Hr. 129. 29. Iahrgasg. 2. Stiliijc des Jotniätte" Knlim Joltisliliitt. Domerstag. 6. Inui 1912. Berliner Nachrichten� Winke für Ausflügler. Schlimme Feinde der Ausflügler sind gewisse Insekten, die sich im Sommer unheimlich vermehren und mitunter die Annehmlichkeit der Landpartie stark beeinträchtigen. Mücken gehören zu den unausrottbaren Lebewesen. Sie dringen in unzähligen Massen bis in die Weltstadtwohnungen vor, machen sich im Schlafgemach noch zur Nachtzeit breitspurig bemerkbar. Man hat den Versuch unternommen, die in Kellern gern über- winternden Mücken durch Spiritusdämpfe und ähnliche Mittel zu dezimieren. Allzuviel wird das auch nicht helfen. Es ist einfach unmöglich, an alle Unterschlupforte beizeiten heranzu kommen. Am besten nützt immer noch die Natur. Große Dürre vermindert die überaus zähen geflügelten Plage geister, weil ihr Lebenselement in der Entwickelungs Periode das Wasser bildet. Bei einem Gewitterregen gehen Milliarden zugrunde, neue Milliarden kommen zum Leben Darum sehen wir die größten Mückenschwärme ja stets in der Nähe des Wassers. Nicht minder unangenehm sind Wespen, die im vorigen Sommer, wohl infolge der anhaltenden Trockenheit in erstaunlichen Mengen auftraten. Im Gegensatz zum Mückenweibchen gehen sie nicht auf die Jagd nach Menschen- und Tierblut, sind aber um so aufdringlicher und naschhafter. Sie haben feine Witterung für Süßigkeiten und überfallen die Ausflügler bei den Mahlzeiten in ganzen Schwärmen, stechen aber nur, wenn sie gereizt werden, und können dann schwere Vergiftungen hervorrufen. In ihrer Naschhaftigkeit sind die gelbgefleckten, seltener roten Schmarotzer so gefräßig und hartnäckig, daß sie sich oft eher die schlanke Wespentaille zerdrücken als vertreiben lassen. Das ätzende, in Ameisensäure bestehende Gift des Wespenstichs bringt sehr starke Entzündungen und kann am Gaumen oder im Schlünde, wenn das Tier mit der Nahrung in den Mund gelangt, zu Erstickungen führen. Läßt man die Frechlinge ruhig naschen, so sind sie ziemlich harmlos. Größere Schwärme zu beunruhigen oder sich an Wespennester heranzumachen, ist stets gefährlich. Die aufgescheuchten Tiere verfolgen, besorgt um ihren Raub, den Störenfried auf weite Strecken. Man geht ihnen also am besten aus dem Wege. Gute Dienste gegen Stiche leisten kalte Umschläge, feuchte Erde. Schmierseife. Salmiakgeist, auch Aussaugen ist von Vorteil. Die Kreuzotter kommt in den Wäldern um Berlin häufiger vor, als man wohl glaubt. Auch sie geht erst gereizt zum Angriff über. Mit Vorliebe hält sie sich in der Sonne an Waldschneisen und Steinen auf, ist aber auch im Unterholz und Gras zu finden, besonders im Laubwald. Zum Glück sind die meisten Waldgebiete bei Berlin von Kreuzottern völlig frei, während sie an bestimmten Orten recht häufig be- merkt werden. Solche Stellen sind beispielsweise Finkenkrug bei Spandau , die Wege von Tegel nach Heiligensee und nach Hermsdorf , der Wald bei Tegelort und Eichkamp sowie vor allem die Waldgebiete bei Potsdam . Man soll sich hier nicht eher auf Waldboden niederlassen, als bis derselbe in weiterem Umkreise geprüft worden ist. Hunderte von Kreuzottern, für die die Regierung eine Prämie zahlt, werden alljährlich bloß an diesen Stellen getötet oder lebend gefangen, trotzdem nimmt das Gezücht nicht sonderlich ab. Auch die märkische Pflanzenwelt ist reich an Giftstoffen. Abgesehen von den zahlreichen giftigen Pilzarten, vor denen alljährlich die Behörden in sehr beachtenswerten öffentlichen Bekanntmachungen warnen, ist der unscheinbare, massenhaft verbreitete Wasserschierling ungemein gefährlich. Die glänzend schwarzen— nicht roten!— Beeren der Tollkirsche fordern ebenfalls reiche Opfer. Der Samen deS Stechapfels bringt Nervenlähmungen hervor, in nrehr oder weniger hohem Grade giftig sind ferner sämtliche Wickenarten. Kirschlorbeer, Schnee- ball. Nachtschatten. Bilsenkraut. Fingerhut. Goldregen, Wolfs- milch. Von allen diesen Pflanzenarten soll man nie irgend welche Bestandteile in den Mund nehmen. Bei Gewittern werden di� einfachsten Vorsichtsmaßregeln nicht beachtet. Daß nian mitten auf der Waldchaussee sicherer ist, als unter den Bäumen, wissen noch sehr viele Leute nicht. Sich unter Laubbäumen, besonders Buchen, zu stellen, ist beinahe Selbstmord. Wer mitten im Walde vom Gewitter überrascht wird, suche eine Lichtung auf und suche sich hier oder in einer Vertiefung mit überhängendem Strauchwerk zu schützen._ Berliner Asylverein für Obdachlose. Im Monat Mai nächtigten im Männerasyl 1ö 341 Personen, wovon 6743 badeten; im Frauen- asyl 2426 Personen, wovon 760 badeten. Arbeitsnachweis wird erbeten für Männer: Wiesenstraße 66/69; für Frauen: Kolberger Straße 30. A»S der Kanalverwaltung. Die Deputation der KanalisationS- werk« erklärte fich�in der letzten Sitzung mit dem vorgelegten Pro- jekt für den Um» und Erweiterungsbau der PumpstaUon IV durch drei Zentrifugalpumpen von je 500— 600 Sekundenliter Leistung mit Dieselmotorantrieb, eine elektrisch betriebene Nachtpumpmaschine von rund 250 Sekundenliter Leistung, einen Laufkran, einen Dampf- keffel, mechanische Beschickungseinrichtung für fämtliche Kessel, eine mechanische Abwaflerausberertungsanlage usw. � zum Gesamtkosten« betrage von S3S 000 M. einverstanden. In derselben Sitzung wurde auch das Projekt für den Erweiterungsbau der Pumpstation Vlll durch zwei Zentrifugalpumpen von je rund 450 Sekundenliter Leistung und einer Nachtpumpmaschin« von rund 200 Sekunden- liter Leistung mit elektrischem Antrieb, mechanische Be- schickungSeinrichtung der Kessel,'ein Wirtschaftsgebäude usw. mit dem Kostenbetrage von 343 000 M. genehmigt. Das im Jahre 1906 von der Stadtverordnetenversammlung ge- nehmigte Projekt für da» Radialsystem XI der Kanalisation von Berlin sah den Anschluß der Schmutz- und Rcgenwasser eines großen Teils von Weißensee mit vor. Nachdem die Gemeinde Weißensee sich aber entschlossen hatte, eine eigene Kanalisation einzurichten und lediglich eiivrt Teil seiner Regenwasser in den Notauslaß des 11.'Radialsystems einzuleiten, war die Umänderung des Ursprung- lichen Projekts erforderlich. Die ursprünglich auf IS 200 000 M. veranschlagten Gesamtkosten ermäßigten sich dadurch auf 15 595 000 M. Die Kana lisationSdeputati on erklärte sich mit der Vorlage dieses abgeänderten Entwurfs und Kostenanschlages an die Stadtverordneten- veffammlung einverstanden. Polizeiliche Maßnahme» gegen den Handel vor Schulen. Den Handel mit einer Reihe von Gegenständen vor den Schulgebäuden oder Spielplätzen will der UnterrichtSminister mit Hilfe von Polizei- Verordnungen oder Polizeiverfügungen unterdrücken. Gelegentlich halten Händler Speiseeis, Bier, Limonaden, Mineralwässer und Zi- garetten in der Nähe von Schulgrulidsincken oder Spielplätzen feil. Die Schulkinder werden so zum Ankauf dieser Genußmittel verleitet. Der Minister hält es nach Lage der Gesetzgebung für sehr wohl zu- lässig, hiergegen im Wege einer Polizeiderordnung oder durch Polizeiversügungen einzuschreiten. Der Aufenthalt der Händler könne in der Nähe der Schulgrundstücke verboten werden. Die Unterrichtsbehörden sind nach der„Urzeitung" veranlaßt worden, bei der zuständigen Polizeibehörde anzuregen, daß geaen solche Händler vorgegangen wird. Mermuth bestätigt. Die Wahl des Staatssekretärs a. D. Mermuth zum Oberbürgermeister von Berlin ist vom Kaiser bereits bestätigt worden. Die Bestätigungsurkunde ist, wie verlautet, gestern vom Oberpräsidium in Potsdam abgegangen. Der schon früher zum Stadtrat gewählte Beigeordnete Berndt auS Mainz ist bis jetzt noch nicht bestätigt. Justizrat Friedrich Munckel ist in der Charitö, in der er als Untersuchungsgefangener untergebracht war, in der vergangenen Nacht im Alier von 48 Jahren einem schweren Nierenleiden erlegen. M. war der Sohn des vor einigen Jahren verstorbenen bekannten Parlamentariers Geh. Justizrats Munckel. Mitte März dieses Jahres wurde der körperlich schwer leidende Mann, der wenige Wochen vorher einen Schlaganfall erlitten hatte, unter dein Wer- dacht, von seinen Slienten ihm übergebene Gelder angeblich in Höhe von 30 000 Marl veruntreut zu haben, auf Veranlassung der Berliner Staatsanwaltschaft am Landgericht II in seiner in Char- lottenburg, Bismarckstraße 69, belegenen Wohnung verhaftet. Bald nach seiner Einlieferung in das Untersuchungsgefängnis mußte M. in das Lazarett aufgenommen werden. Auf Antrag seines Rechts- beistandeS erfolgte feine Ueberführung nach der Charitö, wo M. auf seinen Geisteszustand untersucht wurde. Nach Ablauf der zu diesem Zweck vorgeschriebenen Frist von sechs Wochen wurde der körperlich und wohl auch geistig kraule Mann, der sich einer strafbaren Handlung kaum bewußt gewesen sein mag, in das UntersuchungS- gefängnis zurückgebracht. Schon nach wenigen Tatzen mußte man ihn wieder in die Charitö einliefern, weil sich sein Leiden derart verschlimmert hatte, daß Lebensgefahr eintrat. Jetzt ist der be- dauernswerte Mann, der sich in Anwaltskreisen großer Beliebtheit erfreute, gestorben, bevor das ärztliche Gutachten über seinen Geistes- zustand fertiggestellt war. Schwer verunglückt ist gestern vormittatz der Arbeiter Erich Fisch aus der Fennstr. 45, der in der Kohlenstlftenfabrit von Gebrüder Siemens u, Ko. in der Herzbergstr. 128/137 zu Lichtenberg beschäftigt war. Als Fisch von einer Maschine den Treibriemen lösen wollte, wurde er von diesem erfaßt und im Bogen fortgeschleudert. Außer schweren inneren Verletzungen zog er sich bei dem Aufschlagen seines Körpers auf den Fußboden Brüche beider Arme und Beine zu. Mit einem Rllnzelschen Krankenwagen wnrde der Schwerverletzte nach der Charitö gebracht. Hinter die Kulissen kleiner Auskunfteien konnte man durch die Verhaftung des 24 Jahre alten früheren Handlungsgehilfen Hellmut Krach blicken. Obwohl dieser schon wiederholt vorbestraft ist, fand er bei einer kleinen Auskunftei Anstellung als Rechercheur. Er erhielt einen Tagelohn von drei Mark und hatte die Aufgabe, über Personen und Geschäfte, über die Auskunft gewünscht wurde. Er- kundigungen einzuziehen. Da der junge Mann mit dem Verdienst von nur drei Mark täglich nicht auskam, so suchte er sich auf andere Weise Geld zu verschaffen. Wenn er irgendwo als Vertreter der Aus- kunftei vorsprach, so steckte er in einem unbewachten Augenblick was gerade gir Hand lag in die Tasche und verschwand damit. In vielen fällen ließ er auch beim Hinausgehen Kleidungsstücke vom Flur mit- gehen. Auf zahlreiche Anzeigen hin nahm ihn die Kriminalpolizei gestern im Bureau fest. Wie sich bei seiner Vernehmung heraus- stellte, hat er die gestohlenen Sachen immer zuerst versetzt und ist dann zum Geschäft gefahren, um hier seine.Auskunft" nieder» zuschreiben. Welchen Wert von solchen Personen eingezogene Er- kundigungen über Familien- und Vermögensverhältnisse haben, er- iibrigt sich wohl anzuführen. Ein Schutzmann gestochen. In der letzten Nacht spielte sich auf dem Gesundbrunnen ein Roheitsakt ab. Als die beiden Schutzleute Haack und Hinkelmann vom 9. Polizeirevier auf einem Patrouillen- gang durch die Bellermannstraße kamen, fanden sie gegen 2 Uhr morgens auf dem Bürgersteige vor dem Haufe Nr. 9 einen älteren Mann in angetrunkenem Zustande liegen. Haack rüttelte den Mann auf, konnte ihn aber nicht bewegen, aufzustehen und weiterzugehen. Plötzlich bekam der Angetrunkene eine Art Tobsuchtsanfall. Er schlug mit den Händen und Füßen um sich und zog sein Taschenmesser, das er mit blinder Wut dem Schutzmann Haack in den Unterleib stach. Die Stichwunde war so tief, daß die Eingeweide hervortraten. Der Gestochene brach sofort zu- sammen. Unmittelbar darauf stürzte sich der Messerheld noch auf ihn und zerriß ihm den Waffenrock. Der Schutzmann Hinkelmann kam seinen Kollegen zuhilfe, zog seinen Säbel und versetzte dem Messerstecher zwei wuchtige Schläge über den Kopf. Erst dann konnte er überwältigt werden. Mit einer Automobildroschke wurden dann die Verletzten nach der Unfallstation in der Bad> ftraße gebracht, wo sie die ersten Verbände erhielten. Der Schutz mann Haack mußte dann mit einem Krankenwagen nach dem Virchow-Krankenhaus transportiert werden. Sein Zustand ist bedenklich. Der Messerstecher wurde festgestellt als der 67 Jahre alte Kranzbinder Friedrich Voigt aus der Grünthaler Straße 71. Er fand als Polizeigefangener in der Charitö Auf- nähme. Sein Messer konnte am Tatort nicht mehr gefunden werden ES ist'wahrscheinlich von Straßenpassanten mitgenommen worden. Der schwerverletzte Schutzmann Haack steht im 36. Lebensjahre, ist verheiratet imd Vater von zwei Kindern im Alter von 7 und 9 Jahren. Bei der Ueberführung der Verletzten nach der Unfall- station sammelte sich am Tatort eine größere Menschenmenge an, die die Partei des Angetrunkenen nahn� und erst durch andere Beamte zerstreut wnrde. BerzweiflungStat eines Liebespaares. In einer Waldung nahe der Kolonie Hermsdorf versuchte gestern vormittag der 22jährige Baugewerksschüler Ernst Cramer aus Stettin sein« Braut, das ebenfalls ans Stettin stammende 20jährige Hausmädchen Alma Voigt, zu erschießen; dann legte er Hand an sich selbst. Der Mann hatte eine Schußwund« hinter dem rechten Ohr, das Mädchen eine solche oberhalb der rechten Schläfe. Beide gaben nur noch schwache Lebenszeichen von sich. Bald erschienen auf Alarm Gendarme» mit einem Arzt an der Stelle; nachdem den Bewußtlosen Notverbände angelegt worden waren, schaffte man sie in das Reinickendorfer Krankenhaus. Zurzeit besteht wenig Hoffnung, sie am Leben zu er- halten. Cramer besuchte zuletzt in Greifswald die Baugewerlschule. Ueber Pfingsten reiste er nach seiner Heimat Stettin , um seine dort wohnende Braut zu besuchen. Mit ihr zusammen unternahm er dann eine Reise nach Berlin . Anscheinend haben beide ihr letztes Geld hier ausgegeben, denn man fand keinen Pfennig mehr in ihren Tasche». Cramer hat seine Braut anscheinend mit deren Einver- ständniS zu töten versucht. Daraus lveist ein Zettel bin, der in der Handtasche der Voigt gefünden wurde und an die Mutter gerichtet war.„Verzeih mir." so schreibt das Mädchen,„daß ich Dir Kummer bereite. Ich konnte nicht anders handeln. Eine Bitte habe ich noch c daß ich zusammen in einem Grabe mit Ernst beerdigt werde." ES scheint, daß einer ehelichen Verbindung der beiden unübersteigliche Hindernisse im Wege standen. Cramer wird zurzeit im Kraiiken- hackse als Polizeigesangener gehalten. Sollte er wieder genesen, so wird er sich wegen versuchter Tötung verantworten müssen. .Empfindlich bestohlcu wurde eine KaufmaimSftau auS der Strom- straße 49. Während deren Wohnung nachmittags von 3 bis 9 Uhr »nbeaussichtigt gestanden hatte, wurde diese von Klingelfahrern heim- gesucht. Die Einbrecher kautelten die Flurtür mit einem Nach- Ichlüssel auf und erbrachen dann Schränke und Schubladen. Sie stahlen für über 1000 Mark Schmucksacheil, wie Armbänder, Hals- ketten, Uhren, Kleider usw. und verschwanden damit unbemerkt. Entdeckt wurde der Einbruch erst, als die Frau abends von ihrem Ausgange zurückkehrte. Wegen einer Gasvergiftung wurde am Mttwoch der 12. Zug nach der Lützowstr. 80 gerufen. Dort schwebte ein Kassenbeamter in höchster Lebensgefahr. Es gelang den Samarirern der Wehr durch Einflößen von Sauerstoff und andere Mitteln den Mann zu retten. Arbeiter-Bildungsschule, Grenadierstraße 37. Der Unterricht im GewerlschaftSwesen fällt an diesem Freitag aus. Wann derselbe nachgeholt wird, soll später bekanntgegeben werden. Vorort- N achrichten« Neukölln. Ueber die Gültigkeit der Stadtverordnetenwahle» wird die heute nachmittag 5 Uhr im Sitzungssaale des Rathauses stattfindende Stadtverordnetenversammlung Beschluß fassen. Hierauf soll die Ein- führung der Neugewählten erfolgen. Bekanntlich konnte die vor acht Tagen tagende Versammlung nicht in die Beratung der Materie eintreten, weil die Beschlußunfähigkeit festgestellt wurde. Die heutige Versammlung kann, auch wenn die gleiche oder eine noch geringere Anzahl Stadtverordneten anwesend sind wie vor acht Tagen, die Tagesordnung der aufgehobenen Sitzung erledigen. Eine Bereinigung zum Schutze der städtischen Park- und Garten- anlagen hat sich in Neukölln gebildet. Am Montagabend hatten sich einer Anregung des Magistrats zufolge zirka 200 Bürger im Stadt- verordnetensitzungssaal unter Vorsitz des Dezernenten der städtischen Gartendeputation zu einer Besprechung zusammengefunden. Der Dezernent erörterte den Zweck und die Ziele der eingeleiteten Be- strebungen und hob insbesondere herbor, daß die Mitglieder einen erziehlichen Einfluß auf die Bürgerschaft ausüben sollten. Trotz- dem das Wächterpersonal in der Regel durch unmittelbare Verbote eine Beschädigung der Park- und Gartenanlagen zu ver- hindern sucht, sei es doch häufig zu beobachten, daß Personen, und zwar Erwachsene und Kinder, rücksichtslos Rasenstreifen und der- gleichen betreten, wenn daß Wächterpersonal den Rücken gewendet hat.' In der Regel nehme die Bürgerschaft von solchen Handlungen leine Notiz, und so können Personen, welche nicht die �forderliche Selbsterziehung für das Allgemeingut in sich tragen, ihr Zerstörungswerk ungehindert betreiben. Aufgabe der Mitglieder dieser Vereinigung soll es nun sein, diese Lücke zu ergänzen. Es sei dies eine dankbare Ans- gäbe, die nicht nur zur Erhaltung der Anlagen beiträgt, sondern auch auf die Personen, welche bisher achtlos die Beschädigungen herbeigeführt haben, die erzieherische Wirkung nicht verfehlen werde. Später soll die Vereinigung noch ihr Augenmerk auf die Aus- gestaltung der im Privateigentum befindlichen Vorgärten und Balkons richten und auch dort ihren Einfluß auf zweckmäßige und schöne Ausgestaltung geltend machen. Tharlottenvnrg. Ueber„Religion und Sozialdemokratie" referierte am Dienstag vor einer gutbesuchten Versammlung im großen Saale des Bolls- hauseS Genosse Emil U n g e r. An den mit großem Beifall auf- genommenen Vortrag schloß sich eine Diskussion, an der sich mehrere Genossen beteiligten. Genosse von Schock konnte sich mit der jetzigen Fassung des Paragraphen unseres Parteistatuts, der die Religion als Privatsache ansieht, nicht einverstanden erklären. Nachdem Ge- nasse Unger diese Auffassung in seinem Schlußwort widerlegt und die Versammlung aufgefordert hatte, für die Aufklärung der Masse zu wirken, schloß Genosse Bade die Versammlung mit einem drei- fachen begeisterten Hoch auf die internationale Sozialdemokratie. Elternverem für freie Erziehung. Sonntag, den 9. d. M., findet ein großer Familienausflug nach PichelSwerder statt. Treffpunkt vormittags S'/z Uhr auf dem Reichskanzlerplatz. Abmarsch pünktlich 9s/4 Uhr. Für Nachzügler zur Mittags- und Kaffeepause beim Allen Freund. Auch NichtMitglieder und deren Kinder können an den Ausflügen teilnehmen. Klein-Tchönebeck— Fichtenau. Einen unerwarteten AuSgang nahm in der letzten Sitzung ein Antrag deS Schul« und Gemeindevorstandes, der auch als„Re- gierungsantrag" bezeichnet wurde, betreffend Erweiterung des Schul« Hauses in Fichtenau . Durch einen Beschluß der früheren Gemeinde- Vertretung, der allerdings durch einen Druck„von oben" zustande gekommen sein soll, ist das Schulwesen in unserer Gemeinde voll- ständig zerrissen. Die Schaffung einer großen, den Anforderungen einigermaßen genügenden Volksschule für die ganze Gemeinde wurde damals abgelehnt und statt dessen in dem OrtSteil Klein-Schönebeck ein Schulbau für vier Klassen mit drei Lehrern, in Fichtenau eine solche für drei Klassen mit zwei Lehrern errichtet. Die Zersplitterung der Lehrkräfte mußte natürlich in kurzer Zeit zu einem unhaltbaren Zustand führen, wie man ihn vor den Toren Berlins eigentlich nicht antreffen sollte. Die Schule bildete deshalb beständig eine Quelle der Unzufriedenheit der Einwohnerschaft; in den meisten Fällen war sie sogar die Ursache des Abzugs von Arbeiterfamilien. Durch die Notwendigkeit der Errichtung einer vierten Klasse und Anstellung emeS dritten Lehrers machte sich eine Erweiterung des Schulhauses in Fichtenau not- wendig. Ein solcher Antrag lag nun vor, trotzdem vorauszusehen war. daß die Erweiterung des SchulhauseS an dem unerträglichen Zustand nichts ändert. Dazu kommt, daß auch andere Ortsteile der Gemeinde(Grätzwalde, Hofenberge) sich in kürzester Zeit rapide entwickeln werden, so daß die Gefahr besteht, daß das jetzige Schul- system auch auf diese Ortsteile verpflanzt werden muß und die Ge- meinde dann drei oder vier Schulen besitzt, von denen nicht eine den an eine gute Vollsschule gestellten Ansprüchen genügt. Da» ver- anlaßte unseren Genossen Tobias, die Ablehnung des Antrages zu empfehlen, dagegen die Errichtung einer in der Mitte der Gemeinde belegenen großen, mindestens siebenllassigen Schule zu fordern und die Verwendung der bisherigen Schulhäuser zu anderen Zwecken zu beantragen. Gegen diesen Antrag, der auch vonZ dem Vertreter der Bürgerlichen, Herrn Schramm, unterstützt wurde, wandte sich der Gemeindevorsteher. Mit Händen und Füßen sträubte er sich gegen die vollständige Umwälzung des bisherigen Schulsystems. Der Antrag entziehe nicht nur zwei neue Schulhäuser ihrer Bestimmung und verursache der Gemeinde groß« Kosten, sondern sei auch geeignet, den notwendigen Ausbau der Schule in Fichtenau zu verzögern, ohne aus Genehmigung rechnen zn können. Genosse Tobias erwiderte, daß es besser sei. die zwei Schulbauten ihrer Bestimmung zu ent- ziehen, als die Verantwortung für das Fortbestehen eines Schulsystems zu tragen, das den Kindern der arbeitenden Bevölkerung unabsehbaren Schaden zufüge. Hierauf schlössen sich anifc die bürgerlichen Vertreter bis aus einen und den Schöffen Funke vem Antrage unserer Genossen an. Das Resultat war die Ablehnung des .Regierungsantrages" gegen drei Stimmen. Es soll nunmehr— wegen der Tragweite des Antrages unserer Genossen— die Ein- wohnerschaft befragt werden. Die Antwort der aufgeklärten Arbeiter« schaff kann nur lauten: Schaffung einer guten Volksschule! Diese Forderung darf auch nicht an den Kosten scheitern. Sonst ist aus der reichhaltigen Tagesordnung noch zu erwähnen, daß zur Verläuge« rung der Kaiser-Wilhelm-Straße in der Seestraße Grunderwerb und die Einleitung des Enteignungsverfahrens wegen zweier Grundstücke in der Parlstraße beschlossen wurde. Adlershof . Das Gewerkschaftöfeft findet am 7. Juli in Wöllsteins Lustgarten statt. Durch Mitwirkung de» Berliner Sinfynie-Orchesters unter
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten