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Kr. 94. 39. Iahrgasg. 2. KeilliU des.Fmiick" Kerlim WlksdlÄ Dienstag. 33. April t91Z. Mgeoränetenkaus. S3. Sitzung. Montag, den 22. April» vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: v. Trott zu Solz. Tie höhere« Lehranstalten. Ein Antrag Eickhoff fVp.) wünscht Vereidigung der Lehr- amtSkandidaten zu Beginn des Vorbereitungsdienstes; ein Antrag Engelbrecht(fl.) ersucht um Einführung deS gemeinsamen Unterbaues der höheren Schulen namentlich in kleineren Städten und zwar im Interesse der Erleichterung der Vorbildung der Schüler. Abg. Graf Canuen-Zieserwitz(t) tritt für uneingeschränkte Auf- rechterhaltung des humanistischen G Y m nsa   s i u m s mit dem griechischen Unterricht ein. Er billigt den Erlaß über die bei den schriftlichen Klassenarbeiten(Extemporalien) zu beobachtenden Grund- sähe. Aber wenn diese Leistungen bei einem größeren Anteil schlechter Arbeiten nicht zensiert werden sollen, so bedeutet das eine Förderung der Schülerfaulheit. Es wird überhaupt viel zu viel Schonung' getrieben.(Beifall rechts.) Abg. Dr. Heß(Z.) äußert, jedoch nicht namens seiner Fraktion, Bedenken gegen den Erlaß, da die Herabsetzung der Anforderungen nicht richtig sei. Wenn hier ein Erlaß deS Ministers lobend be- sprachen wird, beruft sich der Minister darauf; wenn er aber kritisiert wird, spricht er der Kritik die Berechtigung ab. Der Erlaß bedeutet nur eine Begünstigung der Kinder der Neschen, denen die Erlangung höherer Stellen usw. erleichtert wird. Was für eine Generation wird man so erzielen! Möge dieser Erlaß nur bald verschwinden I Abg. Eickhoff(Vp.): In Dortniund versagt man trotz Reichs- gericktSurteil den städtischen Oberlehrern immer noch die höhere Besoldung, zieht aber schon die Steuern dafür ein! Die Ex- temporalien haben zur Verkennung und Entmutigung braver, aber langsamer Arbeiter unter den Schülern geführt. Kultusminister v. Trott zu Solz: Nicht die Anforderungen an die Schule, sondern nur die übergroße Schätzung der Extemporales wurden herabgesetzt durch meinen Erlaß. DaS Extemporale wurde mißbraucht. Ein Lehrer, der nicht so wirken würde, daß die vom Abg. Gras Carmer befürchteten Verabredungen zum Schlechter arbeiten unterbleiben, ist ernfach nicht an seinem richtigen Platze. (Sehr richtig! links.) Jetzt weiß der Schüler nicht, wann Extemporale ist, er niuß stets vorbereitet sein. Daß der Erlaß den Reichen nütze, ist ganz falsch, denn im Gegenteil ist zu bedenken, daß die Söhne der Reichen bisher zu Hause von H a u S- lehrern für die Extemporalien eingepaukt werden konnten, die Söhne der Armen dagegen nicht. Wir müssen unsere Schüler streng herannehmen, um sie zur Ucberwindung der ihnen im Leben bevorstehenden Schwierigkeiten zu befähigen. Die Hebung des Ober lehrerstandes ist im letzten Ende nicht der Lehrer wegen, sondern in dem Bestreben geschehen, die besten Kräfte für unsere Jugend und für unsere Schule zu gewinnen. DaS wachsende Angebot an Lehr- kräften setzt unS auch in die Lage, die Anforderungen zu erhöhen. Der Minister bespricht dann Dienst- und Stellenfragen. Abg. Ströbcl(Soz.): Mit dem Antrag Ernst(Vp.) auf Beseitigung der Vorschulen sind wir einverstanden, weil die Vorschulen ein krasser Aus- .druck der Privilegienschule und der Klassenschule sind. Wir wünschen deshalb, daß die Vorschulen recht bald verschwinden auch deshalb, damit nicht unter Umständen freisinnige Stadt- verordnete sich genötigt sehen könnten, gegen die Beseitigung der Vorschulen zu stimmen, weil sich solche noch in der Nähe der Groß- städte, z. B. auch in den Berliner   Vororten befänden. Diese Herren konnte» sonst sagen, wenn in Berlin   die Vorschulen beseitigt werden, könnten die Eltern immer noch ihr« Kinder in die Vorschulen der Bororte schicken. Die Vorschulen könnten ganz ruhig verschwinden, sie haben gar keinen Zweck. Vennes hat sich oft genug gezeigt, daß die Schüler, die direkt aus der Volksschule in die höheren Lehranstalten über- treten, ebenso gut fortkommen. Zweifellos find die höheren Lehranstalten heute noch Ein- richtungen, die auf da» K l a s s« n i n t e r- s f e und den Klassen- bochmut der Besitzenden zugeschnitten find. Ein überaus geringer Prozentsatz der höheren Schüler sind Arbeiter- kindcr. trotzdem die«rbeiter einen so hohen Prozentsatz der Gesamt- bevölkerung darstellen. Dieser Klassencharakter verschwindet auch dann nicht, wenn eS einem oder dem anderen besonders begabten Schüler kleines Feuilleton. Theater. Matinee der Neuen freien Bühne. Mit dem Drama Die Mutter' wurde der Stanislaw PrzybySzewSkysche Totentanz der Liebe" zu einem wenig rühmlichen Ende gebracht; denn dies.Kammerspiel' war ein reine« Jammerspiel Ob aber selbst bei guter Darstellung daS Stück gewänne, dürfte angesichts seiner mühsam konstruierten Handlung und psychologischen Hilflosig- keit doch fraglich erscheinen. Partikelchen einer dichterischenStim- mung' entschädigen nicht für die mangelnde Gestaltung. Was da unter Psychosen und Neurosen' als.neuer Mensch' angekündigt wird,.der Dinge fühlt und sieht, die für andere nicht vorhanden sind', ist doch schon sogar für die Ultramodernen ein recht veraltetes Experiment. PrzybqSzewSkyS.Mutter' hat hinter dem Rücken ihres Mannes ein ehebrecherisches Verhältnis mit dem Verwalter angefangen. Der Gehörnte gehl in den Wald und erschießt sich. Nach zehnjähriger Abwesenheit kehrt der Sohn de» Toten heim. Mit der Tochter des Verwalters spinnt sich»ine aus Kinderzeiten herrührende Liebe an, die sowohl von der Mutter al« vom Vater deS Mädchens zu ver- hindern gesucht wird. Dann taucht ober auch ein Freund des jungen MonneS auf. eine Art unheimlicher Gast, gazit: die Liebenden heiraten sich nicht, weil keins von beiden den Gedanken ertragen lönnte. daß die zwei Alten des Vaters Tod verschuldet haben. Wie man sieht: es ist nur«ine Tragödie in der Einbildung. Der Freund brennt die Fabrik an, deren Feuerschein leuchtet hwter der Szene. Der Verwalter nebst Töchterlein laufen zur Brandstelle; wahrscheinlich stürzen sie sich in die Flammen denn alle Schuld rächt sich auf Erden. Wenn dem Dichter am Weihrauch von ein paar KaffeehauSliterateukund orientalischen Ueber-Weibsen gelegen ist. schön; aber die OeMtlichkeit lasse man in Ruhe. v. K. NeueS Schauspielhaus:.Der Turm des Schweigen«'. Schauspiel von G u st a v C o l l i j n. Den ver- schwommencn Schwulst dieser drei Akte, die anderthalb Stunden fülle», doch mindestens da« Doppelte zu dauern schienen, bat man, als ob derlei nicht au» bei uns im Ueberfluß produzieri würde. vom Ausland, aus Schweden  , bezogen. Tie Personen: die sagen- hafte Babylonierkönigin SemiramiS. der König von Indien  . Pri-Iter  und Heerführer entschädigen für das Schweigen des düsteren Turme«, durch um so eifrigere Beredsamleit. Dem alten Jsiar« tempel gegenüber erhebt sich in dem Bühnenbild die Silhouette einer steilen Treppe, auf deren oberen Absatz von Zeit zu Zeit SemiramiS in prunkvollem Schmucke, mit einer Geißel in der Hand, erscheint. Die Schauer der Situation noch zu erhöhen, hat der Poet die Sonne aus seinem Werk verbannt. Rächt muß es sein in den drei Akten; allenfalls, damit der Züschauer doch etwa» sehen kann, läßt er die Morgendämmerung heraufziehen. Der Hohepriester der Göttin Ist« hat Differenzen mit der Kömgin. Er prophezeit ihr Niederlagen, wenn sie ihr Heer über dm Grenzfluß zum Angriff in das Land des StabrobateS, des möglich ist, durch Stipendien und Schulgelderlaß das Studium an einer höheren Lehranstalt betreiben zu können. Uebrigens spielen diese Zuwendungen nicht die Hauptrolle, sondern vielmehr die Unter- halt» kosten. Ebenso sympathisch wie dem Antrag Ernst stehen wir demjliitrag Engelbrecht für einen einheitlichen Unterbau der höheren Schulen gegenüber. Dafür liegt zweifellos ein Bedürfnis, namentlich in den kleinen Städten, wo nur einerlei Anstalten vorhanden sind, vor. Der einheitliche Unterbau wäre bis zur Tertia, vielleicht sogar bis zur Sekunda möglich. Viele Jahre war das humanistische Gymnasium nur eine Vorbereitung« anstalt für die Universität, heute hat eS einen ganz anderen Charakter angenommen. Die Realschule wieder war zunächst nur ein Mittel, um denjenigen. die nicht studieren wollten, eine höhere Bildung zu gewähren. Die glänzende Entwickelung und die praktische Anwendung der Naturwissenschaft hat die höhere Einschätzung der Realschulen und technischen Hochschulen hervorgerufen; die technische Entwickelung hat aber auch die Wertung der Sprachen verschoben. Man sieht in den klassischen Sprachen nur noch in erster Linie das Mittel zum Verständnis der in sich abgeschlossenen alten Kulturwelt, während man an den lebenden Sprachen nicht nur den praktischen Wert, sondern auch ihr Fortschreiten schätzt. Die praktischen Verhältnisie zwingen zum gemeinsamen Unterbau, zur Vereinheitlichung, und nach meiner persönlichen Meinung sind die Tage des huma- nistischen Gymnasiums gezählt. Man überschätzt gewiß den Einfluß der griechischen Sprache auf unsere Kultur und ihr gramnmtikalischer Betrieb an den Gymnasien wird ja sogar von Philologen nur noch als Verstandesschulung gelobt. Ein Zeichen der hierin eingetretenen Wandlung ist auch der Extemporalienerlaß. Das Extemporale sollte den Grad der Beherrschung der Sprache durch den Schüler zeigen. DaS war der Hauptzweck und ist es heute noch, wenn auch gemildert durch den Erlaß. Dieser ist auS der Erkenntnis mit hervorgegangen, daß die Beherrschung einer Sprache weniger durch grammatikalische Studien als durch U e b u n g erreicht wird. In sehr vielen Fällen wurden tote Sprachen nicht für's praktische Leben erlernt, sondern auch um einen Unter- schied zwischen denGebildeten' und der großen Masse der minder- berechtigten, der von jenen beherrschten.Ungebildeten' herauszu- arbeiten. Die modernen Sprachen eignen sich aber ebenso wie die toten zum geistigen Turnapparat sie sollen aber nicht um ihrer selbst willen, fondern um ihres Wertes und lebenden Ge- Haltes getrieben werden. Zur Lehre der antiken Kultur gehören auch Geschichte und Kulturgeschichte. Diese werden aber nicht so betrieben, daß daraus ein wirkliches Bild der alten Kultur gewonnen würde. Wir kennen Russisch   und Norwegisch nicht aber Tolstoj  , Strindberg, Ibsen   und G o r k i üben auf uns vielleicht längst mehr Einfluß auS als Aeschyloö, Sophokles   und die anderen großen Dichter des klassischen Altertums. Zur Kenntnis der Literaturen ist die Kenntnis ihrer Sprachen nicht erforderlich. Wer wollte den kolossalen Einfluß Englands und Frankreichs  , z. B. der französischen   Revolution auf unsere Kultur leugnen? Erkennt ihn doch z. B. der nationalliberale Gcschicbts schreiber S y b e l an. Nur wer unter dieser großen Revolution bloß Guillotinenaufbau usw. versteht, kann daran zweifeln. Unser deutsches Geistesleben trägt die tief st en Spuren diese« Einflusses und kein anderer als Fürst B ü l o w hat dies zu« gestanden. An diesem Einfluß hat aber die ökonomische Entwickelung jener Länder und unsere eigene den größten Anteil. Trotzdem in unseren Schulen noch der Geist von anno dazumal herrscht, ringt sich doch in der jetzigen Revolution unseres Schul- wejenS der Gedanke durch, daß höhere Bildung die Erkenntnis unseres LeinS und feiner Kräfte sein muß. Unsere wirtschaftliche Entwickelung bedingt die� Um­wälzung de« höheren Schulwesen«, die Tendenz zur praklischen AuS bildung, wie sie unsere Wirtschaft, Technik, Industrie braucht. Freilich die nationalistische Erziehung liegt nicht in dieser Tendenz. Wir Sozialdemokraten arbeiten mit aller Kraft dafür, daß unser Volk seine Heimat und Geschichte, seine Dichter und Künstler kennen lerne. Aber etwas ganz andere« ist der Nationalismus, derein falsches Bild de» eigenen Bater- lande« entrollt und jede» andere zu seinen Gunsten herabzusetzen bestrebt ist. Der Redner schildert daS Verschwinden des alten Studenten- lebens. seiner Streifereien in Wald und Feld, seines Frohsinn« an dessen Stelle ein Uebertreiben de« an sich nur wünschenswerten Sports zur Fexerei, mit seiner AuSländerei und Sprachverderbung jungen Jndierfürsten, führe. Doch sie beharrt in Trotz. Niemand in ganz Asien   dürfe sich mit ihr an Macht vergleichen. Darum muß auch Indiens   Herrscher in den Staub gezwungen werden! Majestätisch pomphast rollen Drohreden, von der königlichen Treppe zu dem Turm herüber und hinüber. Dabei erfährt der ausinerl- tarne Hörer etwas von einem gebeimnisvollen Schwur. SemiramiS toll, unter Anrufung deS Zorns der Götter, sich verpflichtet haben, wenn sie nach ihres Gallen Tode je einen Mann mit ihrer Gunst beglücken werde, ihn dem Jstarpriester als Opfer auszuliefern. Und also bald kommt StabrobateS angeschlichen. Der König desertierte auS seinem eigenen KriegSlager, weil ihm SemiramiS' gerühmte Schönheit keine Ruhe ließ. Der gemütvolle Träumerjllngling muß der Feindin feine anbetende Liebe zu Füßen legen, auch iven» ihm diese Kühnheit gleich daS Leben kosten sollte. Unter leidenschaftlichen Beteuerungen klimmt er die steilen Stufen zu der Herrlichen hinan und wird zuguterletzt sehr gnädig auf- genommen. Am Morgen heisckit der mitleidslose Priester seinen Tod. Die Königin setzt sich zur Wehr. Der sanfte Jünßling aber, als er von den Götleritrafen, die dem Eidbruch folgen wurden, hört, betätigt die Echtheit seiner Liebe, indem er freiwillig in den Turm deS Schweigens geht und sich dort schlachten läßt. DaS Stück wurde wohl gewählt, weil man sich von ihm eine Bombenrolle für Tilla Durieux   versprach. Indes alle ge- schmeidigen Reize des schlanken Körpers, alle Kunst im Ausdruck verzückter Selbstanbetung, springender Despotenlaune, de« Zorne» und begehrlich ausflammender Verliebtheit vermochte nicht den toten Konstrultioiien Leben einzuhauchen. Man empfand da« starke Können der Schauspielerin doch ohne Resonanz der Illusion. In den üblichen SchlußapplauS mischte sich vernehmliche Opposition. ckt. Musik. Eine Cavalleria Knrfürsticana wurde in der Kurfürsten- Oper am Sonnabend zum ersten Male aufgeführt. Die Musik- tragödie.Oberst Chabert', die wir also als eine Nachfolge der.Cavalleria rusticaua' zu kennzeichnen versuchen, ist ein ganz neues Werk eine» anscheinend noch sehr jungen Komponisten: H e r- mann Wolfgang von Walter« Haufen. Von ihm stammt auch der Text, abgesehen davon, daß dieser au» irgend einem wohl allgemein vergessenen Romane Balzac  » herübergenommen ist. Das alte Motiv Enoch Arden wird hier dadurch variiert, daß ein siegreicher, aber dann totgeglaubter französischer Oberst lebendig begraben ist und durch alle möglichen Leiden«- geschicktren hindurch zu seiner Frau wiederkehrt, die aber mm glücklich ein zweites Mal verheiratet und Mutter von zwei Kindern ist. Da treiben nun ein bißchen Psychologie und noch ein bißckien mehr Theatertechnik ihr Spiel, bis endlich trotz aller besseren Anläufe der Schluß eine ganz kommune Schuß- uno Gistgeschichte mit Fackelbeleuchtung wird. Die Musik ist wenigstens konsequent. Kümmert sich um gar nichts, als um den darstellenden Ausdruck. Macht das oft verblüffend geschickt und jedenfalls mit dem heiligsten Ernst. Man hört auS dem Orchester wahrhastig, wie die da droben wimmert oder welch tritt; nicht zuletzt ist diese Entwickelung geschuldet der Entwicke- lung Deutschlands   zur Weltpolitik, zum robusten Lebensgenuß der Besitzenden, zur ausschließlichen Bewertung des Geldes. Wie soll also die allgemeine Bildung unserer Zeit sein? Humanistisch, allgemein menschlich so soll die Jugend die Stellung und Funktion des Menschen im sozialen Organismus kennen lernen. Der Uutmticht muß ziehend, konkret sein und neben der Entwickelung der Kennimsie muß auch auf ästhetischen und moralischen Unterricht Werl  gelegt werden. Im Geschichtsunterricht, der fast der Mittelpunkt der Schule sein sollte, dürften nicht bloß Zahlen und Könige gelernt werden, sondern die Entwickelung von Staat und Familie, Gemeinden und der sozialen Verhältnisse müßten eine wahre Kulturgeschichte bilden, die uns vor diencr- hafter Demut, wie vor nationalistischem Hochmut bewahren würde Wir Sozialdemokraten verneinen keineswegs die Bedeutung großer Persönlichleiten, erkennen aber, daß auch sie sich eingliedern müssen in die Verhältnisse und nur bei Ueber- einstimnumg ihrer Absichten mit den Tendenzen ihrer Zeit erfolg- reich sein können. Wir sind auch nicht so einseitig, nur Erfolg- reiche als große Männer anzuerkennen! Diese Allgemeinbildung müßte allen zuteil werden, nicht nur jenen, die in der Wahl ihrer Eltern vorsichtig waren. Selbst der nationalliberale Abg. Hackenberg hat letzthin anerkannt, daß wir heute in der Tat nicht von einer allgemeinen Bildung sprechen können. Es müssen soziale Zustände geschaffen werden, in denen die Bildung wirklich allen zuteil wird, wo die Bildungsmöglichkeit wirklich der Gesamtheit unseres BolkeS gegeben ist. Weil dies aber in der heutigenOrdnung" nicht möglich ist, fordern wir eben, damit unsere Kultur kein Kindcrspotl bleibe. eine andere Gesellschaftsordnung!(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Sie sagen, es tvürde eine wirkliche allgemeine Bildung un- geheuere Summen kosten. Nun, unser Militarismus kostet doch nicht nur 1700 Millionen, fondern mit den Zuschüssen vn die Soldaten von Hause mindestens 8000 Million enl(Hört! hört l bei den Sozialdemokraten.) Wenn das notwendig ist, dann um so notwendiger, daß hier Wandel geschaffen werde. Wenn siät der Abg. Heß und andere wundern, daß in der Lehrerschaft sozialistische Gedanken sich verbreiten, so ist eS klar, warum da» geschieht: Weil diese Kreise erst recht einsehen müssen, daß eine Vermittelung wirklicher Bildung und Kultur unserer Zeit nur mög- lich ist durch den Soziali SmuSI(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Hintzmann(natl.) behauptet, sich dadurch diametral vom Vorredner zu unterscheiden, daß er(Hintzmann) die Liebe zum Vaterland und zur Heimat in der Schule obenanstelle. Der Abg. Ströbel hat nur Bekanntes wiederholt, ohne allerdings hinzu- zufügen, daß es von anderen formuliert wurde. Der kgl. Erlaß, der die weitere Entwickelung des höheren Schulerlasses bestimmte, hat allen Streit beendet. Wir alle wünschen langsamen Fort- schritt und verwerfen alles Uebermaß an Kritik der Leistungen der Schulen, denn das nützt weder den Schülern, noch den Lehrern. Abg. Stroffcr(k.): Wer die Schüler kennt, weiß, wie leicht sie sich auch beim besten Lehrer verabreden können, schle-bte Arbeiten zu liefern, um die Nichtzensierung herbeizuführen. Wie erst bei minder guten Lehrern? Abg. Dr. Hauptmann(g.): Da« Lateinische ist heute noch eine miernationale missensaiastiiche Verständigungssprache. Die meisten technischen Ausdrücke sind lateinische Worte. DaS Lateinische wird also trotz aller Schulumgestaltungen auS unserem Leben nicht ver- schwinden. Abg. Ströbel(Soz persönliib): Der Abg. Hintzmann hat mich persönlich in einer Weise apostrophiert, zu der ich unmöglich schweigen kann. Er hat offenbar mit den von mir voraetragencir modernen Schulforderungen des Sozialismus nichts anzufangen ge- wußl und mich darum persönlich angegriffen. Wenn er mir vorwarf, ich hätte bei meinen Zitate» den Autor nicht an- gegeben denn meine Rede selbst habe ich nicht vorher konzipiert, so habe ich bei diesem Hause genug literarische Kenntnis angenommen, um das für uiinötia zu halten. Sollte da» nicht ausreichen, so bin ich gern bereit. Herr» H i n tz in a n n zuliebe nächstens zu sagen:Unser großer nationaler Dichter Friedrich Christoph v o n S ch t l l e r hat gesagt" oderder Herr Geheimrat und sogenannte Olympier Johann Wolfgang von Goethe   hat grausigen Eindruck ein verlassene» Schlachtfeld macht und der- gleichen mehr; an allen möglichen Künsten in der Verwendung der übrigens nicht besonders erweiterten Orchesterinstrumente fehlt eS auch nicht. Manchmal kommen sogar sogenannte lyrische, weiche Züge. Da» ganze ist in ausgesprochener Weise eine Orchcsteropcr, 'eine Gesangsopcr, daS heißt: da drunten geschieht die Hauptsache und da droben findet man sich hinein, wie sich eben jedes Instrument in» Orchesterensemble hineinfindet. Man brauche aber nicht den Ausdruck Naturalismus! Der Text bietet zwar eine moderne Konversation, aber bereits mit der entsprechenden theaterheißen Färbung. Und nun spricht da« Orchester nicht etwa so, wie wir es tereitS bei manchen Operndramen kennen gelernt haben, sondern fast immer wieder in der pompösen Art, die nun einmal von der ranzösischen Großen Oper zu dem sogenannten jungitalienischen Verismus führt. Aber alles, auch der Text, ist erfreulich knapp nirgends wird geschwätzt. Im Publilum scheint ein kleiner energischer Anhang de? Kom- ponisten gewirkt zu haben. Der größte Teil der Zuhörer würde vielleicht den Kopf geschüttelt haben, wenn nicht der bald heraus- gerufene Koinponist einen so sympathischen Eindruck gemacht hätte nichts weniger als den eines glücklichen Herrschers. So war denn alles in schönster Harmonie, und den Sängern kann man daS Beste (meist einschließlich deS Gesanges) nachsagen. Die in dein Verbände der Kursürsten-Oper neuaiiftaucheiide Anni'e Gura-Hummel brachte in der weiblichen Hauptrolle besonders das Lyrische, Weiche gut zur Geltung; und der Titelrolle wurde der Bariton Zawilowski so sehr gerecht, daß e« schien, er wolle lieber«in paar unschöne Töne singen, als nicht richiig charakierisieren. Die Kurfiirsten-Oper, heißt eS, wackelt schon, und die Füße derer, die Herrn Direklor M o r i« hinaustragen wollen, solle» vor der Türe stehen. Da» scheinen einerseits die Eigentümer des Hauses zu sei», die bereits den Uebergang in ein Schauspieluntcrnchmen vorbereiten möchten, und anderseits das Charlotteiibtirger Opern- hau», das vielleicht schon in l'/a Jahren spielen wird. Nun hat sich bisher Direktor M o r i« einen blauen Teufel um unsere Jnter- essen gekümmert. DaS hindert uns aber gar nicht, ihn, diese« Interesse freundlichst nahezulegen und ihm unsere Sympathie zuzu- sagen, wenn er die Absicht hätte, mit oder nach seinem Theater ans das Bildung«- und Kuustgenußbedürsnis der weitesien Kreise Rücksicht zu nehmen. Bisher hat er sich trotz allem immer noch ernst-kidffsst» risch bewährt. Und unsere Bevölkerung kann eS ganz gewiß brauchen, daß ein solch künstlerischcr Ernst endlich einmal auch über die durch Berlin   W und gar durchBerlin C" gekennzeichneten Kreise hinauödringe.«. Notizen. Gegen die Münchener Zensur, die ihrem reichen Ruhmeskranze eben ein neues Reis einverleibt hat sie verbot die öffentliche Vorlesung von L. Goldschmieds TragödieDie Eni- weihung der Erde  ' erlassen Münchener Schriftstsller einen gehar nischten Protest.