" w- 2S.Z.H-M-. i Keilllge des JoriDiirts" Kerlim MllisdlM Der italienische Parteitag. tErster Tag.) Reggio Emilia , den 7. Juli. Der dreizehnte Parteitag der italienischen Partei findet in dem eigentlichen Mittelpunkte der sozialistischen Bewegung, in Reggio Emilia statt, in einer Provinz, deren Verwaltung in Händen unserer Partei liegt, die 13 sozialistische Stadtverwaltungen hat und über drei sozialistische Parlamentsmandate verfügt. Durch seine starke Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung und seine zahl- reichen Kollektivpachtungen war Reggio mehr als jede andere Stadt geeignet, durch eine großartige proletarische Demonstration dem Parteitag einen feierlichen Empfang zu bereiten, und in der Tat war ein großer Fcstzug aller Organisationen der Provinz geplant worden, den ein heftiges Gewitter vereitelt bat. Auch die für heute anberaumte Festfahrt auf der im Betrieb einer sozialistischen Genossenschaft befindlichen Eisenbahnlinie Reggio— Ciano wurde durch das Unwetter stark beeinträchtigt, so daß der heutige Sonntag dem Kongreß nichts anderes übrig gelassen hat als Diskussionen und Arbeit. Vor mehr als 700 Delegierten wurde der Kongreß durch den Vorsitzenden des Organisationskomitees, Gen. Belelli, eröffnet, der dem Parteitag vor allem die Rücksicht auf die Einheit und Einigkeit der proletarischen Bewegung ans Herz legt. ES folgen Begrüßungsworte deS Bürgermeisters, Gen. R o v e r s i, und des Präsidenten der Provinzialverwaltung, Gen. Mazzoli, worauf Gen. Constantino Lazzari daS Wort nimmt, um den Opfern der Reaktion und des Krieges den Gruß deS Parteitages zu ent- bieten.„All denen, Italienern oder Türken, die auf den Feldern des Kolonialkrieges fallen, als Opfer einer Klassenpolitik, durch die die Bourgeoisie die Akkumulation deS Kapitals verwirklicht, den Gruß der Sozialisten Italiens ", ruft Lazzari unter dem lauten Beifall des ganzen Parteitages aus. Darauf erklärt Gen. Bassi im Namen deS ParteivorstandcS den Kongreß für eröffnet und man geht zur Bureauwahl über, wobei die Kandidaten von den verschiedenen Fraktionen vereinbart worden sind. Durch Akklamation werden drei Revolutionäre und drei Reformisten zu Vorsitzenden gewählt, nämlich die Genossen Agnini, Bassi und Lazzari(Revolutionäre ), L i b o r d i und d'Aragona (Linksreformisten) und C a n e p a(Rechtsreformist). Bei Uebernahme der Präsidentschaft erinnert Lazzari an den ersten Kongreß, der vor 17 Jahren in Reggio Emilia stattfand und der Partei ihr Programm diktierte. Heute handelt es sich darum, zu den alten Grundlagen des Sozialismus zurückzukehren. Er ge- denkt Andrea Costas und der vielen Opfer, die dieser der Partei gebracht hat. um sie einig und kampftüchtig zu wissen aus dem Boden des gemeinsamen Programms. Es gelangen darauf zahlreiche Telegramme zur Verlesung, darunter ein solches der französischen Partei, eins der Sozialisten des Staates M a s s a s s u ch e t, die für die Agitation gegen den Justizmord an den Genossen E t t o r und G i o v a n i t t i danken, und da? folgende Telegramm des Vorstandes der sozial- demokratischen Partei Deutschlands : „Dem in Reggio Emilia versammelten Kongreß der italienischen Sozialdemokratie senden wir herzliche Brudergrüße. Wir wünschen seinen Arbeiten im Interesse der gegen den Imperialismus kämpfenden italienischen Arbeiterklasse den besten Erfolg. Es lebe die Internationale der Arbeiter!"(Lebhafter Beifall.) Auch ein Schreiben deS Internationalen Bureaus aus Brüssel ist der Präsidentschaft zugegangen, das dem Kongreß fruchtbare Arbeit wünscht und an die Pflicht erinnert, die Einheit des Proletariats nicht zu erschüttern.(Beifall.) Der Parteitag nimmt dann den Bericht des Parteivorst andeS entgegen. Aus dem Bericht, den die Genossen Rosetti und Ciotti geben, gl'ht hervor, daß die Zahl der Sektionen, die ihren Beitrag an die Parteileitung abgeführt haben, rund 1000 beträgt mit 29 000 Mitgliedern. Gegenüber dem Vorjahre bedeutet dies einen Rückschritt von 2000 Mitgliedern, der sich wahrscheinlich im Laufe der zweiten Hälfte deS Jahres ausgleichen wird. Die Jahreseinnahmen be- trugen 1910 66 687 Lire und im folgenden Jahre 62 766 Lire; die Ausgaben erreichten ungefähr dieselbe Höhe. Die HauptauSgaben — 29 000 und 28 460 Lire— wurden für den„Avanti" gemacht; Kleines feuilleton. Harun-al-Raschid . Ein Berliner Polizeipräsident hatte die An- gewohnheit. sich gleich jenem glorreichen Kalifen Harun-al-Raschid rn minderer Kleidung unter daS Volk seiner Stadt zu mischen, um daselbst die Meinungen und Klagen des gemeinen Mannes höchst persönlich zu vernehmen. Eines Tage« begegnete es ihm, daß er an einer Pferdetränke stand und dort mit anhörte, wie der Kutscher — wie eS nun einmal die Art dieser Leute ist— sich in unziemlichen Worten über die Gesetze und Bestimmungen, dje Pfcrdelenkkunst be- treffend, ergingen und dieselben heftig schmähten. Harun-al-Jagof trat herzu und gab seiner Meinung dahin Ausdruck, daß die Klagen der Supplikanten wohl aufUebertreibungen beruhten. Darauftrat einer aus dem Haufen heraus und sprach also:„Nu will ick Ihnen mal wat sa'n. Nu setzen Sie sich ma uff'n Bock un kutschieren, und ick wer drin- sitzen un denn paffen Se mal uff, war passiert". Der glorreiche Harun-al-Raschid tat also und siehe, es begab sich, daß er»ach einer halbstündigen Fahrt 71mal wegen Uebertretung der Droschkenfahr- Polizeiordnung aufgeschrieben wurde. Er wandte sich darauf ein wenig erstaunt(aber trotzdem seinen Adel nicht vergessend) zu dem im Fond des Wagens lehnenden Roffelenker und sprach:„Nun wohll Ich sehe es. Aber sage mir doch, wer versteht denn eigentlich bei euch die Bestimmungen dieser Verordnung?"— ..Die Pf-rde". sagte der Mann des Volles. tu. Ter Rcisekoller. Gegen die modische Rcisefexerei, die blöde, kulturlose, die die Menschen nicht bereichert, schreibt Joh. Gaulke in der„Gegenlvart":„Der moderne Rcisekoller hat etwas heran- gezüchtet, das aller Kultur Hohn spricht: die Fremdcnindustrie, die einer der größten Gleichmacher unserer Zeit ist. Sie hat der Physiognomie der Großstadt ihren Stempel aufgedrückt.... Die Frcmdenindustrie hat aus den Stätten alter Kultur„Sehens- Würdigkeiten'" gemacht, und dadurch jedem Menschen von Kultur, wenigstens zur Reisezeit, die Lust an den alten Kunstfchatzcn ver- ekelt. Jetzt ist man drum und dran, auch die Statur zeitgemäß aufzufrisieren. Früher betrat man mit heiliger Scheu die Berge und die Gestade des Meeres. Unter großen Strapazen und Ge- fahren mußte man sich einen rtawrgenuß erkämpfen, heute läuft der Reisende, der sich abseits der großen Horde hält, der sich der üblichen Beförderungsmittel nicht bedient und nicht in fashionablen Hotels logiert. Gefahr, als Landstreicher von der heiligen Hermandad belästigt zu werden. Es gibt in Europa noch kaum eine Landschaft, die von den„Segnungen" der Fremdenindustrie verschont geblieben wäre. Die Natur ist mit einem jammervollen Kulturfirnis überzogen und die Landbevölkerung mit allen Schikanen korrumpiert worden. Ich kenne einige Fischerdörfer, die sich vor einem oder zwei Jahrzehnten noch einer Wurzel- standigen, biederen Bevölkerung erfreuten, aber dann avancierte � 6'lscherdorf zu einem Badeort, und aus den stiernackigen Fl und«' sichern wurden raffinierte Fremdcnjäger. So wirken mancherlei Umstände zusammen, die das Reisen, das ein Bildungs- mittel ersten Ranges sein könnte, zu einem sinnlosen, kultur- zersetzenden Sport machen. Das sollte uns Anlaß zum Denken geben. Neunundneunzig Prozent aller Reisefexe haben, wenn man für die Agitation belief sich der finanzielle Aufwand auf 2324 und 1869 Lire. Der Bericht zählt dann die verschiedenen Maßnahmen deS Bor- 'standeS auf, die Aktion für das allgemeine Wahlrecht, die Bor- vereitung der österreichisch-uligarische» und italienischen Zusammen- kunft, die wegen der Wahlen in Oesterreich unterbleiben mußte, die Einberufung des außerordentlichen Parteitages von Modena , die Agitation gegen den Krieg usw. Erwähnung findet auch die AuS- ichließung Enrico Ferris aus der Partei. Zur Diskussion spricht Bella von der revolutionären Fraktion, der den Parteivorstand scharf kritisiert. Dieser hätte in Modena de- missionieren müsse», obwohl es sich um einen außerordentlichen Parteitag handelte, der eine Neuwahl des Vorstandes nicht vorsah. Der Vorstand war seit Modena nicht mehr der Vertreter der Partei- Mehrheit. Bella betont, daß die italienische Parteileitung sich nicht an der internationalen Demonstration gegen den Krieg beteiligt hat, die das internationale Bureau von Brüssel zum 6. November an- gesagt hatte und die sogar in Saloniki stattfand. Der Vorstand hat auch nichts getan, um die Fraktion zur Disziplin anzuhalten.? Aus eine Bemerkung über die Disziplinlosigkeit der Fraktion, bemerkte T u r a t i persönlich, daß er sich in der Frage des Krieges nicht auf die Fraktionsdisziplin festlegen konnte, weil er durch die Kongreßdisziplin im voraus gebunden war. Die Sitzung wird darauf vertagt, da es Mittag ist. Der Nachmittag, der der Massenkundgebung gewidmet sein sollte, die das schlechte Wetter verdorben hat, wird mit FraltionS- sitzungen ausgefüllt, die bis in die späte Nacht dauern. Vor diesen Sitzungen, die natürlicherweise ihren Reflex in den noch folgenden Parteitagsverhandlungen haben werden, sei nur er- wähnt, daß die Linksreformisten in der Mehrheit die Ausstoßung der Rechtsreformisten beschlossen haben. Die Revolu- tionäre haben in ihrer gestrigen und heutigen Fraktionssitzung den Beschluß gefaßt, die Resolution L e r d a durch zwei Amendements zu verändern: durch Verwerfung der Wahlbündnisse auch bei den kommunalen Wahlen und bei den Stichwahlen. Diese Amendements wurden aus das lebhafteste von Lerda, Lazzari und den süditalie- nischen Genossen bekämpft, aber die Mehrheit drang mit der For- derung durch. Da man sich dahin geeinigt hatte, daß die Minder- heit der revolutionären Fraktion sich der Mehrheit Ligen würde, so wird also die Fraktion auf dem Parteitag geschlossen die absolute Ablehnung aller Wahlbündnisse vertreten. Ob dadurch eine Ab- splitterung derjenigen revolutionären Delegierten erfolgt, die bei der Vorversammlung nicht zugegen waren, und die Wahlbündnisse bei Kommunalwahlen wie im zweiten Wahlgang zulassen wollen, ist noch nicht abzusehen. •*• Reggio Emilia , 10. Juli. (Privattelegramm des„Vor- wärt s".) Die Abstimmung über den Ausschluß der rechts- reformistischen Abgeordneten Biffolati, Cabriui, Bonaui und Podrccca aus der Partei ergab 12 556 revolutionäre und 8883 linksreformistische Stimmen bei 2072 rechtsreformistischen Stimmenthaltungen. Nach der Abstimmung erklärten sich alle rechtsreformistischen Delegierten mit den Ausgeschlossenen soli» darisch und erklärten ihren Austritt aus der Partei. Reggio Emilia , 10. Juli, nachm. 2 Uhr.(Privattelegramm deS„V o r w ä r t§".) Die Rechtsreformisten beschlossen soeben die Gründung einer sozialistisch- reformistischen Partei, deren erster Parteitag im Oktober in R o m stattfinden soll. lä.InternationalerßergarbelterbODgrtß. Amsterdam , S. Juli. Heute wurde die Debatte über die Anstellung staatlich besoldeter Arbeiterinspektoren in den Gruben zu Ende geführt. Die gründliche Erörterung zeigt, welch ausschlaggebende Bedeutung die besten Köpfe des Grubenproletariats gerade dieser Forderung zu» schreiben. Erschütternd wirkten namentlich die mit aufwühlender Leidenschaft vorgetragenen Argumente deS Amerikaners Walker, der die„große Armee" der Totenopfer des amerikanischen Kohlen- kapitals vorüberziehen ließ! Einstimmig stellte der Kongreß die Forde- rung nach Bestellung staatlich besoldeter Grubenkontrolleure aus. ihren Bildungsgrad als Maßstab anlegt, überhaupt nicht die Be- rechtigung zum Reisen. Sie kommen genau so dumm von der Reise zurück, wie sie ausgezogen sind; einzelne vielleicht etwas blasierter." LconcavalloS neueste Werke. Leoncavallo ist in Mailand ein« getroffen, um mit seinem Verleger Sonzogne die letzten Abmachungen über sein neuestes, soeben vollendetes Werk zu treffen, über eine Oper„Zigeuner ", zu der Cavacchioli und Emanuel das Li- bretto geschrieben haben und die bereits zu Beginn der kommenden Saison in London ihre Uraufführung erleben wird. Die Partitur liegt fertig vor.„Aach einem heiteren Zwischenspiel," so äußerte sich der Komponist,„nach meiner„Kleinen Rosenkönigin" bin ich nun wieder zu meiner echten Kunstform zurückgekehrt: zu der Leiden, schastlichkeit der Bajazzi. Und ich glaube, die Eigenschaften dieses früheren Werke? wieder erreicht zu haben, wobei ich mich aller modernsten Mittel der musikalischen Technik bediente. Und alles das, ohne mich von dem traditionellen Charakter der italienischen Melodie zu entfernen. In die„Zigeuner " habe ich meine ganze Seele gelegt, ich folgte nur meinem Temperament und memer Inspiration." DaS Lokalkolorit scheint in LeoncavalloS Oper eine große Rolle zu spielen; der Komponist erklärt, daß er eine große Anzahl populärer rumänischer Schrift- steller als Vorbereitung zu seiner Arbeit durchstudiert habe. Mit besonderem Nachdruck weist er darauf hin, daß er das moderne Orchester mit einem neuen Instrument bereichert habe,„daS den Schlüssel der Violine und des CelloS umfaßt und sogar einige Noten der Boßgeige wiedergeben kann. Ich habe daS Jnstniment provisorisch die.Contravioline' getauft und sie führt vielfach die Melodie". Der eine Akt spielt im Zigeunerlager am Ufer der Donau , ein anderer in der Nähe einer alten Dorfkirche. Am 16. September wird die Oper im Londoner Hippodrom zuerst in Szene gehen. daran schließt sich eine englische und später eine amerikanische Tournee; in Mailand werden die„Zigeuner " im Frühjahr aufgeführt werden. Die Fertigstellung dieses Werkes hat die Vollendung der begonnenen anderen Oper„Der Marmorwald" verzögert; außerdem plant Leon- cävallo die Komposition eines einaktigen„OcdipuS", zu dem Cappa und Cavacchioli den Text bereits vollendet haben. Ein Flicgcrroman dcS 18. Jahrhunderts. Gänzlich vergessen ist heutzutage ein Roman, der im Jahre 1783 erschien und damals großes Aussehen erregie. Sein Titel ist vielversprechend:„Die Weltrepublik oder die geflügelte Menschheit unter der Herrschaft der Vernunft." Der Versaffer hieß Reinfer und war gleich Rousseau Bürger von Genf . Wie Jean Jacques träumte auch er von einem glücklichen Zeitalter, einem Paradies, das die Menschheit sich erobern müsse. Aber während Rousseaus ideale» Zeitalter der Naturzustand ist. liegt Reinsers Paradies in einer Zeit, die man damals, 1788, für fernste Zukunft hielt, indes sie heute beinahe Gegenwart ist: Die Zeit, da es jedem Menschen möglich sein wird, einen Fliegerapparat sein eigen zu nennen. Während Rousseau im Aufgeben alles Künstlichen, in der Rückkehr zur Natur das Heil der Menschheit sieht, erkennt es Reinser im— Fliegen. Den dazu nötigen Apparat beschreibt der Verfasser im ein- zelnen, konstruiert hat er ihn nicht. So ist er denn nur in der Theorie dazu berufen, die Kriege und die Grenzen der einzelnen Länder aufzuheben(und das Zeitalter der.Vereinigten Staaten " heraufzu- Die MandatSprüsungskommisfion berichtet, daß 93 Delegierte mit richtigen Mandaten anniesend sind und zwar aus England 67, Frankreich 8, Deutschland 6"), Nordamerika 3, Belgien 7, Holland 2. Sie vertreten organisierte Bergarbeiter: in England 683 000, Deutschland 164 000, Frankreich 40 000, Belgien (nicht verkündet), Nordanierika 360 000, Holland 1000,(die Oesterreicher delegieren nur alle zwei Jahre). Der nächste Punkt der Tagesordnung ist Die Berstaatlichung der Bergwerke. Duj ardin- Belgien begründet den Antrag, diese Frage zu diskutieren und zwar die Zurücknahme der Bergwerke durch den Staat und deren Ausbeutung im Interesse der Allgemeinheit.— Dann wird erst die Ausführung der Arbeiterschutzgesetze gesichert sein. Abg. Wordsworth« Großbritannien empfiehlt folgende Resolution: „Dieser Kongreß ist der Ansicht, daß alles Land, alle Berg- werke und olle Eisenbahnen im Interesse der Industrien der ver- schiedenen Länder verstaatlicht werden sollten." Wordsworth erklärt zur Begründung, daß das Privateigentum an der Erde, ihren Schätzen und an den Transportmitteln eine un« geheure Volksbelastung bedeutet und z. B. die Herstellung billiger und gesunder Volkswohnungen unmöglich macht. Dazu die plan- mäßige Lebensmittelteuerung, die der Maschinen, der Kohle usf. Namentlich die Bindung der Eisenbahnen und Kanäle in England fckädigt das Volk furchtbar. 260 Millionen Mark zahlte man im letzten Jahre an englische Landbesitzer für das Recht, Kohle zu graben I Etwas besser ist es in der Hinsicht doch auf dem Kontinent. Deshalb sind wir für Verstaatlichung.(Lebhafter Beifall bei dm Engländern.) Choquet-Frankreich : Auch bei uns herrschen die Trusts wirtschaftlich und politisch immer mehr. Ein. neuer Feudalismus entsteht. Die sozialistische Arbeit in den Gemeinden trachtet von den reichen Bergherren stärkere Beiträge zu den Gemeindelasten zu erlangen. In Frankreich muß der Staat das Schürftecht verleihen, unsere Kamnierfraktion arbeitet dahin, dies nur gegen sozial- politische Bedingungen— Achtstundentag usw.— zuzulassen. In der Mittagspause hat sich das Internationale Komitee mit der Frage der Regelung der Förderung befaßt. Der internationale Sekretär A s h t o n- England— mit großem Beifall begrüßt— schlägt nun vor. den heutigen Nachmittag dieser Frage zu widmen und die nationalen Sekretäre zu beauftragen, an ihn(Ashton) einen Bericht über Kohlenförderung und Kohlenabsatz in ihrem Lande zu schicken und zwar spätestens Ende 1912; außerdem sollen sie Vorschläge zur gemeinnützigen Regelung der Kohlensörderung machen, auf Grund deren eine eigene Sitzung des Internationalen Komitees Vorschläge für den nächstjährigen Kongreß ausarbeiten soll. Callevaert- Belgien verweist auf die Lohndrückerei durch Ansammlung großer Kohlenvorräte. Für die Kapitalisten selbst wäre geregelte Produktion von Vorteil. Die Frage ist spruchreif, sie wurde schon seiner Zeit in Salzburg diskutiert. Die Weltproduktion an Kohle beträgt heute 1 290 090 900 Tonnen I Ohne Einschränkung der Produktion ist ein Krieg durch die Bergarbeiter gar nicht zu ver« hindern.(Zustimmung.) Abg. Lamendin- Frankreich: Wir sind für die Resolution des Komitees. Schon vor 21 Jahren hat Genosse Defuisseau diese Frage angeschnitten. Wir erwarten aber die Erklärungen der großen Kohlenexportländer. Ashton: Beide Vorredner stimmten im Komitee der Resolution zu.— Die Resolution wird einstimmig angenommen. Es wird nun die Frage der Bergwerksverftaatlichung weiterberaten. Hue- Bochum : Die vorliegenden Anträge gehen aus Ländern hervor, die ganz verschiedene Berhältniffe haben. Der franzö- fische Antrag, der nur keine Weiterverleihung von Konzessionen an Private fordert, ist eigentlich nur ein Amendement zu dem eng- lischen, der eigentlich Verstaatlichung zugunsten der Industrie fordert. ") Der Hirsch-Dunckersche Gewerkverein hat inzwischen dele- 8 irrt und zwar Schmidt- Oberhausen. Sachse erklärt die hwache Vertretung Deutschlands durch die alljährliche Ab- Haltung des Kongresses. führen. Nicht die Vereinigten Staaten von Amerika sind gemeint, auch nicht ein europäischer Staatenbund, sondern die Vereinigten Staaten des ganzen Erdkreises. Unbeengt von Grenzen kann sich in ihnen jede Nasie, jeder Volksstamm ausdehnen. Beschwingte RettungS- boote fahren unaufhörlich auf bestimmten Luftlinien, um die Opfer von Unfällen aufzunehmen. Die große Umwälzung hat natürlich auch Aenderungen in der Lebensweise bis ins Kleinste zur Folge, darunter auch eine ganz andere Art der Bekleidung— Reinser hat also hier die Rüstung unserer Aviatiker vorausgeahnt. DaS freie Leben bedingt auch ein freies Erziehungssystem. An der Art, tvie Reimser dieses durchgeführt wissen will, erkennt man, daß daS Buch am Vorabend der großen Revolution ge- schrieben wurde. Die Grundlagen aller künftigen Bildung, meinte Reinser, müßten die Naturwissenschaften sein. Die Kinder müßten, getrennt von ihren Eltern, gemeinsam erzogen werden— in einer Art von Kinderstadt. Für das Zustandekommen der Ehen sorgt der Staat; schlecht geratene Kinder müssen beseitigt werden. ES gibt leine Hauptstädte mehr, dafür eine Welthauptstadt, in der sich auch die Leimng deS gesamten LustfahrwesenS befindet. Im letzten Kapitel spricht Remser nochmals auS, daß er in der Lustschiffahrt durchaus keine Gefahr für die Menschheit sieht, sondern die Bedingung für den kommenden Weltftieden. Der Pfau der Teufelsandeter. DaS britische Museum hat dieser Tage als Geschenk eines der merkwürdigsten Idole erhalten; eS ist der Pfau der Teufelsanbeter von Mesopotamien , ein wundervolles Kunstwerk aus Stahl, in ziselierter und damaszierter Arbeit ge- fertigt. DaS Idol stellt das Götterbild der D e z r d i s dar, die in kleinen Gemeinden an den oberen Ufern des Tigris leben, hauptsächlich in den Sinjarhügelnfund in ihrer Nähe. Das Volk ist nochfwenig erforscht; eines der charakteristischsten Merkmale, das bisher an ihm beobachtet wurde, ist ein wilder Haß gegen die Farbe blau in jeder Form. Der Reisende Layard , der die Dezidis besuchte, berichtet, daß eine Versammlung von Nezidi-Edlen sich mit höchstem Abscheu und Ekel von ihm abwandten, als er mit einer kleinen blauen Blume im Knopfloch vor ihnen erschien. Die Teufelsanbetung der Dezidis ist durchaus von christlichen An- schauungen ausgegangen. Sie glauben, daß Luzifer von Gott Macht über die Erde erhielt, und wenden sich daher in Verehrung an ihn, weil sie glauben, daß alle Strafen und Schrecken von dem gefallenen Engel ausgehen. Man hat die Theorie aufgestellt, daß d:e Dezidis die einzigen noch heute existierenden Vertreter der berühmtesten gnostischen Lehre seien, jener Sekte, die in der Früh- zeit der Kirchengeschichte so viele Anhänger fantz. Aber dies ist nur eine Theorie unter vielen, die man über das merk- würdige Volk aufgestellt hat. Die allgemeine Unklarheit, die über ihre Lehre und ihre Anschauung herrscht, hüllt auch das Symbol des PfauS in Dunkel. Die Inschriften, mit denen er bedeckt ist, baben sich bisher nicht entziffern lassen. Das Tierbild, daS»den- sall? in den Kunstsammlungen der Welt ein Unikum darstellt� ist 3 Fuß hoch; der Kopf zeigt Gold- und der Nacken Silbereinlagen. Auf dem Körper ist eine Gruppe von drei Personen dargestellt, von denen die mittlere an dem das Antlitz verhüllenden Schleier als Gott- Vater erkannt werden kann. Zu seiner Rechten steht Luzifer und die Gestalt zur Linken ivird als die von Johannes dem Täufer erklärt, der in Mesopotamien große Verehrung genießt.
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