiligten sich die GenossenBuchweitz und Beyer. Sodann ersuchte der VersammlungsleiterGenasse Käsehagen die Anwesenden, am Wahltage ihre vollePflicht zu tun. indem sie dem Kandidaten Genossen Stadthagenihr» Stimme geben. In den Wahlverein wurden mehrere Anwesendeaufgenommen. Vor wie nach der Versammlung trug der Gesang-verein.Gemütlichkeit'-Mühlenbeck ein Lied vor.In Lichtenberg referierten vor einigen Tagen in zwei überfülltenVersammlungen die Genossen Unger und Kubig.Vor einer von 5<X> Personen besuchten öffentlichen Versammlungreferierte in Herzfelde am Sonntag im �fabschen Lokale GenosseRichard K ü t e r» KaelShorst über: Die ReichStagSwahlen. Gegnerwaren nicht anwesend.In Hennickendorf ragte gleichfalls eine gut besuchte öffentlicheVersammlung. Die sehr zahlreich erschienenen Arbeiter und Hand-werker zollten den Ausiiihrungen des Referenten Genossen AdolfD o m n t ck» Reinickendorf lebhafren Beifall.Wittenau. Hier sprach Genosse Spliedt in einer gut besuchtenVersammlung in den„Germaniasälen' über die bevorstehendenReichstagswahlen. Die gut aufgenommene Rede fand keinenWiderspruch.In Schönwald» referierte dar etwa löv Versammelten GenosseDomnick-Reinickcndorf. Nach der mit lebhaftem Beifall auf-genommenen Rede richtete noch der Versammlungsleiter GenosseSchindler einen Appell an die Anwesenden, die kurz« Zeit bis zumWahltage zu reger Agitation auszunutzen.potedam Ort-Ravclland.Potsdam. Ein letztes Wort an die Wähler richtet« der GenosseDr. Karl Liebknecht am Sonntag unter freiem Himmelin der Be�lenstraße. Trotz der ungünstigen Witterung, dieum diese Zeit herrschte, hatten sich etwa 1300 Personen eingefunden. Genosse Liebknecht ging u. a. aus den Inhalt eines hierverbreiteten gegnerischen Flugblattes ein. das sich ausschließlich mitseiner Person veichästigte und von ihm getane, aus dem Zusammen-hang gerissene Aeußerungen bringt. Den, Redner war eS natürlichein leichtes, da« Gcbahren der Gegner entsprechend zu kennzeichnenund seine Aufforderung, am 12. Januar mit den VolksauSbcuternund LebenSmilielverteurern abzurechnen, wird sicherlich nicht ohneErfolg fein.Spandau. Einen imposanten Verlauf nahm die am Sonntag,nachmittags 2 Uhr. unter freiem Himmel abgehaltene Wählerversammlung. Trotz des miserablen Wetter« waren zirka 2000Versammlungsteilnehmer erschienen, die mit großer Spannung denvorzüglichen Ausführungen des Referenten Genossen Cohen-Berlin folgten. Unter brausenden Hochrufen auf da» allgemeine.gleiche, geheime und direkte Wahlrecht wurde die Versammlung nach!>/, stündiger Dauer geschlossen. Den erschienenen Polizeibcainten inllinsorin und Zivil wurde nicht die geringste Gelegenheit geboten, inTätigkeit zu treten.__Die Patrioten in BJandlifcIn einer Beleidigungsklage des gräflich Reedernschen Ober-försters Finsterwalder gegen den Genossen Stadthagen, die amMontag in einer fünft'tündigen Verhandlung vor dem Schöffen-gericht Berlin-Mitte zum Austrag kam, wurde der folgende Her-gang festgestellt:Am 22. Mai Ivlv wurde in Wandlitz sKrei» Riederbarnim)durch unsere Parteigenossen eine Volksversammlung einberufen, inder Genosse Stadthagen als Referent auftrat. Al» die Verfamm- jlung angekündigt war, machte der Kriegcrvercin, der konservative!Volksverein und was sich sonst zu den Patrioten zählt, mobil,'um die Versammlung zu sprengen. Im Versammlungslokal er-schienen denn auch lange vor Beginn der Versammlung der Amts-Vorsteher Fielitz, der Gemeindevorsteher Sommer, der durch Hand-zettel die„Patrioten" in die Versammlung beordert hatte, derReviersörster, jetziger Oberförster Finsterwalder, den. der konser-vative Volksvcrein beauftragt hatte, in die Versammlung zu gehen.Um diese Spitzen der Gesellschaft von Wandlitz und Umgegendgruppierte sich eine Anzahl anderer Leute von unentwegt staats-erhaltender Gesinnung und sozialistenfeindlicher Tendenz. Als„geistiger" Führer des Feldzuges gegen die Verbreitung sozial-demokratischer Lehren in Wandlitz war der antisemitische AgitatorDöring zur Stelle, den man sich zu diesem Zweck extra aus Berlinverschrieben hatte. Nicht lange währte es, da ging der von konser-vativer Seite wohl vorbereitet« Hexensabbath loS und unsere Ge-nassen blieben nicht im Zweifel, daß die Stützen von Thron undAltar eine Sprengung beabsichtigten. Während der Rede Stadt-Hagens begann das erste Geplänkel mit den Staatsrettern. Vonjener Stelle des Saales, wo Döring mit den Wandlitzer Honora-tionen saß, rief man dem Referenten wiederholt zu:„Jude",„Judcnlümmel",„Quatsch",„Blödsinn" und dergleichen. DerVorsitzende Koffert vertagte die Versammlung und mahnte dieRuhestörer, sich anständig, zu betragen.Inzwischen war Döring an den Vorsitzenden herangetreten undsagte, wenn er das Wort zur Diskussion bekomme, dann werde erdafür sorgen, daß Ruhe eintrete, denn seine Weisungen würdenvon den Leuten um ihn befolgt.— Diese Aeutzerung ist der best«Beweis, daß der Tumult organisiert und Döring der Führer einerKolonne absichtlicher Ruhestörer war.— Döring erhielt die Zu-sicherung, daß er als erster Diskussionsredner das Wort erhalteDas teilte der Borsitzende auch der Versammlung mit. An demTische der.Patrioten" will man«S aber nicht gehört haben. Manbehauptet, Döring habe seinen Leuten mitgeteilt, er werde dasWort wohl nicht bekommen. Denn ihm sei gesagt worden, nurwenn Zeit genug sei, werde eine Diskusston stattfinden. An-scheinend hat Döring also, nachdem er die Gewißheit hatte, dasWort zu bekommen, nicht für Ruhe in seinem Kreise gesorgt, son-dern diesen durch eine falsche Angabe zum weiteren Radaumachenermuntert. Tatsächlich setzten die„Patrioten" ihre provozierendenZwischenrufe fort.Als Stadthagen auf die in der Reichsversicherungsordnung vor-gesehenen Landkrankenkassen zu sprechen kam, und zeigte, daß dieArbeiter in diesen Kassen kein Selbstverwaltungsrecht, da derGemeindeverband den Vorstand ernennen solle, haben, rief derOberförster Finsterwaldc, das sei unwahr. Stadthagen verwiesauf die inzwischen Gesetz gewordene Bestimmung des Entwurfs,daß der Vorstand der Landkrankenkassen vom Kreistage ernanntwird. Doch.Herr Finsterwalder war nicht zu belehren. Er riefvielmehr dem Genossen Stadthagen zu:„TaS ist eine bewußteUnwahrheit."— Stadthagen wehrte diese Unanständigkeit ab mitder Bemerkung:„Wenn Sie behaupten, ich sage bewußt die UnWahrheit, dann sind Sie ein unverschämter Lümmel."— Daraufentstand ein wüster Tumult. Die Konservativen sprangen auf,schrien, schimpften, ein BierglaS wurde nach dem VorstandStischgeschleudert, die Lärmmacher drängten nach dem Podium. Derüberwachende Gendarm löste die Versammlung auf, weil er— wieinzwischen vor dem OberverwaltungSgericht festgestellt worden ist-» befürchtete, es könne eine Schlägerei, verursacht durch das Vor-gehen der Konservativen, ausbrechen.Stadthagen trat an den Rand der Bühne und fragte denihm unbekannten Oberförster, wie er heiße und wer er sei. Derkonservative Held hatte jedoch nicht den Mut, seinen Namen zunennen. Auch von dem Gendarmen, an den sich Stadthagen wegender Namensfeststcllung wandte, war der RaMe des Ruhestörers nichtzu erfahren.Die Beleidigungsklage des Herrn Finsterwalder stützt sich aufdie Aeußerung„frecher, unverschämter Lümmel". Stadthagen er-hob in der Verhandlung Widerklage: 1. Weil ihn Finsterwalderder benGßten Unwahrheit beschuldigte; 2. iveil in der schriftlichenKlagebegründung gesagt wird, Stadthagen habe als Reichstags-abgeordneter lediglich zum Zweck der Verhetzung bewußt unwahreBehauptungen verbreitet: 3. weil in der Klagebegründung gesagtwird, Stadthagens parteipolitische» Bestreben sei, die BevölkerungS-klaffen gegeneinander zu hetzen; 4. weil in der Älagebegründungangedeutet wird. Stadthagen pflege zu verduften, nachdem er eineHetzrede gehalten. Diskussion werde nicht zugelassen unter demVorgeben, der Referent müsse mit dem nächsten Zuge abreisen;S. weil der Kläger in der Verhandlung behauptete, Stadthagenhabe sich aus Furcht vor seinen Angreifern hinter den Gendarmverkrochen, was eine völlig unwahre Behauptung ist.Rechtsanwalt Ulrich, der Vertreter des Kläger», suchte seinenKlienten bezüglich dessen Behauptungen, Stadthagen habe bewußtdie Unwahrheit gesagt, damit zu rechtfertigen, daß er die. Sacheso hinstellte, als habe sich diese Aeußerung nicht auf die unbestreitbaren von Stadthagen angeführten Bestimmungen der ReichSversicherungSordnung bezogen, sondern auf die Schlutzsolgtrungen, dieStadthagen au» diesen Bestimmungen zog: die Arbeiter hättenkeine Rechte. Im übrigen machte der Anwalt geltend, der Klägerhabe in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, er müssevon der Widerklage freigesprochen werden. Ter Angeklagte abersolle angemessen bestraft werden.Rechtsanwalt Dr. Heinemana, der Stadthagen verteidigte, vertrat den Standpunkt, der Angeklagte könne nicht wegen Beleidigungbestraft werden. Denn sein« Aeußerung sei erfolgt in berechtigterNetwehr gegen fortgesetzte widerrechtliche Ruhestörungen und gegenden schwer beleidigenden Vorwurf, Stadthagen habe bewußt dieUnwahrheit gesagt. Die provozierenden Zwischenrufe seien wohlnicht von den Wandlitzer Rotabeln, aber doch von den Leutenum sie gekommen. Tie Rotabeln hätten nach einem bekonnten WortFontanes gehandelt: Wir machen so was nicht, aber wir lassen esandere machen.Stadthagen begründete in längerer Rede den Antrag auf seineFreisprechung und die Verurteilung des Widerbeklagten. Er be-tonte, der rechtswidrige Angriff des Kläger» gegen ihn habe nichtanders abgewehrt werden können, als in der Weise, wie er esgetan habe. Der Ausdruck.Lümmel" sei noch die mildeste Be-zeichnung für da» Betragen des Klägers. Sollte sich ein derartigerFall wiederholen, so würde er nicht anstehen, eine schärfere Abwehrzu wählen. Wie solle man sich denn gegen derartige schäm-lose Unverschämtheiten, denen keine Spur einer Berechtigung bei-wohne, wehren? Die Notwehr sei nicht nur berechtigt gewesen,sondern noch nicht weit genug gegangen. Weiter führte Stadt-Hagen aus, daß von einer Wahrnehmung berechtigter Interessendurch den Widerbeklagten keine Rede sein könne. Seit wannhabe denn ein Privatangestellter eine« Rittergut« das Recht,jemanden, dessen Ansichten ihm nicht gefallen, zu beleidigen? Einsolches Recht stehe ja selbst den Beamten nicht zu. Der Klägermüsse bestraft werden. An der Höhe der Strafe liege nicht», sondernnur an der Feststellung, daß der Kläger sich frivsler, pr»v»kat»rischerBeleidigungen schuldig gemacht habe.Das Urteil de» Gericht» ging dahin: die Aeußerung deS An-geklagten sei eine formale Beleidigung. Allerdings gebe eö einegeistige Notwehr, aber eine Beschimpfung sei nicht notwendig, umeine Beleidigung abzuivehren. Notwehr liege hier nicht öor. Be»zSglich der Widerklage sei zu sagen, daß die Behauptung, der An--geklagte habe bewußt die Unwahrheit gesprochen, zwar eine Ehren-kränkung, aber im vorliegenden Falle nicht strafbar sei, weil derKläger in Wahrnehmung berechtigter politischer Interessen handelteund als Oberförster daS berechtigte Interesse habe, dahin zu wirken,daß die Arbeiter, mit denen er zu tun habe, nicht unzufriedengemacht würden. Von den anderen Punkten der Widerklage berück-sichtigte das Gericht nur einen, nämlich die Behauptung de» Klägers,Stadthagen habe sich hinter dem Gendarm verkrochen. Diese Aeuße-rung sei beleidigend. Denn es liege darin der Vorwurf der Feig-heit. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, daß dwser Vorwurfberechtigt sei.— Das Gericht verurteilte den Angeklagte« Stadt-Hagen zu 50 den Kläger Finsterwalder zu 5 M. Geldstrafe,•«♦Angesichts dieses Urteils drängt sich die Frage auf: Wenn sichSozialdemokraten in einer konservativen Versammlung auch nurannähernd so betragen hätten, wie es die Konservativen in derWandlitzer Versammlung taten, würde ein Gericht dann anerkannthaben, die Sozialdemokraten hätten berechtigte Interessen wahr-genommen und durften den konservativen Redner straflos be-leidigen? Oberförster Finsterwalder, der konservative Mann, durfteeS nach Ansicht des Schöffengerichts. Es wird sich zeigen, ob dieBerufungsinstanz derselben Ansicht ist.Gerichts-�eitntig.Di» Schreckenstat einer jungen Mutter»die ihr eigenes neugeborenes Kind aus dem Fenster des drittenStockwerks herausgeworfen hatte, beschäftigte gestern als erste Ver-Handlung in der neubcginnenden Sitzungsperiode das Schwur-gericht des Landgerichts II unter Vorsitz des LandgerichtsdirektorsLieber. Angeklagt wegen KindeSmordeS war die 20jährige Kon-toristln Erna PvSnanSkh.Die Angeklagte lernte im Juli 1909 den Reisenden JuliusNartelSki kennen) mit dem sie ein Liebesverhältnis einging, welchesnach den Versicherungen des N. auch zu einer �hhe führen sollte.Er verstand eS, daS junge Mädchen zu betören, so daß ihm die P.nach einiger Zeit jenes bewußte„süße Geheimnis" in das Ohrflüstern konnte. Von diesem Augenblick erkaltete seine Liebe immermehr und mehr. Er ließ das vor Scham und aus Angst vor ihrenstrengen Eltern fast verzweifelte Mädchen einfach sitzen und ver-schwand auf Nimmerwiedersehen. Die Angeklagte verstand es dann,die ganze Zeit ihren Zustand vor ihren Eltern zu verheimlichen.Sie schrieb sogar, als sie von ihrer Mutter gezwungen wurde, sichvon dem prakt. Arzt Dr. Feilchenfeld untersuchen zu lassen, einenBrief, in welchem sie diesem unter Hinweis auf die ärztlicheSchweigepflicht um Diskretion bat. Der Arzt ioar deshalb gc-zwangen, als Ursache des Leidens der P. nur Blutarmut anzugeben. Am Abend de» 2. Juli v. I.. dem eigenen Geburtstageder Angeklagten, gab diese einem Kinde das Leben. Von einerentsetzlichen Angst bor der Entdeckung durch ihre Eltern gepeinigt»zum Teil vielleicht auch aus Haß gegen den Vater des Kindes be-kam es die Angeklagte fertig, das neugeborene Kind au« dem ge-öffneten Fenster der im dritten Stockwerk gelegenen Wohnung aufden gepflasterten Hof hinunter zu werfen. Als dann am frühenMorgen von Hausbewohnern die zerschmetterte Leiche des kleinenWesens gefunden wurde, benachrichtigte man sofort die Kriminal-Polizei. Der Kriminalkommissar Metelmann erschien mit demPolizeihund„Bolko" an dem Tatorte und setzte da» Tier auf dieSpur. Der Hund lief sofort, nachdem er an der Leiche deS KindesWitterung genommen hatte, die drei Treppen nach der Wohnungder Eltern der Angeklagten hinauf, wo er an der Tür bellte undmit den Pfoten kratzte. Als ihm geöffnet wurde, stürzte er sofortauf die Angeklagt« los, die auch sofort ein offenes Geständnis ab-legte und dann bewußtlos zusammenbrach.Auf Antrag de» Rechtsanwalt» Dr. Klee wurde die Angeklagtedurch den Assistenzarzt der Psychiatrischen Klinik der Kgl.Charit« Dr. Kutzinski und von Medizinalrat Dr. Hoffmannauf ihren Geisteszustand untersucht. Diese Untersuchung er-gab, daß die Angeklagte eine sog. hysterisch-psychopathischc Kon.stitution hat. Von der Verteidigung wird behauptet, daß die An-geklagte die furchtbare Tat in einer momentanen Geistesverwirrungverübt habe, die bei der ganzen Situation, in der sie geschehen sei,auch sehr wahrscheinlich und erklärlich sei.— Die Geschworenenverneinten nach dem Antrage de» Verteidiger» die Schuldfrage,woraus die Freisprechung der Angeklagten erfolgte.Verhaftung an Bord.Ein eigenartiger Rechtsstreit ist dieser Tage zwischen demNorddeutschen Lloyd wie auch den übrigen Bremer SchissSgesell-schaften einerseits und dem ReichSjustizamt und dem AuswärtigenAmt andererseits darüber entstanden, ob die Kapitäne der Handels»und Passagierdampfer befugt und verpflichtet seien, auf Grund vonvorliegenden Haftbesehlen Passagiere an Bord zu verhaften. Ineinem Rundschreiben an die Mitglieder weist der Vorsitzende desDeutschen Nautischen Verein» darauf hin, daß in letzter Zeit andie Kapitäne der mit drahtloser Trlegraphie ausgerüsteten Dampfervon feiten der Staatsanwaltschaft derartige Aufträge mehrfach er-gangen sind. Während die Schiffsgescllschasten auf dem Stand-punkte stehen, daß Kapitäne nicht zu den Hiftsbeamten der StaatS-amvaltschaft gehören und solche Austräge nicht auszuführenbrauchen, sich sogar dadurch straf- und zivilrechtlich hastbar machenkönnen, verfechten das Reichsjustizamt und das Auswärtige Amtdie entgegengesetzte Ansicht, der sich auch der Senat der StadtBremen angeschlossen hat.Man darf gespannt sein, ob dieser Versuch, die drahtlose Tele-graphie in solch eigenartiger Weise zu gebrauche»!, von Erfolg ge«krönt sein wird. Möglich ist eS.Schub gegen Schutzleute.Bei der Bochumer Wahlrechtsdemonstration machte sich derSchutzmann Koch dadurch bemerkbar, daß er gegen ruhig des Wege»gehende Paffanten vorging und diese mit den gemeinsten Schimpf-warten sowie mit Püffen und Stößen traktierte. Als der bei dieserGelegenheit vollkommen unschuldig verhaftete und von ihm insul-tierte Genosse Redakteur Äolf Beschwerde gegen den Schutzmannerhob, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.Runmehr hatte sich derselbe Schutzmann wegen schwerer Miß-Handlung und Beleidigung in Ausübung seines Dienstes vor derBochumer Strafkammer zu verantworten, weil er einen Bauunter-nehmer mit dem Säbel schwer bearbeitet und dessen Ehefrau mitTotmachen und Kaputmachen bedroht hatte. Zu seiner Verleidegung hatte er nur anzuführen, daß man als Schutzmann mit einemPublikum zu rechnen habe, das„meist r»t veranlagt sei". DasGericht verurteilte ihn wegen Mißhandlung zu 2 Monaten und1 Wache Gefängnis, sowie wegen öffentlicher Beleidigung zu 30Mark Geldstrafe._Marftbericht von«er«» am«. Januar 191», nach Ermittelungdes töntgl. Polizeipräsidium«. Markthallenpretse. lKlcinhandcl)100 Kilogramm Erbsen, gelbe, zum Kochen 38.00—50,00. Speis ebohpenweihe, 40,00—60,00. Linsen 40,00—80,00. Kartoffeln 8,00—12,00. 1 Kilo-avamm Rindfleisch, von der Keule 1,60—2,40. Rindfleisch, Bauchsicisch 1,20vi» 1,80 Schweinefleisch 1,80— IM Kalbfleisch 1,60—2,80..Hammelfleisch1,20—2,20. Butter 2,60-3,20. 60 Stück Eier 8,80-6,40. 1 KilogrammKarpsen 1,00—2,40. Aal« ILO— 2,80. Zander 1,60-8,60. Hecht« 1.20—2,60.Barsche 1,00-2,00. Schiele 1,60—8,80. Bleie 0,80-1,40. 60 Stück Krebs«2,40—24,—»'