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Mr. 189. 29. Jahrgang.

1. Beilage des, Vorwärts" Berliner Volksblatt. Douuerstag, 15. Auguf 1912.

Reichs- und Staatszugehörigkeit.

Der Entwurf eines Reichs- und Staatszugehörigkeitsgesehes ist in der Reichstagsfommission in erster Lesung durchberaten. Nach Wiederbeginn der Reichstagsverhandlungen wird sie ihn einer zwei­ten Lesung unterziehen. Bei der Wichtigkeit der Materie erscheint es angebracht, einen lleberblick über die Ergebnisse der Kommissions­berhandlungen zu geben. In der Gestalt, die das Gesek erhalten hat, bringt es gegen über dem bestehenden Zustande geringe Fortschritte, die durch min­destens eine crhebliche Verschlechterung erkauft sind.

Die sozialdemokratischen Vertreter in der Kommission haben nach drei Richtungen hin Vorstöße gemacht, um das Gesetz mit den Ansprüchen der Zeit in Einklang zu bringen.

Zunächst war ihr Bestreben, der unwürdigen Ausnahme stellung der Frau ein Ende zu machen, die in staatsrecht­licher Beziehung als ein willenloses Anhängsel des Mannes be­trachtet wird. Eine Deutsche  , die einen Ausländer heiratet, hört auf, Deutsche   zu sein, eine Ausländerin, die die Ehe mit einem Deutschen   eingeht, wird mit der Eheschließung Deutsche  . Nach den sozialdemokratischen Anträgen sollte die deutsche   Frau, die sich mit einem Ausländer verheiratet. Deutsche   bleiben, und die Auslände­rin, die die Frau eines Deutschen   wird, das Recht auf Erwerb einer deutschen   Staatsangehörigkeit haben, diese aber nicht unmittelbar durch die Eheschließung erwerben. Die bürgerlichen Parteien lehn­ten die Anträge unserer Genossen einmütig ab. Nur ein von diesen gestellter Eventualantrag, für den die Volksparteiler, der Pole und ein Zentrumsmann stimmten, wäre beinahe angenommen worden. Der Antrag betraf folgenden Fall: Eine Deutsche   verliert ihre bisherige Staatsangehörigkeit nicht bloß, wenn sie den Ange­hörigen eines fremden Staates, sondern auch dann, wenn sie einen Staatlofen heiratet. Ausländer im Sinne unserer Geseze ist mit anderen Worten jeder Nichtdeutsche, ganz gleichgültig, ob er Bürger irgendeines Staates ist oder nicht. Unsere Vertreter beantragten nun, der deutschen   Frau, die einen Ausländer heiratet, wenigstens dann das Staatsangehörigkeitsrecht zu belassen, wenn der Mann keines besize. Die Nationalliberalen hatten ursprünglich einen gleichlautenden Antrag gestellt, stimmten aber, ihrem Umfallcharat ter entsprechend, trotzdem mit den Konservativen und dem Gros des Zentrums gegen den unserigen. Gleichwohl wäre er mit einer Stimme Mehrheit angenommen worden, wenn nicht der Zentrums­abgeordnete Becker sich der Stimme enthalten hätte. Ein weiterer Antrag unserer Genossen wollte den Erwerb der Staatsangehörigkeit für Deutsche   erleichtern. Danach sollte jeder Deutsche, der seinen Wohnsitz in einem deutschen   Bundesstaat nehme, in demselben ohne weiteres staatsangehörig werden, wenn er diese Wirkung seiner Niederlassung nicht durch eine Erklärung aus­schließe. Eventuell verlangten sie, es solle eine bei der Nieder­lassung gegenüber der Ortsobrigkeit abgegebene Erklärung zum Er­werb der Staatsangehörigkeit genügen. Diese Anträge sind bei der Beratung des jetzt noch geltenden Gesezes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 von liberalen Führern wie Miquel, Karl Braun, v. Bockum- Dolffs  warm vertreten, blieben aber erfolglos. In der Kommission war nicht ein einziger bürgerlicher Vertreter für sie zu haben, obwohl die Wirkung ihrer Annahme eine erhebliche Förderung des Reichs­gedankens hätte sein müssen. Endlich bemühten sich unsere Genossen, Ausländern, falls diese einwandfreie Persönlichkeiten sind, nach mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland   ein Recht auf Einbürgerung( Naturalisation) zu ge­währen und die Zulässigkeit einer Ausweisung auf die Fälle zu be­schränken, in denen das Einbürgerungsgesuch zurückgewiesen wer­den kann. Ein weiterer Antrag sollte den Zustand beseitigen, daß religiöse oder politische Momente bei der Frage der Einbürgerung eine Rolle spielen. Diese Anträge gaben Gelegenheit, das ganze Elend der preußischen Ausländerbehandlung aufgudeden. Die Re­gierungsvertreter fanden alles aufs beste bestellt. Sie mußten aber förmlich Spießruten laufen. Selbst ein Zentrumsabgeordneter nannte die preußische Polizeipraris heillos und standalös. Aber die sozialdemokratischen Anträge, die mit dieser Praxis aufgeräumt haben würden, wurden von den bürgerlichen Parteien mit derselben Einmütigkeit abgelehnt, mit der sie unsere Kritik der bestehenden Polizeipragis billigten. Man tat so, als ob man in Zukunft eine Burudweisung von Einbürgerungsgesuchen wegen der Religion des Antragstellers nicht befürchte, nachdem die Vertreter der preußischen Regierung feierlich erklärt hatten, daß es ihrer Auftraggeberin fern liege, bei der Prüfung von fünftigen Gesuchen auf die Reli­gion des Betenten zu sehen. Dabei hatten aber dieselben Herren erflärt, daß auch in der Vergangenheit etwas derartiges nie ge­schehen sei, und war die Unwahrheit dieser Versicherung von den so­zialdemokratischen Abgeordneten so schlagend bargetan, daß selbst

Kleines feuilleton.

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Eine Verbesserung des bestehenden Zustandes ist es, daß die Witwe oder geschiedene Frau eines Ausländers, die bis zur Ehe­schließung Deutsche   war, ein Recht auf Einbürgerung hat, wenn sie sich in Deutschland   niederläßt und unbescholten ist. Der Antrag unserer Genossen, in solchen Fällen auch den aus der aufgelösten Ehe hervorgegangenen Kindern, wenn sie minderjährig und bei der Mutter sind, ein Recht auf Einbürgerung einzuräumen, wurde von allen bürgerlichen Parteien abgelehnt.

Bisher galt die auf Antrag ausgesprochene Entlassung eines Deutschen   aus seiner Staatsangehörigkeit als nicht erfolgt, wenn er bei Ablauf von sechs Monaten nach Aushändigung der Entlassungs­urkunde seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Inlande hatte. Diese Frist ist auf Antrag unserer Genossen auf ein Jahr verlängert worden und gleichfalls auf ihren Antrag wurde vorge­sehen, daß ehemalige Deutsche  , die ihre Staatsangehörigkeit bei­behalten hätten, wenn die einjährige Frist in dem bisherigen Ge­fet enthalten gewesen wäre, ein Recht auf Einbürgerung haben. Die bisher geltende Bestimmung, daß zehnjähriger Aufenthalt eines Deatschen im Auslande den Verlust der Staatsangehörigkeit dann zur Folge hat, wenn man sich nicht in die Matrikel des zustän digen deutschen   Konsulats eintragen ließ, ist beseitigt worden. Ehe­malige Deutsche  , die ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährige Abwesenheit verloren, haben ein Recht auf Wiedereinbürgerung, wenn sie keinem Staat angehören oder eine fremde Staatsange= hörigkeit durch die Einbürgerung verlieren.

ein nationalliberaler Abgeordneter erklärte, zu seinem größten Be- kratie die Fortsetzung ihrer heillosen und standalösen" Praktiken dauern müsse er zugeben, daß die preußische Regierung des Anti- gegen die Ausländer ermöglicht werden soll? Ferner wurde dem­semitismus überführt sei. Trotz alledem hat eine aus Zentrum, jenigen ehemaligen Deutschen   ein Recht auf Einbürgerung gewährt, Nationalliberalen und Konservativen bestehende Mehrheit eine Be- der seine Staatsangehörigkeit als Minderjähriger durch eine Er­stimmung des Regierungsentivurfs angenommen, die die bisherige flärung seines gesetzlichen Vertreters verloren hat, aber nur falls preußische Praxis in der Behandlung von Einbürgerungsgesuchen er einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hat. Ein entsprechen= auf das ganze Reich ausdehnen wird! Während bisher jeder Staat der Antrag muß innerhalb zweier Jahre nach erlangter Volljährig­auf dem Gebiete der Einbürgerung souverän war, soll die Ein- feit gestellt werden. Die Bestimmung kommt mithin solchen Per­bürgerung eines Ausländers fortan erst erfolgen, nachdem durch sonen, die bei Einführung des Gesetzes das 23. Lebensjahr voll­den Reichskanzler festgestellt worden ist, daß keiner der übrigen endet haben, nicht zugute. Bundesstaaten Bedenken dagegen erhoben hat; erhebt ein Bundes­staat Bedenken, so entscheidet über das Gesuch der Bundesrat. Es gehört keine große Prophetengabe dazu, um die Folgen der An­nahme dieser Bestimmung vorherzusehen. So unbedenklich Preußen in der Behandlung von Ausländern vorgeht, so häufig wird es" Be­denken" dagegen aussprechen, daß Bayern   oder Württemberg   einen Ausländer einbürgern. Als unsere Genossen sahen, daß für die reaktionärste Bestimmung des Entwurfs eine Mehrheit vorhanden war, suchten sie wenigstens die Einschränkung herbeizuführen, daß nur diejenigen Staaten das Recht der Erhebung von Bedenken er­halten sollten, in deren Gebiet der Antragsteller früher eine Nie­derlassung gehabt oder sich dauernd aufgehalten habe. Aber das Zentrum, das ursprünglich den gleichen Antrag gestellt hatte, ohr­feigte sich selbst, indem es den sozialdemokratischen Antrag ablehnte. Die Kommission begnügte sich mit dem Zusatz:" Die Bedenken der Bundesstaaten dürfen nur auf Tatsachen gestützt werden, welche die Besorgnis rechtfertigen, daß die Einbürgerung des Antragstellers oder eines seiner Angehörigen das Wohl des Reiches oder eines Bundestaates gefährden würde." Diese aus der Strafprozeßord­nung durch ihre Weitmaschigkeit bekannte Bestimmung gewährt tat­sächlich nicht den geringsten Schuß gegen Schikanen, zu denen die preußische Regierung in so hohem Maße neigt. Die unheilvollen und standalösen" Praktiken der preußischen Regierung in der Nord­mark rechtfertigten ihre Vertreter ja gerade damit, daß die dänische Agitation, d. H. das Festhalten an der dänischen Nationalität, das Wohl des Reiches gefährde. Eine Ausführung, die einer der preu­Bischen Vertreter bei der Verteidigung seiner Regierung machte, wollen wir übrigens bei dieser Gelegenheit der Vergessenheit ent­reißen; sie ist zu schön, um ihr anheim zu fallen. Preußen habe die Nordmart rechtmäßig erworben, so meinte der Herr zunächst, deshalb sei es Pflicht aller Bewohner der Nordmart, Preußen zu werden, und da sie es nicht wollten, sei die preußische Regierung be­rechtigt, mit allen Erfolg verheißenden Mitteln gegen sie vorzu­gehen. Ihm wurde von unserer Seite u. a. entgegnet, daß sich mit solchen Argumenten jede Gewaltherrschaft beschönigen lasse, daß seine Worte auf eine Rechtfertigung der Grschießung des Buch händlers Palm durch Napoleon   hinausliefen, und daß er streng ge­nommen, den General York für einen Hochberräter erklären müsse. und darauf erwiderte der Vertreter der preußischen Regierung wörtlich:" Selbstverständlich sind nationale Fragen verschieden zu beurteilen, je nachdem man auf dieser oder jener Seite der Grenze steht. Für uns ist York   ein nationaler Held, die Franzosen haben D, wenn Du geschwiegen ein Recht, ihn Hochverräter zu nennen." bättest!

Ein weiteres Recht auf Einbürgerung ist aus Anlaß eines furtosen mit der deutschen   Kleinstaaterei zusammenhängenden Falles gewährt worden. Die kleine Gemeinde Wilhelmsburg   ge= hört zur Hälfte zum hamburgischen Staat, zur anderen Hälfte war fie bis 1866 hannöverisch und ist seitdem preußisch. Nun verlor nach einem hannöverischen Gesetz derjenige Hannoveraner seine Staatsangehörigkeit, der sich 5 Jahre hintereinander im Auslande, d. h. außerhalb des Königreichs Hannover  , aufhielt. War daher im Jahre 1860 ein Hannoveraner aus hannoverisch- Wilhelmsburg nach hamburgisch- Wilhelmsburg   übergefiedelt und dort geblieben, so war die Folge, daß er im Jahre 1865 staatlos wurde, und die Annexion von Hannover   machte ihn nicht. zum Preußen, da sie sich nur auf Hannoveraner bezog. In diesem und ähnlichen Fällen soll fortan ein Recht auf Einbürgerung eingeräumt werden. Dies kommt zum Beispiel auch denjenigen Schleswig- Holsteinern zugute, die vor der Annerion in irgendeinen deutschen   Staat übergesiedelt und infolge­dessen heute noch Dänen sind, da die Annexion nur die Bewohner der einverleibten Herzogtümer zu Preußen gemacht hat. Schließlich hat die Kommission der Regierungsvoriage noch die Nachdem die sämtlichen bürgerlichen Parteien es abgelehnt Bestimmung hinzugefügt, daß ein Findelfind als fatsangehörig hatten, Ausländern grundsäßlich einen Anspruch auf Erwerb einer in demjenigen Bundesstaat gilt, in dessen Gebiet es aufgefunden deutschen   Staatsangehörigkeit zu gewähren, beantragten unsere trorden ist. Die Vertreter des Zentrums und der Fortschrittlichen Vertreter in der Kommission, wenigstens in einer Reihe besonderer Volkspartei haben indeffen bereits angedeutet, daß sie die An­Fälle diesen Anspruch anzuerkennen, nämlich wenn ein Ausländer wendung dieser Bestimmung auf die Schutzgebiete durch einen für im deutschen   Heere gedient habe, wenn er feinem Staat angehöre die zweite Lesung geplanten Antrag ausschließen wollen. Es wäre und das Kind einer deutschen   Mutter sei, wenn er in Deutschland   ia auch entschlich, wenn die Vermutung der Staatsangehörigkeit geboren sei und sich bis zur Volljährigkeit ohne längere Unter- einem farbigen Baby" zugute fäme. Merkwürdig ist die Abnei­brechung dort aufgehalten habe, endlich wenn er als Deutscher ge- gung des Zentrums gegen die Schwarzen. boren sei und während der Minderjährigkeit durch eine Erklärung seines gesetzlichen Vertreters die Staatsangehörigkeit eingebüßt habe. Nur zwei dieser Eventualanträge hatten teilweise Erfolg, während die anderen gegen unsere Stimmen sowie diejenigen der Voltsparteiler und des Bolen abgelehnt wurden. Die Kommission gab demjenigen Ausländer einen Anspruch auf Einbürgerung, der mindestens ein Jahr wie ein Deutscher im Heer oder in der Marine aktiv gedient hat, aber nur wenn er dies einwandfrei" getan hat und wenn seine Aufnahme das Wohl des Reiches oder eines Bun­desstaats nicht gefährden würde. Welche Kleinlichkeit! Dieselbe Kommission hat beschlossen, daß fortan Ausländer, die keinem Staat angehören und sich in Deutschland   dauernd aufhalten, zur Er­füllung der Wehrpflicht wie Deutsche   herangezogen werden können, aber einen unbedingten Anspruch auf Einbürgerung wollte sie diesen Leuten nicht gewähren. Was heißt einwandfrei dienen"? Und Ein militärpflichtiger Deutscher, der im Inlande weder ist es nicht lächerlich zu prüfen, ob mit der Einbürgerung eines Ausländers eine Gefahr für das Reich oder einen Bundesstaat ver- Wohnsih, noch dauernden Aufenthalt hat, vefliert nach den Kom­bunden ist, wenn der Mann im deutschen   Heere gedient hat, ohne missionsvorschlägen seine Staatsangehörigkeit, wenn er nicht bis daß das Reich oder die Bundesstaaten Schaden genommen haben? zum 31. Lebensjahre eine Entscheidung über seine Dienstverpflich­Der Verlust der Staatsangehörigkeit Erwecken solche Bestimmungen nicht den Eindruck, daß der Bureau- tung herbeigeführt hat. wir müßten hat uns der Amerikanismus eine äußerliche, rein zahlen schwer nachzuweisen, wesmaßen ein Reichsanwalt tvenn es nicht auch Herr Nagel war mäßige Schnelligkeit, des Eriverbs, der Preise, der Größen aller uns sehr irren, Art traten erzieherisch in die Wirklichkeit. Die fleinen Betriebe einmal flott erklärte: man könne doch einen Anarchisten nicht auf wurden in Riesenorganisationen zusammengefaßt. Der Trust, das Festung schicken.... Jm Destreich- Prozeß bewies" Herr Nagel die Weizenfeld, daran der Schnellzug stundenlang vorbeifährt, das mit ehrlose Gesinnung des Angeklagten folgendermaßen: Nach allen das alles bedeutet monumentale Kommentatoren, auch nach Olshausen, ist der Ehrbegriff der Reflex dem Dampfpflug befahren wird, Bewegung, Entfernung vom Idyll. Gemeinschaftliche Reisen, die der uns beherrschenden Rechts- und Gesellschaftsverhältnisse. Wer jährlich zweimal von Tausenden mit rhythmischer Regelmäßigkeit nun unternommen werden, um ferne Arbeitsstätten aufzusuchen, der Vorortzug, der Tag für Tag dieselben Menschen zur selben Stunde zur selben Arbeit führt, das alles ist eposhaft, weil groß und rhyth­

Der Erwerb der Staatsangehörigkeit in einem ausländischen Staate soll fortan den Verlust der Staatsangehörigkeit zur Folge haben, es sei denn, daß die zuständige deutsche Behörde vorher die Erlaubnis zur Beibehaltung der deutschen   Staatsangehörigkeit er­teilt hat. Das geltende Gefeß läßt es grundsäßlich zu, daß jemand im Auslande das Staatsbürgerrecht erwirbt und gleichwohl Deut­ scher   bleibt. Abgelehnt wurde durch eine aus unseren Genossen, den Volksparteilern und den Nationalliberalen bestehende Mehr­heit der Vorschlag des Regierungsentwurfs, daß der Erwerb der Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat den Verlust der bis­herigen Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaat mit sich bringen folle. Es bleibt also dabei, daß man gleichzeitig Ange­höriger aller deutschen   Staaten und Elfaß- Lothringens  , das be­kanntlich, soweit es sich um Fragen des Staatsbürgerrechts han­delt, als Bundesstaat gilt, sein kann.

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die Rechts. und Gesellschaftsordnung negiert, stellt sich auch außerhalb ihres Ehr begriffes, er handelt also ehrlos." So gesprochen am 27. Februar 1908! Nach dieser blendend geistreichen Definition ist jeder Mensch, der nicht die bestehenden Machtverhältnisse, die Ausbeutung des Befitlosen durch den Besitzenden, die Rechtlosigkeit der großen Masse als unantastbare, gottgewollte Ordnung respektiert, ein ehrloser Schurke, der ins Buchthaus gehört. Das Reichsgericht nahm damals den vernagelten Ehrbegriff nicht auf. Es überträf indessen den Reichsanwalt noch. Während diefer 2 Jahre Zucht­haus beantragt hatte, erkannte es auf drei Jahre und sagte somit dem bedauernswerten Opfer der blinden Themis   unreinen, niedrigen Egoismus nach.

Das Epos in der Gegenwart. In einer bemerkenswerten Studie tritt im neuesten Heft des Grenzboten" Dr. Richard Meszlény der weit verbreiteten Anschauung entgegen, daß das Epos in unserer modernen Zeit unmöglich wäre, und er weist auf verschiedene Anzeichen hin, nach denen eine Renaissance der uralten epischen Kunst bei uns im Anzuge zu sein scheint. Seitens der Dichtkunst", schreibt er, war's mit dem komischen Epos immer ein Haden. Diese ward ihrer Volkstümlichkeit eigentlich nie vermisch- monoton bewegt." Iuftig wie ihre ältere, würdigere Schwester. Plößlich wurde sie sogar Jules Massenet  , wohl der bedeutendste französische   Komponist Mode: der Renommiſt" von Zachariä  , noch mehr die Jobsiade" der Gegenwart, ist, wie schon unter legten Nachrichten gemeldet, am von Kortum   erlebten Neuauflagen, Neubearbeitungen die Unzahl, Dienstag in Paris   gestorben. Massenet  , am 12. Mai 1842 in Busch und sein Gefolge wurden mit komischen Epen die Lieblinge St. Etienne  ( Loire  ) geboren, war Schüler Ambr. Thomas am Pariser des ganzen Voltes. Doch dies nur beiläufig, da man ja das komische Konservatorium, erhielt 1863 den Römerpreis und gelangte als Epos mit einer leichten Handbewegung in den Bereich der Gro- Komponist zu großem Ansehen. Bekannte Opernwerke von ihm find teste verweisen fonnte, außerhalb der Grenzen großer" Literatur. Maria Magdalena  "." Werther"," Herodias"," Don Cesar de Bazan", Da blieb der Roman tatsächlich Alleinherrscher. Immerhin tauch-" Die Erinnyen  ", Manon  "," Thais", Der König von Lahore", die ten auch Enen großen Stils auf, die sich trok allen Mißtrauens, Balette: Le Carillon" und" La Cigale" usw. Der Meister wohnte trotz aller Abneigung gegen die Gattung durchgefeht haben. Spit im Winter stets in Paris  , im Sommer hielt er sich fast immer auf telers Prometheus und Epimetheus  ", sein Olympischer Früh dem Schloß D'Egreville auf, zumal wenn er arbeiten wollte. ling" werden aus dem Halbdunkel eines kleinen schweizerischen Massenet   war ein Frühaufsteher; bekannt ist, daß er niemals in Baris Verlages ans Licht gebracht und erleben bei Diederich stets neue tomponiert hat. Paris   suchte er nur auf, wenn er bei feinen Auflagen. Zwar finden sich noch alljährlich strebsame Literarhisto- Freunden weilen wollte. Niemals wohnte er einer Erstaufführung rifer, die nach bewährtem Weingartnerschen Muster Spitteler   immer einer Werte bei. Sowie der Tag der Generalprobe fam, zog er sich- Johannes Trojan  , der fröhliche Weinsorten und wieder neu entdeckten. Die Zeit der Entdeckung aber ist für den nach D'Egreville zurück. Er hinterläßt eine große Anzahl unfertiger enthusiastische Bismarckbarde ehemals Kladderadatsch"-Redakteur Dichter des Olympischen Frühlings" wahrlich vorbei, vielmehr Werke, so ein breiaftiges Drama" Panurge  ", das fommenden Jahres begeht heute seinen 75. Geburtstag. steht scine genetische Erklärung, wie er scheinbar in eine unepische in der Gaite Lyrique aufgeführt werden sollte, eine Oper Cleopatra"- Deutsche Kunst in England. Während des letzten Beit vom Himmel regnet, und die ästhetische Durchdringung seiner in 5 Aften und eine Oper Amades" in 4 Aften, sowie mehrere un- Jahres sind auf Londoner   und anderen englischen Bühne Berke gewaltigen Leistung noch aus. Neben Spitteler   dürften auch vollständige Oratorien. folgender deutscher Komponisten und Dramatiker zur Aufführung Richard Dehmels Zwei Menschen", Liliencrons Pogg­

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Herrn Nagel scheint der literarische Prozeß gegen die Jüngst deutschen   nicht geschadet, der Erfolg in diesem politischen Prozeß aber genügt zu haben, denn er hat ja Karriere" gemacht.

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Notizen.

fred" der Ablehnungstheorie ernste Sorgen machen. Noch ein Me- Der vernagelte" Ehrbegriff. Aus der Zeit, da Herr Paul gekommen: Wagner 109 mal, Beethoven 39 mal, Mozart 28 l netefel: ein neuer Eifer ergreift formale Talente, die Sprachgewal. Artur Nagel, der jeßige geniglich fächs'sche Justizminister, noch Bach 16 mal, Brahms   und Liszt je 14 mal, Weber 13 mal, Mendels­tigen unserer Tage, Stefan George  , Pochammer, Rudolf A. als Reichsanwalt in Leipzig   amtierte, fennt man auch einen Fall, iohn 12, Weber 18 mal. Hermann Bahr  ( Stonzert") tam 61 mal, Schröder, die Divina Comoedia" und die" alias" ein fühnes der zwar weniger luftig wie der Prozeß gegen die brei jüngst Franz Rögler( Die fünf Frankfurter") 56 und Vollmöller( Mirakel") Unternehmen neben dem lieben alten Boß im neuen, teils teue- deutschen   Schriftsteller, dennoch ebenso charakteristisch ist. Es war fogar 143 mal zu Wort. Die Statistit der Denkmäler in Frankreich  rem, teils frischerem Sprachgewand erscheinen zu lassen. Mag daran im Hochverratsprozeß gegen den Anarchisten Destreich. Herr immer buchhändlerische Regsamfeit einen gewissen Anteil haben, der Nagel arbeitete als Reichsanwalt und gab sich alle Mühe, den zählt 105, die Striegern, 77, die Politikern errichtet wurden. Ferner fünstlerische wie der geschäftliche Erfolg bleibt ein Symptom dafür, jungen, von seiner Idee begeisterten, übrigens harmlosen Angeklagten find 70 Gelehrte, 58 Dichter und Schriftsteller, fotie 48 Riinstler daß Wandlungen im Anzug sind. So haben vorerst die Schaffen- als ein abscheuliches, bombenschmeißendes Ungeheuer hinzustellen. verewigt. Außer der Jungfrau von Orleans, der 12 Denkmäler Da hierfür die antimilitaristischen Artifel, die unter Anklage standen, gehören, ist nur ein Botentat, nämlich Napoleon I.  , und auch nur den selbst die Theorie vom toten Epos unterwühlt. In Preußen Deutschland   trifft das Die Fähigkeit des großepischen Genusses, das Gehör für das kein Material boten, wurde die ganze anarchistische Schreckenskammer neunmal vertreten. große monotone Rauschen des Weltenrythmus mußte im heutigen ausgeräumt der Chicagoer Anarchistenmord, Bombenbroschüren Gegenteil zu: Alle Woche beinah' wird irgendein toter oder lebender Geschlecht erst gewedt, vielleicht gar erzeugt werden, denn der psy- von Most usw. Zum Schluß tam aber der Knalleffekt. Sollte Herrscher" hoch zu Roß enthüllt. Dieser Pferdedenkmäler gibt es chologische Roman des neunzehnten Jahrhunderts hat die Sinne in Destreich auf Festung oder ins Zuchthaus? Ins Zuchthaus kann Region! Dichter, Künstler, Gelehrte werden nur in den seltensten der entgegengesetten Richtung entwvidelt. Der Zug der Monumen ein Hochberräter nur gebracht werden, wenn er eine ehrlose Ge- Fällen ausgehauen"- und zumeist auch nur, wenn sie bater­talität im wirtschaftlichen Leben hat dies bewerkstelligt. Vorerst finnung gezeigt hat. Die ist nun bei einem politischen Verbrecher" ländische" Gesinnung an den Tag gelegt haben.

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