Nr. 78. 29. ZshrglNlg. 2. ftüfljt Ks Jotiiiiirtü" Kttlim pIMatt Mekstag. 2. Jprfl 1912. GcneralverlanimluDg des Verbandes sozialdemokratischer Wahl vereine Berlins und Umgegend am Sonntag, den 31. März 1912, mittags 12 Uhr. in den »Konkordia-Festsälen", Andreasstr. 64. (Schlutz aus der 1. Beilage.» Genosse Molkcnbuhr: Eigentlich bin ich erst heute zu der Ueberzeugung gekommen. vaß ich auch einmal einen schweren Verstoß gegen die Parteigrund- sähe mir habe Zuschulden kommen lassen, indem ich in einem Kreise, wo ich zur Stichwahl stand, in der Zeit zwischen der Haupt lvahl und der Stichwahl weder eine Rede gehalten, noch ein Flug. blatt geschrieben habe. Das ioar im Jahre 1890. Ich hatte 3106 Stvmmen bekommen und die Gegner 12 931. Ich habe damals zur Stichwahl in diesem Kreise keinen Finger gerührt, sondern bin in anoere Kreise gegangen, von denen ich glaubte, wir könnten sie er- obern. Heut« habe ich durch Stadthagen und andere Anhänger der Resolution gehört, das sei der schwerste Parteiverrat, gerade in einem solchen Falle, wenn man keine Aussicht hat, den Kreis zu gewinnen, müsse man vor der Stichwahl agitieren. Was der Genosse Grunwald hier mit Emphase vorgebracht hat, Achtet sich zum großen Teil nicht gegen das Stichwahlabkommen (des Parteivorstandes, sondern gegen die Resolution des Jenaer Parteitages, welche die Grundlage für unsere Stichwahltaktik ge° schaffen hat. Nachoem der Jenaer Parteitag beschlossen hat, daß diejenigen Kandidaten in der Stichwahl zu unterstützen sind, die die dort aufgestellten Bedingungen anerkennen, war es klar, daß wir die Freisinnigen gegen rechts zu unterstützen hatten, die diese Be° dingungeu anerkannten. Es ist so dargestellt worden, als sei durch die Jenaer Beschlüsse die Unterschrift oder die Verpflichtung vor Zeugen als Beoingung der Stichvahlhilfe festgestellt worden. In dem� Beschluß des Jenaer Parteitages steht aber nur: der be- treffende Kandidat ist zu ersuchen, bor Zeugen oder schriftlich diese Bedingungen anzuerkennen. Das wird also gar nicht ver- langt und die Genossen, die sich dagegen wenden, daß die Per- pflichtung der Fortschrittler auf ihr Parteiprogramm als genügend angesehen wurde, hatten dann schon in Jena oen Mund aufmachen müssen. Daß wir es nicht recht machen würden, habe ich im voraus gewußt. Wir können machen, was wir wollen, es finden sich immer Kritiker, denen es nicht recht gemacht ist. Wenn ich die Zeitungs- artikel der Kritiker lese, hatte ich schon oft die Ansicht, daß die Deutschen eigentlich wenig von Politik und Taktik verstehen müssen. Alle?, was wir gemacht haben, wird als falsch hingestellt. Aber merkwürdig ist es, daß diese Genossen dort, wo sie doch noch mehr Einfluß haben, nicht beweisen, daß sie die richtige Taktik verfolgen, sondern gerade in den sozialdemokratischen Parteien ihrer Länder fehlt die Einigkeit, auf die wir in Deutschland allerdings immer besonders hingewirkt haben. Die Taktik ist nichts Feststehendes. Schon der alte Liebknecht sagte, daß er in 24 Stunden seine Taktik 24 mal ändern würde, das hänge ausschließlich von den politischen Situationen ab. Dadurch hat die deutsche Partei ihre Erfolge mit erzielt. Gewiß haben wir immer sozialistische Propaganda gemacht, aber wir haben immer angeknüpft an die Frage, die zurzeit im Vordergrunde der Debatten stand: also an Militär-, Steuer-, Kulturftagen, wie bei der Lex Heintze, an Fragen der Sozialpolitik, der Handelspolitik— überall sehen wir, daß bald diese, bald jene Frage im Mittelpunkt der Agitation stand, nach der wir unsere ganze Taktik einrichteten. Die Partei hak immer versucht, überall da neue Anhänger zu ge- Winnen. Wenn wir in diesem Streben, die Tagespolitik auszu- nutzen, bald an die Seite der einen Partei, bald an die der anderen ge- drängt wurden, so hängt'das von den äußeren Umständen ab. 1907 wurden wir an die Seite des Zentrums gedrängt, weil wir uns sagten, das größte Unglück ist, wenn der Bülowblock stärker wird. Wir mußten alles daran setzen, um ihn möglichst zu schwächen. Bei den letzten Wahlen mußten wir, wie die Situation war, möglichst darauf dringen, den schwarzblauen Block zu schwächen. Darüber hat ja Bebel bei der Begründung der Jenaer Resolution gar keine Unklarheit gelassen. Er hat weiter erklärt, Idaß wir es als selbstverständlich erachten, daß, bevor die Entscheid dung in den einzelnen Wahlkreisen getroffen wird, man sich mit den Bezirks- und Landesorgamsationen und mit dom Parteivor- stand in Verbindung zu setzen hat und daß der Parteworstand auch in diesem Falle, wie früher, eine Art Zentralinstanz für ganz Deutschland darstellt. Also Bebel meinte, mit dem einfachen Be- schluß sei es nicht gewn, es müsse nötigenfalls weiter verhandelt werden, wie das auch in früheren Zeiten geschehen ist. Sind da- malS die einzelnen Abnmchungen veröffentlicht worden? Nein! Und weil sie nicht zur Kenntnis gewisser Parteigenossen kamew waren sie nicht Gegenstand der Kritik, nicht ein Hebel, Partei- genossen gegeneinander zu treiben, und deshalb hat man sich auch dabei ganz wohl befunden. Es ist nicht das erste Mal, daß wir mit den Freisinnigen zu» sammengehen. 1890 wurde die Parole ausgegeben, das Kartell zu sprengen, deshalb sind wir auch überall für die freisinnigen Kandi- daten eingetreten und in vereinzelten Fällen auch die Freisinnigen für die Sozialdemokraten. Wenigstens verdanke ich mein erstes Reichstagsmandat den Stimmen von Freisinnigen, die damals die Parole: Gegen oas Kartell! befolgten. Es war allerdings nur ein geringer Bruchteil der Freisinnigen, aber er reichte Mrade hin. um die Mehrheit für mich aufzubringen. Derartige Wahlabkommen wurden zu verschiedenen Zeiten getroffen, und 1907 haben wir durch ein derartiges Vorgehen Wiesbaden , Duisburg , Bochum , Bielefeld und noch einige Kreise mehr erlangt. Darin wurde nichts ge- funden. Die Dämpfung soll das sehr große Verbrechen sein, und in den Kreisen, wo sie geschah, soll die größte Verwirrung in den Reihen der Parteigenossen eingerissen sein. Diesmal aber haben unsere .Kandidaten in diesen Kreisen noch mehr Stimmen erhalten als in der Haupttvahl. 1907 war in den Kreisen nicht gedämpft wor- den, da konnten wir mit der ganzen Wucht agitieren. Und was war der Erfolg? Wir erhielten Im Wahlkreise In der Hauptwahl In der Stichwahl Hirschberg-Schönau.. 6 905 S346 Oldenburg I..... 8 247 7 777 Oldenburg II.... 10 243 9 506 ES waren eben in den Hauptwahltagen so ziemlich alle Ge- Nossen herangeschleppt worden zur Wahl, und es war nicht viel mehr zu erlangen, außer, wenn wir Stimmen von den Konser- vativen und Nationalliberalen erhalten hätten. Aber dazu wäre allerdings eine sehr anfechtbare Agitation nötig gewesen, von der man mit Recht sagen kann, es liegt im Interesse der Partei, eine solche Agitation lieber nicht zu treiben. Gewiß ist das eine: wenn man eine Vereinbarung treffen will. so kann man sie nicht diktieren bezw. der andere Teil kann nicht sagen, ich unterwerfe mich mit jeder Silbe. Das wäre keine Ver einbarung, sondern ein Niedertreten. Ich wäre ja gern bereit. jede nicht sozialdemokratische Partei in Deutschland niederzu- werfen, vorausgesetzt, daß wir die Macht dazu hätten. Da diese uns aber fehlt, kam es vor allem darauf an, eine Vereinbarung zu schaffen, bei der wir keine Kreise preisgaben, die wir aus eigener Kraft mit prinzipieller Agitation hätten erobern können. Politisch hatten wir ein sehr großes Interesse daran, die Par- teien, die in der Opposition gegen die Schwarzblauen stehen, zu stärken.(Sehr richtig!) So wie wir 1907 gewiß nicht aus Liebe für das Zentrum, sondern lediglich, um den Bülowblock zu schwächen. unsere damalige Taktik befolgten, so galt es jetzt, den schwarz- blauen Block möglichst zu zertrümmern, wenigstens so weit, daß er als erster politischer Faktor beseitigt würde. Es war möglich, zu erreichen, daß der schwarzblaue Block aus eigener Kraft die Mehr- heit nicht mehr bilden könnte, und das ist in der Tat erreicht wor- den. Das ist immerhin politisch von ganz bedeutendem Wert, wenn ich darum auch nicht gleich den Sieg des Sozialismus, die Niederlage des Militarismus und anderes mehr erwarte; aber der schwarzblaue Block ist soweit zurückgedrängt, daß er mit allem Kraftaufwand nicht erreichen konnte, das Präsidium zu besetzen. Freilich ist das eine kleine Vorprobe. Mir wäre es gleich, ob Spahn oder Kaempf Präsident ist, aber eines ist dargetan: das Zentrum und seine Verbündeten, der schwarzblaue Block überhaupt, wollten in der laufenden Legislaturperiode den agrarischen Zoll- tartf verstärken. Darauf war die ganze Agitation des Bundes der Landwirte und der christlichen Bauernvereine zugeschnitten. und in demselben Augenblick, wo sie eine Mehrheit hatten, hätten sie das durchgedrückt und wir hätten 1913/14 den Wuchertarif in verschärfter Auflage bekommen. Ob das jetzt gelingen wird, ist kleines feuilleton. Karl May ist im Alter von 70 Jahren in Radebeul bei Dresden gestorben. In seiner Villa Shatterhand— Shatterhand, zu deutsch Schmetlerhand, war der Krtegsname, den sich der Pseudo-Welt- abenteurer in seinen in Amerika spielenden Reiseromanen zugelegt hatte— ereilte ihn der Tod an jener Stätte, die er durch ein fabel- Haftes Waffenarsenal, ausgestopfte Raubtierbälge und tausend exotische Trophäen zur Mystifizierung naiver Besucher und zur Stimulierung der eigenen Phantasie zu einer Nuhmeshalle seines erträumten Heldendaseins gestaltet hatte. Denn ach, all die hinreißenden Heroentaten, die dieser Held des Geistes und der Faust in seinen zahllosen Abenteurerfahrten be- gangen haben wollte, die Knabenhirne bis zur Fieberhitze erglühen ließen, existierten nur in der Phantasie eines modesten Schreiber- leins, das da im kemietsichen Sachsen hauste und nicht einmal jene Länder bereist hatte, die es mit so heroischem Kampf- getümmel erfüllte. Aber der Mann hatte ungeheure Erfolge: seine Bücher wurden von Millionen, Jungen und Alten, ver- schlungen und machten ihn zum reichen Manne, zum wohl- häbigen Villenbesitzer, dem nur dann Verlegenheiten erwuchsen, wenn„hochgeborene" Personen— die blühenden Erfindungen des tatendurstigen Autors für Wahrheit nehmend—"sich ihm für den nächsten Weltbmnmel als Reisebegleiter anboten. Dann kam die Katastrophe. Zuerst wollte ein unerbittlilbes ultramontanes Philologengemüt entdeckt haben, daß der Verfasser der modernen Odysseen und Jliaden früher einmal veritable Kol- portageromane, und zwar mit pikantem Einschlag, geschrieben hatte. Und dann kam gar der gelbe Herr LebiuS und denunzierte Karl May als ehemaligen Zuchthäusler und erzgebirgleftschen Schinderhaiines. DaS gab dem Manne, der allen Philologen seiner Abenteurersucht wegen höchst fatal und alle» Acstheten wegen seiner unliterarischen Leidenschaft sllrS.Rollen der Begebenheit" höchst verdächtig war, den Rest. Die Epiloge sind denn auch danach.»Unterhalb jedes literarischen Niveaus" sollen seine Neiseerzählungen gestanden haben, und waS dergleichen Pharisäereien mehr sind. In der Tat paßt Karl May in keines der vorhandenen pädagogischen oder literarischen Schubfächer. Zur Züchtung von Musterknaben taugen seine phantastischen Heldengedichte allerdings nicht. Und vor dem Artistenurteil finden sie ebensowenig Gnade. Karl May war eben in seiner Art»eine Klaffe für sich". Ein Er- zähler von unerschöpslicher Erfindungsgabe, eine Kombination gewissermaßen von JnleS Verne und Conan Doyle . Dabei aber keineswegs ein Nachahmer, sondern ein vollblütiges Original. Theater. Lessing-Theater:»Das Friedensfest" von Ger - hart Hauptmann. Das seit Jahren nicht mehr aufgeführte Stück machte in der vollendeten Darstellung des Leffing-TheaterS einen frappant lebendigen Eindruck, weckte die Erinnerung an des jungen DichterS damals so verheißungsvoll vorwärtsdrängende Kraft. Der Gedanke der Vererbung, den Ibsens.Gespenster" zum «rsten Male als bewegendes Moment in den Rahmen einer dra- »atischen Handlung spannten, hat auch an Hauptmanns ältesten Schöpfungen bestimmend mitgewirkt. Die verheerenden Wirkungen der Trunlsucht auf den Nachwuchs spielen in der Schilderung sozialen Elends, die er in. VorSonnenaufgang" entwirft, eine besonders betonte Rolle; die tragische Lösung deS Liebesverhältnisses �zwischen dein Weltverbesserungs-Sozialisten Loth und dem jungen aus dem Sumpfe trostlos verderbler Umgebung hinaus verlangenden Mädchen wird durch die Furcht des Mannes, daß sie degenerierte Kinder ge- baren würde, herbeigeführt. BererbungStheorien setzen sich, nicht eben psychologisch überzeugend, in ein Motiv des Handelns um. Wenn in dem unmittelbar folgenden.Friedensfest" die bedeutsamen sozialen Perspektiven deS.Sonnenaufgangs" fehlen, überragt es andererseits den Erstling bei weitem in der Art wie hier, von allen Theorien unabhängig, die Macht vererbter, durch Milieu und Erziehung unterstützter Dispositionen in unmittelbar anschaulicher Gestaltung auf- gezeigt wird. Von den„Gespenstern" abgesehen, gibt es lein Drama das das Walten jenes Unsichlbaren so sehr als übermächtiges Schicksal mitempfinden ließ, wie diese Familienkatastrophe. DaS Medizinische tritt hinter das Seelische, wie sich'S im Drama gebührt, fast völlig zurück. Nicht so sehr eine eingeborene Krankhaftigkeit der Eltern, als das Elend ihres erzwungenen Zusammenlebens in einer ver- giftenden Ehe ist e§, das sich im Elend der dem Bund Entsprossenen vererbt und fortpflanzt. Es hat ihnen das Kindesalter vergällt, sie durch Haß»nd Argwohn zermürbt, ihr Selbstvertrauen für alle Zeit gebrochen.„Wir sind alle von Grund aus verpfuscht in der Anlage, vollends verpfuscht in der Erziehimg", so faßt Stöbert seine und der Geschwister Grundstimmung zusammen. Wilhelm, der jüngere Bruder, der einst gegen den eigenen Vater freventlich die Hand erhoben und dann draußen in strenger künstlerischer Arbeit und in der Liebe zu einem gütig reinen Mädchen nach Läuterung gerungen, läßt sich von der Mutter der Braut, die unverwüstlich optimistisch an die Kraft des guten Willens glaubt, bereden, die Seinen zum Weihnachtsfeste aufzusuchen. Die beiden Buchners, Mutter und Tochter, voran gereist, erwarten ihn daselbst in freudiger Zuversicht. Der Kontrast dieser beiden gesunden Naturen zu der beim kleinsten Anlaß aufflackernden nexvösen Reiz- barkeit der Scholzschen Familie; die tiefe Erschütterung, als der ge- fürchtete Vater den um Verzeihung bittenden Sohn menschlich freundlich aufrichtet; das Aufleuchten lang erstorbener Gefühle der Sehnsucht zu lieben wo man früher haßte: und dann nach wenige» Augenblicken der Erhebung im hellen Schein deS Christbaums der Rückfall in ge- häffigen Zanh das alles ist wunderbar klar gesehen und zwingend dargestellt. In der Charakteristik Roberts, der. voll geheimer Eifer- sucht, dem Bruder die Verlobung als ein Verbrechen vorwirft, erreicht die psychologische Analyse des Halbbewußten eine Tiefe, wie man sie sonst nur noch in Jbscnschen Figuren findet. Und Jbsensch ist in ge- wissem Sinne auch die Schlußwendung. die die Entscheidung ob Wilhelms Bund nach Roberts Prophezeiung ein Fluch oder Segen werden wird, offen läßt. Die Aufführung war in der ebenmäßigen Höhe der Einzel- leistungen und des Ensembles nicht zu übertreffen. Kurt S t i e l e r und Theodor Laos verschmolzen mit den beiden Brüdern, die sie zu repräsentieren hatte». Die Seelenwärme der beiden Buchner strahlte aus dem Spiele Else Lehmanns und Hilde Herterichs an. Jlka G r ü n i n g entwarf ein meisterlich naturalistisches Porträt der gutmütig weinerlich beschränkten Frau Scholz. Reicher gab i sehr problematisch geworden. Hinter einem solchen Wuchertaris werden nur die Stimmen stehen, die bei der Präsidentenwahl aur Spahn gefallen sind. Der Gegensatz zwischen dem mobilen Kap:- tal und den Agrariern, der sich schon in der letzten Zeit verschärft hatte, wurde durch den Wahlkarnpf weiter verschärft. Wenn die Schwarzblauen auch keine kleine Minderheit sind— sie sind die Minderheit! Und wenn auch zunächst kein Zurückdrangen deS agrarischen Ansturms möglich war, so ist doch ein Stillstand rn seinem Vordringen erreicht worden. Das erstreben wir nicht erst seit gestern, ich habe das schon auf dem Leipziger Parteitag aus- geführt und in Jena hat Bebels Rede darauf gezielt, daß dies das Ziel der Wahlbewegung sein müßte. Dagegen hat man«wer keine Opposition gemacht. Jetzt, wo wir im Sinne der Jenaer Beschlüsse vorgegangen sind, heißt es, daß wir es falsch gemacht hatten, und statt beinahe den Staat für den Sozialismus zu erobern, hatte mair in 16 Kreisen nicht agitieren können!(Unruhe.) Die 108 Kreipc, in denen der Stichwahlkampf nicht gedämpft wurde und wo wir auch in der Stichwahl standen, die spielen keine Rolle! Ich glaube, wir konnten die ganze agitatorische Kraft, welche der Partei zur Verfügung steht, für diese 108 Kreise restlos aufbieten, sur diese Kreise, die nicht gedämpft waren. Aber wir haben sie trotzdem auch nicht alle erobert!. �....... � Auf Antrag des Genossen B i t t o r f(6. Wahlkreis) wird die Debatte geschlossen, nachdem der Vorsitzende Ernst darauf aufmerksam gemacht hatte, daß das Maiabkommen noch in dieser Sitzung erledigt werden müsse. Es folgen persönliche Bemerkungen der Genossen Ledebour und Braun. Genosse Ledebour erklärt, daß B r a u n mit Unrecht und infolge unvollständiger Ver- lesung aus seinem Artikel eine Bekräftigung von Brauns An- schauung geschlossen habe, während Braun dabei bleibt, daß er mit Recht einen solchen Schluß gezogen habe, da er nicht verpflichtet sei. den ganzen Artikel zu verlesen. Der weitere Meinungsaus- tausch zwischen Braun und Ledebour geht in der allgemeinen Heiterkeit der Versammlung über die lebhaft disputierendca Redner unter. ES folgt die Abstimmung- Der Antrag Riederbarnim lautet: �' ..Die Parteigenossen Groß-Berlins bedauern daS Stichwahl. abkommen des Parteivorstandes mit der Fortschrittlichen Volks- Partei insofern, als dadurch unsere Genossen in 16 Kreisen, wa wir mit dem Freisinn in Stichwahl standen, verpsluchtet würben, die Wabl des fortschritttichen Kandidclten durch Dämpfung deS Wahlkampfes zu sichern." Dieser Antrag wird mit sehr großer Majorität gegen ettva 3V Stimmen angenommen.(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Vorsitzender E r n st ermahnt die Zuhörer. BeifallSäußerungcii zu unterlassen, da nur die Delegierten zu entscheiden hätten. Nunmehr wurde über die Beitragsleistung zum Bezirks-MaifondS verhandelt. Genosse Ernst ersuchte um Bestätigung de» vor- jährigen Beschlusses, wonach jeder Genosse, der am 1. Mai arbeiten muß,«inen Beitrag von 1 M. und jede arbeitend« Parteigenossin 50 Pf. zum Maifonds zu zahlen verpflichtet ist. Wir haben aber noch— sagte der Redner— eine Bitte an die Parteigenossen. Es ist schon in der vorigen Generalversammlung vom Genossen Bö s k e darauf hingewiesen worden, daß unsere Einnahmen für de» Mai- fonds in keinem Verhältnis stehen zur Zahl unserer Mitglieder- die zur Zahlung verpflichtet waren. Ich bin nicht der Meinung, daß ein großer Teil der Parteigenossen überhaupt nichts bezahlt hat, sondern daß viele derselben an die Gewerkschaften bezahlt haben, die nur 50 Pf. von männlichen und 25 Pf. von weiblichen Mit- gliedern zu erheben beschlossen hatten. Wenn ein Teil unserer Parteigenossen da bezahlten, wo es billiger war, so widerspricht bau unserem Beschluß. Natürlich darf niemand denken, wenn er 1 M. zahlt, daß er sich damit von der Verpflichtung, den 1. Mai durch Arbeitsruhe zu feiern, loskauft. Wer nickst durch zwingende Gründe verhindert ist, der muß den 1. Mai feiern. Wer aber zu arbeiten gezwungen ist, der soll das kleine Opfer eines Beitrages für den Maifonds bringen. Ich ersuche, unseren Vorschlag anzu- der vom Dichter nur allgemein umrissenen Gestalt deS alten Doktor Scholz ein markant geschlossenes Gepräge. ckt. Musik. Das Blüthner-Orchester gab uns in seinem Sonntags- konzert wieder einmal Gelegenheit zu Erlebnissen auf dem viel» berufenen Gebiete der„sinfonischen Dichtung". Leider hatte die sonst so umsichtige Konzertleitung versäumt, für genügend Exemplare der Texte zu sorgen; und da sind wir denn gleich bei der Hauptsache: der Unbestimmtheit solcher Komposinonen. Sie wollen eben dichterisch bestimmt sein; sie wollen nicht bloß ein musikalisch interessantes Wogen und Wallen geben, sondern z. B. die Episode„Francesca daRimini" aus Dante veranschaulichen(„An jenem Tage lasen wir nicht weiter"). So ist es bei der Komposition eines Franzosen Pierre Maurice, die wir da aus dem Manuskript hörten. Dann gab es Lieder mit Orchesterbegleitung von einem ans noch unbekannten Ungarn Hubert Patäkh. Man wird sich den Namen wohl einprägen müssen, auch wenn man all der modernen Forcierung kühl gegenübersteht. Er gibt eigentlich gleichfalls sinfonische Dichtungen, mit Titeln wie„Rache" u. dgl.; der Gesang geht mehr nur rezitativisch mit; aber nun wissen wir, was die Komposition will. Anders als moderne Forcierung und doch über„Tafelmusil" so weit hinaus, wie es nur sein kann, wirkte ein(lateinischer) religiöser Gesang von Alexander Ritter , den wir. obwohl er schon 16 Jahre tot ist, mehrmals als einen der echtesten Komponisten von Gegenwartshöhe bezeichnen konnten. Dann noch eine Einzugs- szene aus S. HauseggerS Oper„Zinnober", die 1898 zu München aufgefübrt wurde. Gewichtiger Ernst und burlesker Spaß sind selten so trefflich vereinigt wie hier. Orchester und Jnstrumemalsolisteii leisteten in den genannten sowie in anderen, bekaunieren Stücken wiederum Rühmenswertes, ez. Notizen. — EineNachrichtvonScottSSüdpolexpedition. I» England war man feit einiger Zeit in Sorge über das Schicks., I der Scotlschen Expedition. Jetzt trifft von Kapitän Scott die erste Nach- ricbt ein. Ein Telegramm ans Akaroa a»f Reu-Seeland meldet, daß die „Terra-Nova" der Scott-Expedition vor dem Hafen Anker geworfen hat. Scott befand sich nicht an Bord des Schiffes. Der Kapitän des Schiffes hatte vor feiner Rückreise auS den Polargewäffern einen Brief von ihm � erhalten, in dem er seine Absicht erklärt, diesen Winter noch in der Südpolargegend zu verweilen, um seine Forschungen zu vervollkommnen. Die letzte Nachricht von ihm datiert vom 3. Januar, wo er sich 150 Meilen vom Pol entfernt befand. — Eine russische Nordpolexpedition wird von Kapitän S e d o w, einem Mitglied des russischen Bureaus für Hydrographie, geplant. Die Expedition soll im Sommer von Archangelsk aufbrechen mit 14 Mann und 59 Hunden und auf ! kranz-JosefSland überwintern. 1913 soll dann der Pol bezwungen werden, der Rückmarsch wird unter Umständen über Grönland und Amerika erfolgen. Der Duma ist bereits ein Gesetzentivurf zu- gegangen, der eine Unterstützung des Unternehmens mit öOOoo Rubel vorsieht.
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