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don seinem Besitz den Kreis Flensburg   abgeben an die National- liberalen. Dieser Kreis wird ihm aber wohl sowieso verloren gehen. Er ist dem Freisinn nur zugefallen durch das berüchtigte Wahl- abkommen mit dem Bund der Landwirte, wonach der Bund der Landwirte für den Kandidaten des Freisinns bei der LandtagSwahl ftimnit, und der Freisinn sich verpflichtet, bei der ReichstagSwahl für den bündlerischen Kandidaten zu stimmen, wenn dieser in die Stichwahl komnien sollte. Bei der Landtagswahl im Jahre 1908 standen die Bnndler mit ihrer Wahlmännerzahl an erster Stelle, dann folgten die Nationalliberalen, an dritter Stelle kamen die Freisinnigen und zum Schlug kamen die Sozialdemokraten. Der erste Wa hlganghätte Stichwahl zwischen dxm bündlerischen Kandidaten und dem Kandidaten der Nationalliberalen ergeben müssen. Die bündlerischen Wahlmänner stimmten aber gleich im ersten Wahtgange für den freisinnigen Kandi- baten, so dasi der nationalliberale Kandidat ausfiel und der frei- sinnige gleich im ersten Wahlgang gewählt wurde. Da bei der letzten Reichstagswahl der bündlerische Kandidat gar nicht in Stichwahl gekommen ist, der Freisinn seine Verpflichtung also nicht gegen die Bündler erfüllen konnte, werden die Bündler den Freisinn bei der nächsten Landtagswahl wohl kaum wieder heraushauen. Auch der Altonaer Kreis ist für den Freifinn in Gefahr. Es wurden 1908 Wahlmännerstimmen abgegeben: 234 sozialdemokratische, 177 freisinnige, 80 freikonservative, 66 national­liberale. Bei rühriger Agitation und Wahlarbeit ist ein sozial- demokratischer Sieg nicht ausgeschlossen. Die Spekulation, dag die Kreise Pinneberg  . Süderdithmarschen und Steinburg   durch ein nationalliberal-freisinniges Abkommen für den Freifinn gewonnen werden können, ist verfehlt, 1908 wurden in diesen Kreisen gar keine nationalliberalen WahlmannSkandidaten aufgestellt, eine Aufstellung solcher bei der nächsten Wahl würde die Folge beben, daß die Freikonservativen in den Kreisen Husum  . Tondern   und Norderdithmarschen eigene Wahl» männer ausstellen und hier die nationalliberalen Mandate gefährden. Kann so den Freisinnigen durch die Nationalliberalen nickt viel ge- Holsen werden, so ist die Aussicht, dag der Freisinn den National- liberalen neue Mandate verschafft, noch geringer. Ein Mittel aber gibt es, der Reaktion einige Mandate zu ent- reißen. Das will der Freisinn aber anscheinend nicht anwenden. Eine zielbewußte, kräftige WahlrechtSbewegung, verbunden mit energischer, wohlorganisierter Wahlarbeit, könnte es möglich machen, daß der Freisinn der Reaktion mit sozialdemokratischer Hilfe Mandate abnimmt. Die Verhältnisse liegen in den Kreisen Pinneberg  , Süderdithmarschen und Sleinburg so, daß eine großzügige, wirklich fortschrittliche Agitation so viel freisinnige Wahlmänncr durchbringt, daß mit Hilfe der sozialdemokratischen Wahlmänner treisinnige Ab- geordnete gewählt werden. Eine solche Agitation ist aber dem Freisinn nicht möglich. Dazu hat er alles versäumt. Die große Masse des freisinnigen PfahlbürgertumS lasten Dinge wie Wahl« rechrskampf und LandtagSwahl ganz kalt. Die freisinnige Parteileitung und die freisinnige Presse in SchleSwig-Holstein   haben fast gar nichts getan, um die freisinnigen Anhänger über die Frage des Preußenwahlrechts aufzuklären. Bei solcher Sachlage soll die Fortschrittpartei in SchleSwig-Holstein   sich wirklich nicht so anstellen, als ob eS Schuld der Nationalliberalen sei, wenn in Schleswig- Holstein   der Kampf gegen die Reaktion nicht energisch geführt werden könne. Von den Nationalliberalen ist ein solcher Kampf nicht zu erwarten. Aber die freisinnige Waschlappigkeit will sich nur hinler die Nationalliberalen verstecken. Das Ministerium Hertling. Liberale Blätter wußten jüngst, zu melden, daß der Prinzregent oon Bayern mit der einseitigen klerikalen Jnteressenpolitik deS "'tinisteriumS Hertling nicht einverstanden sei und daß ferner der bayerische   Gesandte in Berlin  , Graf Lerchenfeld, eine Trübung der Beziehungen zwischen Bayern   und der Reichsregierung nicht zu ver- hindern vermocht habe. Diese Meldung läßt Freiherr   v. Hertl ng jetzt durch folgende Aeußerung des Münchener   offiziösen Preßbureaus, der»Korrespondenz Hoffmann', energisch dementieren: ».Berliner   Blätter bringen Artikel, die sich mit den an Mit- glieder des stüheren Ministeriums ergangenen allerhöchsten Ein- lodnngen und mit dem Erscheinen der derzeitigen Minister am königlichen Hoflager befassen. Diese Artikel stellen sowohl hinsichtlich ihrer tatsächlichen Mitteilungen als der daraus gezogenen Schluß- folg. Zungen eine Reihe dreister Erfindungen dar. Sämtliche der- ze.�e Ressortminister sind wiederholt am königlichen Hoflager so- wo l in Berchtesgaden   wie in Hohenschwangau   zu allerunter- r ä n i g st e n Vorträgen empfangen worden. Der Vors i� ende im Ministerrat bisher dreimal. Als geradezu ungeheuerlich nmß bezeichnet werden, was diese Auslassungen über den bäuerischen Gesandten am Berliner   Hose zu erzählen wissen. Den Grafen Lerchenfcld schützt seine allbekannte vornehme Gesinnung davor, daß Erzählungen, wie sie hier über Berlin   verbreitet werden, Glauben finden. Wirkliche Kenner der Verhältniste wissen zudem, daß Gras Lerckenfeld seit Dezennien mit Freiherrn  u. Hertling befreundet ist, so daß, wenn er Wahrnehmungen über eine Störung der Beziehungen Bayerns   zum Reiche machen würde, er davon wohl von Anfang an den Vorsitzenden im Ministerrat in Kenntnis setzen würde. Endlich sei festgestellt, daß Graf Lerchenseld Berlin am 24. Juli, am Tage seines Urlaubs- antritts, verlassen und seither weder ein Niicklrittsgeiuch noch einen Bericht unterbreitet hat. All das zeigt, wie hinfällig und schlecht erfunden die weiteren Kombinationen sind, in denen sich olle angeblich auf zuverlässigen Informationen beruhenden Artikel ergehen. Schließlich, möge noch daran erinnert werden, daß e« außer der bis zum Ueberdruß aufgebauschten Jesuitenfrage iehr viele andere und wichtigere Dinge gibt, in denen sich die Jnter- essen Bayern« mit denen des Reiches berühren. Von einer Störung des guten Einvernehmens zwischen dem Reiche und Bayern  kann nicht die Rede sein, aber auch von der Jesuilenfrage ist eine solche nicht zu befürchten, nachdem die bayerische   Regierung die- selbe dem Bundesrat unterbreitet hat.' TerNotstand" der Agrarier. In den Ruf deS hungernden arbeitenden Volkes nach billigen Lebens, nitteln mischt sich jetzt auch das N c.. stand s g e s ch r e i der Junker Die ostelbischcn Blatter der Agrarier, dre den Hunger deS arbeitenden Volkes stech leugnen, bringen.Notschreie' der Junker. die der Oeffentlichkeit einzureden versuchen, daß sie allein eS seien. die Not litten und die weitgehendste staatliche Unterstützung nötig hätten. Es hat nämlich zeitweilig in letzterer Zeit sehr stark geregnet. wodurch naturgemäß die Kornernte, insbesondere die Weizen-, Gerste- und Hascrrrnte beeinträchtigt worden ist. Diese Getreidesorten haben nämlich während des RegenS auf dem Felde lagern müssen und eine andere Farbe bekommen weShalb die Händler den Agrariern weniger für das Getreide zahlen wollen. Darob große» Geschrei. Ein Agrarier schreibt dem Junkerblatt. der.Ostpreußischen Zeitung', daß sich die Landwirte tatsächlich in einer wirklichen Notlage befänden eine Rotlage, die in ihren Folgen unabsehbar sei. wenn nicht beizeiten Maßnahmen die Behörden ergriffen würden die Erleichterungen brächten. Ein Noislandstarif allein würve die Landwirte nicht retten. Vielleicht erleben wir es in den nächsten Wochen, daß die ««gierung, die für das hungernde Volk nur Hohn übrig hat. sich der notleidenden Agrarier höchst liebevoll annimmt. Tatsächlich kann von einem Notstand der Agrarier keine Rede sein. Die Roggenernte war beim Einsetzen der Regenperiode nahezu unter Dach und Fach gebracht. Weizen, Hafer und Gerste haben zwar etwas gelitten, dafür ist aber ver zweite Schnitt gut gewachsen; zudem steht eine prächtige Rübenernte in Aussicht und das Gedeihen der Kartoffeln hat der Regen ebenfalls begünstigt. Bon Fäulnis ist wenig zu spüren. Die Heuernte war quanitativ und qualitativ so vorzüglich wie selten. Das Getreide war ausgezeichnet gewachsen. Noch kurz vor der Regenperiode pries man dieses Jahr wieder als ein reich gesegnetesll Und jetzt auf einmal leiden die AgrarierNot' I Diejenigen, die genügend Leute hatten. haben übrigens auch die Gerste, den Weizen und Hafer ohne schweren Schaden untergebracht. Doch geschrien muß werden, sei eS auch nur, um die Regierung zu beeinflussen und sie von irgend welchen Maßregeln zur Linderung der Flcischnot zurückzuhalten._ Konservative Vornehmheit. Wegen Beleidigung eines konservativen LandratS, aus dein letzten Wahlkampfe stammend, ist in Pommern   ein fortschrittlicher Redakteur zu 500 M. Geldstrafe verurteilt worden. Mit der ihr eigenen Selbstgefälligkeit bemerkt dazu dieKonservative Korre- spondenz': Wir haben es während des ganzen Wahlkampfes erlebt, daß der Liberalismus überall da, wo er nichts mehr sachlich zu sagen wußte, durch persönliche Angriffe auf angesehene konservative Männer und vor allem durch unbeweisbare Verdächtigungen konservativer Beamter gegen die Konservativen und für sich selbst Stimmung zu machen versucht hat. Wir buchen auch diesen Prozeß als ein weiteres Glied in der langen Kette dieser» n- vornehmen Handlungen, die uns im übrigen nicht weiter berühren. Denn wir haben zuviel Zutrauen zu dem gesunden Sinn unserer Bevölkerung, daß sie solche vergifteten Pieile zurück- senden wird auf die, welche sie leichtfertig oder böswillig aus- gciandt haben.' Di«Konservative Korrespondenz' als Verfechterin journalistischer Vornehmheit I Man sollte es kaum für möglich halten. Eine ganz besonders fette Zeitungsente machte vor reichlich vier Wochen die Runde durch die amerikanische  Presse. Ein New Dorker Blatt brachte sie in folgender Form am Freitag, den 26. Juli, an der Spitze deS Blattes: London  , 25. Juli. Englische, französische und deutsche Arbeiterführer unterhandeln gegenwärtig, um den wahnsinnigen Rüstungen der Großmächte einen Damm entgegeuzusetzeu und den allgemeinen Frieden durch einmütiges Handeln der organisierlen Arbeiter vorzubereiten. Es wurde vorgeschlagen, zuerst politischen Druck auszuüben, und wenn dies keinen Erfolg hat, einen inter  - nationalen Generalstreik zu erklären. Der Plan ist zwar noch nicht reif, doch find gute Anzeichen vorhanden, daß derselbe bald definitive Gestalt annehmen wird.' Jetzt, Ende August, ist diese Ente glücklich auch in Berlin   ge- landet; bei den ausgezeichneten Verkchrsverbindungen, die wir haben, hat sie reichlich lange Zeit gebraucht, um den Weg von New Kork über Köln   zurV o f f i f ch« n Zeitung' in Berlin  zurückzulegen. Das sonst nicht schlecht unterrichtete ForlschrittSblatt bringt die in London   gezüchtete Ente in dieser Form: Köln  , 81. August.(Eigener Drahtbericht unseres Kor- refpondenten.) Die internationale Sozialdemokratie unternimmt zur Stärkung ihres Ansehens einen mächtigen Feldzug. Gegen- wärtig finden Besprechungen zwischen den Führern der größten europäischen   Staaten statt, um bei Ausbruch eines Krieges den General st reik zu erklären.' Die Vossin ist zwar dieköniglich privilegierte Berlinische Zei- tung von Staats- und gelehrten Sachen', das berechtigt sie aber doch noch lange nicht, auf solche Dummheiten hereinzufallen. Weil er sich nicht für eine Ohrfeige bedankte. Was sich mancheVorgesetzte' immer noch.Untergebenen' gegenüber herauszunehmen belieben, dafür lieferte, wie man uns auö Halle a. S. berichtet, die Kriegsgerichlsverhandlung gegen den Sergeant Max Naumann   von dem Infanterieregiment Nr. 153 in Altenburg   einen drastischen Beweis. Der wegen Mißhandlung eines Untergebenen angeklagte Mann kam am Mittag des 29. Juli auf die Kasernenstube Nr. 23 und ersuchte, man möge ihn mal ab- bürsten sauber machen. Die am Tische sitzenden Mannschaften waren dazu sofort bereit und überschlugen sich bald im Diensteifer bei dem Suchen nach einer besonders guten breiten Bürste. Da es dabei etwas laut herging, schnauzte der Sergeant den hilfsbereiten Musketier Schuster an und verabileichte ihm eine k r ä f t i Ohrfeige. SchusterS Backe, auf der die Fingerabdrücke des Sergeanten zu sehen waren,.brannte' eine Stunde lang. Gleichwohl besaß der Vorgesetzte noch die Dreistigkeit, Sch. zu fragen, ob er vielleichtnoch eine haben möchte.' Wenn schon, dann sollte er auf die Regimentskammer in eine dunkle Eck e kommen. Im übrigen sollte er sich aber er st bedanken. Der Geschlagene entgegneie erregt:Nein, Herr Sergeant, ich be- danke mich nicht!' Der Angeklagte wollte den Mißhandelten beim Umdrehen nur so versehentlich mit der Hand am Unterkiefer entlang gestrichen haben. Die Beweis- aufnähme ergab aber, daß«s sich um einerichtiggehende Ohrfeige' handelte. Der Verhandlungöfübrer meinte, der Sergeant lObe dem Musketier eine.geklebt'. Gleichwohl ließ man den Angeklagten man nahm einen minder schweren Fall als vorliegend an mit vierzehn Tagen Mittelarrest davonkommen. WaS wäre wohl dem geduldigen Musketier passiert, wenn der in seiner Erregung als Gegenleistung dem Sergeanteneine geklebt' hätte?_ Die Ereignisse in der Ciirhei. Saloniki, 31. August. Die Mitteilungen der Pforte, wo- nach in Albanien   Ruhe herrsche, entbehren jeglicher Grund- läge. Ganz Albanien   befindet sich in Anarchie. Die Ausschreitungen nehmen immer schlimmere Formen an. Ein aus Jpek einlangendes Schreiben bezeichnet die dortigen Zustände als schlimmer denn je. Ein Teil der ausständischen M a l i s s o r e n ist wieder über den Matiflust zurückgedrängt worden und hat sich in nördlicher Richtung verzogen. Die geflüchtete Bevölkerung beginnt, wieder in die Dörfer zurückzukehren. Die Behörden von K a f a d a r melden. daß in zwei be- nachbarten Ortschaften große Mengen von Bomben und Spreng st offen angehäuft. sind. EL sind zwei Gendarmerie- abteilungen dorthin entsandt worden. Vom bulgarisch  -revolutionären Komitee wird allgemein Stimmung für die Autonomie gemacht. Das Komitee sucht durch Verteilung zahlreicher Drohbriefe an die wohlhabende Bevölkerung Mittel für die Banden- beweglmg aufzubringen. Ein abgeschlagener Angriff. Rom  , 81. August. DieAgenzia Stefaui' meldet aus MiS» ratah vom 30. August: Heute früh hat der Feind, während er die Befestigungswerke der Italiener angriff, den Versuch gemacht, die Karawanen der Italiener, welche von Misratab nach der italienischen OpcrationSbasiS und zurück zogen, aufzuheben� Die italienischen Truppen, welche die Karawanen eskortierten, schlugen nach heftigem Kampf die Feinde zurück und brachten ihnen erhebliche Verluste bei. Die Feinde hatten über hundert Tote und Verwundete, die Italiener einen Toten und zehn Verwundete. Italien  . Neue Zirkulare über die Wahlreform. Rom  , 29. August.(Eig. Ber.) Die Unzufriedenheit, die sich in der gesamten Arbeiterschaft gegen die Handhabung der Regierung bei der Zusammenstellung, der Wählerlisten geltend gemacht hat, hat nun endlich die Regierung bewogen, wenigstens etwas zu tun, um dem beklagten Mißstand ab- zuhelfen. Das Ministerium bleibt dabei, daß die alten Listen ungültig sind, und daß der bisherige Besitz des Wahl- rechts als solcher nicht dazu berechtigt, von Amts wegen in die Wählerlisten eingetragen zu werden. Die Eintragung von Amts wegen behält das Gesetz den Personen über 39 Jahren vor, weiter denen, die das Wahlrecht durch den Militärdienst erwerben, und schließlich allen, die die Volks- schule in dem Ort absolviert haben, in dem sie durch ein- jährigen Wohnsitz wahlberechtigt sind. Alle anderen, so namentlich die Wähler, die nachträglich ein Schlußexamen abgelegt haben, oder die die Volksschule an einem anderen Ort als ihrem heutigen Wohnort besuchten, müssen, soweit sie unter 39 Jahre alt sind, einen neuen Antrag stellen. Das einzige Zugeständnis, was Giolitti macht, ist, daß all den Wählern, die in den früheren Listen standen und nicht von Amts wegen eingetragen werden- können, eine schriftliche Aufforderung zugehen soll, bis zum 4. Oktober ihre Doku- mcnte der städtischen Wahlkommission, oder bis zum 4. Januar 1913 der Wahlkommission der Provinz zu übermitteln. Das Zugeständnis hat zweifellos Wert, da es alle Wähler auf die Gefahr aufmerksam macht, durch dieErweiterung des Wahl- rechts" ihr Wahlrecht zu verlieren. England. Der Geist der Verträge. London  , 29. August.(Eig. Ber.) In der englischen Presse tobt augenblicklich ein Sturm der Entrüstung über den offenkundigen und zynischen Treubruch der Vereinigten Staaten   in der Angelegenheit des Panamakanals. Nach einem feierlichst abgeschlossenen Vertrage, dem Hay- Pauncefote-Vertrage, verpflichteten sich die Vereinigten Staaten  , keinen Unterschied in der Behandlung der Schiffe aller Nationen, die den Panamakanal benutzen sollten, zu machen, und England, das seine Rechte durch diesen Vertrag gesichert glaubte, gab darauf einen beträchtlichen Teil seiner früheren Ansprüche auf. Der Artikel(III, Abt. I) lautet: Der Kanal soll den Handels»- und Kriegsschifisen, aller Nationen, die diese Satzungen beobachten, unter vollständig gleich- mäßigen Bedingungen frei und offen stehen, so daß kein Unter- schieb zwischen irgendeiner dieser Nationen oder ihren Bürgern oder Untertanen in bezug aus die Bedingungen oder Verkehrs» gebühren oder anderweitig gemacht werden soll. Diese Be- dingungen und Verkehrsgebuhren sollen gerecht und billig sein." Trotz dieser klaren Verpflichtung hat der Kongreß der Vereinigten Staaten   ein Gesetz angenommen, das den Präsidenten der Vedeinigten Staaten ermächtigt, Zölle bis zur Höhe von 1% Dollar pro Registertonne von den den Kanal benützenden Schiffen zu erheben, das aber alle in der amerikanischen   Küstenschiffahrt tätigen Schiffe(und das können nach einem anderen Gesetze der Vereinigten Staaten  nur amerikanische Schiffe sein) von diesen Zöllen befreit. Die amerikanische   Regierung stellt sich auf den unglaublich klingenden Standpunkt, daß die Worte des Hay-Pauncefote- Vertragesalle Nationen" sich nur auf andere Nationen, nicht aber auf die Vereinigten Staaten beziehen. Amerika  betrachtet den Panamakanal augenscheinlich als eine rein amerikanische Affäre, die keine andere Nation etwas angeht. In einer Botschaft an den Kongreß schlägt der Präsident Taft vor, der Kongreß möchte durch eine gemeinsame Re- solution oder durch einen Zusatz zu dem Panamagesetz be» stimmen, daß nichts in dem Gesetz den Bestimmungen des Hay-Pauncefote-Vertrags oder den Rechten irgendwelcher anderer Nationen Abbruch tue und daß irgendein Ausländer. der sich über die Verwaltung des Kanals zu beklagen habe. bei den amerikanischen   Gerichten sein Recht suchen könne. Es ist sonnenklar, daß die Regierung der Vereinigten Staaten   einer Auslegung des Vertrages durch ein inter« nationales Schiedsgericht aus dem Wege gehen will. Ein Schiedsspruch dürfte, so weit es der gesunde Menschenverstand fassen kann, auch keinesfalls für sie günstig ausfallen. Die englische Regierung hat schon gegen den Bruch des Hay- Pauncefote-Vertrags energisch protestiert. Der englische   Be». vollmächtigte hat in einem zweiten Protest der Washingtoner  Regierung den Vorschlag gemacht, die Angelegenheit durch das Haager Schiedsgericht erledigen zu lassen, sollte man auf diplomatischem Wege zu keiner Verständigung gelangen. Die Angelegenheit ist aber auch für alle europäischen  Handelsstaaten von äußerster Wichtigkeft; denn die Bevor- zugung der amerikanischen   Schiffe kann nur dazu führen, daß der Handel der europäischen   Staaten mit der Westküste Amerikas   immer mehr in die Hände der Vereinigten Staaten  übergeht. Die Sache Englands ist hier ohne Zweifel die Sache ganz Europas  . Und wie verhält sich die deutsche  Regierung und die von ihr inspirierte chauvinistische Presse in dieser Streitfrage? Man freut sich offen über denangel« sächsischen Bruderstreit" und verzichtet im Interesse der Auf« rechtsrhalfting des englisch  -deutschen   Zwistes auf die Ver» teidigung des deutschen   Handels. Hat man je etwas Blöderes erlebt I Der deutsche Handel mag zum Teufel gehen. wenn nur demperfiden Albion" eins ausgewischt wird. Die Angelegenheit gewährt aber auch einen tiefen Ein> blick in die ganze Unmoral, mit der in unserer kapitalistischen Welt die Beziehungen zwischen den Völkern geregelt werden. Da ist der Herr T a f t, der noch vor weniger als zwei Jahren dem ewigen Völkerfrieden ein stürmisches Loblied sang, der feierlich erklärte, einen Vertrag eingehen zu wollen, der die Parteien verpflichte,den Spruch eines internationalen Ge- richtshofes in jeder Frage anzuerkennen, die nicht durch Ver- Handlungen geregelt werden kann, ganz gleich, was die Frage ist, ob sie die Ehre, Gebiet oder Geld betrifft". Nun, da er die Probe aufs Exempel machen soll, stellt es sich heraus, daß seine Rede dummes Zeug war. Ueber die Unmoral der Transaktion wird sich England jedoch am allerwenigsten zu beklagen haben. Es ist noch nicht ein Jahr her, als Sir Edward Grey   in schlotternder Angst entgegen dem be- stehenden Vertrag Persien   und seine junge Verfassung dem russischen Henkersknechte auslieferte, seine eigenen Interessen und seine eigenen Untertanen preisgab und das ganze schmutzige Geschäft mit einem Appell an denGeist"; der englisch  -russischen Konvention entschuldigte. Nun hat- auch die amerikanische   Regierung diesenGeist" entdeckt, der in den Worten der Verträge sein Unwesen treibt. Es ist der Geist Macchiavellis. der Geist der Lüge und des Betruges, der die Kunst der Diplomaten inspiriert. Wie lange werden sich die Völker dieses ftevelhafte Spiel mit ihren Interessen und ihrer Ehre noch gefallen lassen?