Ir.50. 29. ZahrMg. 2. Iriljjf des.litidirts" Sttlititt DoMhtt»---»»>»»« Mgeoränetenbaus. 2b. Sitzung. Mittwoch, den 28. Februar, vormittags 11 Uhr. Am Mnistertisch: S h d o w. Etat für Handel und Gewerbe. DritterTag. Mg. Fetisch fl.) wendet fich gegen die Absicht der Regierung, die aus der Praxis hervorgegangenen Lehrer an Baugewerksschulen ganz durch an der Hochschule ausgebildete zu ersetzen. Abg. Giemsa(Z.): Der Ueberschwemmung des Bau» n_e w e r b e s infolge der G e w e r b e f r e i h e i t ist der un- künstlerische Mietskasernenbau zu danken. Die Schule müßte den Kunstsinn entwickeln. Abg. Dr. v. Woyna sfrk.) führt gegen eine Bemerkung dos Abg. Felisch aus, daß für die einfachen ländlichen Verhältnisse die Bau- gewerksschulen durchaus genügen. Ihre Absolventen sind ' tüchtig und bauen einwandfrei. An ländliche Bauhandwerker werden doch nicht die Anforderungen gestellt wie an großstädtische! Abg. Lieneweg sk.): Es bestehen in den Fortbildungsschulen widersprechende Bestimmungen über den Zwang, auch' Lehr- lingeüber 18 Jahren zur Schule zu schicken. Das Oberlandesgericht Marienwerder hat vernünftigerweise entschieden, daß dieser Zwang nicht besteht. Wir wünschen eine gesetzliche Regelung. Die S ck u l e muß auch st a a t s- erhaltend erziehen. Die Mcisterlehre geht zurück, denn die Zeit ist stärker als der Mensch; bester wäre sie freilich, aber mit den Zeitverhältnisten muß man fich un- bedingt abfinden. Der Einwand, daß der Unterricht nicht auf den Abend verlegt werden soll, weil da die Lehrlinge müde sind, stimmt nach meinen Lehrlingserfahrungen nicht. Es ist vielmehr die Verhetzung, die Widerspenstigkeit und Trägheit der jungen Leute und auch der Widerstand der Meister. Die Städte sind mit den Fortbildungsschulen vorangegangen, das Land kommt ja immer etwas hinten nach. Abg. Dr. Schepp<Vp.): Als alter Fortbildnngsschullehrer muß ich entschieden feststellen, daß nicht Verhetzung usw., sondern Ue betm Übung der Lehrlinge den Abendunterricht ver- bieten.(Hört! hört! und Sehr wahr! links.) Es war Mittelstands- feindlich, das Fortbildungsichulgesetz an der Forderung deS Religionsunterrichts scheitern zu lassen.(Sehr wahr! links.) Die Gemeinden brauchen höhere Staatszuschüste. Handelsminister Dr. Sydow: Ein Unterricht am späten Abend istivegen Uebermüdung der Lehrlinge aus- geschlossen. Sonst wollen wir ja den Wünschen des Handwerks bei der Unterrichtszeit entgegenkommen. Das Fortbildungsschulwesen ist viel wichtiger als alle die Fragen, die gestern und vorgestern hier besprochen wurden.(Hört I hört!) Hier kann wirkliche Mittel st andsarbeit geleistet werden.(Lebhaftes Bravo I links.) Abg. Dr. Hintzmann(natl.) lehnt ebenfalls den Abendunter- richt ab. Abg. Glattfeldter(Z�l Wir stehen in der Frage des Fort- bildungsschulgesetzes noch ganz auf dem gleichen Standpunkt. Von Mund zu Mund, von Herz zu Herz soll die Religion ge- lehrt und dabei auch die Gründe der Gegner des Daseins Gottes widerlegt werden. Ohne Religion an erster Stelle gibt es keine "wirksame Erziehung zur Staaistreue,-Sittlichkeit/ Standhaftigkeit und zum Rechttun.(Bravo ! rechts.) Abg. Hammer(k.): Abg. Schepp könnte uns hier gar nicht an- greifen, wenn ihn nicht konservative Wähler gewählt hätten. Der durch liberale Hilfe gewählte Herr v. Tresckow (Heiterkeit links, Rufe: Kompensation!) ist viel zu nobel, die Liberalen an- zugreifen. Es ist unwahr, daß an uns das Fortbildungsschulgesetz gescheitert sei. Wir waren in zweiter Lesung nur für fakulta- l i v e n Religionsunterricht, mit der Einschränkung, daß, die nicht teilnehmenden Lehrlinge eine Erklärung ihrer Eltern bringen. Diese Einschränkung wäre im Plenum vielleicht auch gefallen. Das Gesetz fiel, weil die Mehrheit den Kultusminister hinzuziehen wollte, was der Handelsminister bekämpfte. Ich selbst war dagegen, daß das beschlossen werde. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Die Fortbildungsschule ist auch den Arbeiterinteressen zu dienen berufen, der Minister übersieht das ganz. Wir erkennen den guten Kern der Fortbildungsschule an, wenn sie auch nur ein Notbehelf ist. Heule sollte man doch über den Abendunterricht für Lehrlinge gar nicht mehr reden. Nur ein preußischer Kon- servaliver kann so rückständig in der Sozialpolitik sein, ihn gar noch zu verlangen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte mal sehen, wenn Ihre Kinder tagsüber in der Trel- mühle sind, abends noch bis 10 Uhr Schule besuchen sollten, was Sie da für Augen machen würden. Welchen Versuchungen wären diese Kinder aus den Straßen abends ausgesetzt I Es ist nicht zu glauben, daß Sie das noch nicht erkennen!— Das in schwerem Kampf gegen die Großindustrie stehende Hand- werk fordert vergrößertes Ausbeutungsrecht gegenüber den Lehrlingen, die sollen die Folgen der kapitalistischen Entwickelung tragen! Sie behaupten, die Sozialdemokratie ruiniere das Handwerk, weil sich das Proletariat gegen vermehrte Ausbeutung wehrt. Das Handwerk fetzt, einem Druck von oben folgend, alle sozial« politischen Rücksichten beiseite und redet, zum Teil wenigstens, einer noch schlimmeren Ausbeutung als der groß- kapitalistischen das Wort. Arbeiteriiiteressen müssen Meister- interessen vorangehen, die Schulzeit muß in der Arbeits« zeit liegen. Die Antwort des Ministers ist im Jnleresse der Volks- gesundheil erfreulich.— Sie natürlich wollen die Fortbildungsschule anderen Interessen dienstbar machen, die Jugend in einer ehnen nützlichen Gesinnung zu erziehe». Nach dem Allgemeinen andrecht sogar, dessen Verfasser doch auch etwas von Religion wußten, ist a l s Ende der religiösen Erziehung das 14. Jahr festgesetzt. Brechen Sie doch auch für diese alte preußische Tradition eine Lanze!(Sehr gut I bei den Sozialdemo- lraten.) Sie wollen die Jugend iu cinc» Geisteskerker einsperren, weil Ihnen das Volk entgleitet. Darum soll die Fortbildungsschule das Volk schwächen in der Kraft, sich aus der sozialen Misere her- auszuarbeiten. Das beweist am besten die Rede deS Abg. Glatt- fetter.(Lacken im Zentrum.) Wollen Sie die ihre Pflicht tuenden Atheisten als minderwertig bezeichnen? Ick habe Ihnen ja letzthin dargelegt, wie Religion und Kriminalität in Bezlehung stehen. Die katholische Bevölkerung bat infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse die höchste Verbrecher- zahl!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Und da soll die Religion ein Amulett gegen alle Versuchungen.f""y (Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Die Grundsätze, die nach Ihnen die RAigion dem Menschen geben soll, ho- jeder Me�i ch. sie bilden jedes Menschen sittliche Kraft.(Rufe rechts und im Zentrum: Unglaublich!) Bei der Mäste der Be- völkerung ist die Religion nur überkommene Traditio». Es ist deplaziert, jetzt Religionsphilosophie zu treiben.(Stürmische Rufe: Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Aber schuld sind Sie, die die Religion in der Fortbildungsschule haben wollen, die den Mißbrauch der Religion zu persönlichen Zwecken wollen. UebrigenS sehen Sie sich dock die Taten der Religiösen von C z e u st o ch a u an!(Sehr gut I b. d. Soz.— Bizepräs. P o r s Ä ruft den Redner zur Sache.) Sie wollten im Vorjahr den Handels- minister unter die Kuratel des Ihnen genehmeren Kultusministers bringen. Trotzdem der Minister meint, daS seien vorjährige Angelegenheiten, so haben wir keine Ursache, dieses Kapitel Ihrer Tätigkeit in der vorigen Session vergesten zu lassen. Die reichs- gesetzliche Möglichkeit verordnungsmäßiger Regelung genügt uns nicht, wir wollen gesetzmäßige. Der Minister hat zwar Ein- führung der Religion auf Umwegen abgelehnt, aber doch den Städten den Weg gezeigt, Schulen mit Religionsunterricht zu unter- stützen. T-azu sind öffentliche Gelder mwt da. Uebrigens bürgt der gefunde Sinn der Arbeiteriugend dafür, daß sie keinen Schaden von solchen Einrichtungen erleidet.(Zustimmung bei den Sozialgemokraten.) Die Fortbildungsschule wird heute schon politisch miß- braucht zur Bekämpfung des Proletariats. Die Leitungen versuchen, die Schüler unter Strafandrohung an der Teilnahme an der oben mißliebigen freien Jugend- bewegung zu verhindern. Sie glauben es selbst nicht, daß diese Bewegung politisch sei. Ich werde demnächst nachweisen, wie un- erhört die Jugendorganisation der verschiedenen Richtungen mit zweierlei Maß gemessen werden. Die Kriegerbunds-„Parole" berichtete, daß die„K h f f b ä us e r- K o rr e sp o n d e n z" wöchent- lich in 2370 Exemplaren als Unterrichtsdehelf an die Fortbildungsschulen geschickt wird. Will die Ver- waltung gegen einen solchen unerhörten jkandalösen Mißbrauch der Schulen vorgehen? Dieses Blatt ist ein auf tiefster Stufe stehendes Hetzblatt gegen die Sozi aldemokratie, der die Mehrheit der Elrern der Fortbildungsschüler angehört. Mit den hanebüchenen Verlogenheiten dieses Blattes werden die Lehrer scharf gemacht. Wir fordern Aufklärung, inwieweit die Staats- regierung mitschuldig ist. Freilich, mit solchen lumpigen Mitteln machen Sie die Arbeiterjugend der Sache ihrer Klasse nimmer ab- spenstig. Dafür sorgt schon dieser Staat und diese Wirtschafts- o r d n u n g! Wir fordern, daß derartige Mißstände mit eisernem Besen ausgekehrt werden, denn die Fortbildungsschule hat in erster Linie der Ertüchtigung und Fachbildung des Volkes zu dienen, wie sie das in anderen Teilen Deutschlands ist. (Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Handelsminister Sydow: Die Versendung der„Khffhäuser- Korreipondenz' an die Schulen geschieht mit meinem Wissen und Willen.(Stürmisches Bravo! bei der Mehrheit) und ich gedenke, dagegen umso weniger einzuschreiten, als sich die „Kyffhäuser-Korresp." in den Bahnen bewegt, die gesund und vaterländisch sind.(Stürmischer Beifall bei der Mehrheit.) Abg. Dr. Schepp(Vp.): Da« wäre ja noch schöner, wenn ein Abgeordneter gegen die Partei nicht sprechen dürfte, deren Wähler ihn in der Stichwahl gewählt haben. Im Kreise Bielefeld - Wiedenbrück haben mir die Bauern noch vor wenigen Monaten gesagt:.Voriges mal hat uns der Herr Kaplan gesagt, Severing ist gut. den müßt Ihr wählen— warum sollen wir diesmal ihn nicht mehr wählen?"(Heiterkeit.) Die Rechte wollte den Kultusmuuster mit der Verwaltung der Fortbildungsschule mit- betrauen, um nachher auf Umwegen ihn allein mit der Verwaltung zu betrauen. Abg. Dr. Glattfelder(Z.): Unter den Verbrechern sind sehr viele Ausländer und die in Deutschland beschäftigten Ausländer sind von ihrer Religion losgelöst.(Oho! links.) Man Mann nur soziale Schichte», nicht Konfessionen auf ihre Kriminalität ver- gleichen. In Frankreich erzeugt die religionslose Schule Ver- brechen.(Zu den Sozialisten): Freuen Sie sich, daß Sie nicht den Zu k u n s ts st a a t erleben, denn der wird aus Mangel an Religion und Sitte zusammenbrechen.(Abg. Hofs- mann(Soz.j: Zerbrechen Sie sich nicht unseren Kopf!) Abg. Hammer(k.) polemisiert nochmals gegen den Abg. Dr. Schepp, den er immer. S ch e e p' ausspricht. Die Linke ruft ihm immer zu:„Schepp', worauf er sagt: Lassen Sie ihn doch heißen, wie er mag!(Stürmische Heiterkeit.) Wir, wenn wir mit liberalen Stimmen gewählt sind, greifen die Liberalen nicht an. Der rote Block arbeitet ja hier schon ganz gut!(Heiterkeit.) Abg. Gronowski(Z.): Wenn Abg. Liebknecht behauptet, daß die Juden am wenigsten Verbrecher haben, so wäre es wohl am besten, alle Katholiken lassen sich beschneiden.(Heiterkeit.) Die Statistik umfaßt ja alle kleinen Uebertretungen und Polizeistrafen. Es fehlt nur noch, daß sie behaupten, Czenstochau liege in Preußen I Es ist uns tausendmal lieber, daß dte„Kyffhäuser Korrespondenz' verteilt wird, als ein sozialdemokratisches Jugend- blatt. Eine von Ihnen schamlos verhetzte Jugend kann keine guten Staatsbürger stellen. In einer Schrift, die die Zentral- kömmission der Jugend-Bildungsausschüsse Rheinland-Westsalens als WeihuachtSgabe empfiehlt, sind schändliche Gedichte über Moabit , die Erbschaftssteuer, die Familie, die Reservisten usw.(Der Redner verliest einige Verse unter lauten Pfuirufen der Mehrheit.) Solche Sudelschriften sind ein Krebsschaden für unser Volk, deshalb wünschen wir, daß in der Fortbildungsschule Herz, Gemüt und Ver- st and gebildet werden. Ww werden diesen Kamps b i s zum Zusammenbrechen führen, auch wenn uns die Sozialdemokraten so bekämpfen wie bei der Reichstagswahl.(Großer Beifall rechts und im Zentrum.) Abg. Hirsch(Soz.): Ich werde mich zunächst mit dem letzten Redner beschäftigen. nicht seiner Bedeutung wegen(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten; Unruhe rechts und im Zentrum), sondern um zu zeigen, in welcher Weise er gegen die Sozialdemokratie kämpft. Wir sind es gewohnt, daß wenn irgendein Tr"mpf gegen die Sozialdemokratie ausgespielt werden soll, Herr Gronowski vorgeschickt wird, dessen Be- hauplungen aber gewöhnlich bei näherer Prüfung sich nicht als ganz objektiv richtig herausstellen.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Früher haben Sie die Gewohnheit gehabt, immer nach Herrn Gronowski die�Kebatte zu schließen, damit niemand von uns erwidern kann, diesmal waren Sie so freundlich, mich noch zu Wort kommen zu lasten. Das Gedicht über die E r b s ch a ft s- st e u e r, das Herr Gronowski verlesen halte, ist nichts als eine Parodie auf den bekannten Ausspruch des konservativen Führers Grasen Arnim-Muskau im Reichstage:„Der Vater wird alles versoffen haben!'(Lärm rechts.) Wenn Herr Gronowski das ganze Gedicht vorgelesen hätte, würde man ge- sehen haben, worum es sich bandelt. Es ist aber keine Kunst, aus einem herausgeristenen Satz den Sinn des Ganzen zu entstellen.(Lebhafte Rufe der Mehrheil: Lesen Sie doch das ganze Gedicht vor!— Vizepräsident Dr. Krause: Ueberlasten Sie das dem Redner, das ganze Gedicht gehört sicher nicht ins Haus.) Es ist möglich, daß in der Relchstagswahlbewegung Beschimpfungen'gewechselt wurden, aber wenn eine Partei im Beschimpfen der Gegirtx hervorragendes geleistet hat, dann war es das Zentruni. Von nnserer Seile ist noch nickt der zehnte Teil dessen gesagt worden, was täglich von Zentrums- organen über die Sozialdemokratie zusammengelogen wird. Herr Gronowski kritisiert hier den Ton der Sozialdemokratie, die die Jugend bUden wolle. EtwaS Geschmackloseres als seine Aeutzerung über die"?m Abg. Liebknecht zilier'» Statistik war ober noch nickt da. selbst in diesem Hause nicht, noch überhaupt irgendwo. Es gehört geradezu ein beschnittenes Gehirn dazu, eine solche Aeußerung zu tun.(Sehr wahr! links.) Wenn wirklich unser Ton verroht, so ist das vielleicht darauf zurückzuführen, daß unsere Genossen zu oft Reden des Herrn Gronowski lesen müssen.(Sehr gut! links.) Nun zum Handelsminister. An fich haben wir gar nichts dagegen, daß FortbildnngSschÜlerl! Blätter ge- geben werden, aus denen sie sich polltisch unlerrschten können, aber daS müssen unparteiische Blätter sein, nicht solche, die Lügen und Verleumdungen gegen bestimmte pvli- tische Parteien enthalten. Ich nehme an, daß der Handels- minister leine Zeit hat. die.Kyffhäuser - Korrespondenz eingehend zu lesen, sonst würde er schwerlich sein Einverständnis zu der Verbreitung erklärt haben. Dieses Blatt schrieb u. a. letzthin. daß von den gewaltigen Summen, die die Arbeiter an Viiträgeir für Partei und Gewerkschaft leisten, erhebliche Teile von den Führern in ihre eigene Tasche ge st eckt werden. (Hört l hört l bei den Sozialdeniokraten-l Das erkenn» vitt als eine gemeine Verleumonag, der nur einigermaßen die inneren Verhältnisse der sozialdemo- kratischen Partei und der Gewerkschaften kennt. Selbst von gegnerischer Seite ist oft anerkannt worden, daß bei uns die Arbeit für Partei und Gewerkschaft völlig selbstlos, ja selbst unter Entbehrungen verrichtet wird. Die Gehälter der Gewerk- schafts- und Parteibeamten sind im Verhältnis zu der Besoldung der gleichen Arbeit in bürgerlichen Stellungen recht gering. Herr R a h a r d t hat erst gestern gesagt, die sozialdemokratische Partei bezahle ihre Leute schlecht: Also einmal so. einmal so I(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Ist eS dem Handelsminister bekannt, daß solche unwahre Behauptungen und Verdächtigungen einer Partei in dem mit seiner Genehmigung zur Bildung der Jugend auf Staatskosten verbreiteten Blatt« stehen? Der Abg. Glattfelter hat Liebknecht offenbar nicht richtig verstanden. Wenn Glattfelter verlangt, daß man nicht ans den Konsessionen, sondern nur aus der sozialen Schichtung Schlüsse auf die Zunahme oder Abnahme der Kriminalität ziehen soll, so sagt er damit nur dasselbe, was Abg. Liebknecht sagt, daß"ämlich für die Verbrechen in erster Linie soziale Ursachen maßgebeno sind. In Frankreich gibt eS ja kaum noch andere Schulen als religions- lose. WaS beweist also die Aeußerung des Abg. Glattfelter über die Erfolge der Schulen- in Frankreich . Wir halten- sogar bekannt- lich den- Religionsunterricht in der Volksschule für nicht dahin gehör ig, um so weniger gehört er in die Fort- bildungsschule. Wir werden also nie dafür zu gewinnen sein, daß er eingeführt wird.(Bravo ! bei den Soz.) In das Duell Schepp-Hammer will ich mich nicht einmischen, sondern nur meiner Freude Ausdruck gebem daß Herr Hammer, der ja selbst nur infolge des Verhaltens der Liberalen gewählt ist, sich herausnimmt, dem Abg. Schepp verbieten zu wollen, gegen die Konservativen zu sprechen.(Heiterksit.) Ein Schlußantrag wird angenommen. Abg. Dr. Liebknecht(Sog.) stellt in persönlicher Bemerkung fest, daß der Abg. Lieneweg, trotzdem er dies bestreitet, gesagt hat, er wünsche, daß der Fortbildungsschulunterricht hinter die Arbeits- zeit gesetzt werden soll. Im übrigen konstatiere ich. daß uns die Herren vom Zentrum geradezu überfallen haben mit einem Material...(Vizepräsident Dr. Krause: Das ist nicht persönlich.— Zuruf aus dem Zentrum: Nanu, wenn einer über- fallen wird? Große Heiterkeit.— Vizepräsident Dr. Krause: Ich bitte, mir die Leitung der Geschäfte zu Überlassem) Die Zen- trumsredner haben gegen uns eine ganze Menge Material ge- schleudert, auf das wir nicht antworten konnten«.(Vizepräsident Dr. Krause macht es durch weitere Unterbrechungen dem Redner unmöglich, seine Bemerkung zu Ende zu führen» woraus dieser das Wort zur Geschäftsordnung nimmt.) Abg. Dr. Liebknecht(Sog.)(zur Geschäftsord-mmg): Durch den Schlußantrag bin ich verhindert worden, auf das von Herrn G ro- n o w s k i Vorgebrachte zu antworten. Wir mußten uns doch erst über den Inhalt des von ihm erwähnten Heftes orientieren, in- dessen aber haben Sie Schluß gemacht.(Vizepräsident. Dr. Krause: Es ist nur üblich, festzustellen, daß mau bedauert, nicht mehr zu Worte zu kommen. Im übrigen bitte ich, den Beschluß des Hauses zu respektieren und nicht mehr auf die-Sache zurückzukommen-,) Ich bedauere verhindert zu sein, nachzuweisen, daß die Aussührun- gen des Abg. Gronowski gröbste UnWahrhaftigkeit darstellen.(Sehr wahr! bei den Soz.) Abg. Gronowski(Z.)(persönlich): Ueber den Begriff„Wahr- haftigkeit und Unwahrhaftigteit".„Roheit und Höflichkeit" lehne ich es ab, mit den Sozialdemokraten zu streiten».(Bravo ! bei der Mehrheit.) Der Titel wird genehmigt, es folgt der Titel über die Fortbildungsschulen in West Preußen und Posen- Llbg. Dr. Liebknecht(Soz.): ES ist behauptet worden-, daß der Handelsminister mit Fug und Recht die Verbreitung- des- Schund- und Hetzblattes „KyfMuser-Korrespondenz" duldet... Präsident Frhr. v. Erffa : Es ist jetzt nur die Redi: von den Schulen in Westpreußen und Posen! Abg. Dr. Liebknecht(Sog.): Also ich werde nur von der Verbreitung des Hetz- blattes in Westpreußen und- Posen sprechen»(Große Heiterkeit.— Der Präsident richtet nochmals die gleiche Mahnung an den Redner.) Ist das Ihre nc-blesse oblige, von Ihrer Macht dazu Gebrauch zu machen, uns die Abwehr abzuschneiden-!?(Lärm rechts. Der Präsident mahnt den Redner, das Haus nicht zu kritisieren und ruft ihn zur Sache.) Wenn- die„Kyffhäuser- Korrespondenz" für Westpreußen und Posen (■Heiterkeit) das Ideal des Ministers ist. so bedauere ich, daß es im Ministerium keine höheren Ideale gibt. Eine sollt« Korrespondenz kann in Westpreußen und Posen(Heiterkeit) nur ver- rohend, aber nicht versittliche nd wirken. Dem Herrn Gronowski unterläuft ein grober Irrtum bei der Kritik der Sozialdemokratie in Westpreußen und Posen.(Heiterkeit.) Es handelt sich keinesvegs um eine Schrift der JugendauSschüsse, sondern der in erster Linie für die Erwachsenen tätigen Ml- dungsausschüsse. Die ganze Schrift ist eine scharfe politische Satire, sie nennt sich„Abrechnung". Es steht auch ein Gedicht„Deutscher Rat" darin, worin es heißt:„Die Sozis sind zu arrogant— sie schimpfen aus das Vaterland.— Thron und Altar zu bespeien— tut sie besonders freuen." Also hier werden die Sozial de mo- kraten selbst verspottet, DaS erlaubt einen Schluß auf den Gesamtcharakter der Schrift. Präsident Dr. Frhr. v. Erffa : DaS hat aber doch mit der Fortbildungsschule ii Posen und Westpreußen absolut nichts zu tun!(Beifall bei der Mehrheit.) Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Es ist natürlich ungemein schwer, zu- hindern», daß diese Ge- dichte nicht auch in Westpreußen und Posen gelesen werden. (Heiterkeit.) Ich bewege mich doch im Rahmen dieses Titels, wir haben doch überall die gleiche Sozialdemokratie und überall das gleiche Zentrum— auch in Posen- und Westpreußen. (Stürmische Heiterkeit.) Das Gedicht, über das Herr Gronowski durch Zitierung einzelner Abschnitte Ihre Entrüstung hervorrief, bc- handelt vielleicht in plumper und überderber satirischer Form die Argumente der Rechten gegen die Erbschaftssteuer. schildert das Schicksal eines Rittergutsbesitzers, der durch die Eftftchaftsstcuer an den- Rand des Abgrundes gebrocht worden ,ft, und das wird nach der bekannten Bänkelsängermethode erörtert.(Der Prä- sident mahnt den Redner neuerdings an Posen und Westpreußen .) Nun zur Religion in den Fortbildungsschulen von Posen und Westpreußen. (Heiterkeit.) Da ist immer von dem Herr- gott die Rede, der angeblich besonders geeignet sein soll, versitt- lichcnd durch sein Gebot auf die Jugend zu wirken»(Stürmische Pfuirufe rechts und im Zentrum.) Präsident Dr. Frhr. v. Erffa : Das ist eine gröbliche Ver» letzung der religiösen Gefühle der meisten Mitglieder dieses Hauses, ich rufe Sie zur Ordnung. (Lebhafter Beifalls
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