jeder Gelegenheit müssen sie für den Ausbau unserer sozialenGesetzgebung eintreten, müssen alle Arbeiter und Arbeiterinnen zum Kampfe für wirksame Arbeiterschutzgesetze auf-rufen und so den bürgerlichen Parteien und den Regierungenzeigen, daß endlich die sozialpolitischen Arbeiterforderungenerfüllt werden müssen.__Sie belgische» Nzhlen.Brüssel, im Juni. sEig. Bericht.)l.Ziffern und Tatsachen.Von 166 Sitzen der verflossenen Kammer hatten die Klerikalen86 Sitze inne. Ihre Majorität betrug 6 Stimmen.— Die neueKammer zählt 136 Sitze. Die Klerikalen haben bei den Wahlen am2. Juni von den neuen 20 Mandaten 11 auf ihre Seite gebracht;sie haben den verbündeten Oppositionsparteien, dem liberal-sozialistischen Kartell, S Wahlkreise entführt; in einem Wahlkreishaben sie ein Mandat an die Sozialisten verloren. Die klerikalePartei verzeichnet aber einen Gewinn von 16 Mandaten.einen Verlust von einem Mandat und zieht daher101 Mann stark in die neue Kammer. Ihre Majorität ist von 6 aus16 Stimmen gestiegen. Die Listen der Klerikalen vereinigtenam 2. Juni 1 344 623 Stimmen, die der gesamten Opposition1 271 SIS Stimmen. Differenz zugunsten der Klerikalen 62 702Stimmen. Das ist der klerikale Wahlsieg in Ziffern. Ucber dieletzteren, die die zugunsten der Klerikalen verfälschte Verhältnis-Vertretung so recht illustrieren, wird noch zu reden sein. Halten wiruns vorläufig an die Zahlen ohne Kommentar. Sie zeigen denAufstieg der Klerikalen, ihren Sieg, ihren Triumph schlechterdings.—Und dennoch: nie war der Hätz gegen das lleriale Regime stärkerund allgemeiner als nach der Vorlage des Schollacrtschen Schul-gesetzes; nie war die Kampagne gegen die Klerikalen intensiver, um-fassender, temperamentvoller als bei den diesmaligen Wahlen, niewar das Echo, das Liberale und Sozialisten fanden, lebhafter, be-geisterter. Das ganze Land schien aufgewühlt von der antikleri-kalen Wahlpropaganda... Aber am 2. Juni leuchtete die Sonnedes klerikalen Sieges.Die Niederlage des Liberalismus.Man erklärt—.man' find hier Sieger und Besiegte—, derklerikale Wahlsieg ist eine Niederlage des Liberalismus— also nichtschlechthin der.Opposition', wie das antiklerikale Kampfschild denNichteingeweihten glauben machen könnte. Tatsächlich dürfen dieSozialisten nicht in die.antiklerikale' Wahlniederlage mit ein»geschlossen werden. Sie haben ein Mandat eingebüßt, aber fünfneue Sitze gewonnen, ihre Fraktionszahl hat sich also von 36 auf39 Mitglieder erhöht. In verschiedenen Wahlkreisen ist ihreStimmenzahl gewachsen, charakteristischerweise selbst dort, wo, wiez. B. in Huh. das liberal-sozialistische Kartellal» solches Schiffbruch gelitten und die Partei dabeileider das Mandat des Genossen W a u t e r S, des Chefredakteursdes. P e u p l e', verloren hat. Hier steht der Verlust völligauf dem Konto der Liberalen. Die auf die Kartelliste ent-fallenden Stimmen waren trotz der Vermehrung der Wählerzahl umgut 6000 um 344 Stimmen zurückgegangen. Die Berechnungenhaben indes ergeben, daß die beiden sozialistischen Kandidaten,Hubin und der gefallene WauterS, gegen die vorige Wahleinen Gewinn von 2732 Stimmen aufweisen, während die Liberalenrund 3200 Stimmen verloren haben.— Bon den beiden Ol'Positions-Parteien ist also ausschließlich die liberale als besiegte anzusehen.In der Kritik, die die Liberalen selbst an ihrer Niederlage üben,zeichnen sich zwei Richtlinien ab, die ganz eigentlich die beidenStrömungen in der liberalen Gedankenwelt und in der liberalenPartei selbst ausdrücken. Der belgische Liberalismus scheidet sichnämlich in zwei Flügel: in den einer demokratischen Politik nichtunzugänglichen linken Flügel der Progressisten und den zumal insozialen Fragen ganz nach rechts hinüberreichenden Flügel dersogenannten„Doktrinären'. Diesen letzteren war bei der gemein-samen parlamentarischen Oppositionspolitik vor dem demokratischenAtem, der dann und wann herüberwehte, allgemach bange geworden.Feinde aller sozialen Reformen, Feinde selbst jeden Eingreifens desStaates zugunsten der Arbeiter, richtige Manchesterianer mit einemWort, fragten sie sich nicht ohne Bangen, wo denn die„ins soziali-stische Schlepptau' genommene Opposition landen wird, wenn ein-mal die Minorität Majorität würde. Hatte A n s e e l e denn nichteines Tages gesagt: Die Liberalen werden unS folgen oder siewerden aushören zu sein? Kurz, in all dem antiklerikalen Rauschbarg sich bei dem gemäßigten Liberalismus die blasse Furcht vorder Demokratie, vor dem demokratischen ZukunftSlustzug. Undso zeigt sich nun auch in der Kritik der liberalen Presse die zwie-fache Auffassung der Sachlage. Die liberale.Etoile belge', ebensoradikal im AntiklerikaliSmuS, wie reaktionär in sozialer Hinsicht,steht nicht an, die Niederlage des Liberalismus vom2. Juni auf diese Tatsachen zurückzuführen, das heißt: dieradikalen Elemente für die Folgen der gemeinsamen Aktion und derBündnispolitik, die ja tatsächlich am 2. Juni gänzlich gescheitert ist— fünf der klerikalen Wahlsiege sind Besiegungen des liberal-sozialistischen Kartells— verantwortlich zu machen.„Wenn der2. Juni einen Zusammenbruch des Liberalismus anzeigt, so liegtvor allen Dingen daran, daß sich unsere Freunde über die G e-fühle der Bourgeoisie Illusionen gemacht haben.'Diese Illusionen hätten nämlich darin bestanden, zu glauben, daßdie gemäßigten Elemente ihren ursprünglichen Widerwillen vor demSozialismus überwunden haben. Das sei aber, wie das liberaleBlatt meint, ein Irrtum..Wenn die Bourgeoisie— wir zitierenwörtlich— hinsichtlich des Sozialismus nicht mehr die aus-gesprochene Feindseligkeit zeigt, die sie vor zehn Jahren hatte, so istdarum nicht weniger wahr, daß sie nicht a b g e r ü st e t hat undweiter fortfahren wird. ihre Sache von der der Arbeiterzu trennen.' Die in dem Satz enthaltene Spitze richtetsich gegen jene Liberalen, die die Taktik der gemeinsamen Aktionund die Bllndnispolitik befürworteten und von ihr vor allem dieNiederwerfung des Klerikalismus erwarteten.—„Die Verletzungder Gefühle' dieser blaß-liberal gefärbten Bourgeoisie hat sich dennin der Tat gerächt, wie die Wahlen nur zu deutlich gezeig, haben.Haben so auf der einen Seite die.Gemäßigten' versagt, die zwar,wie die„Etoile" ausrichtig aber wahr sagt, den religiösen Fanatismusnicht sehr lieben, aber noch weniger den soziali st ischenFanatismus, so hat auf der anderen Seite der seiner Parteiinkorporierte Teil der Bourgeoisie, der nicht eigentlich klerikalist, die Flucht ins klerikale Lager angetreten, weil er im Klerika-lismus das kleinere Uebel gegenüber dem durch die polt-tische Nachbarschaft der Sozialisten und durch die antiklerikaleVerschwisterung mit diesem kompromittierten Liberalismus.Die gemäßigt- liberalen und die„schwankenden' Elementeder Bourgeoisie und der Großbourgeoisie, die auf seiner Seite zuhaben Herr von Broqueville und seine Offiziösen am Tage nach derWahl sich stolz rühmten, haben bei diesem.Verrat' oder dieser„Flucht' nicht so sehr Grundsätze aufgegeben als vielmehr Treueihrem Klassenbewußtsein gehalten. Der Klerikalismus tutihnen viel weniger weh als ihnen das Bewußtsein wohl tut, daßHerr von Broqueville und die Seinen nichts unternehmen werden,was ihren Geldsackinteressen schaden könnte. Im Kampf zwischender Idee und dem Geldsackinteresse— dort wo der Kamps etwavorhanden war— hat das letztere triumphiert. Tiefer besehen stelltsich so der Wahlsieg des Klerikalen weniger als ein Sieg desK l e r i k a l i S m u S, denn als ein Sieg des Konser»vatismuS. des Materialismus, des Porte-m o n n a i e s heraus. Die Börse— in jedem Sinne— hat derantiklerikalen und wenn man will demokratischen Ideologie am2. Juni den Garaus gemacht.Immerhin mag schon richtig sein, daß auch einen Teil Schuldan der liberalen Niederlage der Umstand trägt, daß die Liberalenweniger auf eine nüchterne innere Organisationsarbeit und ernsteBearbeitung des Wählerkorpö, denn auf eine nach außen wirkendeVersammlungscampagne bedacht waren. Auch in dieser Beziehungfehlt es im eigenen Lager nicht an Vorwürfen.— Außer den Be-lehrungen, die das Wahlresultat dem Liberalismus beschert hat, hates auch dem belgischen Proletariat seine eigene politische LebenSlehr«wieder aufgefrischt und bestätigt: daß die Arbeiterschaft in allenihren Kämpfen auf sich und ihre eigenen Kräfte und die reine Wirk-samkeit ihrer Ideen angewiesen ist.».»Wahlfälschungen.Nach Meldungen aus Brüssel hat die klerikale Partei beiden Wahlen am 2. Juni ungeheure Wahlfälschungen und Be-stechungen zu ihren Gunsten vorgenommen. Die liberale„Gazette"meldet, daß die Brüsseler Staatsanwaltschaft deswegen bereitsgegen 4000 Personen Strafverfahren eingeleitet habe. Die Wahl-korruption soll in einem geradezu ungeheuerlichen Umfange aus-geübt worden sein. Die Opposttton wird bei Eröffnung derExtrasession rm Juli-den Ministerpräsidenten darüber inter-pellieren.Der Krieg.Eine neue Aktion der Italiener an der tripolitanische« Küste.Rom, 17. Juni.(Meldung der Agenzia Stefani.) GeneralCamerana meldet durch Funkspruch aus Mersa Busheifaunter dem gestrigen Tage: Nachdem wir um 6 Uhr früh MarabutSidi Busheifa besetzt und Truppen gelandet hatten, besetzten wirsofort eine benachbarte Oase und die Höhe von Cap Farruq.Beide Stellungen liegen an der Lküste etwa zwölf Kilometer vonder Stadt M i s r a t a(zirka 200 Kilometer östlich von Tripolis)entfernt. Bei unseren Bewegungen suchten uns nicht sehr zahlreiche feindliche Abteilungen aufzuhallen, sie wurden aber baldigstdurch die Schiffsartillerie und später durch das Gewehrfeuer derMatrosen und der gelandeten Truppen unter Zurücklassungeiniger Toter zerstreut. Wir hatten bei diesem Scharmützelkeinerlei Verluste. Später zeigten sich diese zurückgeworfenenAbteilungen, die inzwischen Verstärkungen erhalten hatten, aufder rechten Seite; gegen nachmittag gingen sie zu einem regelrechten Angriff vor, der von unseren Truppen abgewiesen wurde.Der Kampf dauerte bis gegen 6 Uhr, dann wurden die Angreifer,die 50 Tote auf dem Schlachtfclde zurückließen, zum Rückzügegezwungen. Wir erbeuteten zahlreiche Waffen und Munitton.Unsere Verluste sind zwei Tote und neun Verwundete, darunterein Askari tot und zwei verwundet.Steuererhöhnngen in der Türkei.Konstantindpel, 17. Juni Di« Regierung übermittelle derKammer Gesetzentwürfe über die Steuerer»höhungen während des Krieges. Die Gesetzentwürfebetreffen eine LSprdzentige Erhöhung der Grund- und Immobilien-sowie der Gewerbesteuer, eine dreiprozentige Abgabe von denBeamtengehältern und eine Erhöhung der Militärbefreiungstaxevon 60 auf 60 Pfund für den aktiven Dienst und von 30 auf 40Pfund für die Reserve. Einige andere Steuern, angeblich dieSalz- und Spirituosensteuer, sollen eine mähige Erhöhung er-fahren.Die Unruhen auf Cypern.Konstantinopel, 17. Juni. Sabah veröffentlicht eine Schil-derung der Unruhen in Limassol auf Cypern am 9. Juni, diedem auf Cypern erscheinenden türkischen Blatte„Vatan" ent-nommen ist. Infolge einer Rauferei zwischen Griechen undTürken, wobei ein Mohammedaner mehrere Griechen verletzthatte, griffen 5000 Griechen unter Hochrufen auf Griechenlandund auf die Vereinigung mit ihm die Läden der Mohammedaneran. Ein englischer Major sowie ein türkischer Offizier und ander«Mohammedaner wurden von den Griechen mißhandelt. Hieraufversuchten diese in das Mohammedanerviertel zu ziehen, wurdenaber von der Polizei an Angriffen gehindert. Sodann griffendie Griechen mohammedanische Markthändler an und raubtenihnen ihre Waren. Am Abend trafen 80 englische Soldaten ein.Bei den Unruhen sind drei Personen getötet. 49 schwer und vieleleicht verletzt worden. Auch eine Moschee wurde von den Griechenangegriffen und beschädigt. Es wurde der Belagerungszustandverhängt. Sabah hofft, daß die englisch« Regierung verhütenwerde, daß die Gemüter der Mohammedaner, von denen so vieleMillionen in dem britischen Reiche leben, weiter gereizt werden.politiscde deberllcbr.Berlin, den 17. Juni 1912.Bochumer Streikjustiz.Viele hunderte Streiksachen sind schon verhandelt. Beinah einVierteljahr find ein halbes Dutzend Staatsanwälte und etwa dreiDutzend preußische Richter eifrig bemüht, die.Streikverbrecher" derihnen„gebührenden" Bestrafung zuznfnhren. Trotz der eifrigstenTätigkeit der Bochumer Strafkammern, die diese in zwölf langenWochen entwickelt haben, sollen nun heute noch fast fünfhundertStreiksachen zu erledigen sein.Wenngleich sich auch ein erheblicher Teil der Streikprozesse rechteintönig abwickeln, so werfen doch die täglichen Verhandlungenimmer wieder interessante Schlaglichter auf das Wesen unsererRechtsprechung überhaupt, insbesondere aber auch auf die eigenartigeWeise, wie Streikanklagen zustande kommen. So wurde vor einerder Bochumer Strafkammern eine Streiksache verhandelt, in dereS eigentlich gar keinen Angeklagten gab. Auf der Anklage-bank saß zwar einer jener UebeltSter. die gestreikt hatten.Sein Name stand auch in dem Eröffnungsbeschluß, aber in der An-zeige stand überhaupt kein Name, nur der angeblich Beleidigtewar in dieser genannt. Der letztere aber wiederum wußtenichts von einer ihm durch den Angeklagten zugefügten Beleidigung I Bei genauer Ermittelung stellte fich heraus, daß' die Anzeigevon einem inzwischen verstorbenen Steiger bei derPolizei erstattet war. Der Verteidiger beantragte selbstverständlichunter diesen Umständen die Freisprechung des Angeklagten. DerStaatsanwalt meinte, er wolle doch noch einmal ermitteln,vielleicht habe der Angeklagte einen anderen Arbeitswilligen be-leidigt. Das Gericht entsprach dem staatsanwaltlichenWunsche. Daß bei der emeuten Ermittelung irgend etwasherauskommt, ist natürlich ausgeschloffen, aber anscheinend möchtesich der Staatsanwalt auch nicht eine einzige Gelegenheit entgehenlassen, einen„Streikverbrecher" zur Rechenschaft zu ziehen.Eine andere Streiksache lag ähnlich merkwürdig. Der. An-geklagte sollte einen Arbeitswilligen unter Drohung und Anwendungvon Gewalt bestimmt haben, sich dem Streik anzuschließen. DerArbeitswillige, der übrigens nur einen Tag gearbeitet hatte, erklärteunter seinem Eid. die Behauptung der Anklage sei unzutreffend. Erwisse auch gar nicht, wer die Anzeige erstattet habe. Mit dem An-geklagten sei er zudem seit Jahren gut befreundet. Am erstenStreiktag seien sie sich begegnet und der Angeklagte habe wohl seinZechenbündel mit der Hand angefaßt. Das habe ihn aber nichtbestimmt', mitzuftreiken. Als weitere Zeugin war ein vierzehn-jähriges Schulmädchen geladen. Auf die Frage deS Vor-sitzenden, was sie wahrgenommen habe, sagte das Kind wörtlichaus:„Ich habe gesehen, wie der Angeklagte der-suchthat. denZeu gen zu nöt-i gen. sich demStreikanzuschließe n." Der Verteidiger macht auf diese für einvierzehnjähriges Mädchen doch höchst sonderbare Aussage mit derFrage aufmerksam, wer dem Kinde diese Worte vorgesagt Hahr.Das Schulmädchen erwiderte, es habe nur mir dem Polizei-beamten gesprochen, der die Anzeige erstattete. Das Gerichtschenkte der Aussage des Mädchens vollen Glauben und verurteilteden Angeklagten zu einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen.Ein Bergmann war angeklagt, acht Tage vor dem Streik zuseinem Kameraden gesagt zu haben, wenn Du nicht mitstreikst, dannschneid' ich Dir den Hals ab. Der Zeuge erklärte unter seinemEide, er würde erstens ohnehin gestreitt haben, zweiten? sei dieAeutzerung seines Kameraden von ihm nicht als Ernst aufgefaßtworden. Er sei mit dem Angeklagten gut befreundet und sie hättennur gescherzt. Die Anzeige sei von dritter Seite erfolgt.Das Gericht kam trotzdem zu einer Verurteilung des An-geNagten, der eine Geldstrafe von 100 M. erhielt. Das Gerichtwar zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Vorgang kein Scherzgewesen sei. Der Verurteilte meinte) was den, Angeklagten dannüberhaupt Entlastungszeugen nutzen. Die Frage ist in den Streik-Prozessen durchaus am Platze. Daß die Gerichte den Bekundungender Entlastungszeugen folgten, ist so gut wie gar nicht vor-gekommen._Der katholische Bruderstreit.Die raufenden Ulttamontanen schicken sich nicht nur gegenseitigBerichtigungen zu. sondern fie berufen fich dabei auf den§ 11 desPreßgesetzes. Und jetzt meldet das„Katholische Deutschland"des Pfarrers Dr. Nieborowski, daß die bachemitische„SchlesischeVolkszeitung" zwei Anzeigen bei der Staatsanwalt-schaft eingereicht habe, weil das„Katholische Deutschland" nicht„mit denselben Lettern und an derselben Stelle" berichtigt hat. Das„Kath. Deutscht." schreibt demgegenüber, daß es der„Schlos. Volts-zettung" vier Berichtigungen gesandt habe,„die sie teilsgar nicht, teils verstümmelt abdruckte". Weiter erfährt man auS derNotiz, daß der Zentrumsführer Trimborn gegen das„Kathol. Deutschland"„wegen eines Aprilscherzes" g e-klagt Hab«, jetzt aber kostenpflichtig abgewiesen worden sei.Gegen die„Kölnische Volkszeitung" erhebt das„Kath. Deutsch«land" den Vorwurf der„Fälschung päpstlicher Tele-gramme". Das nach Frankfurt an GieSbertS gerichteteTelegramm laute an der in Betracht kommenden Stelle in richtigerUebersetzung: Der Hl. Vater ermahnt fie(die in Frankfurt versammelten Vertreter der Bereine katholischer Arbeit«) aufs leb-hafteste,„nicht nur im Privatleben, sondern auch in der ösfent-lichen und sozialen Tätigkeit den Lehren und WetsWßendeS Hl. Stuhls auf das treueste zu folgen-o Die»KitmstheVolksztg." habe„mit Bewußtsein falsch übersetzt, umihren Jnterkonfessionalismus wenigstens in der Politik noch zuretten"; fie habe das„und" unterschlagen, um dann falschzu übersetzen:„In der öffentlichen Tätigkeit densozialen Lehren deS Hl. Stuhls zu folgen.' Sie sucheglauben zu machen, der Papst wolle nur im sozialen Leben feineKompetenz wahren und habe deshalb fälschlich das.und sozialen'als Adjektiv auf.Lehren' bezogen. Sie habe ein päpstliches Telegramm„in einem wesentlichen Punkte gefälscht', um wenigstensin politischen Dingen noch Freiheit zu behalten.In dem Telegramm des Uditore Heiner legt das„KatholischeDeutschland' das Schwergewicht auf den Satz, wonach die inter-konfessionellen Gewerkschaften„bis jetzt vom Hl. Stuhl nicht vcr-urteilt find'; das sei ein Damoklesschwert!Die.Petrusblätter'(Trier) erinnern gegenüber demAusspruch, daß.Berlin' nach Rom„geschlichen sei, daran, daß auchMünchen-Gladbach den Papst in gleicher Weise wie.Berlin' währendder letzten Jahre recht häufig besucht habe. Die.Kölner' verlangteneine authentitche Erklärung zum Gewerkschaftsstreit im, O s s e r-vatore Romano', dem„Organ für solche Mitteilungen'. ImApril 1909 seien die München-Gladbacher GieSbertS, Dr. O. Müllcrund Wieber beim Papste gewesen und hätten nachher in der„Köln.VolkSzeitung" behauptet, der Papst habe die ch r i st l i ch e n Gewerkschaften gebilligt, und nach D e m e n t i S im„OffervatoreRomono' hätten sie ihre Behauptung aufrecht erhalten. Der Papsthabe nach dem Bericht des„Offervatore' seine Genugtuung über dieEntwickelung der katholischen Arbeitervereine inDeutschland kund getan. Von dem dritten Dementi des.Offervatore',den die„Kölner' jetzt selbst als das.Organ für solche Mitteilungen'bezeichneten, habe die.Köln. Volkszeitung' ihren Lesern keineMitteilung gemacht, obwohl das römische Blatt schrieb, baßseine Erklärungen.aus der einzigen autoritativen Quelle' stammten.aus der es sie überhaupt erhalten konnte.Mansfelder Wahltdea! und Hallesche Justiz.Aus Halle a. S. berichtet man uns: Wie am letztenStichwahltage im Mansfelder Wahlkreise„gewählt" wurdeund welche„Folgen" daraus für reichstreue Wahlstützen entstanden, darüber haben wir des öfteren berichtet. Weil nundie Genossen Mädel und Hoffmann den Wahlvorsteher.Gutsverwalter Faber in Piesdorf, im Reichstagswahllokal ersucht hatten, die Wahlzettel zu mischen, und H.versucht haben soll, dem Herrn die Wahlkuverts zu ent-reißen, standen beide ivegen unbefugter Ausübung eines öffentlichen Amtes vor der Strafkammer unter Anklage. Und sieben Genossen waren außerdemwegen Beistandsleistung zum Vergehen gegen den Z 132des Strafgesetzbuchs angeklagt.Am Nachmittage, so kam eS in der Verhandlung zurSprache, raunte man sich am Wahlttsche eine sehr mysteriöseGeschichte in die Ohren.Zwei alte Fraaeuhatten sich am Vorabend der Wahl auf der Straße erzählt:Die Sozialdemokraten kommen und werden die Wahlhandlungstören; sie wollen den Tisch umwerfen. Der Wahlvorsteherbestellte deshalb„feinekLeute", breitschultrige Aufseher, in dasWahllokal. Auf dem Wahlttsche stand als Urne eine blecherneAakeSbüchfe in der Größe einer Zigarrenkiste— 20 Zentimeter breit und lang, und 30 Zentimeter hoch. Der