nicht tote eine andere Politische Partei ansehenSpeziell bezüglich der süddeutschen Sozialdemokratie scheint Ära'Törring eine mildere Ansicht zu haben, und auch diese An-sicht kann ich nicht teilen. Ich bin der Meinung, daß dieganze Sozialdemokratie sich hinsichtlich ihrer Ziele und Grundsätze durchaus einig ist und fühlt. Wegen kleiner Nuancen im Auftreten darf man sich nicht täuschen lassen. Diese Bestrebungen hatnicht nur die deutsche Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratierühmt sich, eine internationale Partei zu sein, undsie macht sich gelegentlich recht deutlich als solche geltend. Ich habeerst heute einen Bericht aus Paris erhalten über die dort am31. März stattgehabte Versammlung, in der sich deutsche und fran-zösische Sozialdemokraten verbrüdert haben. In dieser Versamm-lung sind Aeußerungen gefallen, die für das Deutsche Reich nichtbesonders förderlich geklungen haben. Wenn ich also auch der An-ficht des Grafen Törring nicht beistimmen kann, so bin ich anderer-seits auch nicht zu pessimistisch. Die Sozialdemokratieist nach meiner Auffassung eine Krankheit amVolkskörper, gegen die es kein Spezifikum gibt und die sichauch mit Feuer und Schwert nicht ausrotten läßt. Aber es gehtwie mit anderen Krankheiten in der Natur. Sie treten heftig auf,trotzen aller Bekämpfung, aber wenn sie den Höhepunkt erreichthaben, nehmen sie ab und erlöschen. Das einzige, was wir tunkönnen, ist, dieAusbreitung einer solchen Krankheitmöglich st zu bekämpfen. Dazu gehört auch, wozu wir durchdie Verfassung berechtigt sind, unseren Beamtenstand von derSozialdemokratie freizuhalten. Keinem zielbewußtenSozialdemokraten kann ein Staatsamt über-tragen werden.Dagegen denken wir nicht daran, etwa die Arbeiter verschiedenzu behandeln. Die sozialdemokratische Presse hat mir nachgesagt, ichsollte nur die Wünsche erfüllen, die von den nichtsozialdemokratischen Arbeitern gestellt würden, und sie hat an diese Bemerkungeine Menge lieblicher Kosenamen geknüpft. Was die sozialdemo-kratische Presse gesagt hat, widerspricht nicht nur meinen Aus-führungen, sondern mutet mir geradezu eine Sinnlosigkeit zu.Wenn wir Forderungen erfüllen können, so sollen alle Arbeiterdavon betroffen werden.Aus dem Seniorenkonvent.Im Seniorenkonvent machte am Mittwoch der Präsident Mit-teilung über eine Besprechung, die er mit dem Reichskanzler gehabthabe. Danach wünscht der Reichskanzler, daß bis zu Pfingsten derEtat, die Wehrvorlagen und die Deckungsvorlagen erledigt werden;alles übrige aber, was dem Reichstage jetzt vorliegt, insbesonderedie Geschäftsordnung und der Gesetzentwurf über die StaatsangcHörigkeit nach Pfingsten beraten werden soll. Bei dieser Hast derBeratung würden die Schwerinstag« vollständig ausfallen. Ebensowürden die Wahlprüfungen nicht erledigt werden können.Der Präsident machte weiter Mitteilung, daß er auch mit demStellvertreter des Reichskanzlers und mit dem Schatzsekrctär gesprachen habe. Diese hätten ihm erklärt, wenn die genannten Gesetzentwürfe erledigt seien, dann könnte ja der Reichstag vertagt.werden. Im Seniorenkonvent machte sich starker Unwille bemerkbar über die Art und Weise, wie die Regierung den Reichstag zurTätigkeit anpeitscht. Es müsse emmal dem Reichskanzler gesagtwerden, daß der Reichstag eine solche Behandlung für unangemessenhält. Die Gesetzesvorlagen verlangen eine gründliche Erledigung.Der Reichstag sei spät einberufen worden, nachdem die Wahlen zuspät angesetzt worden seien. Nun könne der Reichstag nicht allesim Galopptempo erledigen, wie die Regierung wünsche.Der Präsident legte weiter einen Plan vor, nach welchem derEtat unter äußerster Beschränkung der Plenarverhandlungen bisPfingsten fertig sein könne. Außerdem ständen aber die Wehr-vorlagen und die Deckungsvorlage zur Beratung. Im Seniorenkonvent konnte man sich nicht einigen darüber, daß die Wehrvor.lagen und zugleich die Deckungsvorlage an die Budgetkommissionverwiesen werden. Von der Linken wurde darauf aufmerksam ge-macht, daß die technischen Schwierigkeiten der Branntweinsteuervorläge in einer Spezialkommission beraten werden müssen, während'oas Zentrum und die Konservativen für die Ueberweisung derbeiden Vorlagen an die Budgctkommission eintraten. Da keineEinigung erfolgte, wird nach der ersten Beratung der Wehrvorlagen und der Deckungsvorlage im Plenum die Entscheidung dar.über fallen, ob eine Spezialkommission für die Branntweinsteuer-Vorlage eingesetzt werden soll.Als Ferientage sind freigehalten der 4. und 8. MaiNoch einmal die Mavnschaftslöhnung.Unsere gestrige Notiz über die Erhöhung derS o l d a t e n l ö h n u n g ist insofern richtig zu stellen, als dieMannschaften, die auf Grund der neuen Heeresvorlage mehreingestellt werden, allerdings nur 22 Pf. Löhnung für denTag erhalten. Das gilt aber nur für die Zeit vom 1. O k-tober 1912 bis 1. April 1913. Die neuen Organvsationsformen und die Vermehrung des Mannschaftsstandeseinzelner Truppenteile sollen schon ani 1. Oktober 19l2 perfekt sein; die Regierung rechnet also tatsächlich mit einer Annähme der Heeresvorlage im Galopptempo. Deshalb sind dieVefoldungs- und Löhnungssummen für die neu gefordertenOffiziere und Mannschaften in einer Ergänzung zum Etateniwurf 1912/1913 verrechnet worden, und zwar zu den altenSätzen.In dem jetzt dem Reichstage zugegangenen„Entwurfeines Gesetzes zur Abänderung des Reichsmilitärgesetzes" wirdaber in der Begründung gesagt, daß vom Jahre 19131. April) ab sich der Geldmehrbedarf aus Anlaß derErhöhung der Mannschaftslöhnung noch umrund 15 Millionen Mark für das Reichsheer erhöhen werde.Vom 1. April 1913 ab würden danach also die Mann-schastslöhnungen erhöht werden. Betont werden muß aberhierbei, daß die Form des Hinweises auf die Löhnungs-erhöhung noch nicht auf eine rückhaltlose Bereitwilligkeit derRegierung, die Erhöhung auch wirklich vorzunehmen, schließenläßt.Beiläufig sei hier erwähnt, daß die neue Heeresvorlageauch eine Vermehrung der Kavallerie um 6 Schwadronenvorsieht.(1 Regiment für Preußen. 1 Schwadron fürBayern.) Diese neuen Schwadronen sind auch noch nicht inder Ergänzung zum Etatentwurf 1912 enthalten, sie werdenalso erst im Etat für 1913 auftauchen. Jedenfalls hängt dasmit der Schwierigkeit der Pferdebeschaffung zusanimen. Sollendoch am 1. Oktober 1912 nicht weniger als 5829 Dienstpferdefür Artillerie, Train usw. gestellt werden. Die Rechnung fürdie Pferde der 6 Kavallerieschwadronen sowie jedenfalls auchfür die neuformierten Maschinengewchrkompagnien der In-fanterie wird also erst am 1. April 1913 präsentiert werden.Die Bilanz der neuen Wehrvorlage.Sind die Leute wahnsinnig? Können die Männer nochrechnen? Sind sie selbst so— naiv, daß sie an die Rechen-kunststücke glauben, die sie aufmachen, um das deutsche Volkfür eine Wehrvorlage gefügig zu bekommen?Millionen Mark630,6230,— 880,6216.—Sehen wir uns doch einmal unter rein kaufmännlschen Gesichtspunkten die neueste Reichsbilanz für dieEtatsjahre 1912 bis 1917 genauer an, nicht untex-dem derbohrten Gesichtspunkte fiskalisch-kameralistischer Rechnungsweise.An Einnahmen und Ausgaben stehen für die schon genannten sechs Jahre bei Annahme der Wehrvorlage gegenüber:Ausgaben:Militär- und Marinevorlage von 1S12...Dazu Kosten des Friedenspräsenzstärke-Gesetzesvon 1911 und laufende Ausgaben für dieFlottenvorlage..........Steuereinnabme-Rückgang ab 1914 durch Umänderung des Zuckersteuergesetzes und derGrundweckiselabgabe, zusammen....Ausgaben insgesamt für 1912 bis 1917..Einnahmen:Voraussichtliche Einnahmen aus der verstaatlichten Liebesgabe.........Voraussichtliche Mehreinnahmen aus Zöllen,Steuern und Gebühren.......Voraussichtliche Mehreinnahmen aus Post undEisenbahnen...........Voraussichtliche„Ersparnisse" bei der Verzinsung der Reichsschuld......Voraussichtliche„Ermäßigung" der Baukostendes Kaiser Wilhelmkanals pro 1911..Voraussichtliche Mehrelnnahme auS der Zucker-steuer.............Voraussichtliche Ueberschüsse aus 1911, die nachdem Etatgesetzentwurfe mit zur Deckungder einmaligen Ausgaben der Wehrvorlagenverwendet werden dürfen......1096,5194,6270,—90,-80,—10,-75,-230,—Dazu kommen noch:Voraussichtlich frei werdende...... 133,—(Nach Fertigstellung deS Kaiser Wilhelm-kanalS.)Voraussichtliche sonstige Mehreinnahmen auSZöllen, Steuern, Gebühren, Post undEisenbahn........... 126,—929,5258,—Einnahmen— voraussichtliche l— zusammen 1187,6Einnahmen zusammen 1912—1917. 1187,5 Mill. M.Ausgaben„,. 1095,5Bleibt„Uebcrschuß". 92,0 Mrll. M.Ter Reglerungsentwurf schreibt:„Zur Schuldentilgungoder Abbürdung der Heeres- usw. Vorschüsse bleiben hiernach(rund) 95 Millionen Mark übrig. Mit Rücksicht darauf, daßsich nicht genau übersehen läßt, wie sich die Rech-nung für die einzelnen Jahre gestaltet, verbleibt diese Summebesser vorläufig in der Reichskasse."Man denke, die Regierung gibt alle Voraussicht-lichen Ueberschüsse aus Zöllen, Steuern,Gebühren, Po st und Eisenbahn schon jetzt fürMilitär und Marine auf sechs Jahre imvoraus aus! Auch die mutmaßlichen Einnahmen ausder umzuänderndeil Branntweinsteuer, die dabei allein schonum rund 59 Millionen Mark zu hoch angesetzt sind! Fürdie ganzen sechs Jahre, mit ihren Dutzenden unvorherge'sehener Zwischenfälle: Konjunkturschwankungen, Extraaus>gaben, anderen Anforderungen, ja auch für Extraschuldemtilgung usw., bleiben nach der Bethmannschen Vorberechnung pro Jahr gerade ganze 15 Millionen Markübrig!Mit diesen 15 Millionen Mark soll das Deutsche Reichbis 1917 seine Kulturarbeit leisten oder esgibt eben neue Defizite, neue Sulden— neueSteuern!_Ein sauberes Plänchen.Die schwarzblaue Brüderschaft im Reichstage hat offenbardie Absicht, das Volk gründlich einzuseifen. Bis vor kurzemist ständig versichert worden, daß keine neue Ausgabe gemacht»verden dürfe, ohne gleichzeitig die Deckung bei der Hand zuhaben. Dieses Versprechen ist durch die Wehr- und die zugehörige sogenannte Deckungsvorlage schnöde gebrochen worden.Die gleichzeitige Vorlegung der Gesetzentwürfe ließen abernim wenigstens darauf schließen, daß die Materie nicht zerrissen, daß Heeres- und Flottenvorlage in Verbindung mitden Deckungsvorschlägen vom Reichstage verhandelt werdenmüsse. Die„Post" enthüllt nun aber die Absicht derKonservativen in folgender Notiz:„Wie wir(die„Post") von gut unterrichteter parlamentarischerSeite erfahren, kann nunmehr mit Sicherheit darauf ge-rechnet werden, daß die Regierung zunächst die par-lamentarische Behandlung und Verabschiedung der Wehr-vorlagen allein anstreben wird. Man hofft, diese Vorlagenbis Pfingsten, spätestens jedoch gleich nach Pfingsten unter Dachund Fach bringen zu können, so daß damit der unangenehmeEindruck vermieden werden würde, den eS nicht nur im In-lande, sondern auch im A u s l a n d e machen müßte, wenn dieAnnahme der Wehrvorlage erst im Herbst durchgesetzt werdenkönnte. An die gleichzeitige Verabschiedung derD e ck u n g s v o r l a g e ist bei der Kürze der Zeit natürlich nichtzu denken. Der Gesetzentwurf über die Abschaffung derBranntweinliebesgabe stellt eine in finanztechnischer wiein rechtlicher Hinsicht so außerordentlich verwickelte und schwierigeMaterie dar. daß es langwieriger Ausschutzberatungen bedürfenwird, ehe die Vorlage zur zweiten Lesung im Plenum gebrachtwerden kann."In der Tat eine ganz artige Spitzbüberei: Sind erst dieWehrvorlagen unter Dach, dann hat man mit der Deckungfreie Hand. Die Liebesgabe kann den Junkern ruhig erhalten werden und wenn etwa andere schwarzblaue Steueriläne scheitern sollten— was schadet es, die Militärvorlagensind ja angenommen! Die Fortsetzung der Pumpwirtschaft'tcht ohnedies in sicherer Aussicht, da kann sie auch gleich de-ginnen. So sagen die braven junkerlichen und frei-konservativen Vaterlandsfreunde. Und das Zentrum wirdihnen freudig zustimmen, es kommt dabei über mancherleiVerlegenheiten hinweg. Es ist sogar wahrscheinlich, daß dieRegierung mit diesem Plane im stillen Einverständnis ist,deshalb hat sie vorsichtigerweise unterlassen, die Vorlagendurch ein M a n t e l g e s e tz zu verbinden.— Nun, die Sozial-demokratie wird alles daran setzen, das Gaunerstückchen zunichts zu machen._Burcaukratische Kolonialwirtschaft.Unser„Platz an der Sonne" im sandigen Südwestafrika dürsteunter allen Kolonien der Welt so ziemlich die„kostbarste" Berwal-tung haben. Stach dem Etat für das Rechnungslahr 1912 ist dieSumme der fortdauernden Ausgabe» der Zivilverwaltung mit10 300 541 M. und die Summe der cimnaligen Ausgaben derZivilverwaltung mit 7 523 600 M. eingestellt. Für das Rechnungs-jähr 1911 waren 9 519526 M. fortdauernde und 7 203 000 M. ein-malige Ausgaben bewilligt. Einer Gefaintausgabenfumme von17 824 141 M. für 1912 standen 1911 16 722 526 M. gegenüber.Zu diesen Voranschlägen bemerkt die erst jetzt hier eingetroffene„Liideritzbuchter Zeitung" vom 16. März:„Wer mit offenen Slugen der Entwickelung der Dinge imSchutzgebiet folgt, wird sich darüber nicht wundern, sondern höch-stens erstaunt sein, daß die Mehrkosten nicht weit höher gewordensind. Denn das ist eben der Fluch unserer bureau-kratischen Verwaltungs Methode, daß sie fort-zeugend neue Aemter muß gebären. Die weiße Be-völkerung unseres Schutzgebietes belief sich nach der Zählung vom1. Januar 1911(für 1912 fehlt noch das Gesamtresultat) ins-gesamt auf 13 692 Personen. Davon waren 2468 weibliche Er-Wachsens und 2579 Kinder; es bleiben also 8915 männliche er-wachsen« Personen. Bringen wir hiervon die Schutztruppe, dieLandespolizei und das übrige Beamtenheer in Abzug, und rechnenwir für das Jahr 1911 einen Zuzug von einigen Hunderten, sobeträgt die Zahl der Bürger und Ansiedler knapp 6000. Die Aus-gaben für die Zivilverwaltung unserer Kolonie(17 824 141 M.)betragen also just 3000 M. pro Kopf der männlichen, er-wachsenen, besteuerbaren Ansiedler! DieseZiffern sprechen eine so deutliche Sprache, daß sich eigentlich einKommentar erübrigt. Jeder Verständige wird einsehen, daß einLand, dessen Verwaltungskosten so hoch angeschwollen sind, d e inBankrott entgegentreiben muß, trotz aller hoch-gespannten Anforderungen an die Steuerkraft und die Steuer-Willigkeit der Bevölkerung, und nur mit der Einschränkung, daßbei uns der Bankrott nicht akut wird, sondern sich zu einem Vege-tieren aus dem zurzeit ja erträglich vollen Säckel des DeutschenReiches gestaltet."Die Bcmäkelung der„Lüderitzbuchter Zeitung" zeugt davon,daß sie die Schönheit des preußisch-deutschen Verwaltungswesensnoch nicht genügend erfaßt hat. Wohin soll denn der Staat mitseinen„reichstreucn" überflüssigen Beamten, wenn er sie nicht malin Afrika unterbringen darf?_Russische Grenzpolizeistückchen.Aus Jnsterburg wird berichtet: Als gestern abend inEydtkuhnen der preußische Grenzkommissar Hauptmann Dreßlerdie Fürstin Dohna über die Grenze geleitete, wurde er bei derRückkehr nach Eydtkuhnen auf dem Grenzbahnhof Wirballenvon der russischen Grenzpolizei verhaftet. Er soll nach Wilnatransportiert worden fein. Die Russen begründen die Ver-Haftung mit angeblicher Spionage.Ein zweiter Fall: Ein in einem Grenzdorf bei Memelbeschäftigter Arbeiter hatte am Sonntag Bekannte besucht, diejenseits der russischen Grenze wohnen. Auf dem Rückwegverfolgten ihn zwei Grenzkosaken bis auf preußisches Gebiet,wo ihm einer einen Schuß In den Kopf beibrachte.Im ersteren Falle wird sich die Regierung natürlich be-mühen, ihren Grenzkommissar wieder frei zu bekommen; imletzteren Falle wird man Erhebungen anstellen, bei denennichts herauskommt. Ernstliche Maßregeln gegen die russischenUnverschämtheiten wird die Bethmannsche Regierung kaum-er-greifen, denn sie erblickt in dem russischen Regiment ihr Idealund Vorbild._Meineidsurteil gegen einen Streikbrecher.In Finsterwalde kam es im vorigen Jahre zu einem größerenStreik in einer Möbeltischlerei. Infolge dieses Streiks wurde eineAnzahl ausständiger Arbeiter zu Gefängnisstrafen verurteilt, weilsie einen Streitbrecher namens Krüger belästigt und bedroht habensollten. Die Arbeiter beruhigten sich bei dem Urteil nicht und legtenBerufung ein. Die Strafkammer in Kottbus hatte sich mit derSache zu beschäftigen und sprach die Verurteilten frei, weil sichherausgestellt hatte, daß der Belastungszeuge, der genannte Arbeits-willige Krüger, falsche Angaben vor dem Schöffengericht in Finster-walde gemacht hatte. Es wurde ihm nachgceviesen, daß seine eidlichgemachten Aussagen, die Streikenden hätten ihn bedroht, vollkom-men aus den Fingern gesogen waren. Ferner, daß er falsche An-gaben unter seinem Eide vor der Strafkammer gemacht hatte. DasSchwurgericht in Kottbus verurteilte nun den genannten Krügerwegen falscher Angaben und wegen Meineide? in zwei Fällen zuanderhalb Jahren Zuchthaus._Schweiz,Neue Wahlerfolge.Daß es sich bei den letzten Stimmenzunahmen im KantonZürich nicht um Schein- oder Zufallserfvkge handelte, geht auszwei weiteren Nationalratsersatzwahlen hervor. Im BernerJura, wo sonst die Freisinnigen immer glatt gesiegt hatten, er-hielt ihr Kandidat, der noch gar als„Neutraler" überall Stimmenzu fangen versucht hatte, nur 4226 Stimmen, während der So«zialdcmokrat Ryser 8423,- d. h. die doppelte Zahl derStimmen von der Wahl im Herbste, aufbrachte. Da auch ein katho-lischer Kandidat 1140 Stimmen aufbracht«, müssen die Freisinnigenihren Sitz in Stichwahl verteidigen. Ebenso ging eS in Neuenbürg. Dort war Genosse N a i n e mit 6704 Stimmen, der höchstenStimmenzahl, gewählt worden, was die Gegner auch als„Zufalls-sieg" hinstellten. Bei der jetzigen Nachwahl im selben Kantonbrachte es nun Genosse Grabergar auf 6824 Stimmen, wäh-rend der Freisinnige mit 6258 und der Liberale(Konservativ� mit4151 folgten. Auch hier Stichwahl.Wenn diese Bewegung anhält, woran jetzt, nach der Neuorgani-sation der Partei und bei der trefflichen Arbeit der Nationalrats-fraktion. nicht zu zweifeln ist, dann darf man von der nächstenGesamterneuerung selbst ohne Proporz eine erhebliche Verstärkungder jetzt 16 Mann starken Fraktion erwarten,Spanien.Die Marokkopolitik.In der Zeitung„L'Jmparcial" veröffentlichk der frühere Mi-nister G a s s e t eine Reihe Artikel gegen die marokkanischeEroberungspolitik der Regierung, die das Land zum Untergangführe. Unter Berufung auf den General Prim, der schon 1860 dieAufgabe deS damals eroberten Gebiets von Tetuan gefordert hatte,verlangt er den Verkauf der spanischen Einflußzone in Marokkomit Ausnahme der Küstenstrecken, die unbedingt nötig seien, um(in Westmarokko) die Verteidigung der kanarischen Inseln und(imNorden) die der andalusischen Küste Spaniens zu sichern. Die Zei-tungen beschäftigen sich eingehend mit diesen Artikeln. Die konfer-vativen und ministeriellen find natürlich empört, während die republikanische Presse die Veröffentlichungen Gassets begrüßt.Uebrigens berichtet die Zeitung„Manam", die französischeRegierung habe die letzten Dorschläge Spaniens als völlig unan-nehmbar bezeichnet und erklärt, daß ohne gegenseitige Zugeständ-nisse überhaupt keine aussichtsreiche Verhandlung möglich sei.Snglancl.Annahme der Homerule-Bill.London, 16. April. Unterhaus. Nach erregter Debattewurde die erste Lesung der Homerule-Bill unter großen Bei-allskundgebungen der Nationalisten und der Liberalen mit369 gegen 266 Stimmen angenommen. Die Kundgebungenerneuerten sich, als Premierminister Asquith die Bill formelleinbrachte,