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Nr. 113. 29. Zllhrgavs. 3. Ötilnjt Ks, Amiirls" Krrlim WIIlsdlM. Dmmslag� lK Kai IW. StsStverorckiieteii-verlsmmlung. 17.(außerordentliche) Sitzung vom Mittwoch, den 15. Mai 1512, nachmittags 5 Uhr. Stadtverordnetenvorsteher-Stellvertreter Caffel eröffnet an Stelle des aus Gesundheitsrücksichten in Urlaub gegangenen Bor- stehers M i ch e l e t die Sitzung nach bVz Uhr. Um 6 Uhr schreitet die Versammlung zur Wahl des Ersten Bürgermeisters. Vor dem Eintritt in die Wahlhandlung richtet der Borsteher- Stellvertreter Cassel folgende Ansprache an die Versammlung: Wir haben heute auf unserer Tagesordnung Anträge und werden sie in geheimer Sitzung beraten, welche der Magistrat an uns wegen des Abgangs des Oberbürgermeisters Kirsch- n c r gerichtet hat. Ich habe gerechten Grund zu der Annahme, daß ich in Uebereinstimmung mit allen Mitgliedern der Versammlung handle, wenn ich schon jetzt in unserer öffentlichen Sitzung unserm allseitigen Bedauern über seine Amtsnieder- legung hiermit Ausdruck gebe(Beifall), da alle Versuche, ihn zum Bleiben zu bewegen, keinen Erfolg gehabt haben. Es wird in Zu- kunft Gelegenheit sein, das Walten und Wirken des Herrn Ober« lmrgermeisters Kirschner in unserer Gemeinde näher zu beleuchten; heute aber glaube ich in Uebereinstimmung mit Ihnen zu handeln, wenn ich hiermit in unser aller Namen die gewissenhaft« Pflicht- treue, die unermüdliche Sorgfalt, das reiche Wissen und Können und die unerschütterliche, feste und niemals wankende Entschlossen- heit, unsere Selb   st Verwaltung und ihre Rechte zu schützen, sowie seine Verdienste um unsere Stadt hiermit in unser aller Namen anerkenne. Die Persönlichkeit d�s Herrn Ober­bürgermeisters Kirschner und seine hohen Leistungen werden dafür sorgen, daß in der Geschichte der Stadt Berlin   sein Name unver- gessen bleiben wird. Wir alle aber, die wir den Vorzug gehabt haben, mit ihm in der Selbstverwaltung zu arbeiten, werden seiner als eines hervorragenden, hochbegabten, hoch- und freigesinnten, aufrechten, charaktervollen und wahrhaft vornehmen Mannes stets in Treue und Ehren gedenken für alle Zeit.(Lebhafter Beifall.) Die Wahl erfolgt unter der Voraussetzung des Amtsantritts äm 1. September 1812. Das Ergebnis ist die Wahl des Staatssekretärs a. D. Mermuth mit 72 Stimmen; 42 Zettel find unbeschrieben, 1 enthält mehr als einen Namen. Im ganzen sind IIS Zettel abgegeben, eine Stimme entfällt auf den Stadtrat Dr. Wiemer. Der frühere Reichsschatzsekretär Mermuth   ist somit für zwölf Jahre ab 1. September 1912 mit einem Gehalt von 48 008 M. zum Ersten Bürgermeister von Berlin   gewählt. Die Versammlung tritt hierauf in ihre eigentliche TageS- Ordnung ein. Ein Antrag Modler(A. L.) geht dahin, den Magistrat zu ersuchen, dem Preußischen Feuerwehrbeirat 15000 M. zur Errichtung des geplanten Feuerwehr-ErholungSheimS in Verbindung mit einer Landesfeuerwehrschulezur Ver­fügung zu stellen. Ter Antrag wird vom Antrag st eller und vom Stadtv. Solmitz(Fr. Fr.) warm empfohlen. Auch Stadtv. Rosenow(N. L.) stimmt in das Lob der Feuerwehr ein, bemängelt aber gerade aus diesem Grunde, daß der Antrag einseitig von einer Frak- t i o n eingebracht sei, ohne daß man sich mit den andern Fraktionen "Äls Benehmen gesetzt habe. Stadtv. Dr. Weist(Soz.): Auch wir stehen der Vorlage sehr sympathisch gegenüber; trotzdem die Feuerwehr königlich ist und wir mit dieser nur zu tun haben, wenn wir für sieindieTasche greifen müssen, werden wir doch im Ausschuß eifrig mit- arbeiten. Es ist zutreffend erwähnt worden, daß wir in unfern Heimstätten für Genesende auch den erkrankten und erholungs- bedürftigen Feuerwehrlsuten nach Möglichkeit entgegenkommen; aber es soll an unserer Unterstützung nicht fehlen, wenn darüber hinaus etwas für die Feuerwehrleute geschehen kann. Nachdem noch Stadtv. Bamberg  (A. L.) in Abrede gestellt hat, daß seine Fraktion mit Absicht einseitig vorgegangen sei, und die Hoffnung ausgesprochen hat, daß die ganze Versammlung dem An- trag z u st i m m e n werde, wird dieser an einen Ausschuß von 15 Mitgliedern verwiesen. Zur Beratung steht sodann der vom Magistrat vorgelegte Ent- wurf eines Ortsstatuts über die Anstellung und die Befugnisie von Direktoren in der Verwaltung der Stadt Berlin  . Die Vorlage wird mit Rücksicht auf ihre große Bedeutung und Tragweite von der heutigen Tagesordnung abgesetzt. Die Schloßbrücke soll unter Beseitigung der hölzernen Brücken- klappen massiv umgebaut werden. Die Kosten sind auf 140 000 M. veranschlagt. Die Vorlage gelangt ohne Debatte zur Annahme. An derFreibad Müggclsce-G. m. b. H." soll sich Berlin  nach einem MagistratSantrage durch Erwerb eines Geschäfts- antcils von 5000 M. beteiligen. Die Versammlung gibt ihre Zustimmung; eine Erörterung findet nicht statt. Das Becrsche Gelände auf der Judenwiese an der Spree zwi- scheu dieser und der Wullcnwebcrstraße soll nach einem neuen Fluchtlinienprojekt durch Anlegung von drei Straßen aufgeteilt und erschlossen werden. Auch diese Vorlage wird ohne Erörterung gutgeheißen. In A l t- L a n d s b e r g gelangt am 20. Mai ein Grundstück zur Zwangsversteigerung, auf welck�s eine Siche« r u n g s h y p o t h e k von 665 M. eingetragen ist, welche eine von der Stadt in offener Armenpflege unterstützte Frau Müller wegen Alimentenforderung gegen den ursprünglichen Eigentümer. den von ihr getrennt lebenden Ehemann, hat eintragen lassen. Vor dieser Hypothek steht noch eine Hypothek von 8000 M. eingetragen, so daß die Sicherungshypothek mit 8665 M ausgeht. Ter Magistrat beabsichtigt, dieselbe auszubieten, eventuell das Grundstück zu ersteigern und, falls notwendig, die erste Hypothek bar auszuzahlen. Nachdem auf Anfrage des Stadtv. Dr. Arons(Soz.) Stadtrat Dr. Franb bestätigt hat, daß nur die Hypothek ausgcboten und über die Sumnie von 8665 M. nicht hinausgegangen werden solle, wird die Vorlage angenommen. Schluß gegen 7 Uhr.__ Soziales. Der Minister gegen das gesetzwidrige Borgehen zugunsten der Bcrztc. In dem Hallenser Aerztestreik ist der Minister jetzt endlich gegen vaS zugunsten der Aerzte erfolgte gesetzwidrige Vorgehen des Regie- rungspräsidenten eingetreten. Wie die.Saale-Zeitung" meldet, bat der Minister für Handel und Gewerbe durch Erlaß vom 11. Mai den Regierungspräsidenten in Merseburg   veranlaßt, die Verfügung zurückzunehmen, vermöge der die Hallenser Krankenkassen den ilerzten des Leipziger Verbandes 60 Proz. ihrer Honorarforderung auszahlen. Es genügt freilich diese ministerielle Korrektur noch nicht. Beamtenkonsumvereine. Der Finanzminister hat unter dem 8. d. M. einen jetzt im .SieichSanzeiger" veröffentlichten Erlaß den Präsidenten der Ministerial- 1 1 Militär- und Baukommission, der Staatsschuldenverwaltung, der -Seehandlung, der Generallotteriekasse, der Direktion für die ! Verwaltung der direkten Steuern, dem Münzdirektor und dem Leiter des Hauptstempelmagazins zugehen lassen. In dem Erlaß richtet sich der Minister unter Hinweis auf Klagen von Mittelstandsvereinigungen dagegen, daß Beamte sich während der Dien st zeit und unter Benutzung dienstlicher Räume durch Einkauf. Lagerung und Abgabe von Waren zu- gunsten der Beamtenkonsumvereine betätigen. Ebenso wendet sich der Minister dagegen, daß zum gemeinschaftlichen Warenbezug von Beamten Diensträume, Boten, Aktenwagen benutzt werden. Staatsgelder für Konsumgenossenschaften. Der Teuerungsausschuß des österreichischen Abgeordnetenhauses hat unter anderem auch beschlossen, die Regierung aufzufordern, den Konsumentenorganisationen, welche die Lebensmittel zu billigen Preisen von Produzenten an den Konsumenten vermitteln, die größte Förderung angedeihen zu lassen, solche Einrichtungen des direkten Absatzes zu subventionieren und eine Zeutralgenossen- schastskasie zu errichten, aus der landwirtschaftlichen, gewerblichen und Konsumgenossenschaften billiger Kredit verschafft werden soll. Das wäre so eine Zumutung an unserePreußen- lasse", über die die Hammer und Malkewitz zu Gericht sitzen I Hetze gegen das Berliner   Gewerbegcricht. In mehreren bürgerlichen Blättern, so denBerliner Neuesten Nachrichten", derDeutschen Tageszeitung" und derPost", sind in jüngster Zeit Artikel erschienen, die sich mit dem von uns mehrfach erwähnten Prozeß beim Berliner   Gewerbegericht gegen die Firma Siemens u. Halske   beschäftigen. Die Absicht der letzteren, verschiedene Beisitzer des genannten Gerichts als befangen abzu- lehnen, ist bekanntlich bisher mißglückt. Das hinterher angerufene Landgericht hat noch nicht gesprochen. Offensichtlich in der Absicht, den Spruch des Landgerichts zu beein- f l u s s e n, wird nun gegen das Berliner   Gewerbegericht, und be- sonders gegen die sozialdemokratischen Beisitzer der Vorwurf erhoben, daß sie einseitig zugunsten der Arbeiter urteilen. Diese Behauptungen find vollständig aus der Luft gegriffen. Die Artikelschreiber beweisen mit ihrer Anpöbelung nur, daß ihnen die Verhältnisse am Berliner   Gewerbegericht vollständig unbekannt sind. Die Vorsitzenden des Gewerbegerichts haben stets anerkannt, daß die durch die sozialdemokratische Liste gewählten Beisitzer redlich bemüht sind, objektiv zu urteilen. Den angeführten Zeitungen kommt eS bei ihrem Angriff auf einige grobe Unwahrheiten mehr oder weniger nicht an. So wird z. B. behauptet, auch unter den A r b e i t g e b e r- beisitzern befänden sich beinahe Zweidrittel Sozialdemokraten. Tatsächlich find leider von den 210 Arbeitgeberbeisitzern nur einige dreißig aus der sozialdemokratischen Liste gewählt. Aber der Hetze wäre ja jeder Boden entzogen, wenn jene Blätter der Wahrheit die Ehre gäben. Die Firma Siemens u. Halske   hat übrigens jetzt in ihren Arbeitsordnungen überall das Spandauer   Gewerbegericht als allein zuständige Instanz sür Prozesse aus dem Arbeitsverhältnis zwischen ihr und ihren Arbeitern bezeichnet. Diese Vorschrift ist ungültig. weil eine einseitige Festlegung der Zuständigkeit eines Gerichts nach dem Gesetz unzulässig ist und weil selbst eine dahingehende all- gemeine Vereinbarung, wie jüngst vom Chemnitzer   Gericht mit Recht entschieden ist, gegen die guten Sitten verstieße. Unbegrenzte UeberarbeitSpflicht eines Krankcnkasscnangestellten. Mit dieser Frage, die für das Arbeitsverhältnis der Angestellten der Ortskrankenkassen von sehr erheblicher Bedeutung ist. hatte sich das Schiedsgericht für Arbeiterversicherung, Berlin  , in seiner Sitzung vom 14. Mai 1812 zu beschästigen. Der Angestellte F. der Ortskrankenkasse der Maschinenbauarbeiter in Berlin   war im vergangenen Jahre mehrfach zur Vertretung eines anderen Angestellten beordert worden; feine Arbeiten sollten in der Zwischenzeit von einem anderen Angestellten erledigt werden. Der Angestellte F. bemerkte jedoch stets nach der Rückkehr auf seinen Posten, daß erhebliche Rückstände aus der Tätigkeit seines Ver- trelers liegen geblieben waren. Er versuchte nun, diese Rückstände teilweise nach Schluß der Bureauzeit zu erledigen und meldete den Tatbestand auch dem Abteilungsvorsteher W a r n st. Dieser veranlaßte jedoch nichts darauf. Als nun F. am 9. September 1911 erkrankte, ließ der Vorstand die Rückstände durch einen anderen Angestellten aufarbeiten und etteilte dem Angestellten F. nach seiner Wiederherstellung eine Verwarnung mit der Androhung, daß er im Wiederholungsfalle entlassen werden würde. Hiergegen richtete sich die Beschwerde deS F., mit der er vom Schiedsgericht am 14. Mai 1912 abgewiesen wurde. Das Schiedsgericht war der Ansicht, daß der Angestellte auch für die von seinem Vertreter verursachten Rückstände verantwortlich sei und sie eben durch Ueberarbeiten hätte beseitigen müssen. Da er dies jedoch nur sehr unvollkommen versucht habe, sei die Verwarnung als eine sehr milde Bestrafung zu betrachten. Wenn diese Rechtsauffassung wirklich Geltung erhalten sollte, so würde da« für die Angestellten der Krankenkassen zu unabsehbaren Konsequenzen führen. Sie müßten dann stets trotz der größten Ueberlastung alle vorkommenden Arbeiten erledigen, und nicht nur die ihrigen, sondern auch die anderer Angestellten. Die leidige Ueberstundenfrage würde dadurch allerdings für die Kasienbureaus mit einem Schlage gelöst sein. Es ist zu hoffen, daß die Kassenvor- stände, deren sozialer Sinn sich schon so oft bewährt hat, sich diese Auffassung des Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung nicht aneignen. Weihe Salbe. Die zum Schutze der Arbeiterinnen erlassenen Vorschriften, die eine über das gesetzliche Matz hinausgehende Beschäftigung ver- hindern sollen, sind im allgemeinen nurWeiße Salbe". Das Unternehmertum findet mannigfache Mittel und Wege, die Be- stimmungen zu umgehen. Leider kommen ihnen dabei wirtschaftliche Not, Unwissenheit und die Angst der Arbeiterinnen, die von einem nicht willfährigen Verhalten den Verlust der Arbeitsstelle oder sonstige Schädigung befürchten, hilfreich entgegen. Daß die Be- stimmungen vielfach nur für die Katz sind, bestätigt das Ergebnis der von den Gewerbeinspektoren angestellten Untersuchungen über den Umfang der Mitnahme von Arbeit nach Hause. In dem Be- richt für 1311 wird darüber berichtet. Meistens kommen hierbei nur Arbeiterinnen in Frage. Und das Ergebnis ist im großen und ganzen negativ. Die Beamten müssen gestehen, daß sie der Kniffe und Pfiffe der Unternehmer bei der Umgehung der Bestimmungen nicht gewachsen sind. Nicht einmal der Umfang der Mitnahme nach Hause läßt sich feststellen, noch viel weniger inwie- weit dabei gegen die Schutzgesetze verstoßen wird. Vollständig illusorisch wird die Kontrolle durch das nachfolgend umschriebene System, von dem eine'Reihe der Beamten berichten. Den Angaben des Landespolizeibezirkes Berlin   entstammt diese Mitteilung: Eine regelmäßige Mitgabe von Arbeit nach Hause findet in bestimmten Gewerbczweigen, namentlich in der Damenkonfektion, insofern statt, als eine nicht unbeträchtliche Zahl von verheirateten Arbeite- rinnen täglich nur einige Stunden vormittags oder nachmittags in der Betriebsstätte des Arbeitgebers tätig ist und sich den Haupt- teil der Arbeit mit nach Hause nimmt, um nebenher ihren Haus- stand besorgen zu können. Vereinzelt verlangen auch Arbeiterinnen die Mitgabe größerer Mengen von Arbeit mit der Begründung, daß sie bei deren Erledigung von ihren Angehörigen oder anderen Personen unterstützt würden. Hinter der folgenden Meldung scheint sich ebenfalls ein Trick zwecks bewußter Umgehung des Gesetzes zu verbergen. Nach der Mitteilung des Beamten von Stettin   soll es wiederholt� vorgekom- men sein, daß Kunden, deren Wünsche die Unternehmerin nicht in der geforderten Zeit hätte nachkommen können, ihr bedeuteten, daß sie dann den Auftrag dieser oder jener ihrer Putzmacherinnen übergeben würden, die ihn zu Hause ausführen könne. Aus Liegnitz  wird berichtet, die Arbeitgeber hätten sich in den meisten Fällen in der Weise geholfen, daß die früheren Fabrikarbeiterinnen, die zugleich etwas Heimarbeit verrichteten, nun ausschließlich Heim- arbeiterinncn wurden. Beispielsweise sind in einer Wollwaren- fabrik, die zur Zeit 40 Arbeiterinnen beschäftigte, ungefähr 20 Ar- beiterinnen, die früher tagsüber in der Fabrik beschäftigt wurden, nun reine Heimarbeiterinnen geworden.Ob durch das neue Gesetz eine wirkliche Verbesserung der früheren Verhältnisse erzielt worden ist, erscheint hiernach recht fraglich." So bemerkt der Beamte dazu! In Erfurt   ist die Mitgabe von Arbeit nach Hause in zahlreichen Anlagen üblich. Nicht aufgehört hat die Mitnahme von Arbeit für Familienangehörige, wobei die Fabrikarbeiterin die Rolle des Bestellers oder Boten übernimmt. Das Verbot der Mitgabe von Arbeit für Rechnung Dritter wird allgemein so auf- gefaßt, daß der letztgenannte Fall dadurch nicht getroffen werden soll! Die Feststellung, ob die Arbeiterin die mitgenommene Arbeit nicht doch selbst fertigstellt oder bei ihr mithilft, ist in solchen Fällen kaum möglich. Wie man den Schutzbestimmungen Schnipp- chen schlägt, wird im Düsseldorfer   Bericht also geschildert:Tat- sächlich ist beobachtet worden, daß die Arbeiterinnen eines Betriebes sich während der Pause und nach Betriebsschluß aus einem an- deren, auf demselben Grundstück liegenden Betrieb Arbeit zur Mitnahme nach Hause holten. Auch zwei unmittelbar gegenüber- liegende Großbetriebe waren auf den Gedanken eines solchen Aus- tausches ihrer Arbeiterinnen verfallen, ohne daß es indessen zur Ausgabe von Arbeit an die fremden Arbeiterinnen gekommen wäre, wohl infolge des großen Angebots von Heimarbeiterinnen. Nach Angabe des Geschäftsführers eines großen Warenhauses hat dieser mehrfach beobachtet, wie sich Putz- und KonfektionSarbeire- rinnen an den Samstagen nach Schluß der Werkstätten in den Verkaufsräumen aufhielten und den Käufern von Hüten und Klei- dungsstücken die Vornahme unverzüglicher Aenderungen in ihren nahgelegenen Wohnungen anboten. Gleiche Beobachtungen wurden auch gelegentlich von Polizeibeamten gemacht. Zu einer gericht- lichen Klärung der Frage, inwieweit solchen Praktiken eine straf- bare Umgehung des Gesetzes liegt, hat sich bislang noch kein Anlaß geboten." Gesetzwidrige Mitgabe von Arbeit nach Hause wurde in einem größeren Konfektionsbetrieb in Aachen   ermittelt, wo vier Mädchen nach Beendigung ihrer zehnstündigen Arbeitszeit von der Direktrice für mehrere Stunden Hausarbeit mitbekamen, obwohl angeblich der Firmeninhaber dies verboten hatte. Um zu verhin- dern, daß die Geschäftsleitung etwas hiervon erfuhr, wurden die ausgegebenen Sachen auf Namen von männlidjen Arbeitern einge­tragen. Die Hennarbeit erweist sich als das breite Tor, das jede Gesetzlosigkeit auf diesem Gebiete des ArbeiterinnenschutzeS freie Passage gewährt. Es zeigt sich, daß die Redner der Sozialdemokratie gute Propheten waren, als sie bei der Beratung des Heimarbeiter- gesetzes auf die Unzulänglichkeit der von den bürgerlichen Parteien akzeptierten Bestimmungen hinwiesen. Und es klingt wie bitterer, blutiger Hohn, daß angesichts ihrer Ohnmacht gegenüber kapita- listischen Rücken und Tücken die Beamten ihre Hoffnung auf die vielverlästerten Arbeiterorganisationen setzen. Nachdem er darauf hingewiesen, daß die Gewerbeinspektion, in dem Bestreben, den Schutzbestimmungen Geltung zu verschaffen, ziemlich machtlos fei� bemerkt beispielsweise der Beamte von Frankfurt   a. O.: Zuwiderhandlungen werden im allgemeinen wohl nur durch Anzeigen aus Arbeiterkreisen zur Kenntnis der Aufsichtsbeamten gelangen. Angesichts des bedeutsamen Einflusses der Arbeiter- organisationen im Bezirke ist außerdem damit zu rechnen, daß die organisierten Arbeiter die Durchführung dieser Bestimmun- gen hier ebenso scharf überwachen werden, wie das bezüglich an- derer Gesetzesvorschriften schon lange geschah. So wird auch tnohl hier im Wege der Selbsthilfe aus der Arbeiterschaft tum Gesetze gebührende Beachtung verschafft werden." Die Konsequenz dieser Tatsachen und Urteile ist eine ent- sprechende Aenderung der Schutzbestimmungen nach den Forderun- gen der Sozialdemokratie und dazu die offizielle Mitbeteiligung der Arbeiter in der Gewerbeinspektion durch freigewählte Kon- trolleurc aus den eigenen Reihen. Geridrts- Zeitung. Ucbertretung der Arbeiterschutzvorschriften. In den Berliner   Asbestwerken zu Reinickendorf  , wo bei neun- stündiger Arbeitszeit eine dreiviertelstündige Mittagspause galt. war zu Pfingsten 1911 viel zu tun. Es sollte eine Stunde länger gearbeitet werden, also 10 Stunden, ohne daß den Arbeiterinnen eine längere, als die übliche dreiviertelstündige Mittagspause ge- währt wurde. Das geschah denn auch. Am selben Tage nahm ein Gewerberat eine Revision der Fabrik vor, um festzustellen, ob Schutzvorrichtungen vorhanden seien. Der Betriebsleiter Schata- kowsky sprach bei der Gelegenheit mit dem Gewerbeinspektor über die Längerarbeit und fragte, ob eine Stunde länger gearbeitet wer- den dürfe. Der Gewerberat verwies ihn auf den Weg eines schriftlichen Antrags. Darauf fragte©ch., wieviel eS denn kosten könne, wenn man es ohne Genehmigung täte, worauf er die Antwort erhielt, die Richter verhängten gewöhnlich 20 M. Geldstrafe. Nun sagte Sch.:»Na, dann kostet eS ja keine Welt." Der Betriebsleiter Schatakowsky und der Fabrikbesitzer Reinhold wurden später wegen Uebertretung des Z 137 der Gewerbeordnung vom Landgericht zu je 100 M. verurteilt, weil trotz der Länger- beschäftigung(10 Stunden) nur eine dreiviertelstündigc Mittags- pause gewährt worden sei und nicht eine solche von einer Stunde, wie es erforderlich gewesen wäre. Begründend wurde u. a. aus- geführt: Daß der Betriebsleiter Sch. die Absicht gehabt habe, die Schutzvorschrift zu übertreten, stehe zweifellos fest. Aber auch der Fabrikbesitzer Reinhold sei strafrechtlich verantwortlich, und zwar gemäß 8 151 der Gewerbeordnung. Reinhold sei dabeigewesen, als der Betriebsleiter die Unterhaltung mit dem Gewerberad hatte. Aus dem Verhalten des Leiters habe er entnehmen müssen, daß er den Arbeierinnen trotz der auf 10 Stunden verlängerten Arbeitszeit keine längere Mittagspause gewähren würde. In Betracht komme, daß Schatakowsky eine große Nichtachtung dem Beamten und den sozialpolitischen Bestimmungen gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, und daß der Betriebsinhaber Reinhold dies ohne Widerspruch habe hingehen lassen. Das Kammergericht verwarf dieser Tage die gegen dies Urteil von den Angeklagten eingelegte Revision, weil die Vorentscheidung keinen Rechtsirrtum erkennen lasse. Zum Stellenvermittelungsnnwesen. Der Kellnerverein..Altkölln   am Wasser", zu dessen Zwecken auch die Stellenvermittelung gehört, läßt diese durch sein Mit- glied Wilhelm in dem Bureau ausführen, welches sich in einem besonderen Räume der Gastwirtschaft der Frau Wilhelm