Einzelbild herunterladen
 

onerfcnnt. Es hat uns nicht sehr überrascht, dah die Fortschritts- Partei sich wenigstens dazu aufgerafft hat, den schwarzblauen Block für das größere Uebcl zu erklären. Aber es ist das immerhin ein Fortschritt. Warum siird die Fortschrittler aber diesmal weiter- gegangen? Weil die Fortschrittler ihre Wähler für reif genug hielten, die politische Situation zu erkennen. Braun hat sich gegen die Auffassung der Genossin Nosa Luxemburg gewandt, der Parteioorstand hätte die Fortschrittlcr die Treppe hinunter- werfen sollen, als sie die Dämpfung von uns forderten. Ich bin allerdings der Meinung, daß der Borstand in diesem Augenblick Hütte sagen müssen: Diacht, daß Ihr herauskommt. Wenn der Fortschritt dann zur Konkurrenz übergegangen wäre, so hätte er es tun sollen. Aber glaubt man denn, daß die fortschrittlichen Wähler, die in der Stichwahl sozialdemokratisch gestimmt haben, dies nicht auch ohne das Abkommen getan hätten? Wir hätten ebensoviel ohne das Abkommen erreichtl Genosse Haase meinte, wir wären dann höchstens auf 9» Mandate gekommen. Möglich, daß das richtig ist. Aber es ist nicht richtig, daß unsere 119 Man- date an der politischen Situation irgend etwas Erhebliches ändern. H a a s e hat gesagt, die Zertrümmerung des schwarzblauen Blocks wäre das Hauptziel des Wahlkampfes gewesen. Tarin sehe ich eben das Bedauerliche. Gegen die Zertrümmerung des schwarzblauen Blocks als Phrase einer bürgerlichen Partei sage ich nichts. Aber ich wende mich gegen die Illusion, daß die Zertrümmerung durch das Abkommen erreicht wäre. In Militär -, Marine- und Kolonial- fragen hat sich im Reichstage nicht das geringste geändert. Gegen diese Illusion müssen wir uns mit aller Entschiedenheit wenden. (Beifall.) Haase meinte, die paar Tage Arbeit kurz vor der Stichtvahl hätten auch nicht viel erreichen können. Aber hier handelt es sich darum, daß uns verboten wurde, auf dem Höhe- punkte der Ägitaion weiter zu agitieren, während es doch die beste Taktik jedes vernünftigen Kampfes ist, nicht zurückzuweichen, sondern drauf und dran zu gehen. Es ist möglich, daß wir durch erhöhte Agitation den einen oder anderen Wahlkreis ohne das Ab- kommen geholt hätten. Aber daran liegt nicht soviel, viel mehr liegt daran, daß durch den Stichwahlkampf die Agitation erhöht, unsere Organisation ausgebaut werden konnte und daß der Kampf dann, in ganz anderer Weise Früchte getragen hätte. Ruf hat gesagt, im Stichwahlkampf würde nicht von unseren Zielen, sondern von den Sünden der Gegner gesprochen. Es ist sehr bedauerlich, wo das der Fall ist. Natürlich sprechen wir auch von den Sünden der Gegner, aber wir wären keine/ Sozialdemokraten, wenn wir nicht auch unsere'Ziele hervorheben würden.(Beifall.) Man hat gesagt, ohne unsere 119 Mandate würde ein Zuchthausgeseß kommen. Man lasse doch diese Gespensterseherei.(Sehr richtig!) Es kommt nicht auf die Mandate an, sondern auf die Macht, die hinter uns steht. Das Zuchthausgesetz haben wir in der Praxis, und unsere Macht kann es leider noch nicht hindern. So reaktionär bis in die Knochen das Zentrum sein mag, in vielen Fragen werden wir wahrscheinlich viel häufiger mit dem Zentrum zusammengehen als mit den Freisinnigen. Die politische Situation bleibt gespannt; aber an ein Zuchthausgesetz ist nicht zu denken, es würde dasselbe Schicksal haben wie 1399. Es kommt immer nur auf unsere Macht an, die in den Massen verankert liegt. Diesem Gedanken ist durch die Dämpfung entgegengehandelt worden. Der Antrag Nieder- barnim enthält nichts Persönliches gegen die Parteivorstandsmit- glieder. Wir wissen, daß sie das beste der Partei wollten. Aber wir haben das Recht und die Pflicht zu sagen, daß wir die Dämp- fung mißbilligen und ihr in künftigen Wahlkämpfen nicht wieder begegnen wollen.(Beifall.) Ein Schlußantrag geht ein. Sassen begründet ihn: Nachdem nunmehr auch der zweite Vorsitzende der Partei zu Wort gekommen ist, würde eine weitere Debatte nicht nur eine Erschöpfung der Anwesenden, sondern auch des Themas selbst mit sich bringen. Grunwald bittet den Antrag abzulehnen. Es ist einfach un° erhört, einen solchen Antrag an der einzigen Stelle in Berlin ein- zubringen, wo die Möglichkeit besteht, sich über die Parteigrundsätze zu unterhalten.(Zustimmung.) Der Antrag wird abgelehnt. Braun: Man hat mir den Vorwurf gemacht, ich hätte in der letzten Versammlung die Sachlage verschoben.(Sehr richtig!) Das ist nicht richtig. Wenn über eine so wichtige Aktion der Partei wie das Stichwahlabkommen wochenlang in der Presse polemisiert wird, dann kann der Vertreter des scharf angegriffenen Parteivorstandes bei der ersten öffentlichen Erörterung der Angelegenheit an diesen Angriffen und Einwendungen nicht vorübergehen und nicht ab- warten, bis sie in der Debatte vorgetragen sind. Das wäre aber der praktische Erfolg gewesen. Wenn ich diese Dinge nicht berührt hätte, so hätten es. die folgenden Redner getan uiü> die Debatte wäre dadurch nur länger geworden. Weiter ist mir vorgeworfen, ich hätte einen persönlich gehässigen Ton gebraucht. Auch dieser Vorwurf ist zuunrecht erhoben.(Lebhaftes Oho!) Wenn eine per- sönliche Note an einigen Stellen durchklang, so war ich zu meinem Bedauern dazu gezwungen. Es war das nichts weiter als eine Antwort auf die höhnische und persönlich herabsetzende Art, mit der Genossin Luxemburg , obwohl sie es bei der Schärfe ihres Verstandes auch sehr gut anders könnte, in der Sache glaubte polemisieren zu müssen. Genossin Luxemburg sagt, die oberste Behörde der Partei habe ohne persönliche Reizbarkeit zu antworten. Ist denn die oberste Behörde der Partei dazu da, sich vor aller Oeffentlichkeit herabsetzen, verspotten zu lassen, ohne daß sie den Angriffen eni- sprechend antworten darf! Genossin Luxemburg schreibt in ihrem Artikel, sie tadele den Parteivorstand ja nicht, weil er nicht schlau genug gewesen sei, sondern daß er überhaupt versucht habe, einmal schlau zu sein. Der Parteivorstand wird so in aller Oeffentlichkeit als Trottel hingestellt, und wenn man auch nur den Versuch macht, in ähnlicher Weise zu antworten ich besitze diese Eigenschaft keineswegs in demselben Maße wie Genossin Luxemburg , so hat der, der damit angefangen hat, doch wohl kein Recht, sich über die Reizbarkeit des anderen zu beklagen oder ihm gar persönlich ge- hässigen Ton zum Vorwurf zu machen... Genossin Luxemburg hob hervor, auch andere Partewlatter und Parteiinstitutionen hätten in derselben Weise Kritik geübt wie sie. Wenn Sie aber die von ihr verlesenen Proben mit ihren eigenen Artikeln vergleichen, so werden Sie sehen, daß die persönliche Spitze fehlt, und das ist es, was ich ihr bei aller persönlichen Hochachtung vor ihr und vor ihren Leistungen für die Partei zum Vorwurf mache, daß sie nämlich bei jeder sachlichen Kritik persönlich wird und sie in hochfahrender, persönlich herabsetzender und verletzender Form führt.(Rufe: Zur Sache!) Ich habe schon in der vorigen Versammlung ausdrücklich hervorgehoben, daß auch andere Partei- blätter den Parteivorstand kritisiert haben, aber sachlich. Auch das Elberfelder Organ spricht nicht vondie Treppe hinabwerfen", sondern sagt, man hätte verzichten sollen. Soviel zu dem persön- lichen Teil der Debatte. Bühler hat erklärt, ich hätte die vorige Versammlung durch die Ausführungen über den Wahlkreis Hagen irregeführt und sucht das zu beweisen durch einen Bericht über die Versammlung des Wahlkreises in Hagen . Ich muß meine Ausführungen über den Wahlkreis Hagen vollinhaltlich aufrecht erhalten. Wir haben bisher den Namen des Genoffen, der uns die Mitteilung machte, nicht genannt, um ihn nicht in Gegensatz zu den Genossen seines Kreises zu bringen. Jetzt aber mutz er genannt werden, es ist der Genosse König, der damalige Kandidat und jetzige Abgeordnete des Kreises, von dem wir doch wohl annehmen mußten, daß er die Sache be- urteilen könnte. Wenn jetzt auch in Hagen erklärt wird, der Partei- vorstand sei im Irrtum gewesen, die Reaktionäre hätten Mann für Mann für den Freisinnigen gestimmt, so ist das falsch. Die Zen- trumsleute und die Christlich-Sozialen haben 2999 weiße Zettel abgegeben als Protest gegen das Abkommen, und nur dadurch war unser Sieg möglich. Man wird doch nicht behaupten wollen, auch ohne das Abkommen wären diese 2999 weißen Zettel abgegeben worden. Nun haben Ledebour, Pieck und Grunwald darauf hingewiesen, was diese Dämpfung doch für eine starke Zumutung den Partei- genossen in den 16 Kreisen gegenüber sei. Diese hätten den Wahl- Krmpf mit aller Erbitterung geführt, und in dem Augenblick, wo Verantwortlicher Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Für den sie bor dem Siege stände rt, sagle der Parleivorständ, nun steckk den Degen ein! Das ist eine ganz irreführende Darstellung. Von Kreisen, d i e v o r d e m S i e g e st a n d e n, ist die Dämpfung nicht verlangt worden. Der Parteivorstand hat den Fortschrittlichen aus- drücklich erklärt, keinen Kreis, wo wir auch nur entfernt Aussicht haben, das Mandat zu erringen, geben wir preis. Sehen Sie sich doch die Zahlen in den Kreisen an, um die es sich handelt. Z. B. in Liegnitz -Hahnau hatten wir 19 999 Stimmen, die Gegner 18 999. Standen wir da vor dem Siege? Oder in Apenrade -Flensburg , da hatten wir 7999 Stimmen, die Gegner 18 999, oder in Balingen , da hatten wir 87S2 Stimmen, die Gegner 29 999. Standen wir da überall dicht vor dem Siege? Nein, nach allen Erfahrungen auf diesem Gebiete und wir im Parteivorstand haben auf dem Gebiet der Wahlarbeit und der Wahlausfichten doch auch einige Erfahrungen muß ich sagen, das sind Kreise, die nicht zu holen waren, und es führt zur Verwirrung, wenn man sagt, diese Kreise standen vor dem Siege, und wir seien den Genossen in den Arm gefallen und hätten ihren Sieg vereitelt. Weiter ist gesagt worden, und das ist der ernsteste Einwand, den man gegen das Stichwahlabkommen erheben kann: bis zum letzten Tage mutz man für die Grundsätze der Partei agitieren und Anhänger werben, und das wäre durch die Dämpfung verhindert worden. Ich habe schon in der vorigen Versammlung gesagt, wenn jemals wenig Propaganda für unsere Grundsätze gemacht wird, so ist es in der Zeit zwischen den Haupt- und Stichwahlen. Wer die Flugblätter, die in dieser Zeit verbreitet werden, an- sieht, wird kaum eine Spur von Agitation für unsere Grundsätze darin finden. Das Welfenflugblatt, auf welches ich in der vorigen Versammlung hinwies, habe ich nicht bekommen können, vielleicht genieren sich die Parteigenossen, es mir zu senden. Ich habe aber ein anderes Flugblatt aus demselben Kreise, das die Wähler des Bündlers Hahn, der ausgefallen tvar, zu uns herüberziehen oder doch wenigstens hindern wollte, für die Nationalliberalen zu stimmen. Es heißt da zu der Parole der Konservativen, für den Nätionalliberalen zu stimmen:Es liegt aber in den Händen der Wähler Hahns, ob sie diese Parole befolgen wollen oder nicht, ob sie diese überhaupt als überzeugte und aufrechte Anhänger Hahns befolgen können." Es wird dann auseinandergesetzt, wie die Nationalliberalen den lieben Hahn im Hauptwahlkampf mitge- nommen haben, und dann heißt es weiter:Dieselben National- liberalen, die jetzt so eifrig um jede Hahnstimme buhlen, wollten sich also im umgekehrten Falle erst sehr überlegen, ob sie noch einmal Hahn in der Stichwahl herausgehauen hätten. Merkt Euch das, Fhr Hahnwähler." Weiter wird gesagt, von den Nationallibe- ralen sei dem Hahn der Vorwurfdes wirtschaftlichen Eigennutzes, der politischen Engherzigkeit, des unbelehrbaren Starrsinns" ge- macht. Wie kann man das auch einem Mhrer des Buildes der Landwirte vorwerfen! Weiter werde dem Hahn von den National- liberalen die Führung eines falschen Vornamens vorgeworfen, denn von Hause aus war er Christian getauft, er nenne sich aber, um teutscher" zu erscheinen, Diederich.(Heiterkeit.) Und so geht es weiter, und dann heißt es zum Schluß:Kann ein ehrlicher An- Hänger Hahns für dieselbe Partei stimmen, die ihnen keine schrankenlose Stichwahlhilfe zugesagt hat, sondern sich für den Fall, daß der Bündlerführer wieder in die Stichwahl kommen würde, ernstlich mit der Frage befassen wollte, ob alsdann den national- liberalen Wählern die Wahl Dr. Hahns empfohlen werden könne? Nein, dreimal nein! Keine Hahnstimme den Natwnalliberalen." Es fehlt nur noch, daß darunter steht, wählt den Genossen So- undso. Das ist nur eine kleine Probe davon, wie bis zum letzten Augenblick bei solchen Stichwahlen für unsere Grundsätze Propa- ganda gemacht wird. Ich mache den Genossen dort keinen Vorwurf. Wer aber Stichwahlkämpfe im Reiche geleitet hat. der weiß, daß es in dieser Weise zugeht, daß alle Gesichtspunkte hervorgekehrt werden, die die bürgerlichen Wähler zu uns herüberziehen oder doch davon abhalten sollen, den Gegner zu wählen. Weil der Partei- vorstand das wußte, sagte er, wenn 8 oder 4 Tage diese Art von Propaganda in aussichtslosen Wahlkreisen nicht getrieben wird, so ist das kein großer Schaden, eher ein Nutzen für die Partei. Nun sagt man weiter, die Voraussetzungen des Parteivor- standes in politischer Hinsicht seien nicht eingetroffen. Ich habe schon das vorige Mal gesagt, alle diese Voraussetzungen, von denen man spricht, und die zum Teil als kindliche Illusionen weidlich ver. spottet werden, hat der Parteivorstand gar nicht gehabt. Freilich, die Genossen, die meinen, auch ohne das Abkommen hätten wir 119 Mandate gehabt, sind durchaus im Unrecht. Da ist der Partei- vorstand und mit ihm weite Parteikreise anderer Meinung. Auch in einem gl. gezeichneten Artikel vom 17. Januar, der wohl von Ledebour herrührt, wird hervorgehoben, daß, wenn es zu einem Zusammenkommen mit den Liberalen nicht käme und diese nach rechts Anschluß fänden, die Partei etwa auf 79 89 Mandate kommen würde. Das ist auck richtig, und das war auch die Mei- nung des Parteivorstandes. Wir waren aber der Ansicht und sind es noch heute, daß es denn doch für die Partei und ihren Einfluß im politischen Leben von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. ob wir 79 89 oder ob wir 119 Mandate haben, und besonders wenn diese errungen werden, ohne daß ein Tipfelchen unserer prinzipiellen und unserer taktischen Grundsätze aufgegeben wird.(Vereinzelter Beifall. Genosse Grunwald: Der verehrte Genosse Haase hat einem leid getan. Ich hatte den Eindruck, er fühlte sich hier mehr als Anwalt, denn als Mitglied des Parteivorstandes. Aber für einen so guten Anwalt, wie er ist, war seine Rede eine verhältnismäßig schwache Leistung. Das liegt nicht an dem Genossen Haase, sondern an der Sache. die er verteidigen mußte.(Sehr richtig!) Er hat eben die Suppe miteingebrockt; aber die Brocken, die er nun heute noch dazu getan hat, machen die Suppe noch weniger schmackhaft. Zunächst sagt er: seht doch einmal, wozu wir die Freisinnigen erzogen haben, wie tüchtig sie sich bei der Durchführung des Abkommens gehalten haben. Wenn kleine Kinder monatelang nach Zucker schreien, ihn aber nicht bekommen, und ihn dann plötzlich kriegen, dann essen sie ihn doch auch. Die Freisinnigen haben das Abkommen zum Teil mit Kußhand angenommen und durchgeführt, weil sie in der Tat die einzigen waren, die davon Vorteil hatten; daran ändert alle Arithmetik nichts. Eine Partei, die bei det\ Hauptwahlen nicht ein einziges Mandat bekommen hat, erscheint' nachher mit über 49 Mandaten auf der Bildfläche. Haase selbst hat das Abkommen auf das schwerste verurteilt, indem er sagt, in der freisinnigen Volkspartei besteht eine große Zahl von Interessengegensätzen, und man konnte schließen, es handelte sich darum, diese Interessen- gegensätze in einer gegnerischen Partei nicht zum Vorschein kommen zu lassen, sondern sie zu vertuschen und zusammenzuschweißen, weil die Freisinnigen sonst für jede demokratische Politik verloren ge- gangen wären. Es ist doch aber nicht unsere Aufgabe, die Frei- sinnigen zu retten. Wir haben für uns zu sorgen und nicht für andere Parteien. Eines hat Haase vergessen. Bei den Freisinnigen waren nach der Hauptwahl nicht nur die Interessengegensätze stärker hervorgerufen wie sonst, sondern auch die Gegensätze bei den Wählern. Hätte die Partei die Parole nach rechts gegeben, so wäre tausend gegen eins zu wetten, daß ein großer Teil der alten Fortschrittler die Parole nicht befolgt, sondern sozialdemokratisch gewählt hätten, und ich bezweifle sehr, daß wir dieselbe Zahl von Mandaten nicht auch ohne das Abkommen bekommen hätten. Wenn aber auch dieses oder jenes Mandat nicht errungen wäre, war es nötig, daß wir den Freisinnigen die Krücken machen, wenn sie selbst aus Altersschwäche sich nicht mehr zusammenhalten können? Wenn wir jetzt eine Nachwahl hätten, so bin ich sehr zweifelhaft, ob die Freisinnigen dem Stichwahlabkommen parieren und mitmachen würden. Haase sagt, wir hätten ohne das Abkommen statt der 119 nur 79 bis 89 Mandate bekommen. Das liegt doch auf der Linie: Mandate auf jeden Fall zu erobern, ganz gleich mit welchen Mitteln. Bei diesem Standpunkt ist ein Ende der Kompromisse nicht abzusehen. Der Partei hat aber immer am meisten daran gelegen, Mandate aus eigener Kraft zu bekommen, weil nur das die Mandate sind, auf die wir uns auch bei weiteren Wahlen ver- lassen können.__ Jnjeratenteil veranttp.: Th. Glocke, Berlin . Druck».Verlag: Vorwärts _ WaS den schwärzblauen Block Beirtf ff, so ist ff ff, gltfliüe Ich, keiner Diskussion mehr wert. Darüber werden sich wohl alle einig sein, was es mit seiner Sprengung auf sich hat. Haase sagt, ich hätte mir widersprochen, indem ich einmal grundsätzliche Politik fordere und dann wieder zugegeben hätte, jede politische Situation habe ihre eigenen Gesetze. Aber ich habe doch hinzugefügt, daß stets die Grundsätze den Kompaß bilden müssen, der die Wege weist für jede wie immer geartete Situation. Haase fragt, wo steht denn im Parteiprogramm und in der Dresdner Resolution irgend etwas, was gegen unser Abkommen spricht. Er hat selbst schon hinzugefügt, daß auch manches andere nicht drinsteht, weil eben die Verfasser des Parteiprogramms und der Dresdner Resolution immerhin einigen Respekt vor den Partei- instanzen gehabt haben, einen Respekt, den ich nicht missen möchte. dessen Untergrabung zu einer vollständigen Demoralisierung jeder Organisation führen müßte. Gerade deshalb bedauern wir, daß der Parteivorstand so gehandelt hat. Weiter sagt Haase, wir haben gar nicht in den ersten Tagen gedämpft, sondern erst vom Donnerstag ab. Das bedeutet keine Verbesserung, sondern eine Verböserung. Genossen, die tagelang gekämpft haben, dann vor die Alternative zu stellen: Stellt Euch mausetot oder seid wirklich tot, das muß ja viel mehr lähmen. Eine Verwirrung der Wählermassen sei nicht vorhanden gewesen, sagt Haase, denn alle hätten pariert. Das erinnert mich vollständig an den Bericht eines Generals, es herrscht vollkommene Ruhe aus dem Schlachtfeld. Es war nämlich alles totgeschlagen. Dann ist ein Parieren sehr leicht, wenn alle nichts zu tun haben. Aber wie das die Gemüter zerfrißt und sie uneinig macht und an späteren Parteiaktionen zweifeln läßt, das ist die Gefahr. Wer bürgt denn dafür, daß, wenn wir sehr bald vor einer neuen Wahl stehen, die Genossen nicht sagen, wir wollen doch mal erst abwarten, ob nicht wieder ein Regierungsbefehl kommt, daß wir uns wt stellen sollen. Darum noch einmal, wir wollen in der Resolution nicht mehr annehmen, als was drinsteht; aber was drinsteht, ist ohne Tadel und kann einmütig angenommen werden. Nun zu Genossen Braun. Er ist weniger auf die Sache eingegangen, als auf seine Freundin Luxemburg . Aber diese Verschiebung des Kampfstldes ist mir zwar sehr sympathisch; aber für die Sache ohne Vorteil. Diese Zärtlichkeitsausbrüche zwischen beiden Parteigenossen will ich nicht unterstützen; aber der Sache dienen sie nicht. Nun sagt Genosse Braun: seht Euch doch die Wahlflugblätter für die Stichmahlen an, da wird keine grundsätz­liche Propaganda getrieben. Darin hat er leider vollkommen recht. Aber daraus folgt nicht, daß Braun recht hat, sondern daß die Verfasser der Stichwahlflugblätter unrecht haben und es wäre Pflicht des Parteivorstandes, das nicht nur hier an den Pranger zu stellen, sondern einen Regierungserlaß herauszugeben, solche Flug- blätter dürfen nicht wieder geschrieben werden.(Heiterkeit.) Ich bitte also nochmals, die Resolution möglichst einmütig anzunehmen.(Schluß in der 2 Bejlgge.), Jugendbewegung. Die Berliner Polizei gegen Ferdinand Frelligrath. Bei der Jugendfeier, die am Sonntag für die Berliner schul- entlassene Jugend veranstaltet worden war. sollte unter anderem auch Freiligraths GedichtEispalast" rezitiert werden. Allein die Berliner Polizei hatte es anders beschlossen, sie verbot die Rezitation. Da die zahlreichen Teilnehmer der Jugendfeier das Ge- dicht am Sonntag nicht hören konnten, soll ihnen Gelegenheit ge- geben werden, es heute zu lesen. Es lautet: 1. Ihr alle, mein' ich, habt gehört von jenem selt'nen Eispalast l Auf der gefror'nen Newaflut aufstarrte der gefror'ne Glast l Dem Willen einer Kaiserin, der Laune dienend einer Frau, Scholl' über Scholle stand er da, gediegen Eis der ganz« Bau. Um seine blanken Fensterreih'n, um seine Giebel pfiff es kalt, doch innen hat ihn Frühlingswehn und hat ihn Blumenhauch durchwallt I Allüberall, wohin man schritt, Musik und Girandolenglanz, und durch der Säle bunte Flucht bewegte wirbelnd sich der Tanz l Also, bis in den März hinein war seine Herrlichkeit zu schann; doch auch in Rußland kommt der Lenz, und auch der Newa Blöcke tau'n. Hui, wie beim ersten Sturm aus Süd der ganze schimmernde Koloß hohl in sich selbst zusammensank und Häuptling? in die Fluten schoß! Die Fluten aber jauchzten auf I Ja, die der Frost in Bande schlug, die gestern eine Hofburg nock, und eines Hofes Unsinn trug, die es noch gestern schweigend litt, daß man ihr auflud Pomp und Staat, daß eine Lpp'ge Kaiserin hoffärttg sie mit Füßen trat. Dieselbe Netra jauchzt empor 1 Abwärts mit brausendem Erguß, abwärts durch Schnee und Schollenwerk schob sich und drängte sich der Fluß! Die letzten Spuren seiner Schmach malmt er und knirscht er kurz und klein und strömte groß und ruhig dann ins ew'ge freie Meer hinein! 2. Die ihr der Völker heil'ge Flut abdämmet von der Freiheit Meer: ausmündend bald, der Newa gleich, braust sie und jubelt sie einher! den Winterfrost der Tyrannei stolz vom Genicke schüttelt sie, und schlingt hinab(den lang sie trug), den Eispalast der Despotie l Noch schwelgt ihr in dem Blitzenden, und tut in eurem Dünkel, traun! als läme nun und nie der Lenz, als würd es mm und nimmer taim I Doch mählich steigt die Sonne schon, und weich erhebt sich schon ein Weh'n; die Decke tropft, der Boden schwimmt o schlüpfrig und gefährlich Geh'n 1 Ihr aber wollt verschlungen sein! Da steht ihr und kapituliert lang erst mit jeder Scholle noch, ob sie von neuem nicht gefriert! Umsonst ihr Herrn I Kein Halten mehr I Ihr sprecht den Lenz zum Winter nicht, und hat daS Eis einmal gekracht, so glaubt mir! daß eS bald auch bricht! Dann aber heißt es wiederum: abwärts mit brausendem Erguß abwärts durch Schnee und Schollenwerk drängt sich und macht sich Bahn der Fluß Die letzten Spuren seiner Schmach malmt er und knirscht er kurz und klein Und flutet groß und ruhig dann ins ewig freie Meer hinein. Arbeiter-Jugenb. Aus dem Inhalt der soeben erschienenen Nr. 1 de? vierten Jahrganges heben wir hervor: Der Kranz der Jugend. Von Jür- gen Brand. Wie ich vom Antisemitismus kuriert wurde. Von Emil Unger. Der Kapitalismus erwürgt sich selbst. Von Gustav Eckstein. Der Verdauungsapparat. Von A. Lipschütz.(Jllu- striert.) Ans der Jugendbewegung. DeS Lehrlings Leidens­chronik._ Die Gegner an der Arbeit. Vom Kriegsschauplatz usw. Beilage: Walfischjagd. Von I. C. Sörensen. Meine Jugendweihe. Von Margarete Krafft.(Mit Bild.) Unsere Wanderungen. Von Joh. Knies. Die Indianer in den Ver- einigten Staaten. II. Von Hugo Schulz -Wien.(Illustriert.). Die alte Edda . Von Otto Koenig. Wissenswertes von der Sprache. Boys erste Liebe. Erzählung von E. Rosen. _ Buchdruckern u. Verlagsavisalt Paul Singer u. To, Berlin SW.