Schabernack gespielt. Wenn einer seine Scheune rotweiß anstrich, einenweiß-roten Schlips trug, ein dänisches Lied sang, wurde er wegenHochverrats verfolgt und polizeilich bestraft. Die Dänenhaben dochein Recht auf Wahrung ihrer Nationalität.Preußen kann sich durch den kleinlichen Kampf nur grllndlicklächerlich machen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.Gerade Sie. die Nationalen, müßten die Nationalität anderer an«erkennen. Sie sammeln doch selbst für die Erhaltung des Deutschtums im Ausland, Sie haben mit Recht gegen die Verfolgung derDeutschen in den russische n Ostseeprovinzen protestiert!(Hört lhört! bei den Sozialdemokraten.)Gerade die Deutschen Schleswig-HolsteinS haben die Unterdrückungund Vergeivaltigung ihrer Nationalität durch das Ausland schwergenug empfunden. Die VerfolgungSmittel der dänischen Herrschast waren die gleichen, wie sie heute Preußen gegen die Dänengebraucht. Darüber berichtet eine vor wenigen Jahren erschienenedeutsche Festschrift, die namentlich die Verfolgung der deutschenSängervereine und der deutschen schleswigschcn Fahne, als dieSänger in Deutschland antidänische Kundgebungen veranstaltetenund„Schleswig-Holstein, meerumschlungen" sangen. Aber, wiein dieser Festschrift ausgeführt wird, gerade zum Trotzführte die unbeugsame schleswig-holsteinische Bevölkerung dieverbotene blauweiße Kokarde an Kleidern, Schirmen, Krawattenusw. Und für Preußen ist die Gefahr eines Abfalles des Grenz-landes doch ungleich viel geringer als seinerzeit für Dänemark.Verschiebt aber ein großer internationaler Krieg die Situation sozuungunsten Deutschland, daß das Grenzland verloren gehen könnte,dann kann Ihnen der Polizeiknüppel auch nicht nützen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)Sie rühmen in den Schulen den musterhasten glühenden Patrio«tismus der schleswig-holsteinschen Deutschen unter dänischer Herr-fchaft. Das Gleiche kann bei den Dänen unmöglich ein Vcr-brechen sein.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.)Und was erreichen Sie denn auch mit der Zwangspolitik?Wenn Sie so ängstlich sind, dann müßten Sie ja die 33 ProzentSozialdemokraten noch viel mehr fürchten. Aber wir sindebenso gute Patrioten wie Sie— freilich in unserem Sinne. DasVaterland ist gar nicht in Gefahr nurIhre Herrschaftsinteresscnund darum geht eS.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.)Wie die Rechtsfrage auch stehe, moralische Rechte stehen jeden-falls auf feiten der Dänen. Rechte auf Erhaltung ihrer nationalenKultur und dagegen mit dem Polizeiknüppel vorzugehen und gewalt-zahm germanisieren zu wollen, schlägt aller Humanität undGerechtigkeit ins Gesicht. Dank unserer famosen Gesetz-gebung wird aber gegen Vereine zur Erhaltung der dänischen Kultuubrutal vorgegangen. Schritt für Schritt ist man— erst seit 1378—gegen das Dänische in Amt und Schule vorgegangen. Bis 1878hatte das vielleicht noch einen Sinn, da Preußen wegen der inter-nationalen Verträge und der Möglichkeit einer VolksabstimmungNordschleswig deutsch machen wollte, aber seitdem ist der Rechts-zustand auch von Dänemark anerkannt— trotzdem hat man1883 den Sprachenerlaß herausgegeben.Der Redner schildert die Verfolgungen der Vereine, die Aus-Weisung der Dienstboten, die Schädigung des Gottesdienstes indänischer Sprache sogar und endlich die Behandlung der Staaten-losen. ES istder Gipfel der Intoleranz,wenn Minister v. Dallwitz erklärt, überall dürfen diese Leuteungehindert wohnen, nur nicht auf ihrer nordschleSwigschen Heimat-schölle.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Und für diesekulturlosen Taten gegen die Heimatlosen besteht nicht einmaldie Rechtfertigung einer Stotwehr. Da muß einem dieSchamröte ins Gesicht steigen, man muß sichnamens Deutschlands und des deutschen Volkes dieserTaten genieren— trotz der lächerlichen Entrüftungskomödien hier mitt-fif Blechschwertern und großem Geschrei. Selbst der Zentrums-abgeordnete Belzer hat in der ReichstogSkommisfion diese barba-nL'. rischen Zustände als skandalös und heillos bezeichnet.Daß in Preußen barbarische Zustände bestehen, beweistauch die ,, G e r m a n i a* in ihrer Kritik an dem Kriegsministerv. H e e r i n g e n, dem sie rät, doch in einen barbarischen Staat mitseinen Anschauungen zu gehen.Präs. Dr. Frhr. v. Erffa mahnt den Redner zur Sache,Abg. Ströbel(Soz.):Mit Recht hat auch Abg. GieSberts am 21. Februar 1906im Reichstage erklärt, man müßte sich— bei solchen Zuständen—in der Welt f a st schämen, ein Preuße zu sein.So urteilen Sie selbst, und dann entrüsten Sie sich, um IhreBergewaltigungSgelüste unS gegen über zu begründen.Präsident: Auch das gehört nicht zur Sache.Abg. Ströbel(Soz.):>Es ist allerhöchste Zeit, mit derBergewaltigungSpolitikin Schleswig zu brechen. Die ReichstagSkornmisfion will jadie Rechte der Heimatlosen sichern, aber nach der Rededes Ministers v. Dallwitz wird man wenig Vertrauen zude» Erfolgen haben, soweit es auf den guten Willen der Regierungankommt. Von den Nationalliberalen, diesen unmittelbarenH a k a t i st e n, ist nichts zu erwarten, aber sogar das Zentrumhat trotz der scharfen Worte des Abg. Belzer alle Anträge in derKommission abgelehnt, weil sie der Regierung nicht genehmwaren. Sogar solche Anträge, daß deutsche Frauen durch Ver-heiratung mit Heimatlosen ihr Heimatsrecht nicht verlieren sollen.Der ZentrumSabgeordnele Becker fiel um, nachdem er den Polenzugeredet hatte, für den sozialdemokratischen Antrag zu stimmen—eS sei freilich ausgerechnet, daß er keine Mehrheit findenwerde.(Hört! hört! bei den Soz.— Abg. Hoffmann: Echtjesuitisch!) Die N a t i o n a l li b e r a l en. die zuerst auch einensolchen Antrag gestellt hatten, zogen ihn zurück!(Hört! hört!bei den Sozialdemokraten.).Die deutsche Ehre gebietet, daß in NordschleSwrg Abhilfe ge-schaffen werden und den Heimatlosen nicht das Heirate» bei Ge-fängnisstrase verboten sein soll. Wenn die Regierung erklärt hat. eSfei ein sehr schönes komfortables Gefängnis, so solltendie Regiernngsmänner das Gefängnis manchmal von innenstudieren.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.)Nehmen Sie sich doch mit uns der von Ihnen so oft zittertenEhre des Reiches an und schaffen Sie mit unS das ReichS-e s e tz, das den Heimatlosen überall die freie An-.iedlunh gestattet, nicht nur dort, wo die Regierung will.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Tun Sie das nichr, dannsind Sie eS, die das Reich entwürdigen durch dieseskandalösen und heillosen Zustände, wie sie der ZentrumsabgeordneteBelzer nannte, dann sind Sie es, die das Reich der Mißachtungund dem Sp?�t des Auslandes aussetzen.(LebhaftesBravo! bei den Sozialdemokraten.)fAbg. Cloppenborg(Däne): Wenn wir heute den Rechtszustandhätten, wie die Deutschen, als SchleSwig-Holstein dänisch war,so wären wir wahrlich frohl Bismarck sagte: Wir Deutschenfürchten Gott und sonst nichts auf der Welt. Der Dr. Schiffererober scheint die 2000 Heimatlosen zu fürchten und sonst nichts.(Sehr gut! l'.nA.) Wir sind 130 000— daS�Dcutsche Reich hat jetztbald 70 Millionen Einwohner. UnS germanisieren Sie nicht— wasluollen Sie sonst erreichen I Das Vorgehen gegen die armen Heimat-lösen Arbeiter erregt uns aufs höchste, denn wir sehen, daß man un»»ort haben will, wir wohnen aber doch sert den ältestenK e i t e n da.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) In Däne-isiork kann es keine Heimatslosen geben und das sollte Deutschland«icht auch zu leisten imstande sein? Die Spannung in Nord-fchleswig wird mit den Verfolgungen gegen uns auf.� 01 alba Johanffe»(frk.) schließt sich dem Abg. Dr. Schifferer voll-kommen an. Mnn der Reichstag m der Heimatlosenfrage etwasändern will, sollte ihm die preußische Regierung ei» ganz festes Un-annehmbar entgegensetzen.(Beifall rechts.)Abg. v. Arnim-Züsedom(k.) stimmt dem Vorredner zu undwünscht, daß der nationaldeutsche Standpunkt in der Rordmark mitallem Nachdruck vertreten werde, ebenso wie in der Poleupolitik.(Lebhafter Beifall rechts.)Abg. Dr. Dus(Bp.): Wir wünschen auch, daß Nordschleswigimmer mehr deutsch werde, lehnen aber alle gewaltsamen und klein-lichen Mittel zur Bekämpfung der Dänen ab.(Beifall bei der Volks-Partei.)Ein Schlußantrag wird angenommen.Abg. Hirsch-Berlin(Soz., persönlich): Die Bemerkung des Abg.Johanssen Über unsere angebliche Stellung zum Eid, die nicht ge-rügt worden ist. zeigt, was sich die Rechte in diesem Hause heraus-nehmen darf.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Die Zigeunerplage.Abg. Rhiel(Z.) beklagt die Vergrößerung der Zahl herum-streifender Zigeunerbanden und verweist auf einige Mordtaten vonZigeunern, so an dem Förster Romanus. Um das Hereinkommender Zigeuner über die Grenze zu verhindern, müßte die Zahl derG r e n z g e n d a r in e n vermehrt werden.Minister des Innern v. Dallwitz berichtet über die von derRegierung getanen Schritte, namentlich über ihre vielen Erlasse.Die Bundesregierungen haben beschlossen, abzuschiebende Zigeuneran die R e i ch s g r e n z e zu schaffen.Nach weiterer unwesentlicher Debatte wird die allgemeine Be-sprechung geschlossen, das Gehalt des Ministers bewilligt,die Anträge der Volkspartei und der Sozialdemokraten,die die Regierung ersuchen, eine Vorlage aus Aufhebung derPlakat- und Kolportagebestimmungen des altenpreußischen Preßgesetzes auszuheben, werden abgelehnt; gegen dieKonservativen und Freikonservattven angenommen der Volks-parteiliche Antrag auf Vorlegung eines Gesetzes, das diereichs-gesetzlichen Bestimmungen über die Nichteinwirkung von Armen-Unterstützung auf öffentliche Rechte auf daS preußische Landes-recht überträgt. Dagegen werden dre sozialdemokratischen Anträgeauf freien Sprachengebrauch in öffentlichen Versammlungen undauf Borlage eines Gesetzes zum Schutz der persönlichenFreiheit gegen die Sozialdemokraten und den einen anwesendenPolen abgelehnt.BeimStatistischen Landesamtwendet sichAbg. Dr. Ehlers(Vp.) gegen die Verwendung vonSchutzleuten zur statistischen Feststellung von Kleinhandels-preisen.Die Abgg. Dr. Wendlandt(nail.) und Dr. Bell(Z.) treten fürbessere Bezahlung derNahrungSmittelchernikerein.Abg. Leinrrt(Soz.)spricht zum Kapitel Landräte. Die Landräte find die Ver-waltungSbearnten. die in Preußen die R e a k t i o n dem Volke gegen-über zu verteidigen haben. Ihre Machtfülle ist kolossal, ihrBestätigungsrecht macht ihnen die Kreis- und Gemeinde-Verwaltung untertänig, ihre Steuerfunktion gibt ihnen dengrößten Einblick in die PrivatverhälMisie der Kreisbewohner. Sieind die Polizeigewalt und können ihre Macht vielfach nach freiemErmessen ausüben. Der Landrat ist viel mächtiger alsdie übergeordneten Instanzen, samt dem Minister, dersie gar nicht kontrollieren kann.Die Minister dekretieren und die Laadräte regieren.Die Vorgesetzten befinden sich in gottgewollter Abhängig-keit von den Landräten.(Sehr wahr! bei den Sozial-demokraten.) Die Verwaltungsreform scheint noch dazu aus denLondräten kleine Regierungspräsidenten machen zu wollen. Da Wirdesnoch viel schlimmer werden. Ihre Kommunalaufficht soll noch vielgrößer werden, man hält die aus den Kreisen herausstrebendenStädte immer noch absichtlich unter der Aufficht des Landrats. DerMinister sollte, statt die Landräte zu verteidigen, die Gemeindengegen die Landräte schützen. Durch die Kreisblätter,diese traurigsten politischen Erzeugnisse, üben die Landräte dengrößten Einfluß. Der Minister bestreitet das, muß eS aberdoch aus seiner Landratszcit selbst wissen. Könnten nur dieKreisblattredakteure reden, welche politische Beeinflussungwürde da herauskommen!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Wie oft lehnen die Kreisblätter die Aufnahme sozialdemo-kratischer Versammlungsanzeigen ab. obgleich sie a:nt-lich bestimmte Publikationsorgane für Versammlungen sind! Odersie erklären, wenn noch etwas anderes in dem Inserat steht, müßteder Landrat die Erlaubnis zur Aufnahme geben!Immer bestreitet man die konservative Parteitätigkeit der Land-rate. Wenn der Minister eine Stattstik nicht nur der Abstammung,sondern der Gesinnung der Landräte geben würde,würde sich ihre, konservative Gesinnung sofortergeben. Die Kriegervereine find ein weiteres Werkzeug derkonservattven Landratspolitik.Die Kreiskalender sollen nach dem Minister den.Schmutz-kalendern" entgegenwirken. Die Rechte rief, das seien die Ka-lender der Sozialisten.(Sehr richtig! recht«) Dagegen protestierenwir. Die Kreiskalender sind oft die wertlosesten Preß-erzeugnisse. DaS politische ReinlichkeitSgesühl gebietet, daß derMinister erklärt, er habe nicht diejsozialdemokratischen Kalender gemeint.Andernfalls würden wir unsere Konsequenzen ziehen.(Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten.)In einer Zeichnungsliste der»Deutschen Tageszeitung"wird der königliche Landrat zu Soltou als Abonnenten-s a rn rn l e r namhaft gemacht. Das ist ja nichrS Neues, bleibt abereine völlig unzulässige Beeinflussung, denn wer da nicht abonniert,kommt in die politische Geheimliste deS LandralSamts über.schlecht-gesinnte" Einwohner.)Und erst dieHandhabung deS BereinsgesetzeS.Unsere Genossen, diese einfachen Arbeiter, haben daS Gesetz längstkennen gelernt, und die Landräte sollen dazu nicht gebracht werdenkönnen? Sie können sich aber nur nicht zur Einschränkung derpolizeilichen Bevormundung zwingen. Wie ist eSmit der von Herrn v. Bethmann Hollweg angekündigten loyalenHandhabung des Vereinsgesetzes? Man preist unS den Instanzen-weg an. Aber was nützt die Aufhebung eines Versammlungs-Verbotes nach Monaten oder Jahren, wenn die politische, gewerk-schaftliche usw. Situation längst vorbei ist, die zur Anberaumung derbetreffenden Versammlung geführt bat. Bewußt schädigt man diepolitischen oder gewerkschaftlichen Jnterrffen der Arbeiterschaft.(Sehrrichtig! bei den Sozialdemokraten.) Aus diesen Erwägungen er-heben wir auch nur selten Beschwerden. Die Landräte müßtenes als ihre Pflicht erachten, das„Recht der Reichs-angehörigen" zu schützen, wie das Reichsvereinsgesetz bestimmt.Die Anweisungen über das VereinSgesetz gehen nicht bis zu denunteren Organen. Im Landkreis Hannover hat man im Vor-jähr eine in geschlossenem Saal tagende Versammlung auf-gelöst, weil die Anmeldebescheinigung nicht beigebracht wurde.Man verlangt, wenn eine Frau mit eineni Kind aus dem Arm zurVersammlung kommt, daß nicht nur der staatSgefährliche Säuglingentfernt wird, der ja leider noch nicht strastnündig ist(Heiterkeit links),sondern auch die Mutter.Oftmals haben uns die Landräte Versammlungen unter freiemHimmel nicht bewilligt, weil der Grundstücksbesitzer angeblich dieBewilligung zurückgezogen habe. Der Privatvertrag geht die Be-Hörde gar nichts an. Da soll aber Gefahr für die öffentliche Sicher-heit vorliegen. In einem Fall hat der Oberverwaltungsgerichtshofdiesen Einwand als berechtigt erklärt, aber man hat den Land-räten dieses Urteil zugestellt, damit sie eben auf diese Art Versamm-lungen verbieten können.Wir protestteren gegen all diese Mißachtungen des VereinZ-gesetzes und fordern vom Minister, daß er dem entschieden entgegen-trete. Freilich, die Gerichtsentscheidungen zugunsten derVolksrechte werden den Behörden nicht zugestellt, nur die gegenteiligen. Wir sind eben noch meilenweit von wirklicher Selbstver«waltung entfernt und dertausendarmige BerwaltmigsaPParatbegleitet Preußen wie ein Schatten. So manche Gastwirtelassen sich von den Landräten die Hergabe ihrer Lokale an uns ver-bieten. Der vom Landrat geleitete KreiSauSschnß ist ja dieKonzesfionSbehörde. Widerspenstige Wirte bestrast man durch Ver-Weigerung oder Erschwerung der Tanzerlaubnis, Heruntersetzung derPolizeistunde, schließlich sogar durch unberechttgle Konzesfionsent-ziehung. Wie stellt sich denn der M i n i st e r hierzu? Darüber hater noch keinen Erlaß herausgegeben. DaS müßte er aber in ent-sprechender Weise unter Hinweis ans den sonst begangenen Mißbrauchder Amtsgewalt tun, wenn er wirklich das Vereinsgesetz der Staats-bürger sichern will.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.)Ohne Ansehen der Person soll die Verwaltung ar-besten— aber beim Vereinsgesetz ist keine Rede davon.Herr v. Z e d l i tz hat ja allerdings als höchste Pflicht der Landrätedie Bekämpfung der Sozialdemokratie bezeichnet.(Sehr richtig! rechts.) Freilich, für Sie ist das eine Begünstigung,wenn wir verfolgt werden.Wir fordern freie Betätigung der ganzen Bevölkerung undpolitische Neutralität der Landräte. Dann ist freilich Ihr(nach rechts)Einfluß auf dem Lande zu Endel(Sehr wahr! bei de» Sozial-demokraten.)Wir wollen, daß diegeheime Spionage der Behörde»gegen die Staatsbürger aushört. Die öffentlichen Erlaffe desMinisters sind nicht seine ganze Politik, sondern dazu kommen dieGeheimkonferenzen bei den Regierungspräsidenten usw.In Goslar hat der Landrat einem Turnverein eine Beihilfeverweigert, weil e i n Mitglied in einer alten, seinerzeit eingereichtenMitgliederliste des sozialdemokratischen Verein« stand. Längst hättendiese Listen vernichtet sein müssen— aber sie dienen noch zur B e-spitzelung der Bevölkerung.Auf den LandratSämtern herrscht so eine wahre politischeKorruption.Präsident Frhr. v. Erffa ersucht den Redner, sich zu mäßigen.Abg. Leinert(fortfahrend):Wenn auch bei den letzten ReichStagswahlen mancherleiMißbräuche infolge des ministeriellen Erlasies über die Wahlurnen.der Übrigens nur in der Ordnung war, vermieden wurden, so sindtrotzdem noch mannigfache Unrechtmäßigleiten bei der Ueberwachungder Wahlen vorgekommen. Im§ 9 des Wahlgesetzes steht, daß dieWahl öffentlich ist. DaS hat mit der amtlichen Ermittelungdes Resultats für den Wahlkreis, wo nur Wähler Zutritt haben.nichts zu tun, und der Mmister mußte die Landräte entsprechendanweisen. Jedermann, nicht nur Wahlberechtigte irgendeinesKreises, wie der Minister bekannt gab, darf der Wahl beiwohnen.Ein solches unrichiiges Vorgehen führt zu dem Verlangenmancher Wahlvorsteher nach LegitimationSpapiereu unddann sagen sie noch: Ja. beweisen Sie mir, daß Sie die Papiere nichtg e st o h l e n haben.(Heiterkeit.) Sie lachen, aber die Schamrötekann einem bei solchenSchikane» der Wahlvorsteherins Geficht steigen. Diesen unerhörten Zuständen muß der Ministerabhelfen und die Landräte dazu anhalten, auch bei den Reichstags-wählen Unparteilichkeit zu üben. Mit dieser notwendigenUnparteilichkeit ist es nicht vereinbar, wenn der Landrat die Wähler-liste bei der Hauptwahl kontrolliert und dann diejenigen Beamten,die noch nicht gewählt haben, energisch zur Wahl-beteiligung bei der Stichwahl auffordert, wiedies in einem Hannoverschen Wahlkreise und in Kakau-L u ck a u nachgewiesen ist.(Hört l hört! bei den Sozial-demottaten.) Wenn Sie glauben, durch eine Wahlpflichtder Beamten„gute Wahlen" herbeizuführen, so könnenSie sich damit vielleicht auch irren. Es werden dann vielleicht nochmebr Beamte sozialdemokratisch wählen als bisher.(Sehr richttg! bei den Sozialdemokraten.) Wir protestieren jeden-falls gegen eine solche gesetzwidrige Wahlpflicht. Unzulässig ist eSauch, wenn bei der Wahl den sozialdemokratischen Listenführern ab-sichtlich die Stühle vorenthalten werden. Ich muß hier auch denFall deS Pastors Stier in Motzen erwähnen, der scharfe AngriffeJ legen den Landrat des KrerfeS Teltow, gegen den Kreis-ekretär und gegen den Bürgermeister von Motzen gerichtet hatte.weil nach seiner Meinung diese Personen schuldig daran waren, daßbei dem Verkauf des Zoffener Schießplatzgeländes verschiedene armeGemeinden durch die verspätete Genehmigung der Umsatzsteuerordnungum große Steuerbeträge zugunsten von Bodenspekulanten gebrachtworden sind. Der'Pastor Stier ist ein k o n s e r v a ti v e r Mannvon orthodoxer Gesinnung, da er aber einen preußischen Landratangegriffen hat, wurde er seine» Amtes entsetzt und fürgeisteskrank erklärt.(Hört l hört I bei den Sozialdemottaten.)Auch beim Verkauf des Tempelbofer F-ldeS ist in gleicher Weiseverfahren worden. An den Minister möchte ich die Frage richten:Wie ist es zugegangen, daß die Genehmigung der Umsatzsteuerfür den Kreis Teltow länger als ein halbes Jahr gedauerthat? Warum ist sie nicht vor der Auflassung genehmigt worden.Im Kreise Teltow ist man der Ueberzeugung, daß der L a n d r a t,der Kreissekretär und der jetzige AmtSvorsteher vonMötzow an dem Spekulationsgeschäft beteiligt sind(Abg. Hammer(k.) ruft: Unerhörte Verleumdung!), daß sieselber den Verkäufern der Grundstücke, insbesondere denjenigen, diedie neue Terraingesellschaft gegründet haben, persönlich die Zusageauf die Nichterböhuug der Umsatzsteuer gemacht haben und day. umdiese Zusage zu halten, von diesen Instanzen absichtlich dieGenehmigung der Umsatzsteuer hintertriebenworden ist.Präsident Frhr. v. Erffa: Herr Abg. Hammer, e» ist hierverstanden worden, daß Sie gesagt hätten:.unerhörte Berleum-düng!"(Abg. Hammer: Jawohl!) Dann rufe ich Sie zurOrdnung!Abg. Leinert(Soz.) fortfahrend:Auch sonst muß dafür gesorgt werden, daß die Machtfülle de?Landrats eingeschränkt wird. Wenn der Landrat Vorsitzenderdes VersicherungSamteS des KreiseS wird, so würde ich das imInteresse der Versicherten bedauern. Der Kreissekrelär W a l l m a n naus Nordheim hat in einem Schreiben an Einwohner die Auf«forderung gerichtet, sie möchten Mitglieder für den Reichs-verband werben.(Hört! bei den Sozialdemokraten.) Es istja eine alte Sache, daß die L a n d r a t s ä m t e r dieSammelstellen für den Reichsvrrdandgegen die Sozialdemokratie find. Den vielen Mißständen kann nur-in Ende gemacht werden, wenn man die LandratSämter in der->, c.>.• cn u-tt■ v m die Dauer wird sich auchPreußen die Bevölkerung die Bevormundung durch den Landratnicht gefallen lassen. Schließlich wird die Bevölkerung Einfluß ge-wmnen auf die Körperschaften, die heute Ihre(nach rechts) Domänenfind zur Herbeiführung„guter Wahlen" und zur Stärkung derkonservativen Parteien.(Beifall bei den Sozialdnnokraten.)Minister des Innern v. Dallwitz: Die Voraussetzungen, vondenen der Vorredner ausging, sind falsch Die Genehmigung desKreistagsbeschluffeS vom 26. September 1910 auf Erhöhung derUmsatzsteuer von'/z auf 1 Prozent ist nicht im Juli 1911 erfolgt.sondern bereits am 6. Januar.(Hört! hört! rechts.) Weil es sichum die Entscheidung einer sehr bedeutungsvollen Frage handelte.uiußte das Ministerium des Innern mit dem Finanzministerium in�.55?'.?dung treten. Infolgedessen konnte die Genehmigungnicht früher erfolgen. Die Auflasiung bat auch nicht vor der Ge-nehnilgung, sondern erst nach ihr stattgesunden. Bei den Ver-Handlungen kam ein Vertrag zwischen der Gemeinde Tempelhof unddem Kreise einerseits und der Deutschen Bank andererseits zustande,