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Nr. 255 in beto operat

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Big frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pig. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags Beilage Neue Selt" 10 Bfg. Poft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Defterreich: Ungarn   2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Einger:. in der Poft Beitungs- Breisliste für 1893 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Juferttons- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Betitzeile oder deren Raum 40 Big.. für Vereins- und Beriammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inierate für die nächste Mummer müfien bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Ervedition ist an Wochens tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Fetagen bis 9 Uhr Wor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I, 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Sonderorganisation der polnischen Sozialdemokraten.

Sonntag, den 29. Oktober 1893.

Das ist begreiflich. Druck erzeugt Gegendruck. Will man einem Menschen, der noch eine Spur von Selbst­

bewußtsein und wahrem Ehrgefühl besißt, ein geistiges Gut

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Zum Fall Gradnaner.

Zur Militärhaft des Redakteurs Dr. Gradnauer schreibt

Bei dem Zustande, in dem sich gegenwärtig unsere( preußisch

rauben, so klammert er sich um so inniger daran fest. Die uns ein Fachmann: Wenige Wochen vor dem Zusammentritt des Partei- Sprachgemeinschaft ist aber ein solches geistiges Gut und tages in Köln   haben in Berlin   Vertreter der polnischen ein sehr hohes, dem Menschen ebenso werth und wichtig, Sozialdemokraten des Deutschen Reichs   eine besondere Partei- wie seine Weltanschauung oder seine Religion. Einem norddeutsche) Militärrechtspflege auf grund der vor beinahe formation beschlossen, die zwar einen Bestandtheil der Volke seine Sprache rauben wollen, das an dieser Sprache 50! Jahren in Preußen erlassenen Militär- Gerichts­fozialdemokratischen Gesammtpartei des Reiches bilden soll bewußt festhält, ist ein ebenso aussichtsloses Unterfangen, ordnung befindet, ist thatsächlich der militärgericht­und diese Zusammengehörigkeit au, durch Entsendung eines wie feine Weltanschauung oder Religion mit staatlichen rich Angeklagte jedem Irrthum oder gar jeder Delegirten zum Kölner   Parteitage zum Ausdruck gebracht 3wangsmitteln befehden. Und es ist ein eben solches Unwillkür der aur militärischen Rechtspflege be­hat, aber doch selbständig, ohne in irgend einer Weise von recht und das Unrecht ist gleich groß, wenn ein Pole oder rufenen militärischen Organe recht und der Zentralleitung abhängig zu sein, die Propaganda der Däne oder Franzose zwangsweise germanisirt, also zum schuhlos preisgegeben. sozialistischen   Ideen unter der polnisch sprechenden Bevöl- Aufgeben seiner Muttersprache zu gunsten des Deutschen ge­Es giebt in dem ganzen, terung des Reichs betreiben und deren Organisirung für den nöthigt werden soll, als wenn man einen Deutschen   zwangs- durch die Militär Strafpreßordnung geregelten Verfahren politischen Kampf leiten will. weise russifiziren oder magyarisiren will. gar teine Rechte des Angeklagten, solange, Wozu das? mag sich mancher Genosse verwundert ge- Daß auch gegen dieses Unrecht das polnische Proletariat bis er rechtskräftig verurtheilt ist. Dann erst kann er, fragt haben. Erstreben wir nicht eine Verbrüderung des in Deutschland   sich empört, ist ein erfreulicher Beweis seines aber ohne daß hierdurch die Vollstreckung des Ur Broletariats aller Kulturvölfer? Sind wir nicht eine inter Selbstbewußtseins und seiner Mannhaftigkeit, ein um so theils- außer wenn es auf Tod lautet aufgehalten würde, nationale Partei? Schlimm genug, daß gegenwärtig noch erfreulicherer da er zu der nämlichen Zeit erscheint, in der auf grund neu( in der Gefangenzelle?!) aufgefundener Beweis­die sozialdemokratischen Parteien der einzelnen Länder ab- polnischer Adel und Geistlichkeit und Bourgeoisie durch mittel ein nochmaliges Verfahren gegen sich beantragen. gesondert von einander kämpfen müssen. Wozu sollen wir ihre Klasseninteressen sich zu faulen Kompromissen in nationale Spaltungen in das Proletariat eines Staats- wirthschaftlichen, politischen und sogar nationalen Fragen ganzen hineintragen, da doch keine Landesgrenzen und staat­lichen Sondereinrichtungen das bedingen? Der Einwand erscheint sehr plausibel. Auf den ersten Blick muß es befremden, daß Leute, die sich zu dem Mahn­wort Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" bekennen, sich von Genossen loslösen, mit denen sie alle Programm forderungen gemein haben.

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Und ferner fann er das rechtskräftige Erkenntniß als nichtig anfechten, falls was natürlich kaum aller Jubeljahre in der Militärjustiz einmal vorkommen wird er( ohne Bertheidiger?!) behaupten kann, daß die Richterbank gegen die Vorschriften des Gesezes besetzt worden sei und aus einigen anderen ähnlichen formellen Gründen, also Rechte, die bis auf höchst selten vorkommende Ausnahmen lediglich auf dem Papier stehen.

Es kann also der verhaftete Angeklagte fein Rechtsmittel

mit der Regierungspolitik haben tödern lassen. Die Ber­theidigung der Muttersprache, zu der das polnische Pro­letariat sich anschickt, unterscheidet sich auch grundsätzlich von der nationalen Politit der polnischen Schlachzigen. Denen schwebte als Hintergedanke stets die territoriale Loslösung der ehemals polnischen Landestheile von Preußen und die Herstellung eines Schlachzizenstaates vor. Das polnische Und dennoch haben sie recht daran gethan, sich ge- Proletariat nimmt die Abgrenzung des Deutschen Reiches fondert zu organisiren, dennoch ist ein zwingender Grund als eine geschichtlich gegebene Thatsache hin und will nur einwenden gegen seine Verhaftung, tein Rechtsmittel einwenden da für ihr Vorgehen. Ja, sie haben alles mit uns gemein, innerhalb des Staats und Reichs die volle Gleichberechtigung gegen die Zuständigkeit des gegen ihn einschreitenden Militärgerichts, unsere polnischen Genossen: die Liebe zur Freiheit und den mit den Deutschen  , das gleiche Recht in der Verwendung fein Rechtsmittel gebrauchen gegen Ablehnung von zu seiner Ent­Haß gegen die Unterdrückung; sie leiden wie wir unter der polnischen Muttersprache in der Schule und so laftung gestellter Beweisanträge, fein Rechtsmittel gegen ein falsches wirthschaftlicher Ausbeutung und politischer Rechtsverkümme viel als möglich neben dem Deutschen   auch in der Urtheil, kein Rechtsmittel gegen etwaige Bedrückungen oder rung, was unser Herz bewegt, bringt auch ihr Blut in Verwaltung und vor Gericht. Es erstrebt die nämlichen Wintürlichkeiten der gegen ihn inquirirenden Auditeure u. s. w. Wallung. Aber eine Rechtsbeeinträchtigung wird ihnen Rechte im Deutschen Reiche, durch deren Gewährung an furz, er hat geduldig und fromm, wie ein zur Schlachtbank ge­besonders angethan, ein Unrecht giebt es, unter dem alle Sprachgemeinschaften die Schweiz   innerhalb ihrer führtes Schaf, still zu halten und das entgegenzunehmen, was wohl die polnischen, aber nicht die deutschen Sozial- Grenzen den Nationalitätenhader aus der Welt ge- man wider ihn beschließen wird. Sozial- Grenzen demokraten zu leiden haben. Das ist das Bemühen, schafft hat.

Denn was will die in§ 114

sie und ihre Kinder zwangsweise ihrer Muttersprache zu Damit es diesen Sprachvertheidigungskampf in freier ersichtliche Vorschrift angesichts dieses Mangels aller Rechte be= entfremden. Seit Jahren arbeitet die preußische Staats- Beweglichkeit und im organischen Zusammenhange mit den sagen:" Dem Angeschuldigten ist in allen Fällen gestattet, sich maschinerie mit Hochdruck daran, die Polen   des Staats- wirthschaftspolitischen Bestrebungen der Sozialdemokratie selbst, schriftlich oder zum gerichtlichen Protokoll"( nicht einmal gebietes zu germanisiren. Verwaltung, Gericht und Schule führen kann, muß es sich selbständig organisiren und in mündlich vor dem erkennenden Gericht, weil es überhaupt kein werden ausgenutzt, um ihnen die deutsche Sprache auf der eigenen Sprache agitiren. Wie aber die polnischen mündliches Verfahren im preußischen Militärprozeß giebt!!) zu ver­zuzwingen, und von dieser nationalen Bedrückung werden Sozialdemokraten stets an unserer Seite zu finden sein theidigen"? Das heißt hiernach nichts anderes als das, was alle Polen   betroffen, Adel und Bourgeoisie, am verlegendsten werden, wenn es gilt, wirthschaftspolitische Errungenschaften absolut selbstverständlich ist: daß man wenigstens( schriftlich oder aber Bauern und Proletariat. Bisher allerdings mit dem zu erstreiten, so müssen wir sie unterstützen in der Ver- absolut selbstverständlich ist: daß man wenigstens( schriftlich oder dürftigsten Erfolg. Ja, wenn man den Klagen der Re- theidigung ihrer Muttersprache gegen staatliche Zwangsu Protokoll, nicht mündlich) hören muß, was er auf die An­gierungs- Soldschreiber und deutschen Afterpatrioten trauen maßregeln. Erst wenn wir uns anschicken, auch diese Frei- flage zu erwidern hat. darf, ist gerade das Gegentheil von dem erzielt, was damit heitsbestrebung zu unterstützen, befolgen wir ungeschmälert Ist aber das Urtheil auf grund lediglich der Atten bezweckt wurde. Die Preußen polnischer Zunge lernen un innerhalb unseres staatlichen Wirkungskreises den Grund- beschloffen, und das geht natürlich, da keine Weitläufig­williger die deutsche Sprache als früher und vermeiden es, faz: Gleiches Recht für Alles, was Menschenantlig feiten" durch Beschwerden von Angeklagten oder von Ver­fich ihrer zu bedienen, wo sich das irgendwie vermeiden läßt. trägt." G. L. theidigern versucht werden können, schnell!-, dann wird es ihm

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Feuilleton.

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Der Aufruhr in den Cevennen. in den Cevennen.

Eine Erzählung

von Ludwig Tied.

Interessen? Ich sehe doch nur das Meinige dazu bei, und wann ich irgend Misikamente verlange, so steht da mein Alter, und Ihr braucht mir keine fremde Lamierung an­zubieten. Dergleichen Phrasen und Lohegrifen sind über­haupt gar nicht schicklich. Was muß mein ehrbarer Better

Davon denken? Der meint gewiß, wir leben so recht un­

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Alle traten aus dem Garten, und so wie der Lufzug strömte, hörte man deutlich Feuern von kleinem Gewehr. " Uff!" seufzte Dubois, wer jetzt noch die Berge era klettern könnte. Droben muß man es viel deutlicher ver nehmen."

" Ich mag nichts," sagte Gottfried, mit Krieg und schanzelant miteinander, als wenn wir gleichsam Ehegars Kriegesgeschrei zu thun haben. Die armen, schönen, ruhigen miteinander hätten. Es bleibt doch ewig wahr, wer einmal Dörfer; bis hierher haben wir zur Zeit noch nichts davon Viertose gewesen ist, der kann niemals wieder ein einfacher gehört, außer einmal im ersten Anfange, nun kriegen wir Mensch werden, die Pomologie oder Gutherzigkeit oder den schlimmen Besuch wieder." Hamannität ist für ihn verloren."

Sie waren zu ihrem freundlichen Hause zurückgekehrt, und Martin erwartete sie mit den übrigen. Es ist doch Da drüben," meinte die Frau, haben sie das wunder­abscheulich", fing Frau Barbe   an, daß die Kamelsarten Ereifert Euch nicht, Gevatterin", sagte der Musikus, thätige Muttergottesbild, das wird sie alle beschüßen, das so ruchlos geworden sind, daß in diesem Jahre keine Pro- es ist mir nicht im Traum eingefallen, Euch zu beleidigen." gegen können die Rebellen nichts ausrichten; Feuer und zession nach dem Dorfe kommen kann, daß nur sechs Bringt nur nicht", zürnte sie weiter, Eure Träume Schwert, Kugel und Hieb kann dem himmlischen Wunder­Stunden von hier liegt. Ueber den Berg kann man in drei wert nichts anhaben." Stunden hin und die erbauliche Sache habe ich sonst in und Traumpetergeschichten wieder an, denn die sind mir schon so widerhaarig wie Eure Sarenaten auf meinem Tisch feinem Jahre versäumt." Also fein Kirchenfeft heuer?" fragte Dubois. Nun, da. Der hat sich's auch nicht träumen laffen, daß er noch da. Der hat sich's auch nicht träumen lassen, daß er noch kein Wunder; müssen ja selbst die großen Jahrmärkte ein- einntal in seinen alten Tagen einen Teftator abgeben sollte." gestellt werden."

Versprengte leichte Jäger jagten durch das Dorf. Sie erkundigten sich nach den Wegen und wollten über den Berg die Ihrigen wieder suchen, von denen sie waren ab­geschnitten worden. Der Trompeter machte sich mit wichtiger Miene an den

Wenn nur der türkische   Großsultan", fuhr Barbe Still!" sagte Gottfried," Du verstehst das alles nicht, Offizier, indem er ihm eine Bergstraße anwies, auf welcher fort,"" und der heidnische Marrelburg nicht noch mit den Barbe, denn die Leute laufen da drüben so zusammen: die Pferde zur Noth fortkommen könnten. Ich habe ſelbſt Rebellen eine Nalgans verfertigen, daß wir völlig in das was ist denn vorgefallen? Laß' den Gevatter Klavier die Ehre gehabt, in der königlichen Garde zu dienen," setzte Miserere gerathen, denn man kann nicht wissen, was der spielen, er hat seine eigenen Finger dazu und nicht Deine, er vornehm hinzu. politische Konjunktiv uns noch in diesem Jahre alles liefern sondern es muß was Neues vorgefallen sein, ich höre wird: alle Judikativen, sagte unser Pfarrer noch gestern, auch gerne zu, daß wir doch wohl die Nachbarn fragen versprächen keine sonderliche Propertät, und wir fämen wohl müßten."

gar mit dem neuen Jahr völlig im Quark zu liegen."

"

So die verschiedenen Reden unbewußt durcheinander Spart doch, Gevatterin", sagte Dubois lächelnd, die werfend, weil er neugierig war und doch auch antworten gelehrten Redensarten, in denen Ihr ja doch immer kon- wollte, fragte er jetzt einen Vorüberlaufenden, warum die frären Wind habt und das Laviren nicht recht versteht." Nachbarschaft so in Aufruhr schiene. Man hört in der " Wenn ich sie ausgebe", fuhr ihn Barbe ungeduldig Nähe start schießen, drüben im Thale   soll alles bunt übereck an, verthu' ich denn etwa was von Euren Kapital gehen," rief eine Bäuerin.

Als was?" fragte der junge Offfzier.

" Es war mir vergönnt," antwortete jener, erster Trompeter des Regiments zu sein. Wie steht es, Herr Kapitän, mit den Rebellen?"

Bergönnt mir, Trompeter," antwortete der Anführer, Euch darauf bis auf Wiedersehen die Antwort schuldig zu bleiben. Die Kerle sind vom Teufel besessen, und es geht uns schlecht. Könnet Ihr sie wegblasen, so wollten wir Euch mitnehmen."