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2.An den Reichstag eine Eingabe zu richten und die sozial- demokratische ReichStagssraktion zu ersuchen, auf die Susdehnung deS§ 139f der Gewerbeordnung auf das Friseurgewerbe hinzw wirken.' S.Den Reichstag zu ersuchen, daß bei SonntagSarbeit, gleich viel von welcher Dauer, als Ersatz ein gesetzlicher Ruhetag in der Woche zu gewähren ist, bis zur Einführung der gesetzlichen Sonntagsruhe.' Eine Reihe von Anträgen wurden dem Borstande zur Berüdh fichtigung überwiesen. Die meisten sind rein geschäftlicher Art. Von allgemeinerem Interesse sind die folgenden: Es ist unbedingt notwendig, daß die Zweigvereine die Agitation unter de» Damenfriseuren. Pcrückenmachern und Friseuren sowie den Haararbeitern und-Arbeiterinnen mehr als bisher betreiben. Wc die statutarischen Bedingungen erfüllt sind, sind Sektionen zu bilden, welche die Agitation in Verbindung mit der Ortsverwaltung be- treiben. In den übrigen Orten hat die Agitationskommission oder der Vorstand die Agitation zu leiten.' Die Lehrlingsfrage' ist mehr als bisher zu verfolgen. Zu diesem Zweck sind in jeder größeren Stadt Kommissionen zu bilden/ ES ist ei» FondS zu schaffen, um den Sektionen die zur Abhal tung von Fachkursen und Demonstrationsabenden erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.' Die Angestellten sind so zu stellen, daß sie nicht gezwungen find, Aushilfsarbeit zu verrichten." Der nun folgende Punkt der Tagesordnung betraf die Arbeitsver Mittelung im Friseurgewerbe. Der Referent W e r m k e- Berlin und eine Anzahl Diskussionsredner be schäftigten sich sehr eingehend mit diesem Thema. Man stimmte darin überein. daß die Arbeitsvermittelung des Verbandes verhältnismäßig gering sei und wenig Einfluß auf den Arbeitsmarkt habe. Es müsse deshalb mit Nachdruck nach einer Erweiterung der Arbeitsvermittelung durch den Ver> band gestrebt werden. Etzkorn verwies darauf, daß der Ber� band nur zu tarifmäßigen Bedingungen vermittelt. Das sei die Ursache, weshalb die Arbeitsvermittelung des Verbandes auf einen kleinen Kreis beschränkt bleibe, denn die Tarifmeister beschäftigen meistens nur Aushilfskräfte. ES sei zu erwägen, ob der Verband nicht von der Bedingung, nur zu den Forderungen deS Tarifs zu vermitteln, absehen solle. Besetzt würden ja die tarifmäßigen Stellen doch. Wenn es durch den Nachweis des Verbandes geschähe, dann könnte er doch in solchen Fällen auf Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen hinwirken und einen größeren Einfluß auf dem ArbertSmarkt bekommen. A l w i n K ö r st e n, der als Vertreter der Berliner Gewerkschaftskonimission dem Verbandstage bei- wohnte, führte hierzu auS: Der eigene Arbeitsnachweis der Organisation sei ja daS beste, vorausgesetzt, daß man ihm Einfluß verschaffen könne. Wo daS nicht der Fall sei, sei der paritätische Arbritsnachiveis vorzuziehen, weil er die Gesamtheit der Arbeitgeber zur Benutzung des Nachweises zwinge und dadurch die organisierten Arbeiter in die Lage fetze, ihren Einfluß zur Ver- besierung der Arbeitsbedingungen in weiteren Kreisen geltend zu machen. Da die Gesetzgebung in absehbarer Zeit den paritätischen Arbeitsnachweis nicht bringen werde, so müsse versucht werden, die Arbeitgeber für die Errichtung paritätischer Nachweise zu gewinnen. Von anderer Seite wurde betont, daß sich paritätische Arbeitsnach- weise in gewissen Fällen nicht als im Jnterefle der Arbeiter liegend erwiesen hätten. Es sei deshalb am besten, dem Arbeitsnachweis des Verbandes dadurch größeren Einfluß zu verschaffen, daß man für die Stärkung der Organisation agitiere. Folgende vom Referenten empfohlene Resolution wurde an- genommen: «Der Verbandstag erklärt es als notwendig, daß die Mitglied- schaften, um sich größeren Einfluß auf den Arbeitsmarkt zu ver- schaffen, überall da, wo die Arbeitsvermittelung nicht durch paritätische oder kommnnale Arbeitsnachweise in befriedigender Weise erfolgt, etgene Arbeitsnachweise zu unterhallen haben. An Orten, wo im Friseurgewerbe gewerbsmäßige Arbeitsvermittelung betrieben wird, ist auf strenge Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen dvtkch die Vermittler zu achten und gegen jedwede Verstöße derselben energisch vorzugehen. Der Inseratenteil des Verbandsorgans ist zu Arbeitsangeboten, denen die Arbeitsbedingungen beigefügt find, unter Regie der Verbandsleitung bereit zu stellen.' sichtsinstanzen anzurufen, im Blatte selbst nicht gegeneinander pale- nnsieren sollen. Damit war nicht gesagt, daß den Mitgliedern der sonst einheit- lichenVorwärtS'redaktioi� obne vorherige Anrufung der Aufsichts- jnstanzen, das Recht derFlucht in die Oeffentlichkeit', also in andere Blätter, zuerkannt würde. Die Preßkommission legtdeshalb ausdrücklich Verwahrung gegen das die Auf sichtsinstanzen sowie denVorwärts' selbst diskreditierende Verhalten des Genossen S t r ö b e l ein. Sie konstatiert ihrerseits die Tatsache, daß die Redaktion derLeipziger Volkszeitung' wohlzur Wahrung der Meinungsfreiheit in der Partei' dem Genossen Ströbel ihre Spalten zu seinerFlucht in die Oeffentlichkeit' überließ, eine Entgegnung des Angegriffenen aber ablehnte. Die Preßkommission. Der Göppiiiger Kandidatenstreit. Zu der gestern mitgeteilten Kundgebung des württembergischen Landesvorstandes bemerkt der Göppinger KreiSauSschutz Auf diese Erklärung des Landesvorstandes haben wir zu er- widern: Die statutarischen Zweifel deS Landesvorstandes gegen die Art der Aufstellung des Kandidaten halten wir für nicht stich- baltig und werden darum beim Landesvorstand die Anerkennung der Kandidatur beantragen, obwohl wir das für unnötig hielten an- gesilbts der Anwesenheit eines Vertreters des Landesvorstandes bei der Aufstellung der Kandidatur. Was den Disziplinbruch Brückners anbetrifft, der vom Landesvorstand aufs entschiedenste verurteilt und mißbilligt wird, so ist es die Sache der Göppinger Parteiorganisation, die das Aus schlußverfahren gegen Brückner beantragt hat, Stellung zu nehmen zu der Art wie der Landesvorstand mildernde Umstände für den Disziplinbruch sucht.'_ Vertagung deS italienischen Parteitages. Rom , 28. Mai. (Eig. Ber.) Der italienische Parteivorstand hat eS für richtig befunden, den Parteitag von Reggio , der vom 29. Juni bis zum 2. Juli stattfinden sollte, auf die Zeit vom 7. bis 10. Juli zu vertagen. Als Grund dafür wird angegeben, daß Ende Juni sie Erntearbeiten die Arbeiter verhindern würden, an der Massen demonstratio» teilzunehmen, mit der man den Kongreß einweihen will. Ob diese Demonstration so wichtig war, daß man darum den Parteitag, der in einer der heißesten Städte Italiens zusammentritt, bis in die heißeste Zeit verschieben mußte, mag dahingestellt bleiben. Gleichzeitig mit der Vertagung gibt der Parteivorstand die Tagesordnung bekannt. Nach den Berichten des Parteivorstandes, der Fraktion und des.Avanti' wird über dasProgramm und die Taktik der Partei bei den nächsten Wahlen" verhandelt. Referenten ind die Genossen Berenini sRechtsreformist), L e r d a i Revolutionär) und Modigliani (Linksreformist). Es folgt dann die Abänderung des Organisationsstatuts, über die B i d o l l i referiert, und die Wahl des Partcivorstandes und des Chefredakteurs deSAvanti". Befremdend ist, daß für die Delegiertenwahl zuin Parteitag festgesetzt wird, daß auf Antrag eines Fünftels der der Zerfammlung beiwohnenden Genosien die Wahl mrt geheimer Ab- 'timmung stattfinden soll, wobei die Stimmzettel auch an zwei nächstfolgenden Abenden abgegeben werden können. Es ist das eine ganz neue Prozedur, die eigentlich die öffentliche Diskussion unnötig macht und den Stimmen derer Gewicht verleiht, die sich in der Regel in den Versammlungen gar nicht blicken lasten. Em der Partei. Eine Flucht in die Oeffentlichkeit". Unter diesem Titel veröffentlichte am 10. Mai der Genoste H. Ströbel in derLeipziger Volkszeitung' einen Artikel. in welche», er die Behauptung aufstellt,daß derVorwärts' für alle Diskussionen, die sich auf künstlerische Fragen beziehen, gesperrt" sei und daß er zur. B e- seitigung einer nachgerade unerträglichen Kala- mität" die Oeffentlichkeit anrufen müsse. Dazu sei er UM so mehr gezwungen, als eine»Preßkommission, d i e ü b e r» wiegend aus nur politisch Interessierten und Geschulten zusammengesetzt ist',die volle Trag» weite und totale UnHaltbarkeit des anrVor wärtS' herrschenden Zu st andes nicht voll erfaßt und womöglich an ein Literatengezänk glaubt, wo eS sich doch um wichtig st e geistige LebenS- interessen der Partei handelt.Gerade des- halb", schreibt er.begnüge ich mich auch nicht mit dem üblichen Jnstanzenzug, sondern appelliere an daß demokratische Gefühl, d a S künstlerische Interesse der breitesten Partei- öffentlichkeit.' Die Veranlassung zu diesem Vorgehen StröbelS war folgende: ImErgänzungsheft' zurNeuen Zeit' Nr. 12, erschienen im April 1912. wurde an eine vor etwa 1'/, Jahren im Feuilleton deS.Vorwärts' gepflogene kunsttheoretische Debatte erinnert, die sich an einige Artikel deS Genosten Heinz Sperber knüpfte, besten Stellungnahme der Genosse Mehring jetzt als.Unfug' be- zeichnete. Hierauf antwortete der Redakteur des Feuilletons Genoste Döschec im.Vorwärts", daß Sperber sich niemals, sowie Mehring behaupte, in einerPropaganda der Aesthetik der schwieligen Faust" betätigt habe, die in dem Satze gipfele:Was den Arbeiter- mosten nicht gefiele, hätte keinen ästhetischen Wert". Gegen diese Antwort Döschers brachte der Genosse Ströbel eine Erwiderung, die vom Genossen Döscher abgelehnt wurde,.weil er eine vor 1>/z Jahren erledigte Debatte nicht aufs neue eröffnen wolle'. Ohne gegen dies Verhalten DöscherS bei den SufsichtSin stanzen, dem Parteivorstand und der Preßkommission, Einspruch zu erheben, veröffentlichte ber Genoste Ströbel nunmehr in derLeipziger VolkSztg.' nicht seine von Döscher abgelehnte Erwiderung, sondern jenen Artikelj: Eine Flucht an die Oeffentlichkeit'. Zu diesen, eigenartigen Vorgehen nahm die Preßkommission in ihrer Sitzung vom 29. Mai in folgender Erklärung Stellung: Erklärung: Die Preßkommission nimmt Kenntnis von dem Artikel des Be« nosten Ströbel in derLeipziger BolkSzeitung" vom 19. Mai 1912: Eine Flucht in die Oeffentlichkeit'. in Sachen seiner Differenz mit dem Genossen Döscher. Sie erklärt, daß für den Genossen Ströbel nach dem ganzen Verhalten der Auffichtsinstanzen deS.Vorwärts' keinerlei Veranlassung zu einem Vorgehen so sensationeller Art vorlag. Die Kommission hat in einem analogem Falle, im Einverständnis mit der Redaktion, einschließlich deS Genossen Ströbel, dahin entschieden, daß die Redakteure desVorwärts", ohne den Entscheid der Auf- nähme geführt werden. Gelingt eS nicht, ein langfristiges Syndikat zustande zu bringen, dem alle Werke angehören, dann wird der freie Kampf unvern, eidlich sein. Den Schaden werden stärker, als die jetzigen Syndikatsmitglieder die neuen, zum Teil mit Kapital stark belasteten Werke zu tragen haben, da diese noch nicht über eine treue Kundschaft und finanzielle Rücklageu verfügen". Nebcr die Verlegung der BorwärtS-Dnickerei berichtet unser Stettiner Parteiblatt in einer Form, die die Meinung aufkommen läßt, als ob die Verlegung des Vorwärts-Unternehmens nach Linden- trotze 3 schon jetzt erfolgen werde. Dem gegenüber sei mitgeteilt, daß die Uebersiedelung erst später, auf leinen Fall in diesem Jahre vor fich gehen wird. polireillches, Ocrfcbttlches ulw. Außer Verfolgung gesetzt wurde Genost« SdolfGeck. Er war der Beleidigung des Haupt- mann? Venus vom Jnfantcrie-Regiments Nr. 170 angeklagt, wegen der Wiedergabe einesDienstzettels' für einen OffizierSburichen, der allerlei höchst unmilitärische Obliegenheiten enthielt. Ein Name war nicht genannt. Die Staatsanwaltschaft Offenburg suchte im Spätjahre 1911 um Genehmigung zur Einleitung des Straf- Verfahrens gegen Geck beim Reichstage nach. Nach Schluß des Reichstages wurde Geck verschiedene Male vor dem Gericht ver- nonimen und er erbot fich, den Wahrheitsbeweis für die Existenz de« Dienstzettels anzutreten. Nun stellte, wie gemeldet, die Staats- anwaltschast das Ermittelungsverfahren gegen den Genosten Geck ein. Hud Industrie und Handel Mitteldeutsches Braunkohlen-Syndikat. Daß die moderne Syndikatsbildung auch die Arbeiter der shndi> zierten Werke in Mitleidenschaft zieht und bei Streiks ihre Lage erheblich verschlechtert, dafür liefert der letzte Geschäftsbericht des Mitteldeutschen Braunkohlen-SyndikatS eine neue Bestätigung. Es heißt darin:DaS wichtigste Ereignis deS abgelaufenen Geschäfts jahres war der in die ersten fünf Monate fallende 14 wöchige Streik der vereinigten Bergarbeiter-Berbäude im mitteldeutschen Braun- kohlen-Bezirke, der auf manchem unserer Werke eine gänzliche Still« legung. auf vielen eine Einschränkung deS Betriebes hervorrief. Wenn es uns trotz dieses Streiks, der infolge des verständnisvollen festen Zusammenhaltens der Werkbesitzer für die Arbeiter völlig erfolglos blieb, möglich gewesen, unsere Kundschaft zu befriedigen und insbesondere Störungen in der Kohlenversorgung der Industrie zu vermeiden, so verdanken wir daS einmal dem anerkennens- werten Entgegenkommen unserer Kundschaft bei der Auswohl der Sorten, und zum andern dem Umstände, daß unsere Werke. gestützt auf den arbeitswilligen Teil der Bergleute, uns durch möglichste Anpassung ihrer leistungsfähigen Betriebe kräftig geholfen haben. Die großen Vorräte, auf die wir gehalten hatten, kamen uns dabei zu statten." Ueber die Situation im vergangenen Jahr wird weiter be- richtet: Der Brikettabsatz ist zwar im vergangenen Jahre, dank der eiftigen Werbearbeit und der Erschließung neuer Absatzgebiete, im besonderen für JndustriebrikettS. wiederum gestiegen. Die Beteiligung«- ziffern konnten jedoch auch diesmal nichi erreicht werden, weil die in unserem Bezirke fich stetig vermehrenden und wachsenden Neu- anlagen außenstehender Werke eine allgemeine Ueberproduktion zur Folge hatten, die durch den Bedarf nicht ausgenommen werde» konnte. Dazu kam, daß auch im vergangenen Winter dos Fehlen anhaltender Kälte das Hausbrandgeschäft ungünstig beeinflußte... Die Arbeiterunruhen gegen Jahreswende in England, Westfalen , Zivickau und Böhmen brachlcn nur gerintzc, schnell vorüber- gehende Erleichierungen im Absatz, weil auch in diesen Gebieten bei Beginn des Streiks große Lagerbestände vorhanden waren. Für das laufende Geschäftsjahr, in dem abermals mit BeteiligungSerhohungen jüngerer Syndikatswerke zu rechnen ist und die freien Werke wesentlich höhere Brikettmengen auf den Martt bringen, sind die Aussichten wiederum sehr ungünstig. Eine dauernde Besserung der Lage des mitteldeutschen Braunkohlenbergbaus ist nur zu erwarten. wenn das Entstehen neuer Bergwerke m unserem Bezirke und die Vergrößerung schon bestehender eingeschränkt wird. Außerdem aber müsten die außenstehenden Werke fich entschließen, im Syndikate die Lasten der vorhandenen Ueberproduktion solange mit zu tragen, bis der Verbrauch die Vor- eilung der Erzeugung eingeholt hat. Die Notwendigkeit dieses Schrittes werden die neuen Werke einsehen, und es ist zu hoffen, daß die bald beginnenden Verhandlungen wegen der Erneuerung des Syndikats verständnisvoll und mit gegenseitiger Rückficht. Preiserhöhungen in der Elektroindustrie. Der 10 prozentigen Preiserhöhung der elellrischen Schwach- stromindustrie folgt eine Steigerung der Starkstromfabriken. Die A.-E.-G. teilt ihren Kunden mit, daß sie einen generellen Preis- aufschlag von 10 Proz. auf Maschinen und Apparate berechne. Auch in dem Siemens-Schuckerl-Konzern schweben ähnliche Erwägungen. Serickts- Leitung. Ein RoheitSakt hat einem in Wildau wohnenden Werkmeister Karl Kiefow und seinem Sohn Willi Kiesow eine Mißhandlungsanklage eingebracht. Beide hatten gestern vor dem Amtsgericht Königs-Wusterhause » sich wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung zu verantworten, deren Opfer der Arbeiter Oppe in Wildau geworden war. Die Gerichtsverhandlung ergab, daß in einem Streit der junge Kiesow mit einem Spazierstock zugehauen und der zu Hilfe gerufene Vater ihn mit seinem Spazierstock kräftig unterstützt hatte. An einem Märzsonntag hatte Oppe. gegen Z41l Uhr abends mit seiner Frau und zwei Kindern vom Bahnhof Wildau nach seiner Wohnung in der Schwartzkopsfstraße heimgehend, den achtzehnjährigen Willi Kiesow bemerkt, der angetrunken vor ihnen dahinturkelte und ihnen den Weg zum Eingang des von ihnen bewohnten Hauses versperrte. Als Oppe ihn anrief:Na, entweder rechts oder linkst' kam es zu einem Wortwechsel, in dessen Verlauf Willi Kiesow der Frau Oppe einen Stockhieb über die Hand gab. Oppe packte jetzt den jungen Menschen am Kragen, aber auf Willi Kiesows Geschrei sprang der Vater Karl Kiesow herzu und hieb mit dem Stock auf Oppe ein. Vor Gericht führte der Vater zu seiner Entschuldigung an. daß er den Sohn habe rufen hören:Er sticht mich tot!" Da habe er in seiner Bestürzung dem Oppe, den er für den An- greiser hielt, zwei Stockhiebe über den Kopf gegeben. Der Werk- meister Kiesow und der Arbeiter Oppe sind beide in der Schwartz- kopffschen Fabrik zu Wildau beschäftigt, doch versichert Kiesow, daß er Oppe nicht sogleich erkannt habe. Keiner der Zeugen, die außer Oppe vernommen wurden, hat von einem Ruf:Er sticht mich wt!" etwas gehört. Oppe selber bekundete, daß der Werkmeister Kiesow auf ihn auch dann noch tingehauen habe, als er. Oppe. bereits blutend zu Boden gesunken war. Nach der Aussage eines anderen Zeugen, der erst im letzten Augenblick hinzugekommen war, hätte auch Willi Kiesow auf den wehrlos daliegenden Oppe noch ein- gehauen. Kiesow und Sohn bestritten die Richtigkeit dieser An- gaben. Das Attest eines Arztes bescheinigte, daß Oppe zwei Wunden an der Stirn und zwei Beulen am Hinterkopf erlitten hatte. Oppe ist infolge der Verletzungen 14 Tage hindurch arbeitst unfähig gewesen. In dem Prozeß war er als Nebenkläger zu» gelassen worden, weil er Schadenersatz forderte. Der Anklage- Vertreter sah MilderungSgründe in der Angetrunkenheit des noch jungen Willi Kiesow und in der Bestürzung deS Hilfe gerufenen Vaters Karl Kiesow. Erschwerend falle aber ins Gewicht, daß sie darauflos gehauen hätten. Das Gericht erkannte die Milderungs- gründe an, berücksichtigte aber andererseits, daß Vater und Sohn noch auf den zu Boden Geschlagenen eingehauen hätten. DaS Urteil lautete in Uebereinstimmung mit dem Antrag des Amts- anwalts gegen den Vater Karl Kiesow auf 60 M. Geldstrafe und gegen den Sohn Willi Kiesow auf 30 M. Geldstrafe. Dem Haupt- sächlich durch Lohnausfall geschädigten Nebenkläger Oppe wurde auf seinen Antrag eine Buße von 60 M. zugebilligt Wegen eines Synagogenrinbruchs standen gestern der Arbeiter Georg Hvpfeld, ein schon mehrfach vorbestrafter Einbrecher, und der Arbeiter Paul Patrulla vor der 2. Strafkammer des Land- gerichts III. In der Nacht vom 6. zum 7. April(Ofterheilig- abend) gegen 2 Uhv bemerkten zwei Schutzleute, die am Brunnen- platz Patrouille hatten, vier zusammenstehende Männer, die ihnen verdächtig vorkamen, sich aber dann entfernten. Nach etwa IW Stunden sahen die Schutzleute dieselben vier Männer wieder, einer von ihnen trug einen Sack. Die Schutzleute stellten sich in der Nähe des Amtsgerichts auf die Lauer in das Gebüsch, und als der Mann mit dem Sack an dem Versteck vorbeikam, traten die Beamten auS dem Gebüsch, der verdächtige Mann warf den Sack weg und entfloh. Als er von dem einen Beamten verfolgt wurde, gab er auf diesen zwei Schüsse ab und entkam. Die drei anderen gingen inzwischen in eine andere Straße, die Schutzleute spürten sie jedoch wieder auf und nahmen sie fest, nackdem sie aus ihrem Versteck herdorycstürmt waren und mit vorgehaltenen RevolvernHände hochl' komman- diert hatten. Auf dem Wege zur Wache entkam einer der Fest. genommenen, während die jetzigen beiden Angeklagten zur Woche gebracht wurden. In dem von dem einen Entkommenen zurück- gelassenen Sack befanden sich allerhand silberne Tempelgeräte, wie sie zum jüdischen Gottesdienste benutzt werden: zwei silberne Glocken, zwei silberne Schilder, eine silberne Hand mit Stab, eine Sammelbüchse, ein großer silberner Becher u. a. WS Pietrulla auf der Polizeiwache durchsucht wurde, fand man bei ihm eine silberne Hand mit Stab, die der im Sacke befindlichen entsprach. ES stellte sich heraus, daß die vier von den Schutzleuten beobach- teten Personen in jener Nacht einen Einbruchsdiebstahl in der Synagoge AhavaS Achim in der Prinzenallee 87 begongen und die Gottesdienstgeräte gestohlen hatten. Die Angeklagten bestritten die Täterschaft und behaupteten, die silberne Hand gefunden zu haben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beantragte Staatsanwalt Assessor Burchard daS Schuldig gegen beide Angeklagte und glaubte, harte Strafen in Antrag bringen zu sollen, da die bürgerliche Gesellschaft bor solchen gefährlichen Verbrechern geschützt werden müsse, wenn nicht auch bei uns Apochenzuftände nach fran- zösischem Muster einreißen sollen. Der Staatsanwalt beantragte gegen Hupfeld 4 Jahre Gefängnis, gegen Pietrulla 2 Jahre Ge- fängnis, während Rechtsanwalt Dr. Fürle die Schuld der Angeklag- ten keineswegs für nachgewiesen erachtete. DaS Urteil lautete gegen Hupfeld auf 4 Jahre Zuchthaus und gegen Pietrulla auf 9 Monate Gefängnis. In die Hände von zweifelhaften Geldvermittlern und sogenann- tenKrawattenmachern" gefallen zu fein, behauptete der Haupt- mann a. D. von Keger, welcher sich gestern unter der Anklage deS Betruges vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte zu verantworten hatte. Dev Angeklagte ist vor einigen Jahren nach 23jähriger Dienstzeit wegen eines beim Militär erlangten Leidens pensioniert worden und bezieht jetzt eine Pension von 3000 M. Vor vier Jahren ging er eine zweite Ehe ein. die sich zu einer sehr Unglück- lichen gestaltete. Hinzu kam noch, daß sich der Angeklagte, um sein Einkommen zu erhöhen, auf etwas zweifelhafte Geschäfte einlieh. durch welche er in Vermögensverfall geriet. Die familiären Miß- Helligkeiten in Verbindung mit den nun eintretenden materiellen Sorgen veranlaßtcn den Angeklagten, sich mit mehreren gewerbs- mätzigen Geldverleihern in Verbindung z», setzen, auf deren Be- dingungen ev ohne jede Ueberlegung einging. Die Folge war. daß er in der unerhörtesten Weise bewuchert und ausgepreßt wurde. Als er schließlich nicht mehr auS noch ein wußte, soll der Angeklagte sich auf betrügerische Weise in den Besitz von Geldmitteln gesetzt haben. Er wandte sich u. a. an den Geldvermittler Elkan, dem er vorspiegelte, er werde in kurzer Zeit ein Vermögen von über 100 000 Mark erhalten und befinde sich jetzt nur in einer vorübergehenden Geldverlegenheit. Elkan führte den Angeklagten zu einem Juwelen- Händler in der Friedrichstratze, bei dem er, um in den Besitz von Geld zu gelangen, einen Brillantschmuck zum Preise von 1650 M. kaufen mußte. Dieser Schmuck wurde dann sofort von Elkan für 700 M. versetzt. Der Angeklagte zedierte dem Juwelier hierfür monatlich 100 M. von seiner Pension und zahlte auch auf diese Weise 1300 M. zurück, bis er durch eine nachträglich von vcm Juwe-