gegen gesträubt, für die alten Veteranen der Arbeiter-s ch a f t Entgegenkommen au zeigen, als es sich darum handelte, dieAltersgrenze von 70 Jahren auf 65 Jahre herabzusetzen.Da erklärte man, dafür sei kein Geld da. Und dochmachen die Summen hierfür gegenüber den Forderungender Militärverwaltung nichts aus. Es scheint mir eineAnstandspflicht des Reichstageszu fein, daß, wenn die Reichsregierung behauptet Ueberfchüsfe zuhaben, jede sozialdemokratische Forderung von damals durch-geführt werde. Wenn der Reichstag das nicht tun will, dannkönnen Sie überzeugt sein, daß eine neue Verbitterungeintritt. Es darf nicht so weiter gewirtschaftet werden. An,16. Februar hat der Reichskanzler bei seiner ersten Redevor dem neuen Reichstag ge>agt, weite Schichten unseres Volkeshätte» eine tiefe Sehnsucht nach der Erfüllung großer idealerAufgaben. Wir wollen ihm solche großen idealen Aufgaben zeigen,nach denen in der Tat eine große Sehnsucht im Volke vorhandenist. Als Minimalforderung stellen wir die Einführung derzweijährigen Dienstzeit für Kavallerie undreitende Feldartillerie auf. Diese Frage hat den Reichs-tag schon mehrfach beschäftigt und sowohl in der Budgetkommissionals auch im Plenum ist eine Resolution angenommen worden, inder eine Denkschrift über die zweijährige Dienstzeit gefordert wird.Diese Denkschrift haben wir aber bisher nicht gesehen undwir können wohl daraus schließen, daß die Heeresverwaltungdavon nichts wissen will. Zahlreiche Fachleute habensich für diese Forderung ausgesprochen, so der frühere Zentrums-abgeordnete General H ä u ß l e r. Jetzt darf General Häußler seinekritischenReden für die Herabsetzung der Dienstzeit nicht mehr halten. Diedreijährige Dienstzeit für dieKavallerie ist einllnrecht für die Betroffenen.da« heißt vor allem für die Söhne unserer bäuerlichen Bevölkerung. DieEinjährig-Freiwillrgen der Kavallerie lernen dieSache in so kurzer Zeit, da werden es wohl die Söhne der Bauernwenigstens in zwei Jahren auch lernen können. In Frankreich istdiese unsere Forderung durchgeführt. Unser eigentliches Ziel gehtallerdings weiter auf die Durchführung jenes großen ScharnhorstschenGedankens derWrhrhaftmachung des ganzen wehrfähigen Volkes.Natürlich verstehen wir unter Miliz nicht eine improvisierte mili-tärisch unbrauchbare Masse, sondern der Milizgedanke steht in un«mittelbaren, Zusammenhang mit einer guten körperlichenErziehung der Jugend, ganz anders als das heute der Fallist. Der Abg. v. G a m p glaubte diese Anregung damit abtun zukönnen, daß er sagte, unsere Parteigenossen in Frankreich' schienenunseren Standpunkt nicht zu teilen. Er beweist damit eine völligeU n k e n n l n i s der französischen Verhältnisse. Der Kriegs-«ninister Millerand steht der Sozialdemokratie unend-lich fern. Dieser wandlungsfähige Mann hat uns frühereimnal näher gestanden. Heute muß er nach deutschenVerhältnisse» als n a't i o n a l l i b e r a l bezeichnet werden.Dagegen hat unser Parteifreund I a u r s s einen ausführlichenPlan der Vollswehr entwickelt und in zahlreichen französischenO f f i z i c r s k r e i s e» ist diese Idee verbreitet.Eine sebr aktuelle Forderung aber ist für unZ die Herabsetzung der zweijährigen Dien st zeit der In-santerie auf ein Jahr. Unsere ganze Bevölkerung ist inihrer Intelligenz so bedeutend gestiegen, daß die Durchführungdieser Forderung bei Beseitigung übermäßigen Ballasts wie de«Exerzierdrills und deS Paradedrills sehr wohl möglich ist, ohne dieeigentliche militärische Ausbildung zu gefährden. Die Waffen-technik ist immer vollkommener geworden, und die Verbesserungder Waffen bedeutet auch eine Erleichterung, ihre Führung zuleimen. Vielfach haben sich auch militärische Sachverständige,so erst vor kurzem ein höherer Offizier in der„AugSburger Post-zeitung" für diese Forderung ausgesprochen. Wäre sie undurch-Zführbar, so müßte auch die einjährige Dienstzeit für die heutigenEinjährig-Freiwilligen beseitigt werden. Würde man das tun, dann-würden wir sehr bald die einjährige Dienstzeit überhaupt be-'kommen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Warumsträubt man sich denn so sehr gegen eine solche Verkürzung derDienstzeit? Man tut eS, weil man die möglichst ausgiebigeErzichimg der Soldaten zur Unterwürfigkeit, zum unbedingtenGehorsam nicht aus der Hand geben will, mau fürchtet, es könntemit der kürzeren Dienstzeit ein neuer, freierer Geist indas Heer einziehen. Heute herrscht auch in der Armee einR l a s s e n s y st e m, während gerade in ihr volle Gleichberechtigungbestehen müßte, denn die Söhne des Volkes müssen alle gleichmäßigihr Gut und Blut für das Vaterland zum Opfer bringen.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Heute aber haben wir einevöllig abgeschlossene Offizierskaste. Die Offizier-stellen sind einer kleinen Schicht, vornehmlich den landbefitzcndenAdligei» vorbehalten. Noch viel allgemeiner zeigt sich der Kasten-geist in der Annahme der Offiziersaspiranten. Nursoziale Stellungen und konservative Gesinnung erlauben es einemjungen Manne, in eine solche Stellung einzurücken. Diese jungenLeute werden dann in einer weltfremden Erziehung initbesonderen Ehrbegriffen, die zuweilen gegen die Staatsgesetze ver-stoßen, ausgestattet, ohne Kenntnis vom Leben und von denMenschen, die ihre Uiilergebonen werden. Es sind auch nicht diemilitärisch Tüchligsten, die zu diesen Stellungen kommen. Ein ge-wöhnlicher Sterblicher muß schon große Heldentaten vor demFeinde aufzuweisen haben, um in eine Offizierstelle zu kommen, indie jeder andere, wenn er nur in der Wahl seiner ElternVorsichtig genug war, hineingelangt.Immer mehr wird die Armee auchgegen den innere» Feindbenutzt.(Vizepräsident Dr. P a a s ch e macht den Redner daraufaufmerksam, daß all diese Betrachtungen eigentlich zum Militäretatgehören.) Ich will dem Wunsche des Präsidenten folgen und nurmit einem Wort betonen, daß wir wünschen, daß unsere Armeen icht-'ausgenutzt werden soll als politischer Machtsaktorgegen die arbeitenden VolkSklassen, daß sie nichtbleibe was sie bisher war, ein Privileginstilut zum Vorteil gewisserKlassen, sondern, daß sie un, gewandelt werde zu einein wirklichenV o l k S h e e r mit freiheitlichem Geilt.Nach alledem sage ich. es liegen uns sozusagen zwei Programmevor. Sie, meine Herren von der Mehrheit, sind im Bdgriff, durchIhre Maßnahinen die Bölkergcgensätze zu vermehren.Wir dagegen wünschen, eine'Verständigung unter denVölkern Herbeizuführen. Sie wollen dem Volke neue Lasten auf-erlegen, wir wollen die Besitzenden belasten. Sie wollen dasHeer als Jnstiiut zu Nutzen der Besitzenden erhalten, wir wollen eindemokratisches freiheitliches Heerwesen. Wir über-lassen die Entscheidung über diese beiden Prograiiime mit gutemGewissen dem deutschen Volke, in der Ueberzeugung, daß wir Sozial-demolraten sehr gut bestehen können mit unserem Programm vorGegenwart und Zukunft.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemv-kraten.)Abg. Erzbcrger(Z.): Tic Veranlassung der Wchrvorlagcn liegtsicher in den w e l t p o l i t i s che n E r e'i g n i s s e n des letztenHochsommers. Sic sollen dazu dienen. Deutschland und Europa denFrieden zu sichern, indem sie der Welt beweisen, daß Teutschlandkeineswegs am Ende seiner militärischen und finanziellen Kräftesteht. Man fragt, was ist denn seit der letzten Flottenvorlagcund M i l i tä r v o r l a g'e anders geworden? Nun ich erinneredaran, daß selbst der„V o r w ä r t s" vom letzten Sonntag zugab,daß in Frankreich zurzeit eine chauvinistische Strömung vorherrscht.Hat doch selbst der frühere AntiMilitarist H c r v c eine Wandlungdurchgemacht und ist jetzt für die Schaffung einer starken franzö-fische» Landarmce.(Widerspruch des Abg. Dr. Liebknecht.)Tie Belastung der Bevölkerung pro Kopf durch den Militarismusist in Frankreich erheblich höher als in Teutschland. iHört! hört!im Zentrum.) Tie Erfahrung beweist, daß ein schwaches Deutsch-land immer der Ausgangspunkt europäischer Ver-Wickelungen gewesen ist; daher müssen wir Teutschland zuLande und zu Wasser stark erhalten.— Eine Verständigung zwi-schen den europäischen Länder» wünscht sicher jeher Vernünftige.Mer auf die e n g l i s ch e n LoRZne sollten Sir nicht zu knrl geben.England hat durch die Tat stets bewiesen, daß es mit aller Machtdie Aufrechlerhaltuiig seiner Weltmachtstellung erstrebt. Manrechnet offenbar im Ausland darauf, daß die gutmütigen Deutschenauf diese Idee hereinfallen werden.(Bravo! rechts.) Aufeinem anderen Gebiet, auf dem der G e w e r k s ch a f t s-bewegung, den kt ja auch die Sozialdemokratieii i ch t a n A b r ü st u u g.(Lachen links.) Wir halten es mit demWort Friedrichs des Großen:„Unterhandlungen ohne Waffen sindNoten ohne Instrumente."— Daß das Zentrum früher Oppo-s i t i o n in Militärfragen betrieben hat, ist r i ch t i g. Aber dasVolk hat in diesen Fällen immer gegen die Opposition entschiedenund im neuen Reichstag hat die Mehrheit dann alles bewilligt, waswir abgelehnt hatten. Im übrigen ist es nicht richtig, daß wir ohneweiteres jetzt alles bewilligen. Wir Iverden in der Kommission alleEinzelheiten genau prüfen. Jedenfalls haben die Sozial-demokraten am wenigsten Grund, uns einen solchen Vorwurfzu machen, denn sie sind es ja, die in Militärfragen alles ablehnen,was auch zur Begründung gesagt wird.— Die Kosten der Militär-Vorlage sind gewiß groß, aber wären denn etifca die Kosten einerMiliz geringer? Die Erfahrungen in der Schweiz beweisen dasGegenteil. Dort sind die militärischen Lasten in 10 Jahren um52 Proz. gestiegen, bei uns nur um 20 Proz.(Hört! hört! rechts.)Ein kleiner neutraler Staat wie die Schweiz kann auch viel eherdie Miliz durchführen als die Großmacht Deutschland. Auch dieAbschaffung des Einjährig-Freiwilligen-Privi-l e g s und die Herabsetzung der Dien st zeit würde erheb-liche Mehrkosten verursachen.— We die sozialdemokratische Kritik,so muß auch die der O f f i z i e r v e r e i n e zurückgewiesen werden,die uns bei jeder Militärborlage mit Broschüren überschwemmen,daß viel zu wenig verlangt werde. Insbesondere muß demTreiben der Interessenten, das in der Marineverwal-tung sich breiter zu machen sucht, als in der Heeresverwaltung, ent-gegengetreten werden. Der Staatssekretär des Marineamts solltesehr energisch allen Vertretern interessierter Firme» die Tür weisen.Der Reichsag hat nicht die Aufgabe, über die Forderungen derRegierung hinauszugehen; er hat sie lediglich auf ihre Notwendig-keit zu prüfen. In parlamentarisch regierten Ländern mag dasanders sein.(Sehr richtig! im Zentrum.) Verabschiedete Offiziere,die in der Front standen, können absolut nicht beurteilen, inwieweitdie Forderungen ausreichen. Durch solche Darstellungen verabschie-dcter Offiziere über die Mangelhaftigkeit unserer Rüstungen wirdauch unser Ansehen im Auslande schwer geschädigt.(Sehr richtig?im Zentrum.) Vertrauen haben wir zur Heeresverwaltung; dasenthebt uns etwa nicht der Pflicht gewissenhafter Prüfung. AuchGraf Posadowsky wird in seinem Vertrauen zu einem Drittennie so weit gehen, daß er ihm uneingeschränkte Vcrfügungsfreiheitüber sein Portemonnaie gestattet.(Heiterkeit.)Bei der neuen Vorlage wird auch wieder sehr lebhaft der Rufnach kleinen Garnisonen ertönen. Ob sie wirklich einSegen für die betreffenden Städte sind, ist doch fraglich.— Mitbesonderer Genugtuung begrüße ich den Ausbau unseresFlugwesens. Herr Abg. H a a s e hat es geradezu als einVerbrechen dargestellt, daß man eine Nationalspende dazu ver-anstalten will. Eine Partei, die selbst so oft zu dem Klingelbeutelfür ihre Zwecke greift, sollte doch nicht so böse sein, wenn dieS zueinem nationalen Zweck geschieht. Im übrigen danke ich dem Abg.Haase für seine unfreiwillige Propaganda für diese Spende.(Lachen bei den Sozialdemokraten.)— Gute Offiziere sind mehrwert als eine größere Zahl Soldaten. Aber auch bei den Offizierentut es die Zahl nicht, und ich weiß jetzt noch nicht, ob die starkeVermehrung der Offiziere, welche die Vorlage fordert,gerechtfertigt werden kann. Auffallend ist, wie wenigin der Vorlage geschehen ist für die unteren Chargen, für unsereZahlmeister und Unteroffiziere gegenüber den Offizieren. Mitallem Nachdruck müssen wir auch daraus bestehen, daß die Erhöhungder Mannschaftslöhne schon zum 1. Oktober 1912 eintreten soll.(Lebhafte Zustimmung im Zentrum.)Nun zur Flckttenvorlage. Ein LuruS ist unsere Flottesicherlich nicht, höchstens für den, der auf dem Standpunkt des Brand-stifters steht und die Feuerwehr für einen Luxus hält.(Sehr gut!im Zentrum.) Wir halten unsere Flotte für nötig und auch dieneiie Flottenvorlage. Die Flotte müssen wir ausbauen nachMaßgabe des Flottenprogramms von 1896. Bei der Flotte kannman nicht mit jährlichen Bewilligungen vorgehen, sondern mutz nacheinem bestimmten Plane arbeiten, der von den Schwankun-gen der Tagespolitik nicht beeinflußt wird.Das Pressebureau halte ich nicht für so unschuldig, wieder Staatssekretär es hinstellt. Freilich glaube ich auch nicht, daßeine Agitation für die Flottenvorlage von dort betrieben ist. Wirwünschen ein einheitliches Pressebureau; nicht Bureausverschiedener Ressorts, die gegeneiiiander arbeiten.— Mit denEinzelheiten der neuen Flottenvorlage sind wir einverstanden;sie sck nen uns das Richtige zu treffen.Nun zur Deckungsfrage. Gegen die Ueberweisung derDcckuiigsvorlage an eine gesonderte Kommission haben wir dieschwer st en Bedenken. Wenn dort gar, wie bereits angedeutet,neue Deckungsvorschläge ausgearbeitet werden sollen, istgar nicht daran zu denken, daß sie bis Pfingsten oder auch 14 Tagenach Pfingsten fertig wird. Die Militärvorlage aber können wirnicht verabschieden, ohne die Tcckungsvorlagc, und wir müssen danndie Verantwortung dafür, daß die Wchrvorlagcn in diesem Früh-jähr nicht zustande kommen, den Parteien zuschieben, welche darandie Schuld tragen. Mir wünschen, daß beide Vorlagen in derBudgetkommission beraten werden; dann werden sie auchrechtzeitig fertig werden.Erstaunt bin ich, daß Dr. Müller- Meiuingen die Finanz-cntwickelung als Beweis für die Richtigkeit der Stellung derVolkspartei bei der Finanzreform ansieht. Die Volkspartei hatnur in der ersten Lesung gemeint, man könne mit 300 MillionenMark auskommen, nachher war sie stets bereit, auf 500 zu gehen.Die großen Ucberschüsse, die sich herausgestellt haben, verdankenwir der günstigen wirtschaftlichen Entwickelung. Herrn Staats-sekretär a. D. Mermuth begrüße ich gern als Spezialkollegcn, alsSchriftsteller.(Heiterkeit.) Aber von den Grundsätzen der Finanz-rcform sind nicht wir abgegangen, sondern Herr Mermuth,der von vornherein die Einnahmen zu niedrig einschätzt, um zuhohen Ucbcrschüssen zu kommen. Nun habe ich gegen die neuenDeckungsvorschläge der Regierung zivar viele Vorwürfe, aberkeinen Beweis für die Nichtigkeit dieser Vorwürfe gehört. Für unssind eine Reihe Grundsätze für die Etatsaufstellung maßgebend,von denen wir nicht abgehen. Wir halten fest an der 1909 be-schlosscncn gesetzlichen Schuldentilgung. Wir halten weiter festan den Verbesserungen, die der Etat 1912 in Höhe von 82 Mil-lionen bringt. Wir bewilligen keinen Pfennig Ausgaben auskünftigen Ucberschüssen, wir wollen die Einnahmen so vorsichtigwie möglich schätzen und endlich wollen wir dem Volke nicht ohneNot neue Steuern auferlegen. Herr Mermuth hat sich mitseinen Einnahmeschätzungen recht erheblich geirrt, er kann also jetztnicht als absolute Zahlenautorität hingestellt werden. Uebrigenssind in der Budgetkommission vielfach Anregungen aus den Par-tcicn gekommen, die Einnahmen höher zu schätzen, als die Regie-rung vorschlug. Also diese Art des Vorgehens kann man jetztnicht von vornherein als unsolide bezeichnen.Eigentümlich ist die Haltung der Linken zur Branntweinsteuer.Jahrzehntelang hat man gesagt, die Liebesgabe sei ein Geschenkaus der Reichskassc an die Großagrarier. Jetzt kommt der Vor-schlag, sie aufzuheben, da sagt man. das hat keinen Zweck, es isteine Konsumbclastung.(Sehr gut! und Heiterkeit im Zentrumund rechts. Zuruf links: Durchschnittsbrandl) Das ist eine Frage,über die man sich in der Kommission verständigen kann.— Nunsagt man, warum bringt die Regierung nicht die Erbschafts-steuer? Ja, ist denn jetzt bei der Wehrvorlage eine Mehrheitfür die Erbschaftssteuer vorhanden? Die sozialdemokratischeFraktion hat ja 1909 mit 18 gegen 16 Stimmen beschlossen, gegendie Erbschaftssteuer zu stimmen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten:A g i t a t i o n s l ü g e I) Das hat Herr Emme! auf dem Partei-tag von 1909 selbst erzählt.(Zurufe bei den Sozialdemokrateti.)'Herr Frank hat dann nur gesagt, der Beschluß sei nicht definitivgewesen.(Abg. Dr. David: Wir haben ja 1910 für die Erb-schaftssteuer gestimmt l) Ja, würden Sie denn jetzt die Erbschafts-steuer bewilligen, um die Ausgaben für Heer und Marine zudecken?(Zuruf des Abg. Emmel.) Herr Emmel sagt, dannmüßte erst die Z ü n d h o l z st e u e r und andere aufgehobenwerden. Das wollte ich gerade hören, das beweist, daß eine Mehr-heit für die Erbschaftssteuer als Deckung für die Wehrvorlagennicht vorhanden ist.Gegen die Ausdehnung der Erbschafts st euer aufKinder und Ehegatten haben sich früher auch liberalePolitiker, auch Dr. Müller- Meiningen, ausgesprochen. Es istalso doch nicht Volksverrat, auf dieser Meinung zu beharren. Mankann das doch nicht aus der Welt schaffen mit der verblüffendenBemerkung des Dr. Müller- Meinigen, er sei gescheutergeworden.(Heiterkeit im Zentrum.) Heute wird die Erbschafts-steuer jedenfalls nicht aus inneren, in ihr liegenden Gründen ver-langt. Angesichts der über alle Erwartungen großen Ueberfchüsfeerkennen wir die Notwendigkeit neuer Steuern nicht an.(Zustim-mung im Zentrum.)Die neuen Wehrvorlagen belasten alle Teile desVolkes, finanziell und persönlich, namentlich die Landwirtschaft.Da sollte der Kriegsminister auch den Wünschen der Bauern ent-gegenkommen utzd nicht gerade zur Saat- unvGrntezeit dieReservistenzu Uebungen einber�X». Auch sollte die Heeresverwaltung direktvon den Landwirten kaufen, unter Ausschaltungdes Zwischenhandels. Auch dem gewerblichen Mittelstandsollte auf diese Weise entgegen gekommen werden.— Dann habeich eine Bitte auf tzthisch-religiösem Gebiet au den Kriegsminister.Die Kabinettsorder in dem Falle Sambeth sagt im Grunde:„Wenn du aus religiösen Gründen dich nicht duellierst, bist dunicht mehr würdig, dem Offizierkorps anzugehören." Das ist einSchlag ins Gesicht des katholischen Volkes. Hiermuß unbedingt Remedur geschaffen werden.(Lebhafter Beifall imZentrum.)Kriegsminister v. Hecringen: Der Herr Vorredner hat dieAllerhöchste Kabinettsorder im Falle Sambeth als Schlag gegen daskatholische Volk bezeichnet.(Zuruf: Gegen das katholische Ge-wissen!) Dagegen möchte ich mich v e r w a h r e n. Die Kabinetts-order sagt ausdrücklich, daß eine ehrengerichtliche Untersuchung.sobald jemand aus religiösen Gründen das Duell ablehnt,nicht am Platze lvär«. Das heißt es handelt sich nicht um würdigoder nicht würdig, sondern, lediglich darum, ein Herr, der diese Ge-finnnng hat, paßt nicht mehr in die Verhältnisse unseres Offizier-korps.(Stürmische Entrüstungsrufe im Zentrum und links: Uw>glaublich! Unerhört!)Abg. Dr. Paasche(natl.): Die Aufnahme, die die letzten Wortedes Kriegsministers gefunden haben, werden ihm gezeigt haben,wie wenig er die Wünsche der großen Masse desdeutschen Volkes getroffen hat.(Lebhaftes Sehr rich-tig! und Bravo! im Zentrum und links.).Diese wichtige Frage kann aber nicht jetzt in so später Stundencnbenher erledigt werden, sie wird bei anderer Gelegen-heit ausführlich behandelt werden müssen.(Sehr richtig!)Redner polemisiert des weiteren gegen den Abg. Erzberger.Die Ueberschüsse betrage» 230 Millionen gegen den Voranschlag;aber Anleihen waren in Höhe von 217 Millionen vorgesehen. Ohnediese beträgt der Ueberschuß also nur 13 Millionen. Werdendiese Ueberschüsse jetzt nicht zur Schuldentilgung verwendet, so istdas eine Durchbrechung des Finanzgesetzes von1909 und eine Abweichung von den bei der Finanzreform auf-gestellten Grundsätzen.— Die Kritik an der Branntweinvorlagegehört nicht in die Budgetkommission, sie kann gründlicher in einerbesonderen Kommission erfolgen. Es ist durchaus nicht gesagt,daß wir die Aufhebung der Liebesgabe jetzt ablehnen.Es kommt auf die Gestaltung der Vorlage an. Wenn die Erb-schaftssteuer jetzt vorgelegt worden wäre, so wäre die a l l g e-meine Z u st i m m u n g zu den Wehrvorlagen viel größer. Jetztgeben Sie der äußersten Linken wieder die Waffe in die Handzu sagen: Jetzt habt Ihr wieder neue Militärausgab cnbewilligt und die Lasten der Masse auferlegt.Daher hätten wir es lieber gesehen, wenn die Regierung die Erb-schaftssteuer als eine sozial ausgleichende Steuer, die die Besitzendentrifft, wieder vorgelegt hätte. Wir unsererseits haben keinenAnlaß, sie jetzt vorzuschlagen; so waren die gestrigenWorte meines Freundes Basser mann nicht aufzufassen. Wirwellen zunächst ernsthaft und gewissenhaft an dem mitarbeiten, wasdie Regierung uns vorgelegt hat. Wenn sich dann schließlich her-ausstellt, daß noch weitere Deckung nötig ist, so behalten wiruns weitere Schritte vor.— Was die Wehrvortage selbstanlangt, so wird sie wesentlich dazu dienen, dem Ausland zu be-weisen, das deutsche Volk ist stark und will stark sein, und läßt sichdurch Schreier im Ausland nicht von seinen großen Zielen ab-bringen.(Bravo! bei den Nationalliberalen.)Die Weiterberatung wird vertagt auf Donnerstag 1 Uhr.(Außerdem: Beantwortung der nationalliberalen Jesuiten«Interpellation und Reichseisenbahnetat.)Schluß 6%. Uhr._parlamcntanfcbes«Das gefährliche Klima.Bei der Weiterberatung des Etats für Südwestafrikakam es am Mittwoch in der Budgetkommission zu sehr lebhaftenAuseinandersetzungen über die Verhältnisse und Zustände in dieserKolonie, zunächst gegen den großen Beamtenapparat. Für die14 000 Weißen— einschließlich der Beamten und Truppen— undrund 80 000 Farbigen sind nicht weniger als 1067 Beamtevorhanden. Ein Drittel aller Beamten ist ständig auf Urlaubin Deutschland, denn alle drei Jahre hat jeder Beamte einen halb.jährigen Urlaub zu beanspruchen. Die Kommission forderte, daßerst nach vierjähriger Dienstdauer ein Heimatsurlaub gewährtwerden soll, ferner eine Verminderung der Beamten, dafür aberden Ausbau der Selbswerwaltung. Die Regierung bekämpfte allediese Anregungen, vornehmlich die Verlängerung der Dienstdauer.Unterstaatssekretär Dr. Coutze entrollte dabei ein recht düsteresBild von den gesundheitlichen Verhältnisse« Südwcstafrikas. Manhabe die Erfahrung gemacht, daß die Beamten zu Exzessen unterdem Einfluß des Klimas neigen, wenn sie länger als drei Jahreohne Heimatsurlaub bleiben. Beamte, die in Kamerun—einer sehr ungesunden Kolonie— Ware», befanden sich ge-sundheitlich viel besser als in Südwest. Auch auf die Farmerwirke das Klima ungünstig ein, im Sinne einer sich bem-erkbarmachenden Nervosität. Diese Schilderung klimatischer Verhältnissevon Südwest, das man dem deutschen Volke als Siedelungskoloniegeschildert hat. mit gutem, für Mitteleuropäer besonders gutemKlima, rief Erstaunen hervor. Verkündete doch die Regierungjetzt das genaue Gegenteil von dem, was sie in Wort und Schriftüber Südwestafrika bisher zum besten gegeben hat.Dazu kommt noch der in Aussicht stehende wirtschaftlicheKrach in Südwestafrika. Selbst der kolonialpatriotische konservativeDr. Dietrich erklärte am Mittwoch mit dürren Worten: Süd-w e st a f r i k a ist ein a r ni e s Land. Wie soll dannein Etat für diese Kolonie zustande kommen,wenn einmal keine Diamanten gefundenwerden? Für das in Südwestafrika stehende Militär muß jetztdas Reich 14 Millionen jährlich absenden.Die Debatte führte zu dem Ergebnis, daß eine Volkspartei-liche Resolution angenommen wurde, die die Verlängerung derDienstperiode von drei auf vier Jahre fordert; gestrichen wurden48 000 M. Mehrforderung für Hilfskräfte und 30 000 M. von den65 000 M., die für Rcisegebührnisse gefordert wurden. VomStaatssekretär wurde erklärt, daß e r endlich mit den schon oft undseit langen Jahren von der Regierung versprochenen Reformenin der Verwaltung beginnen werde. Von sozialdemokratischerSeite, unterstützt vom Zentrum, wurde verlangt, daß de» Ein-gcborenxy wieder die Viehhaltung in vollem Umfange ermöglicht