teurFe, 5en dies Gesetz bedeukei, TSr 5er Ton,\n dem die Diskussion sich bewegte. Auf die heftigen Angriffe des Abg. M tir x erwiderte der Landwirtschsstsminister Freiherr v. Schorle mer in erregter und gereizter Weise, wobei er sich sogar zu unerhörten Angriffen gegen Mitglieder des Reichstags verstieg. Ihn übertraf Herr v. Kardorff(fk.), der Hüter des guten Tons, der neulich als Berichterstatter der Geschäftsordnungskommission für die Würde des Hauses eintreten zu müssen glaubte. Herr v. Kardorff gefiel sich in persönlichen Angriffen auf den Zentrumsredner, so daß der Präsident sich zum Einschreiten veranlaßt sah. Mit gutem Humor konnte deshalb Genosse B o r ch a r d t, der sich namens der Sozialdemokraten gegen die Vorlage wandte und den Landwirtschaftsminister in die Schranken wies, den Herren vor Augen führen, wie toll sie es treiben und wie wenig gerade sie berechtigt sind, in sittlicher Entrüstung über an- geblich das Haus verletzendes Benehmen zu machen. Der Hieb hat gesessen, die Mehrheit wagte nicht mehr, zu er- widern. Die Abstimmung ergab keine Ueberraschung. Zentrum, Polen , Sozialdemokraten. Dänen und Fortschrittler stimmten gegen, die konservativ-nationalliberale Mehrheit für das Gesetz. Mit dem gleichen Verhältnis wurde ein Antrag des Zentrums abgelehnt, über die Vorlage, weil sie eine Aende- rung der Verfassung bedeutet, nach 21 Tagen wiederholt ab- zustimmen. Die Mehrheit dekretiert einfach, daß keine Ver- fassungsänderung vorliegt und damit basta. Auch bei der dritten Lesung des Gesetzentwurfes gegen Arbeitsscheue und säumige Nährpflichtige legte die Mehrheit Proben ihrer guten Kinderstube ab. Nicht zufrieden damit, daß sie L i e b k n e ch t bei seiner vernichten» den Kritik fortgesetzt durch Zwischenrufe unterbrach, erlaubte sich Herr K r e t h, unserem Genossen das Wort:„Sie sind ein ganz unverschämter Kerl!" ins Gesicht zu schleudern. Selbst wenn Liebknecht irgendeine Beleidigung ausgesprochen hätte, wäre Herr K r e t h nicht berechtigt zu solcher Aeußerung. Wahrscheinlich fühlte er, nachdem er die ganze Session nicht im Hause gewesen ist, das Bedürfnis, sich einmal bemerkbar zu machen, und dazu wählte er die Form, die seiner ganzen Veranlagung am besten entspricht. Das Gesetz selbst wurde gegen die Stimmen der Sozial- demokraten. Fortschrittler. Polen und eines Teils der Nationalliberalen angenommen. Erst am 7. Juni wird das Haus zur Beratung von Initiativanträgen, Petitionen und etwa vom Herrenhause zurückkommender Gesetze wieder zusammentreten. Am 8. Juni wird es sich dann bis zum 22. Oktober vertagen. Dem An- trage der Regierung aus Vertagung hat es bereits zugestimmt. Patriotismus und Portemonnaie. Weil die Leitung der Lokomotivfabrik in Grafenstaden nicht mit der vorschriftsmäßigen preußisch-patriotischen Gesinnung pa- radiert, waren die Prozenstnationalen in Extase geraten. Die „Rheinisch-Westfälische Zeitung", die„Post" e tutti quanti schlugen die patriotische Pauke. Die Eisenbahnverwaltung dürfe Lokomo- tiven nur bei solchen Fabriken bestellen, wo vom ersten AufsichtSrat bis zum letzten Lohnarbeiter jeder echt teutonisch empfände. Ist däs nicht imponierend? Nein, cS ist lächerlich! Wo ist die' Fabrik, deren Angestellte und Arbeiter alle dem übergeschnappten Haka- tiSmus huldigen? Die notwendige Nutzanwendung aus jener Folge- rung wäre z. B. auch, dem Stahlwerksverbande keine Staatsauf- träge zu erteilen. Die Lärmpatrioten sollen nur mal die Mit- gliederltsten dcS Stahlwerksverbandes durchsehen, lind wie steht eS denn mit dem Patriotismus der Subventionäre der„Post" und Geschwister? Verkauft denn nicht Krupp die allerbesten Panzer- platten und Kanonen oder die Lizenz zu deren Anfertigung an alle Staaten? Oder kollidiert das nicht mit dem Patriotis- muS, weil es Geld bringt und weil das teueie Vaterland höhere Preise anlegen muß als das Ausland! Ebenso albern, wie die erwähnte patriotische EntrüstungS- koiyödie. ist eine andere von denselben Preßorganen inszenierte. Der Genosse NoSke hat in seiner Eigenschaft als Korreferent zu den Flottenfordcrungen die Besichtigung eines Unterseebootes vor- genommen. Darob heilige Entrüstung! Es sei unerhört, einem Sozialdemokraten Einblick in intime militärische Geheimnisse nehmen zu lasten. Die Eigenschaften der Portemonnaiepatrioten reizen wirklich nicht dazu, sich über die nichtswürdige Verdächti- gung, die man mit dem Hinweis auf militärische Geheimnisssse be» absichtigt, aufzuregen. Man kann nur Ekel empfinden. Versöhnend wirkt dabei nur die Abgeschmacktheit, die in solchen«uslassungen zum Vorschein kommt. Die besten Dreher, Schlosser, Monteure in der Kricgsmaterialienindustric, ebenso die besten Soldaten bei der Marine und Artillerie sind Sozialdemokraten, denen kaum ein militärisches Geheimnis verborgen bleibt. Die Arbeiter bei Krupp kennen mehr militärische Geheimnisse, als sich die Sachver- standigen der„Post" träumen lassen. Aber noch niemals hat man gehört, daß ein Sozialdemokrat die Kenntnis solcher Dinge zu seinem persönlichen Vorteil verwendet hätte. Solches Handwerk überläßt man gern den Elementen, deren Gesinnung genau auf demselben Holze wächst, wie die der Portemonnaiepatrioten, die mit ihrem Nationalismus auf Kosten des Volkes lukrative Ge- fchofte machen. Parlamentarische Znchthansschwarmer. Die konservative Reichstagsfraktion hat den dreisten Ver- such unternommen, ein Votum des Reichstags für ein neues Zuchthausgcsetz herbeizuführen. Mit 273 gegen 62 Stimmen hat der Reichstag am Mittwoch in namentlicher Abstimmung diesen Vorstoß abgewiesen. Verschiedenen Scharfmachern war es bei dieser Aktion anscheinend selbst glicht ganz geheuer, denn sie versuchten nnter der Hand, die Sozialdemokraten zu bewegen, den Antrag auf namentliche Abstimmung zurück- zuziehen. Ein Versuch, der fehlschlagen mußte. Durch die namentliche Abstimmung mußten die Herrschaften Farbe be- kennen und ihre Namen verdienen der breitesten Oeffentlich- keit nicht vorenthalten zu werden. Wir lassen sie nachstehend folgen: Dr Arendt, Arnstadt . Dr. Bärwinkel(natl), Bartling lnatl.). Dr. Becker(natl.), v. Böhlendorff-Kölpin. Dr. Böttger (natl.), v. Bolko, v. Bonin. v. Brederlow. v. Brockhausen, Graf v. Carmer-Osten, Graf v. Carmer-Zieserwitz� Dietrich, Frommer, Graf v. Galen(Z.). Freiherr v. Gamp-Massaunen. Dr. Giese, Gräfe, v. Halem-Schwetz. Dr. Hegenscheidt. Hefter- mann(Bauernbund). Dr. v. Heydebrand, Hoesch, Jrl-Erding, Kleye(natl.), Kreth, v. Kröcher. Löscher. Malkewitz, v. Massow, Mertin, Meyer-Celle(natl.), Meyer-Kreuzburg, v. Michaelis, Nehbel, Niederlöhner. v. Normann, Dr. Oertel. v. Oertzen, Reck-Lyck, Ritter, Rother. RuPP. Schultz-Bromberg , Dr. Graf v. Schwerin, Siebenbürger , Strack(natl.), Dr. v. Veit, Vogt- Eroilsheim. Vogt-Hall. Warmuth(wild). Weilnböck. Werner- Hersfeld(Antis.), Graf v. Westarp, Will, v. Winterseldt, Vitt, Wittum(natl.). Zimmermann(natl.). Neun Nationalliberale— kvir tvieder�oleft— die Abgg. Dr. Bärwinkel, Bartling. Dr. Becker, Dr. Böttger, Kleye, Meyer-Celle, Strack, Wittum und Zimmermann leisteten den zuchthausgesetzlüsternen Junkern und Schnapsbrennern Ge- folgschaft. Sollten sie zu den 43 gehören, die mit dem Gelde des Zentralverbandes der Industriellen gewählt worden sind? Zu ihnen gesellten sich die feudalen Zentrumsherren Graf Galen und Freiherr v. Kerckerinck zur Borg, denen sich der fanatische Zünftler Irl anschloß. Was sagen die Führer der katholischen Arbeiter, die Giesberts, Becker- Arnsberg, Schiffer usw. zu den Bestrebungen ihrer Fraktionskollegen? Die Arbeiterschaft wird sich die Namen der 62 Zuchthausschwärmer einprägen müssen, um ihnen zu gegebener Zeit die richtige Antwort geben zu können! Eine sozialpolitische Debatte gab eS am Mittwochabend in der Hamburger Bürgerschaft bei Beratung eines Senatsantrages, die Versicherung der Staatsar- beiter betreffend. Genosse Stalten wies bei dieser Gelegenheit mit eindringlichen Worten darauf hin, wie verschieden der Ham- burger Staat seine Beamten und seine Arbeiter und Angestellten behandelt. Während Hamburg für die Pensionen der Beamten 3Z4 Millionen Mark aufwendet, zahlt der Staat für die cvheblich S rohere Zahl seiner Angestellten lediglich pro Jahr 400 000 M. uschuß in deren Versicherungskasse. Ein Beamter hat, ohne daß er irgend welche Beiträge zahlt, schon nach zehnjähriger Dienstzeit einen Pensionsanspruch im Betrage von 40 Proz. seines Gehalts, während es ein Staatsarbeiter nach 34jähriger Beitragszahlung auf ganze 452 M. Rente pro Jahr bringt! Genosse Stolten machte demgegenüber geltend, daß es erforderlich sei, die Versicherung der Staatsarbeiter auf eine andere Grundlage zu stellen und ferner mit Rücksicht auf die durchaus ungenügenden Leistungen der Reichsversicherung eine Hinterbliebenenversorgung einzu- führen. Die reakttonären Größen Hamburgs wollen davon aller- dings nichts wissen und einer ihrer Wortführer bemerkte unter dem lebhaften Beifall der überwiegenden Mehrheit der ,.Volks"ver- tretung, daß Hamburg das„Wettrennen um die Gunst der Arbeiter" auf dem Gebiete der Sozialpolitik nicht mit- machen solle. Die StaatSarbeiter werden sich das für die im nächsten Jahre stattfindenden Bürgerschaftswahlen merken. Zwei Mitglieder des Abgeordnetenhauses verstorben. Der Landgerichtsrat Peltasohn, der freisinnige Abgeordnete für den Landtagswahlkreis Mogilno , ist im Alter von 63 Jahren ver- starben. Peltasohn hat im Dreiklassenparlament keine herbor- ragende Rolle gespielt, war jedoch ein fleißiger Mtarheiter in den Kommissionen, und seinem ganzen parlamentarischen und persöir« lichen Austreten nach eine sympathische Erscheinung. Der zweite der verstorbenen Dreiklassenparlamentarier ist der kon- servative Abgeordnete Firzlaff, der den Wahlkreis Kolberg-Köslin, gleichfalls seit dem Jahre 1838 im Abgeordnetenhause vertrat. In der politischen Vertretung der beiden erledigten Mandate dürfte keine Veränderung eintreten._ Die Strastbnrger Kaiserdrohung in englischer Beleuchtung. Man schreibt unS auS London : Daß das Land, das den süd- afrikanischen Burenrepubliken fast unmittelbar nach einem ver- nichtenden Kriege die uneingeschränkteste Selbstverwaltung gegeben hat und dabei so vorzüglich auf seine Rechnung gekommen ist, die Scherbenrede deS Kaisers und ihre Verteidigung durch den Reichskanzler mit Verwunderung und Kopfschütteln empfängt, war ja nur zu erwarten. In manchen jingoistischen Kommentaren findet sich auch eine versteckte Genugtuung darüber, daß ein„Feind", der so bündig zeigt, daß er nichts gelernt und nichts vergessen, wohl nicht so gefährlich sein kann. Bemerkenswert ist der Kommentar im heutigen Leitartikel der „Times". Das unionistische Blatt kann es sich natürlich nicht ver« sagen, auS dem„Zusammenbruch" der elsatz-lothringischen Wer- fassungSreform ei» Argument gegen die irische Homerule zu schmieden, macht aber sonst einige beachtenswerte Bemerkungen. ES schreibt:„Aber die kaiserliche Drohung und ihre DiSlutierung find vielleicht noch lehrreicher als Beispiele für den großen Unter« schied zwischen der deutschen und der britischen Auffassung von der richtigen Funktion der Re- gierung in inneren Angelegenheiten. Die Eisen- bahnbehörden Preußens und des Reichs pflegten, wie es scheint, einer Firma in Gravenstaden in den Reichs- landen große Kontralte zu geben. Einer der Di- rektoren dieser Firma, Herr Heyler, soll ein.Deutschenfeind' sein und französische Sympathien propagieren. ES ist anzunehmen, daß er kein Gesetz verletzt hat, denn sonst würde die Regierung ihn ver- folgt haben. Sie hat aber angekündigt, daß sie die Kontrakte der Firma entziehen wird, wenn er nicht entlassen wird. Der Reichs- kanzler sagt, daß sie auf seiner Entlassung bestehen müsse, und daß er nicht begreift, wie irgend jemand ihm daraus einen Vorwurf machen könne. Diese Haltung wird niemand überraschen, der mit der deutschen Auffassung über die Beziehungen zwischen dem Staat und seinen Lieferanten bekannt ist. Sie ist ein Teil von der größeren deutschen Auffassung von den Beziehungen, die zwischen Politik und Wirtschaft bestehen sollen, eine Auffassung, für die sich im Abstrakten vieles sagen läßt. Aber die bloßen Tatsachen dieses Falles, wie sie vom Reichskanzler selber be- schrieben wurden, legt bloß, welch weiter und tiefer Abgrund zwischen dieser Auffassung und der britischen Auffassung besteht. UnS Engländern ist es undenkbar, daß die politischen Ansichten deS Direktors einer Gesellschaft irgend welchen Einfluß auf die Vergebung vonRegierungskontrakten ausüben könnte, und noch weniger denkbar, daß eine Regierung jene Kontrakte als eine Waffe benützen könnte, um ihn seiner Stellung berauben. Solche Handlungen würden wir als völlig unvereinbar mit unseren Ideen von politischer Unabhängigkeit und per- sönlicher Freiheit betrachten." Daß sich die deutsche Regierung diese Worte ausgerechnet von dem führenden Organ der herrschenden Klassen und bet Klassenherrschaft in England ins Stammbuch schreiben lassen mutz, ist gewiß nicht sehr schmeichelhaft. Noch schlimmer ist, daß die„TimeS" durch- aus die Wahrheit sagen._ Keine Fahrpreisermästignug für die Arbeiterjugend. Nach einer Verfügung des preußischen Eiscnbahnministers soll sich die Eisenbahnverivaltung auch für die Jugendfürsorge verwen- den, indem Jugcndvereincn bei Ausflügen Fahrpreisermäßigung gewährt wird. Der Leiter der Magdeburger Arbeiterjugend bean- kragte nun auf Grund der Verfügung des Ministers die Preis- .ermäßigung für eine Pfingstfahrt. Die Eisenbahndirektion lehnte d-s Gesuch ab mit folgender Begründung: „Nach den Tarifbestimmungen(Zus.-Best. deS Eisb. Pers. u. Gep. T. T. l.§ 12) wird nur den Jugendabteilungen von b e- st i m ni t e n Turnvereinen Fahrpreisermäßigung bei Aus- slügen gewährt. Wir bedauern daher, Ihrem Antrag nicht ent- sprechen zu können."„ Nun bekommen bekanntlich nicht nur die Jugendabteuungen von bestimmten Turnvereinen, sondern auch destimmte andere JugendberemgünM FahMelSekmäßiguKg. Gefliwmketi Jugendlichen will man also die Wanderfahrten durch die Gaue ihres Vaterlandes erschweren. Also auch die Eisenbahnverwaltung bringt der Jugend durch solch unübertrefflichen Anschauungsunter- richt bei, daß es zweierlei Recht in Preußen-Deutschland gibt. Die große Säge. Die soeben erschienene Rangliste der preußische:? und ivürttem- bergischen Armee— ein dickleibiges Buch— kann nicht gerade darauf Anspruch erheben, ein unterhaltendes Werk zu sein, aber sie verdient die weitgehendste Beachtung der Steuerzahler. Nach� der neuesten Ausgabe wurden, im Jahre 1311 pensioniert: je ein Gene- ral der Infanterie, der Kavallerie und der Artillerie; 31 General- leutnants und 43 Generalmajore, das sind also ineinemJahre 83 Generäle. Rechnet man für jeden dieser Generäle im Durch- schnitt nur 10000 M. Pension, so bedeutet das eine Pension Äast von 830 000 M. Dazu kommen dann noch 43 Obersten, 32 Oberst- leutnants und III Majore, macht zusammen 132 Stabsoffiziere. Ohne Zweifel werden sich viele dieser Herren einer recht robusten Gesundheit erfteuen, allein, nach militärischen Begriffen sind sie nicht mehr— felddienstfähig. Diese haufenweise Penifio- nierung hängt mit dem System zusammen, das einen Frontoffizier nicht mehr im Heere duldet, wenn angenommen wird, er fei zur Beförderung in die nächsthöhere Charge nicht geeignet. Das Reich würds enorme Summen sparen, wenn man einen nicht zuv Be- förderung geeigneten Offizier in seiner seitherigen Stellung he- ließe, bis er wirklich untauglich wird. frankreicd. Die Wahl des Kammerpräs, dentett. Paris , 23. Mar. Bei der Wahl des Kammerpräsidenken entfielen im ersten Wahlgange auf Deschanel 216, auf Etienne 138, auf Cochery 98 und auf den Sozialisten V a i l l a n t 67 Stimmen. Zersplittert waren 23 Stimmen. Es findet Stichwahl statt. Im zweiten Wahlgange wurden 626 Stimmen abgegeben. Auf Deschanel vereinigten sich 292 Stimmen, während der Gegenkandidat Etienne 268 Stimmen erhielt. Des- chanel ist mithin zum Kammerpräsidenten gewählt. 26 Stimmen waren ungültig. Für Deschanel stimmten auch die Sozialdemo kratßy. dS er Un- Hänger des Proportionalwahlrechts ist. Englanck. London . 23. Mai. Die Transportarbeiter häben den Generalstreik erklärt. Gegen die Verurteilung Tom Mann». AuS London wird uns geschrieben: Schon lange hat der Londoner Trafalgar Square keine so große eindrucksvolle Demonstration gesehen, wie gestern. Ueber 10 000 Arbeiter waren zusammengeströmt, um gegen die Verurteilung von Tom Mann und seiner antimilitaristischen Genossen zu pro- testteren; eine große Anzahl von Gewerkschaften und sozialistischen Organisationen marschierten mit ihren Bannern und Auffchriften auf. Ein sehr großes Kontingent, zum großen Teil aus Dock- arbeitern und Seeleuten bestehend, kam aus dem Ostende , vsn London . Von drei Seiten der Nelsönsäule herab wurden Reden gehalten. Zu den bekannten Rednern gehörten die Abgeordneten Lansbürh, Keir Hardie , O'Gradh und Clhnes; ferner Anderson, der Präsident der(j. L. P., und Sanders, der Sekretär der Fabia- ntschen Gesellschaft. �Lansbury nahm die Gelegenheit wahr, um abermals feine vollständige Zustimmung zu dem inkriminierten Aufruf zu beteuern und rief seinerseits die Soldaten auf, das Schießen auf streikende Arbeiter zu verweigern. Das gleiche tat K e i r H a r d i e, der die politische Indifferenz der Arbeiter geißelte, die sich von den Liberalen und Konservativen, die nicht zwei Par- teien, sondern nur zwei Abteilungen einer einzige« Partei sind, betören lassen. Auch in mehreren Provinzstädten wurden große Protestver» sammlungen abgehalten, in denen auch gegen die Verurteilung der Miß Ma lecka in Rußland und die Untätigkeit Sir Edward GrchS Protest erhoben wurde. Für die Behandlung Tom Manns wird die Regierung bei den nächsten Wahlen ganz gewiß schwer zu büßen haben, und sie wäre ohne Zweifel froh, wenn sie einen plausiblen Vorwand hätte, ihn„ohne Verlust an Würde" freizusetzen. Dem- gegenüber wird aber auch glaubhaft behauptet, daß eS der Re- gierung daran gelegen ist, Tom Manu während des SommerS, wo große Streikbewegungen der Transportarbeiter zu erwarten sind, hinter Schloß und Riegel zu haben. MroKKo. Die Lage in Fez wird ernster. Paris , 23. Mai. Aus Fez wird dem..Matin" mittels Funkentelegramm vom 20. Mai gemeldet: Der Kundschafter- dienst signalisiert eine allgemeine Verschlimme- rung der Lage. Die Stämme versammeln sich und schicken sich an, gegen Fez zu marschieren. Die notgedrungene Untätigkeit der Franzosen wird als ein Zeichen der Schwäche ausgelegt. Die etwa 16 Kilometer von Fez lagernden HarkaS werden immer verwegener und geben die Absicht kund, alle Stämme auszuplündern, die sich ihnen nicht anschließen wollen. Die von den Aufrührern bedrängten Med Ujama wandten sich an die Franzosen um Hilfe, die ihnen jedoch aus Mangel an Truppen nicht gewährt werden konnte. Ein An- griff auf Fez scheint unmittelbar bevorzustchen. Zahlreiche Personen, die eine Belagerung befürchten, verließen bereits die Stadt. Am 19. Mai wagten sich einzelne Aufrührer bis in die Gärten unterhalb der Stadtmauer und gaben von dort mehrere Flintenschüsse ab. Die Lage ist so, daß man die Hinrichtung der vom Kriegsgericht verurteilten 16 Meuterer verschoben hat, aus Furcht, daß hierdurch Ruhestörungen ver- ursacht werden könnten. Paris , 23. Mai. Die Regierung hat im Laufe der letzten Tage mehrere Radiotelegramme von General Louis, General Moiuier und dem Gesandten Regnault erhalten, die vermuten lassen, daß die Absendung weiterer Truppen- Verstärkungen dringend erforderlich ist. Bekanntlich sind vor nicht allzu.langer Zeit bereits 4666 Mann zur Ergänzung nach dem westlichen Marokko ab- gegangen._ Die Kämpfe im Mulujagebiet« Paris , 23. Mai.„Journal" meldet aus Udschda: Am 19. d. M. operierte die Kolonne des Generals Girandon in der Nähe von Fritissa. Sie wurde von einem Teile der Harka in der Gegend des Mulujaflusses angegriffen. Nach zweistündigem Kampfe wurden die Eingeborenen zurück- geschlagen. Die französischen Truppen wurden durch Artilleriefeuer wirksam unterstützt. Auf französischer Seite fielen 16 Legionäre und ein algerischer Schütze.
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