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ES folgten die Ansprachen der ausländischen Delegierten. Skrydskup- Dänemark berichtete, daß der dänischen Großeinkaufs- gesellschaft 1300 meist kleine Bereine angehören. Chilpurn- England begrüßte die Versammlung in seiner Muttersprache namens des größten Genossenschaftsbundes der Welt, der die so stark heran- wachsenden deutschen Genossenschaften oft und gern bei sich gesehen habe als ein Zeichen friedlicher Freundschaft der beiden der- wandten Nationen. Ich bringe Euch unsere Glückwünsche, Grüße und Friedensversicherungen! sStürmischer Beifall.) Unser Wachs­tum zeigt uns, daß die Kräfte wachsen, die den englischen Arbeiter befähigen, sich zu befteien von der Herrschast deS Kapitals. Diesem Ziel möge und muß auch die Arbeit der Arbeiterkonsum- vereine der ganzen Welt gewidmet sein! sLebhafter Beifall.) Der Redner überbrachte auch die Grüße der Internationalen Föderation, deren Ziel das Wohlergehen aller Völker und der Weltfriede ist. Für die englische Groxeinkaufsgesellschaft schließt sich Deaus diesen Begrüßungsworhin an. Die Genossenschaftsbewegung sei ein Teil jener großen Bewegung, die den Weltfrieden auf eine neue feste Grundlage stellen wolle, und er wünscht allen Glück, die am edlen Werk der internationalen Eintracht mitarbeiten. Die Barriere des Hasses und Mißtrauens, die heute die durch eine übelgeleitete Partei- presse in den Fieberzustand des Chauvinismus hineingehetzten Volks- müssen trenne, müsse endlich fallen und die großen Mittel, die heute im Dienste deS selbstsüchtigen Kapitalismus für die Rüstungen aus- gegeben würden, besseren Kulturzwecken zugeführt werden. Dr. Alfred N a st- Prris begrüßt den Kongreß im Namen des GenossenschaftSverbandeS französischer Konsumvereine und ihrer Großeinkaufsgesellschaft. Sie seien nach dem Programm der redlichen Pioniere von Rochdale , gebildet, aber auch ihre Arbeit habe die Einheit und Freiheit der unterdrückten Klasse» aller Völker zum Ziele. HS lieS-Paris vertritt zum ersten Male die französischen sozialistischen Genossenschaften, die offen den Kampf gegen den Kapitalismus führen. Er spricht die Hoffnung aus, daß, wie die anderen Zweige der französischen Arbeiterbewegung, bald auch die französische Genossenschaftsbewegung einheitlich fein werde. L i n n a- Finnland preist in deutscher Sprache namentlich die Eigenproduktion der deutschen Konsumvereine und berichtet über die noch in den Anfängen stehende, aber günstige EntWickelung der finnischen Genossenschaften. M i r r e r- Amsterdam überbringt die Grüße der Holländer, Biraghi-Rom die der Italiener. Reichsratsabgeordneter Genosse Dr. Karl Renner - Wien , Obmann des österreichischen Zentralverbandes, rühmt das so inhaltsreiche Jahrbuch.(Heiterer Beifall.) Es zeigt, wie lächer- lich die höhnische Frage der Gegner ist, was denn Gutes aus einem Kramladen kommen könne! Sie, wie wir, haben nur in der Arbeiterklasse, allerdings in der ganzen Welt, Ihre Freunde; unsere Feinde sind die Bureaukraten und die Mittelständler. Immerhin ist es uns gelungen, das Parlament von der Notwen- digkeit einer Steuerbegünstigung der Konsumvereine zu überzeugen. Die Teuerungsunruhen des 17. September mit dem Einschreiten der Staatsgewalt haben uns gelehrt, daß nur die Selbsthilfe des Volkes dem Volke Hilfe bringen kann.(Sehr wahr!) Leider hat auch in die österreichische Konsumvereins- bewegung die nationale Zersplitterung Einzug gehalten; aber sie hat unsere Internationale nicht schwächen können. Wir sind durch gemeinsamen Kampf besonders verbunden mit der deutschen Arbeiterilasse. TaS gilt auch für die Genossenschaftsbewegung. Wir bleiben brüderlich verbunden mit Ihnen und mit der Ar- beiterschaft ganz Mitteleuropas ..(Stürmischer Beifall und Händeklatschen.) Lentzky(Rußland ): Der politische Befreiungskampf von 1905/6 wurde zum mächtigen Faktor der Selbstorganisierung der russischen Konsumenten Wir haben 19 999 ländliche Kreditgenossen- schaften und 5-999 Konsumvereine, zum Teil ebenfalls auf dem flachen Lande, mit 12 Millionen Mark Umsatz. Diese Organisa- tionen haben eine um so größere Bedeutung für das Aufsteigen des russische» Volkes als seine anderen Organisationen verfolgt werden, wie das die Tragödie in den Lenagoldwäschereien wieder gezeigt hat. Darum ist unsere Hoffnung auf die Genossenschaften gerichtet.(Großer Beifall.) Nach weiteren Ansprachen der Delegierten Schwedens und der Schweiz sprach Neichstagsabgeordneter Genosse Bauer namens der Genera lkommission, deren lebhaftestes Interesse an den Verhandlungen er betonte. Verfolgen wir doch auf verschiedenen Wegen das gleiche Ziel der Hebung der Arbeiterklasse und der breiten Volksmassen. Unser Zusammenarbeiten spiegelt sich in dem Punkt 6 Ihrer Tagesordnung: Die gewerkschaftlich genossen- schaftliche Aktiengesellschaft zur Volksversicherung. Auch dieser Genossenschaftstag wird gewiß neue Erfolge unseres gemeinsamen Wirkens zeitigen. Wir wünschen Ihnen den besten Erfolg..(Leb- Haster Beifall.) Unter den Drahtgrüßen sind solche auS Serbien und vom Holländischen Staatssekretär a. D. Elias. Zu Vorsitzenden werden gewählt Barth-, Lorenz-Ham- bürg und Miras- Berlin . Hierauf wird in die Tagesordnung eingetreten. Generalsekretär Kauf man»-Hamburg referiert nun über:Der Internationale Genossenschaftsbund". Deutschland hat vorgeschlagen, auf dem nächsten Internationalen Kongreß(1913) den direkten Güteraustausch mit landwirtschaftlichen Genossen- schaften, internationale Beziehungen, genossenschaftliche Erziehung, Bestehen mehrerer Vereine an einem Ort und genossenschaftliche Ausbildung zu beraten. Auf der Beratung der Rentabilität ge- nossenschaftlicher Bäckereien und Schlächtereien bestehen wir nicht; wir können das unter uns Deutschen beraten. Der Redner fordert zu stärkerem Bezug des internationalen Jahrbuches auf. Ein geeigneter internationaler Sekretär ist noch nicht gefunden. Ist einer da, möge er sich melden.(Heiterkeit.) Der leitende Aus- fchuß soll in Zukunft, das streben wir an, nicht nur aus Eng- ländern bestehen und sein Sitz in eine der kontinentalen Groß- städte um dfe Rheinmündung verlegt werden. Trachten Sie, den internationalen Kongreß in Glasgow (1913) stark zu beschicken, zsm die englischen Einrichtungen zu studieren.(Beifall.) Der Genossenschaftstag vertagt sich hierauf auf morgen. Aikvstag 9 Uhr früh._ Hus der parte!. Die Sauiening des Göppinger Parteiblattes. Das Pressebureau versendet an die Parteipresse folgende Meldung: Die Generalversammlung des Wahlkreises Göppingen-Gmünd tagte am Sonntag. 16. Juni, auf dem Hohenstaufen. Es waren 139 Dele- gierte anwesend. Das Mandat des Genossen Rad et, der am Tage vorher in Gmünd nach einem Vortrage über die Göppinger Presseangelegenheit zum Delegierten gewählt ivorden war. wurde beanstandet, da Rädel nicht Mitglied der Partei. organisation des Kreise« ist. Ei» Gmünder Genosse glaubte die Zugehörigkeit Rädels zur Partei überhaupt aus seiner Mitarbeiterschast an der.Neuen Zeit" herleiten zu können. Die An- Wesenheit Rädels sei notwendig, da er am ehesten in der Lage sei. die Angelegenheit des Göppinger Geschäfts der Generalversammlung klarzulegen. Darauf gab Genosse Ebert vom Parteivorstand im Einverständnis mit dem Genossen Braun folgende Erklärung ab: Wir find bereit, mit den Genossen deS 19. württembergischen Reichstagswahlkreises uns über die Sanierung des Göppinger Parteiunternehmens eingehend zu beraten. Wir haben zu diesem Zweck bereits mit allen in Betracht kommenden Parteiinstanzen darüber verhandelt und find einmütig zu einem Vorschlag ge- kommen, den wir der Kreisgeneralversammlung unterbreiten wollen. Ablehnen müssen wir es jedoch nach wie vor, über diese schwierige, vorwiegend geschäftliche Angelegenheit mit dem Ge- nossen Rädel zu verhandeln, der weder im Wahlkreise organisiert ist. noch mit den geschäftlichen Angelegenheiten vertraut ist und der zudem durch die parteischädigende Art, wie er diese Angelegenheit in der Oeffentlichleit behandelte, einen solchen Mangel an Verantwortlichkeitsgefühl an den Tag gelegt hat, daß die Verhandlungen mit ihm zu keinem gedeihlichen Ergebnis führen können. Glaubt der Genosse Rädel über den Parteivorstand oder einzelne seiner Mitglieder Beschwerde führen zu müssen, so kann er sich an die Kontrollkommission der Partei wenden, die seine Beschwerden sofort zu prüfen hat. Dieser für alle Parteigenossen vorgezeichnete Weg muß auch für den Genossen Rädel maßgebend sein. Braun. Ebert." Mit großer Mehrheit wurde dann das Mandat Rädels für u n- gültig erklärt. Darauf zogen sich die Gmünder Delegierten zu einer Besprechung zurück. Nach ihrer Rückkehr ersuchten sie um er- neute Abstimmung über die Gültigkeit des angefochtenen Mandats und gaben, nachdem dieses Ersuchen abgelehnt war, folgende Er- llärung ab: Die unterzeichneten Delegierten sehen in der Nichtzulassung deS Genossen Rädel als Delegierten Gmünds eine Beeinträchtigung der Rechte der Gmünder Mitgliedschaft. Sie konstatieren, daß der Genosse Ebert gegen Rädel schwere Beschuldigungen erhoben, daß ihm aber das Recht der Gegenwehr durch den Beschluß der Generalversammlung abgeschnitten wurde. Sie sind der Ueber- zeugung, daß Genosse Rädel nach bestem Wissen den Interessen des 19. Wahlkreises dienen wollte und daß das Verhalten des Parteivorstandes den Eindruck erwecken mutz, es seien Dinge zu verbergen, die den Parteigenossen nicht bekannt werden sollen. Sie sind gezwungen, die Verantwortung für die heutige Ber- Handlung abzulehnen und an ihr nicht mehr teilzunehmen." Sodann verließen die Delegierten von Gmünd, sechs weibliche und ein männlicher Delegierter von Göppingen mit Rädel und Talheimer die Generalversammlung. Ebert berichtete nunmehr eingehend über die Entwickelung der Göppinger Zeitungsangelegewheit, seine Feststellungen durch Ver- lesung der in der Sache geivechselren Briefe belegend. Die Ver- ämmlung stimmte ihm mit großem Beifall einmütig zu. In der kurzen Debatte wurden die Angaben Eberts von sämtlichen Rednern bestätigt; insbesondere hob Kinkel hervor, daß während der Ver- Handlungen ihm das vom Parteivorftand angewiesene Geld stets anstandslos ausgezahlt worden ist. Nachdem der Schluß der Debatte angenommen war, erklärte der Vorsitzende Schepperle: daß er nicht habe ausführen können, daß er mit dem Vor- chlage Eberts einverstanden sei, er wolle der Sanierung nicht im Wege stehen, sei aber nach wie vor der Ansicht, daß der Rücktritt Thalheimers erzwungen war. Nunmehr er- suchte Ebert die Versammlung dringend, die Debatte wieder zu eröffnen, um Schepperle Gelegenheit zur Begründung seiner Ansicht zu geben. Dem wurde zugestimmt. Schepperle legte in Kürze die Vorgänge dar, aus denen er den Schluß gezogen hat, daß der Rück- tritt Thalheimers lein freiwilliger gewesen sei. Nachdem Ebert vom Parteivorstand und Hildenbrand vom Landesvorstand nach- gewiesen hatten, daß Schepperle von irrigen Boraussetzungen aus- geht, wurde erneut die Debatte durch einstimmigen Beschluß ge« schloffen und folgender Resolution einmütig zugestimmt: DieFreie Bolkszeitung" in Göppingen bleibt ein selb- ständiges Blatt mit eigener feb ständiger Re- daktion. Zur Verbilligung ihrer Herstellung wird der all- gemeine politische Teil in Matrizen von derSchwäbischen Tag- wacht" in Stuttgart bezogen. Der Druck derDonauwacht" wird von Stuttgart nach Göppingen verlegt. Die von Stuttgart be- zogenen Matrizen werden auch für dieDonauwacht" verwandt, deren Redaktion wie bisher selbständig in Ulm geführt wird. Die Sanierung wird vom Parteivorstand und Landesvorstand durchgeführt. Diesen Körperschaften wird in allen wichtigen geschäftlichen Angelegenheiten deS Göppinger Unter- nehmens entscheidender Einfluß eingeräumt. Die Eni- schcidung über die redaktionelle Haltung der beiden Blätter bleibt wie bisher den Genossen der Verbreitungsgebiete überlassen." Spaltung der Partei! Unter dieser und ähnlichen Ueberschriften haben einige liberale Blätter eine in derChemnitzer Volksstimme" und in anderen Partei- blättern gebrachte Notiz kommentiert. Die Mitteilung der.Vossischen Zeitung" ging dahin: Für den Zwiespalt innerhalb der sozialdemokratischen Reichs- togSfrattion ist eine Mitteilung der heutigen»Chemnitzer Volks- stimme", deren leitender Redakteur Heilmann den Revisionisten nahesteht, bezeichnend. Danach hat der Abgeordnete Ledebour . Marxist strengster Observanz, die Mitglieder des linken Flügels der sozialdemo- iratischen ReichstagSfraklion zu morgen(Sonntag) nach Eisenach zu einer Besprechung eingeladen. Man will Stellung zum bevor- stehenden Parteitag nehmen und fich darüber aussprechen, wie man die Lösung einiger schwebender Parteifragen im radikalen Sinne beeinflussen kann." Von einem Teilnehmer der Konferenz wird uns hierzu mit- geteilt: Selbstverständlich ist die Behauptung einer Spaltung und der- gleichen aus der Luft gegriffen. Es ist in Eisenach am Sonntag der Entwurf eines neuen Organisationsstatuts von mehreren Mit- gliedern unserer ReichStagsfrattion in Anlnüvfuna an die zur DiS- kussion gestellten Vorschläge der ReorganisanonSkommission erörtert worden, wobei selbstverständlich bindende Beschlüsse nicht gefaßt wurden. Die Spaltungsnotizen wurden, von den Anwesenden mit gebührender Heiterkeit ausgenommen." Das Mandat SilbererS. Unsere Wiener Genossen haben für das durch den Tod Silbererz erledigte Reichsratsmandat des 3, Wiener Geineiudebezirks(Land- straße) den Genossen Rudolf Müller vom Eisenbahnerverband aufgestellt, der im vorigen Parlamenl den von ihm bei einer Nach- wähl eroberten schlesischen Wahlkreis Freiwaldau vertreten hat. Silberer war im Sommer 1911 in der Stichwahl mit 8346 Stimmen gegen den Christlichiozialen gewählt worden. In der Hauptwaht war das Verhällnis: Silberer(Soz.) 6692(1997 5127), christlichsozial 5784(7334), deutschnational 1726, deutschfortschritt- lich 783, tschechisch 326. Die Ersatzwahl findet am 24. Sep- t e in b e r statt. Ein Bezirksbilduagsausschuß für Niederschlesir» wurde am Sonntag aus einer Konferenz in Görlitz , die bon 37 Vertretern der Gewerlichaftskartelle, der sozialdemokratischen ver- eine, der Sgnger- und Turnervereine besucht war. eingesetzt. Ge- nosse Pieck, der als Vertreter des ZentralbildungsauSschusses an der Konferenz teilnahm, erstattete ein eingehendes Referat über die proletarischen Bildungsbestrebungen. Die lebhafte Aussprache über da« Referat drehte sich wesentlich um die Schwierigkeiten, die sich in Niederschlesien einer intensiven Bildungsarbeit entgegenstellen. Es wurde deshalb die von der Agilationskommiision vorgeschlagene Einsetzung eines Be- zirksbildungsausschusses, der den Orten bei der BildungS- arbeit behilflich sein soll, freudig begrüßt und angenommen. Der Bezirksbildungsausschuß hat seinen Sitz in Görlitz und setzt sich zusammen aus sieben Mitgliedern, Drei wählt das GeWerk- schaftskartell, drei der sozialdemokratische Verein und eins die Agitationskommission. Die Konferenz beschäftigte sich noch mit der proletarischen Jugendbewegung, über die der Vorsitzende des Bezirks- jugendausschusses, Genosse Oswald aus Görlitz , referierte, der den Genossen empfahl, sich mit größerem Interesse der Jugend an- zunehmen. Die Diskussion förderte ein trübes Bild der behördlichen Schikanierung unserer Jugendbewegung in Niederschlesien zutage. Allen Schwierigkeiten zum Trotz versprachen die Genossen für die Förderung der Jugendbewegung tätig zu sein. Poll�eiUehes, OeriebtUebes ukw. Preußische Ausweisungspraxis. Genosse B o r y s, Redakteur der polnischen Ausgabe derBerg- arbeiterzeitung", der in einem Artikel die preußische Ausweisung-- Praxis gekennzeichnet hatte, erhielt von der Bochumer Strafkammer wegen Beleidigung des Amtmanns Dr. Eickhoff von Balve 4 99 M. G e l d st r a f e. Die Verhandlung ergab, daß ein galizischer Arbeiter zu Unrecht des Diebstahls bezichtigt und aus» gewiesen worden war. Das Gericht sprach dem Angeklagten Wahrung berechtigter Interessen zu. Jugendbewegung. Zwangsturncn in patriotischen Vereinen. Die Macher der staatlichen Jugendpflege brüsten sich in der Oeffentlichleit mit angeblich großartigen Erfolgen, die die neue Be- wegung aufzuweisen habe. In Wirklichkeit hat sie ihren eigentlichen weck, die schulentlassene Jugend der Arbeiterschaft der proletarischen ugendbewegung zu entziehen und sie für die arbeiterfeindlichen Bestrebungen der bürgerlichen Jugendbewegung einzufangen, trotz aller Anstrengungen und Lockmitlel nicht zu erreichen vermocht. Und die eifrigsten Förderer der staatlichen Jugendpflege sind es selber, die den Beweis erbringen, daß sie am Ende ihres Lateins angelangt sind. Die Rufe nach Gesetzen zum Schutze derstaatlich gepflegten" Zöglinge und zur zwangsweisen Mitgliedschaft der arbeitenden Jugend in nationalen Vereinen beweisen aufs deutlichste den Bankrott der staatlichen Jugendpflege. Einige Stadtverwaltungen gehen indessen mutig voran, ohne viel Lärm die Zwangsjugendpflege einzuführen. Der Schulausschuß der Stadt Borna hat im Einvernehmen mit der Bezirksschul- inspektion eine Verfügung erlassen, die jeden FortbildungS- und Gewerbeschüler verpflichiet, einem der drei bestehenden, selbstverständlichnationalen" Turnvereine als Mit- glied anzugehören. Der Lagerhalter H. und der Berg- arbeiter G. weigerten sich, ihre Söhne zum Turnunterricht in einem der Turnvereine zu schicken. Sie erhielten darum eine Straf» Verfügung, wogegen die Betroffenen richterliche Entscheidung beantragten. Das Schöffengericht in Borna verurteilte sie zu je 19 Marl Strafe wegen Uebertrctung des Volksschulgesetzes(!) Die dagegen eingelegte Berufung wurde vom Landgericht in Leipzig ver- worfen. Es trat den Gründen bei, die das Bornaer Schöffengericht für sein Urteil angeführt hatte. Diese Gründe sind im wesentlichen folgende: Der Schulausschuß nimmt in den Städten mit revidierter Städteordnung, zu denen Borna gehört, die Stelle deS Schul- Vorstandes ein.(§ 25 B des Volksschulgesetzes vom 26. April 1873.) Sein Wirkungskreis umfaßt nach§ 24 die Ausführung des Schul- gesetzes; er hat im Sinne dieses Gesetzes Anordnungen zu treffen. Wenn nun in§ 2 des Gesetzes das Turnen als wesentlicher Gegen- stand des Unterrichts der Volksschule bezeichnet wird, und in§ 3 festgesetzt wird, daß zur Volksschule auch die Fortbildungsschule» gehöre, so decken nach Ansicht des Gerichtes diese Bestimmungen die Anordnung de? Schulausschusses, soweit sie für die Fortbildungsschule das Turnen als Unterrichtsgegenstand einführt. Durchschlagende Bedeutung kann das Gericht der Auffassung des Verteidigers, wo- nach das Turnen nur für die Volksschule im engeren Sinne, nicht auch für die Fortbildungsschule, wesentlicher Unterrichtsgegenstand sei und deshalb auch verbindlich für die Fortbildungsschule nicht eingeführt werden könne, nicht beilegen. Denn wenn auch§ 14 des Volksschulgesetzes das Turnen als Aufgabe der Fortbildungsschule nicht ausdrücklich erwähnt, auch nicht im Absatz 4, so kann doch nicht geleugnet werden, daß daS Turnen als vernünftige Körper- pflege zu denjenigen Kenntnissen und Fertigkeiten gerechnet werden muß, die für das bürgerliche Leben vorzugsweise von Nutzen sind, wie§ 14, Absatz 1 des VoliSschulgesetzeS die Aufgaben der B-lks« schule bestimmt. Weiter nimmt der Verteidiger Anstoß daran, daß das Turne» einem Bereine, nicht einem bestimmten einzelnen Lehrer übertragen worden ist. Daß gewisse Unterrichtsgegenstände auch Nichtlehrern übertragen werden können, setzt Z 32 der Ausführungsverordnung vom 25. August 1874 ausdrücklich fest. Hierunter auch das Turnen mitzurechnen, er» scheint unbedenklich. Hiernach würde auch vom Standpunkt des Ver» teidigerS nichts dagegen einzuwenden sein, wenn einem bestimmten Vorturner des Verems diL Turnstunde übertragen worden wäre. Auf etwas wesentlich anderes ko»nmt aber im Grunde auch die Uebertragung an den Verein nicht hinaus. ES versteht sich von selbst, daß bei dem Uebereinkommen des Schul- ausschusseS mit dem Turnverein vorausgesetzt ist, daß daS Turnen sachgemäß und in derselben Weise betrieben werde, wie wenn ein Lehrer der Volksschule den Turnunterricht erteilte. Dafür zu sorgen, ist Sache des Vereinsvorstandes, und dazu ist er vermöge der Vorturner des Vereins auch imstande. Immer aber sind Aufsichts- organe die Bezirksschulinspektion und der Schulausschuß, die etwa hervortretende Mängel abzustellen in der Lage sind, gegebenenfalls auf sofortige Aufhebung des Uebereinkommens mit dem Berein zu- kommen können. Unbeachtlich erscheint das weitere Bedenken des Verteidigers, das betreffs der Haftpflicht und der Verfolgung etwaiger Schäden» ausprllche erhoben wird. Denn die Stellung der Stadt kann dem den Turnunterricht erteilenden Vereinsmitgliede gegenüber keine andere sein, wie dem Vollsschullehrer gegenüber, der Turnstunde gibt." Sollte das sächsische Oberlandesgericht den gleichen irrigen Standpunkt einnehmen, so wird dafür zu sorgen sein, daß diese Vereine an ihren Zwangsmitgliedern ihre helle Freude erleben. Sozialed. Alkoholgenuh und Braucreiarbciter. Der Aufruf des Parteivorstandes gegen den Genuß von Schnaps wird durch das tatkräftige Vorgehen der Brauerei» arbeiter in der Alkoholsrage wesentlich unterstützt. Vor Jahren hätten wohl die meisten Arbeiter es für unmöglich gehalten, daß ausgerechnet die Brauerreiarbeiter ihr solieögewordenes Bier" meiden und sich daS vertraglich zugesicherte Freibier, den HauS- trunk in Bargeld hcrauszahlen lassen würden. Als diese Forde- rung von der Organisation der Brauerciarbeiter zuerst erhoben wurde, gab es unter den Unternehinern auch sehr viele Zweifler, die zu bestreiten suchten, daß sich die Brauereiarbeiter überhaupt dazu ausraffen könnten, den Genuß des Bieres während der Arbeitszelt zu unterlassen. Bei manchen der Herren mag auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, daß sie ihr Bier lieber an die Arbeiter im Betriebe verschenkten, als bares Geld dafür zu zahlen. Und wie haben sich die Zeiten geändert? Von Jahr zu Jahr werden neue Tarife mit den Brauherrn geschlossen und neue Scharen Brauerciarbeiter lassen sich ihrBiergeld" hcrauszahlen. Sehr interessant ist daher eine Bemerkung des Berichtes der technischen AuMtSbsunten der Brauerei, und Mälzerei-BerufS»