Wie die Behörden den Alkoholmihbranch„bekämpfen".In Ostelbien wird diel Alkohol getrunken; besonders auf demLande und in den kleinen Städten ist der Verbrauch von Trink-branntwem enorm, was schon vor Jahren die Behörden und frommenVereine veranlaßt hat, den Alkoholmißbrauch zu bekämpfen. Mangründete Vereine, Alloholsürsorgestellen usw. Trotzdem ist von einerwesenllichen Abnahme des Verbrauchs von Alkohol in den Junker-domänen wenig zu spüren.Da bar nun die sozialdemokratische Partei in Weh lau einGartenlokal erworben, und sie ersuchte um die Konzessionzum Ausschank— alkoholfreier Getränke. Doch derKreisausschuß, in dem die„staatSerhalteiiden* Agrarier natürlich die Majorität haben, lehnte das Gesuch ab, so daß diePartei nicht in der Lage ist, Seltcr und Sprudel dorr auszuschenken.Tie VersainmlungSbcsucher können also nichts trinken. Dabei ist inWehlau der Schnapsgcnuß weit verbeitet. Abends und Sonntagssind die Kneipen gefüllt, was den Bürgermeister wiederholt veran-laßt hat, seine Mißbilligung darüber auszusprechen. Könnte diePartei in ihrem Lokal alkoholfreie Getränke ausschenken, so würdesie damit erzieherisch auf die Arbeiter einwirken und sie bald ausden Schnapskneipen herausholen können. Das würde der Stadt undder Umgegend nur zum Segen gereichen. Aber der Kreisausschußhat es anders beschlossen. Die Sozialdemokratie könnte vielleichteinen Nutzen haben, wenn in dem Lokal alkoholfreie Getränke ver-kaust werden, und deshalb darf es nicht sein.Sozialdemokraten werden nicht bestätigt.Bei der Beratung der Reichsversicherungsordnung imReichstag haben die Vertreter der Regierung hoch und heiligversichert, daß die politische Gesinnung eines Kassenbeamtenkeinen Nachteil für ihn bedeuten solle. Von sozialdemokratischerSeite war mit Recht betont worden, daß solche Versprechungenabsolut wertlos sind, denn in der Praxis kommt es immeranders. Die Besetzung der Nendantenstelle bei der B o ch u m e rOrtskrankenkasse mit einem Oberstleutnant war der ersteStreich. Den zweiten hat sich nunmehr das o l d e n»b n r g i s ch e Versicherungsamt Budjadingen geleistet. DieMehrheit des Vorstandes der Ortskrankenkasse in Nordenhamhatte den Buchhalter der Ortskrankenkasse inNeukölln, Adolf Heller, zum Rechnungsführer gewählt.Das Persicherungsamt hat dem Gewählten die Bestätigungversagt, mit folgender Begründung:„Nach den Ermittelungen des Amtes ist der Gewählte mitBurcauarbeiten nur in der Abteilung für Krankenabfertigung undBcitragSeinziehung tätig gewesen, hat aber sonstige Bureau-arbeiten, vor allem solche, welche mit der Tätigkeit eines Geschäfts-fnhrers verbunden sind, nicht ausgeführt. Seine Fähigkeit einesRechnungsführers erscheint daher. zweifelhaft. Heller ist fernerschon seil mehreren Jahren als Agitator und Organisatorder sozialdemokratischen Partei tätig und hat indieser Richtung einen bedeutenden Einfloß ausgeübt. Diese Tat-fachen— nicht die Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Parteian sich, sondern die agitatorische Tätigkeit besonders—lassen daraus schließen, daß dem Gewählten die erforderlicheZuverlässigkeit für eine unparteiische WahrnehmungderDienstgeschäfte eines Rechnungsführers fehlt.Dieses Bedenken fällt um so schwerer ins Gewicht, als erst inallerjüngster Zeit wieder ein sehr scharfer Gegensatz zwischen denArbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen den arbeitswilligenund streikenden bezw. ausgesperrten Arbeitern in Nordenham ein«' getreten ist.'p Wäre Heller für die Konservativen oder für den Bundder Landwirte agitatorisch tätig gewesen, das Versicherungs-amt hätte ihn bestimmt bestätigt. Aber weil der MannSozialdemokrat ist, ist er ungeeignet, obwohl er im Kranken-kassenwesen eine mehrjährige Erfahrung hinter sich hat.Vielleicht findet man jetzt einen ausgedienten Feldwebel, dendas Versicherungsamt gewiß für sehr geeignet halten wird,denn er ist nicht Sozialdemokrat. Was aber sagt dasReich samt des Innern dazu, daß ein beliebiges,völlig unbedeutendes Versicherungsamt nicht nach fach-lichen, sondern nach politischen Grundsätzen ent-scheidet?Jesuitendebatte in Bayern.-In der Mittwochssitzung der Kammer der Reichsrätekam es zu einer sensationellen Debatte des bayeri-scheu Jesuitenerlasses. Im Laufe der Debatte erklärteReichsrat Graf zu Törring-Jettenbach, er stehe auf demStandpunkt, daß der Jesuitenerlaß ein grober taktischerFehler der Staatsregierung gewesen sei. Der Er-laß bedeute auch eine ganz bedeutende Blamqg« für die Staats-regierung und für ganz Bayern, und zwar von dem Augenblick an,wo die Staatsregierung zugeben mutzte, daß sie nicht b e-r e ch t i g t war, den Erlaß herauszugeben, ohne vorher die Ansichtder Neichsregierung gehört zu haben. Er bedauere, daß dieRcaierung wiederholt den Versuch gemacht habe, die Schuld an demErlas; dem früheren Kultusminister in die Schuhe zu schieben. Grafzu Törring fuhr fort, die Regierung habe Bayern mit ihremJesuitenerlaß einen recht schlechten Dienst erwiesen. Diegroße Majorität der bayerischen Bevölkerung sei der Ansicht, daßes besser sei, wenn das Tor, daS zwischen ihm und den Jesuitenerrichtet sei, geschlossen bleibe mit Rücksicht darauf, daß dadurchzweifellos der konfessionelle Friede gewahrt werde. Ein bedeuten-der Teil des katholischen Klerus teile diese Ansicht. W i r w l s s e n' e tz t— schloß Graf zu Törring— was wir in diesen undäint lichen Fragen von der Staatsregierung zuerwarten haben.Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Hertliny erklärte: Ob dieRegierung mit dem Jesuitenerlaß einen Bock geschossen habe, müsse: der Beurteilung anderer überlassen. Die Regierung sei bis jetzter Meinung, daß sie richtig gehandelt habe. Wenn man aberoavon überzeugt ist, daß das Gesetz von 1872 ein odioses Ausnahme-aesetz und ein Kampfgesetz ist, und wenn man erwägt, daß derRcichsrat in wechselvoller Zusammensetzung der Parteien zu ver-schiedcnen Malen die Aufhebung des ganzen Gesetzes verlangt hat,so war für die Regierung die Frage naheliegend, ob sie nicht imSinne des schon vorbereiteten milderen Erlasses vorgehen sollte.Wenn die Regierung überzeugt war, daß das Gesetz von einemgroßen Teil der Bevölkerung schwer empfunden würde, dann konntees nicht unzulässig sein, wenigstens für eine Milderung der Aus-führung einzutreten. Nun sollen wir gegen die Reichseinheit ver-stoßen haben! Wir waren der Meinung, daß wir vollkommen be-r iigt waren, so vorzugehen, und erst, als wir sahen, welche großeErregung, vielfach künstlich geschürt, entstanden war, sagten wirr. wenn wir uns auf einem falschen Wege befunden haben soll-dann wollen wir den Bundesrat auffordern, den Begriff der£ oenStatigkeit zu interpretieren. DaS war ein durchaus loyalesverhalten der Staatsregierung, und von der Reichsleitungwird dieses Verfahren vollkommen anerkannt.Ich sehe also nicht ein, wo die Blamage der Regierung ist. So einegroße Gefahr sind die Jesuiten nicht, daß man die Reichsleitungum Schutz anzurufen braucht. Selbst wenn ein �Jesuit nicht nur imWirtsbaus, sondern auch auf der Kanzel seine Vorträge hält,glaube ich nicht, daß jemand so gefährdet wird, daß er den Schutzder Reichsleitung anzurufen braucht. Von einer Störung des kon-fession-llen Friedens durch die Jesuiten kann in Wahrheit nicht dieRede sein.Prinz GeorgvonBayexn führte aus: Ich teiledieStellungnahme der StaatSregierung in derJesuitenfrage vollkommen, und ich gehNre zu den Per-sonen, die die Rückkehr der Jesuiten als begrüßenS-wert betrachten. Ein derartiges Vorgehen, wie daS desGrafen zu Törring, die Unterstützung der Reichsleitung anzurufen,hat meines Wissens in der Geschichte unseresHauses bisher keinen Präzedenzfall. Ich haltedieses Vorgehen für bedauerlich und unbegreif-l i ch, und ich denke von der geschichtlichen Selbständigkeit Bayernsviel zu hoch, als daß ich es für nötig halte, die Reichsleitung umSchutz anzugchen._Aus einer Zentrumsdomäne.Die Strafkammer Würzburg verurteilte dieser Tage den Bezirks-amts-Sekretär Weilhammer aus Kallstadt a. M. wegen„ReligionS-Vergehens" zu 2 Monaten Gefängnis. Mit diesem„ReligionS-vergehen" hat es eine eigene Bewandtnis. Der Angeklagte warVerwalter des Distrikts-Psründnerspitals, in dem Klosterschwesternals Pflegerinnen tätig sind. Obwohl verheiratet, stellte der Patrondoch eifrig den Schwestern nach und wurde überall, wo er mit ihnenzusammentraf, handgreiflich. Einmal ging er einer Schwester nach.als sie in die Kirche zum Gebelläuten ging, schloß die Kirche abund wollte in dieser Stätte unter Anwendung von Gewalt seineAbsicht erreichen. Weil dieser Angriff in der Kirche erfolgte,konstruierte die Staatsanwaltschaft ein.Religionsvergehen" daraus.In Wirklichkeit wollte man damit um eine ausgiebige Vernehmungverschiedener Zeugen herumkommen, die bei der Anklage wegenSittlichkeitsvergehen oder Verbrechen, sowie bei Notzuchtversuch nichtzu umgehen gewesen wäre. Eigentümlich berührte es auch, daßweder die Krankenschwestern noch die Oberin Anzeige erstatteten,obwohl die letztgenannte längst von dem Vorkommnis wußte. Karl-stadt ist eine stramme Zentrumsdoniäne, der Pfarrer führt einbesonders strenges Regiment, und es ist für die Sozialdemokratieäußerst schwer, ein Versammlungslokal zu erhalten.Aus der Reihe getanzt.DaS amtliche Kreisblatt für Guhrau bringt inseinem nichtamtlichen Teil in einer der letzten Nummern folgendenanerkennenden Artikel über die Wirkungen des sozialdemo-kratischen Schnapsboykotts:„Ehre und Dank, wem Ehre und Dank ge-bühren. Sie gebühren aber dem sozialdemo«kratischen Parteitag, der den S ch n ap s b o y ko ttempfohlen hat."Hier folgt nun die vom„Vorwärts" gebrachte Notiz, die sichmit dem Rückgang der Alkoholproduktion beschäftigte. Und zumSchluß des Kreisblattartikels heißt es dann:„Immerhin besten Dan! für den dem ganzenVaterlande tn mehr als einer Beziehung zu-statten kommendenden Rückgang des Schnaps-Verbrauchs."Die erstaunliche Objektivität des Artikelschreibers wird inden Kreisen der Fuselbrenner ein schweres Unbehagen hervor-rufe« l_Belgien.Die Organisierung des Generalstreiks.Brüffel. 28. Juli.(Eig. Ber.) Die Vorbereitungen fürden Generalstreik nehmen ihren Gang. Diese Woche hat dasFöderalkomitee des Brüsseler Wahlkreises im Verein mit denparlamentarlsa>en Vertretern und den übrigen Delegiertenseine Sitzung abgehalten, um wichtige Entscheidungen für dievorbereitenden Arbeiten zu treffen. Gleichwie im nationalenGeneralstreikkomitee wurden auch hier vier Kommissionen ge-wählt, die die Organisations- und Propagandaarbcit, diefinanzielle Vorbereitung, den Einkauf und die Verteilung derLebensmittel für den Brüsseler Kreis durchzuführen haben.Jede Kommission besteht aus 8 Mitgliedern. Es wurdeweiter beschlossen, vom 12. August an Sparmarken inVertrieb zu bringen, die einen Wtzrt von 30 Centimes undeinen Frank repräsentieren werden. Diese Marken werdenin den Filialen des„Maison du Peuple' und auchdurch die BrotauSträger der Genossenschaft erhältlich sein.Wo es keine derartigen Filialen gibt, werden die Wahl-vereine den Umlauf der Sparmarken besorgen. Die Markenwerden in ein für diesen Zweck ausgegebenes Büchleingeklebt.Donnerstag versammelten sich auck das Bureau desGeneralrats und die vom nationalen Streikkomitee gewähltenKommissionen, die zusammen das Exekutivkomitee bilden. Eswurde die Herausgabe einer nationalen Sammellistebeschlossen. Diese Woche wird ein Manifest erscheinen, das inHunderttausenden von Exemplaren verbreitet werden wird.Ein von den Administrationen der sozialistischen Genossenschaften Belgiens unterfertigter Aufruf appelliert an die llllit-glieder, den Generalstreik in jeder Weise vorzubereiten.Die Arbeiter mögen ihre Rückvergütungen in denKassen der Genossenschaft belassen, um sie während einesGeneralstreiks eventuell für Brot einzutauschen. Die Ar-beitcr sollen serner ihre Ersparnisse aus den staatlichen undkapitalistischen Unternehmungen zurückziehen und sie in denArbeiterinstituten unterbringen. Ferner mögen sie die Ge-neralstreiktickets kaufen, um sie in; Falle eines Generalstreiksfür Waren einzutauschen. Der Aufruf schließt mit denWorten:„Sparet, wartet nicht bis morgen.."Auch die Versammlungsaktion hat bereits eingesetzt. InLa Louviere im Ccntre hat in einer RiesenversammlungDe Brouckere über den Generalstreik gesprochen; diesenSonntag findet ein Monstermeeting in C Harleroi statt, inder Vandervelde, Anseele und D e st r ö e überdieses Thema referieren. Für Gent wird demnächst gleich-falls ein großes Meeting vorbereitet, in dem D e st r ö e undHuysmans über den Generalstreik sprechen werden.Von Zustimmungskundgebungen für den Generalstreik seiaus der letzten Zeit die der sozialistischen Cooperative vonVerviers erwähnt. Der Verwaltungsrat hat 8000 F r.für den General st reik votiett. Die Einnahmen derkinematographischen Vorstellungen der Genossenschaft gehender Streikkasse zu. Das Personal wird im Falle des Streiksdie Hälfte seines Gehalts dem Streikfonds zu-führen.(Solche Beschlüsse liegen auch von anderen Genossen-schaften dar.)Interessant sind die Beschlüsse der Lehrerorganisationen.Der„Schoolbond" von St. Nicolas(Waesland) hat seinepekuniäre und moralische Unterstützung für den Wahlkampfund den Generalstreik zugesagt. Die Lehrer der kam-mnnalen Schulen von Gent haben beschlossen,daß jedes Mitglied der Vereinigung vom 1. August an biszum Streikausbruch mindestens ein Prozent seinesmonatlichenGehalts und während der ganzenStreikdauer wöchentlich ein Prozent seinesJahresgehalts für den Streikfonds abführt.Nebenbei: darob große Entrüstung in klerikalen Blättern.Die Streikspenden sollen nämlich den Kindern derStreikenden zugute kommen. Das paßt aber diesenChristen schon gar nicht, daß von der Kommune besoldeteLehrer ihre Liebe für Kinder so weit treiben, daß sie sie so-gar auf die Sprößlinge streikender Arbeiter ausdehnen l Inder anständigen Oeffentlichkeit hat dagegen das tapfer-mensch-liche Vorgehen der Genter Lehrerschaft nur Anerkennung ge-erntet.ftollanck.Die künftige Handelspolitik.Haag, 31. Juli. Der Bericht der Kommission zur Prüfungdes Zolltarifgesetzentwurfs ist veröffentlicht worden.Die Gegner des Schutzzolls bekämpfen den Entwurf.erbittert, denn die Industrie brauche und wünsche ihn nicht. DieGegner sind der Ansicht, daß das Gesetz für Holland gefährlichsei, da Holland so günstig für den Handel liege, und um so gefähr«licher, weil es der Regierung das Recht gebe, zu Repressalien zugreifen, wenn das Ausland die Produkte der Industrie, des Han,dels oder der Schiffahrt der Niederlande belaste. Man hat nach»gewiesen, daß das Ausland bereits Maßnahmen trifft für den Fall,daß der Entwurf Gesetz wird. Die Anhänger deS Ent«Wurfes betrachten die Repreffalien als eine Präventivmaß«nähme. Der Minister des Auswärtigen verteidigt die Repressalien,indem er hervorhebt, Holland sei zurzeit dem Auslande gegenübermachtlos. Die Regierung hat mehrere Abänderungen in dem Ent-Wurf vorgenommen,'die hauptsächlich in der Herabsetzung derZölle aus Mehl, Orangen, Zitronen. Mandarinen und getrockneteFische bestehen. Auf der anderen Seite sind die Zölle äuf Holz-schuhe, Manufakturwaren, Kleidungsstücke, Salz, Zucker, Tabak undKolonialwaren b e st e h e n geblieben. Ein neuer Zoll ittHöhe von einem Gulden auf 1iX> Kilogramm ist für Bananen ge-schaffen worden. Papier soll fortan mit einem Wertzoll von sechsbis zehn Prozent belegt werden.Dänemark.Die bevorstehende« ReichstagSwahle«.Anfangs des nächsten Jahres werden die Wahlen zurweiten Kammer des dänischen Reichstages stattfinden.ie Sozialdemokratie tritt bereits jetzt als erste in den Wahl-kämpf ein. Die Arbeiter und alle mit der Sozialdemokratiesympathisierenden Staatsbürger werden von der Partei-leitung aufgerufen, den Wahlfonds zu stärken, um den Kampfauf der ganzen Linie zu finanzieren. Die Wahlkreisorgani»sationen rüsten sich. Tausende von Versamnilnngen überall imLande abzuhalten, die Verbreitung von Millionen Flugschristenwird vorbereitet.Die Rührigkeit der dänischen Partei ist ja auch im Aus-lande zur Genüge bekannt. Aber die bevorstehende Wahl hateine besondere Vedentung für die Sozialdemokratie, und diefrühzeitige Aufnahme des Wahlkampfes beweist, daß dieParteileitung sich über die Bedeutung im klaren ist. Seitdemdie bürgerliche Linke um die Jahrhundertwende zurMacht kam, hat sie sehr schnell nicht nur ihr eigenes Pro-gramm, sondern auch die Hilfe vergessen, die ihr die Sozial-demokratie im wohlverstandenen eigenen Interesse im Kampfegegen die konservativen Junker gewährte. Wohl ivurde an-sangs der Anlauf zu einer sozialpolitischen Gesetzgebunggenommen, der Arbetterschutz durchgeführt, die freiwillige Ar-betterversicherung unterstützt und auch die Lösung der Arbeits-loscnversicherung auf der Grundlage des Genter Systemsunternomnwn. Aber recht bald versagte das sozial»politische Interesse der Linken führ er. DerName A l b e r t i ist bezeichnend für das Regime der Linken.Der kapitalistische Parvenü wurde in der politischen Arenader ausschlaggebende Faktor. Der Fall des VerbrechersAlberti wurde auch zu einer moralischen Verurteilung derregierenden Pattei, die ihn so lange gedeckt hatte und seineBetrüaereien dadurch ermöglichte.Die letzten Wahlen vor drei Jahren wurden um dieMilitärreform geführt. Die durch die Vorgänge derAera Alberti ans Ruder gekommenen liberalenRadikalen, eine kleine von der bürgerlichen Linken ab-gesonderte Gruppe, ivollten die Befestigung Kopenhagens undandere Rüstungen, die die Linke mit den Konservativen durch-zusetzen bemüht waren, durch die Neuwahlen illusorisch machen.Die Radikalen und die Sozialdemokratie gingen gemeinsambei der Wahl vor, aber es gelang ihnen nicht, an denMajoritätsverhältnissen etwas zu ändern. Wohl stieg die sozial-demokratische Stimmenzahl von 93000 auf 100000, aber die Zahlder Mandate blieb die gleiche. Die Folge der Wahl alsGanzes war der Fall des Ministeriunis Zahle und dieWiederkehr der Altliberalen, die sich nun festeran ihre früheren konservativen Feinde schlössen. Die drei-jährige Legislaturperiode hat dem arbeitenden Volke nichtsgebracht als neue Lasten, die versprochene Reformdes Wahlrechts, vor allem der veralteten und unge-rechten Wahlkrciseinteilung, i st unterblieben. DerAngriff der Unternehmer dagegen auf die Arbeitslosenver-sicherung fand in weiten Kreisen der regierenden Partei Ge-hör. Das Budget wurde durch 18 Millionen Kronen neuerindirekter Steuern„saniert", die nur ein Tropfen auf demdurch die Nüstungspolitik heiß gewordenen Stein bedeuten.Neue Steuern für den gleichen Zweck sind unausbleiblich,falls die Wahlen nicht eine radikale Aenderung in der Zu-sammensetzung der Kammer bringen.Die Sozialdemokratie wird ihren Gegnern im Wahlkampfenichts schenken. Ihre Wahlparole ist die Fortführung dersozialpolitischen Gesetzgebung, die Aufgabe der Rüstungspolitikund nicht zuletzt die Verfassungsrevision. Zu diesem Punktefordert sie die Neneinteilung der Wahlkreise, die Gewährungdes Wahlrechts an alle mündigen Staatsbürger beiderleiGeschlechts und schließlich die Beseitigung der Ersten Kammer,Einführung des Einkamniersystems. Der Wahlausfall wirdzeigen, ob diese Forderungen die Billigung der heutigenWählennassen finden. Das bestehende Wahlrecht ist zwar miteinigen Einschränkungen allgemein, aber die Altersgrenze derWahlberechtigten ist a u f 3 0 I a h r e gesetzt, was naturgemäßden Vormarsch der Arbeiterpartei erschwert. Immerhinhat die Partei bei der letzten Wahl in vielen Wahlkreiseneine so ansehnliche Stimmcnzahl auf sich vereinigt, daß siemit berechtigter Hoffnung auf schöne Erfolge in den Wahl»kämpf ziehen kann.BnBland.Eine Pclzwiische.Jrkutsk, 31. Juli.(W. T. B.) Auf Grund der Untersuchungder Vorgänge in den Lena Goldwäschereien durch SenatorManuchin ist gegen den Gehilfen des Gendarmeriechess RutmeisterTereschtschenlow ein gerichtliches Verfahren wegen Untätig«keit und Ueberschreitung seiner Mefugnjsse ein,geleitet worden,