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Sie MuMche Politik vor Geriebt. Morgen kommt vor der ersten Strafkammer unter'Vorsitz des Landgcrichtsdirektors Schmidt der Prozeß gegen unsere Genossen Borchardt und Leinert zur Verhandlung. Die Anklage ist auf Grund der§Z 123 und 113 Str.-G.-V. er- hoben. Abg. Borchardt wird beschuldigt, in abgeschlossenen Räumen, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, ohne Befugnis verweilt zu haben, in solche Räume wider- rechtlich eingedrungen zu sein und dem Polizei- leutuant Kolb und den diesem unterstellten Schutzleuten Widcrstan.d geleistet zu haben. Dem Abgeordneten Leinert wird nur Widerstandsleistung vor- geworfen. Die Anklage stützt sich im wesentlichen auf das amtliche Stenogramm über die betreffende Sitzung. Die Angeklagten werden von Rechtsanwalt Dr. Heinemann und den Reichstagsabgeordneten Heine und H a a s e ver- teidigt werden. Die Anklage ist vom Oberstaatsanwalt Dr. P r e u ß verantwortlich gezeichnet worden, der sie kurz vor seinem Scheiden von Berlin   dem Vernehmen nach auch selbst in der Hauptverhandlung vertreten wird. So werden sich also die beiden Abgeordneten, die vom preußischen Volke mit ihrem Vertrauen ausgezeichnet worden sind, vor preußischen Richtern zu verantworten haben, eine drastische Illustration der parlamentarischen Rechte des Volkes wie der Immunität seiner Vertreter l Auch in anderen Parlamenten ist es zu stürmischen Austritten gekommen. Daß aber die von einer brutalen Majorität Vergewaltigten auch noch in den Gerichtssaal geschleppt werden, das ist echt preußisch. Es ist ein glücklicher Zufall, daß gerade in diesen Tagen sich die stürmischen Szenen im ungarischen Parlament ereignet haben. Nach der preußischen Duma ist der ungarische Reichs- tag wohl die schändlichste Karikatur auf eine wirkliche Volks- Vertretung. In Budapest   waren es aber nicht etwa die So- zialdemokrateu, sondern es waren die Spitzen des ungarischen Feudaladels, die auf Geheiß eines toll gewordenen Prä- sid eilten und einer skrupellosen parlamentarischen Majorität. die längst den Anhang im Volke verloren hat. auf Grund einer gesetzwidrigen Geschäftsordnung von der Polizei aus dem Sitzungssaal geschleppt wurden. Es ist letzten Endes immer die Tatsache, daß ein Parlament aufgehört hat. die Vertretung des Volkes zu sein, und zu einer Organisation der Gewaltherrschaft geworden ist. die zu solchen gewaltsamen Situationen führt. Denn die usurpatorische Majorität fühlt. wie gefährlich ihr die Kritik der Minorität geworden ist. hinter der das Recht des Volkes steht. Sie verliert ihre Ruhe und greift schließlich zu jedem Mittel, um die unbequeme Kritik zu ersticken. Auch in einer wirklichen Volks­vertretung kann es einmal zu stürmischen Situationen kommen, aber sie bleiben vereinzelt und haben keine größere politische Bedeutung, während die Stürme in den Privilegien- Parlamenten Anzeiger der immer stärker werdenden Spannung sind, die die Gewaltherrschaft der bevorrechteten Minorität im Volke erregt. Deshalb ist es auch so töricht, wenn auch die liberale Presse darüber lamentiert, daß durch solche Szenen dasAnsehen des Parlamentarismus" hcrabgedrückt werden könnte. Als ob Privilegieuparlamente irgendeinen Anspruch auf Ausehen hätten, als ob nicht ihr Bestehen die st ä r k st e Verhöhnung des wahren Wesens des Parla- m e n t a rtS m u S wäre, als ob sie nicht eine ständige Heraus-- forderung und Provokation aller wirklichen Volksvertreter be- deuteten! Die-w ahre Ursache des stürmischen Auftritts ist das schmachvolle D r ei k lassen- tu ahlrecht und die wahren Schuldigen sind diejenigen, welche dieses Schandmahlrecht noch immer aufrechterhalten. Deshalb ist es so lächerlich, daß über den Konflikt, den der verstorbene Freiherr v. Ersfa mit dem Genossen Borchardt hatte, preußische Richter befinden sollen, als ob die große historische Frage nach der demokratischen Neuordnung Preußen-Deutschlands   in eine Strafkammer gehörte! Die Reaktionäre knüpfen freilich allerhand Hoffnungen an diese Verhandlung. Sie möchten gern vom Gericht die Be- stätigung haben, daß der Hausknechtsparagraph nicht in Wider- spruch mit dem Reichsgesetz und der preußischen Verfassung steht: Denn selbst von dem nationalliberalen Landgerichtsdirektor Boisly ist ja gesagt worden, daß der§ 64 ungültig sei. weil er dem Strafgesetzbuch und der Verfassung zuwiderlaufe. Ein ihren Wünschen entsprechendes Gerichtsurteil wäre ihnen deshalb willkommen, weil sie dann auch in Zukunft um so skrupelloser diese Bestimmung in Anwendung bringen könnten, natürlich nur gegen Sozialdemokraten; denn daß der§ 64 in der Praxis bereits jetzt als eine richtige AuSnahmcbestinimung gegen unsere Ab- geordneten allein besteht, das beiveisen die Vorgänge, die sich am 23. Mai cr. im preußischen Abgeordnenhause ab- gespielt haben, ja zur Evidenz. Damals suchte, wie es in dem Sitzungsbericht der kon- servativenSchlesischen Zeitung" hieß, das Zentrum zu- sammen mit den Polen   wiederholt den Minister von Schorlentcr durch Lärni und Pfuirufe mundtot zu machen, und wollte den Minister nicht weiter sprechen lassen. Bei einer Acußerung des Herrn v. Kardorff brach ein solcher Tunnilt los. daß die Sitzung auf längere Zeit wie unter- brochcn erschien; und die liberaleBerliner Volks-Zeitung" schrieb damals:Der Tumult, der nun entstand, war un- beschreiblich. fast-schien es, als wollten die Zentrums- mannen und die Polen   die T r i b ü n e n stürmen. Rufe: Runter von der Tribüne, Denunziant!" gellten durch das Hallo." Auf der anderen Seite unterstützten Konservative und Nkationalliberale durch lautes Brüllen ihren Kardorff. Trotz- dem fiel es keinem Präsidenten ein. den§ 64 in Anwendung zu bringen. Der ist eben nur für Sozialdemokraten da, um die Entrechtung des Volkes bei der Wahl durch die Ent- rechtung seiner wenigen Vertreter zu vervollständigen. Morgen soll nun das Gericht entscheiden. Es ist klar, daß es V o l l st K n d i g inkompetent ist. soweit es sich um die wirkliche Grundlage des Prozesses handelt; denn dieser Prozeß gehört nicht vor das Forum der Richter, sondern vor Das Forum des preußischen Volkes, das ent­scheiden muß, ob cS sich diesen unwürdigen Zustand noch länger gefallen, ob es die Gewaltherrschaft einer ver- schwindenden Minorität, die sich heuchlcrischenveise in parla- tznentarische Formen kleidet, noch länger ertragen will. Der § 64 ist, wie immer die Richter entsckciden mögen, ob sie wirklich zu dem unserem Rechtsbewußtsein aufs schwerste widersprechenden Beschluß kommen, daß diese Bestimmnng der Verfassung und den Reichsgesetzen entspricht oder nicht, auf alle Fälle ein Ausfluß unerträglicher Willkürherrschaft. Nicht Borchardt und Leinert. sondern die Entrechtung des preußischen Volkes ist morgen angeklagt und die Richter können höchstens das eine verhindern, daß durch ihr Urteil nicht Politik und Rechtsprechung noch mehr vermengt werdep. Entscheiden sie, wie die reaktionären Parteien von ihnen fordern, so wird ihr Urteil vor der Masse des preußi- scheu Volkes, der einzigen uns maßgebenden Instanz, nicht bestehen können. Sie Teuerung und die Frauen. Der Kapitalismus hat'der proletarischen Foau nie das stille Nhll trauter Häuslichkeit gegönnt. Er reißt sie hinein in sein Trieb» rad, als Lohm  'ttavin muß auch sie für ihn schaffen. Die ständige Not entzieht sie«der Familie und ihren Kindern. Schwerer noch als der Proletarier muß. sie an den Bürden tragen, die der Kapitalismus seinen Söldlingen auferlegt. Er töteit«den Schwangeren«die Frucht im Mutterleibe, er mordet die Lebenden im zarten Alter, und den Heranwachsenden drückt er das Zeichen der Entbehrung im frühesten Alter aus. Die Umersuchungen über Säuglingssterblichkeit, die jetzt dienationale" Sorge um«die VolkSocrmehrung vornehmen läßt, bieten nur die zahlenmäßigen Belege für die Anklagen, die das Proletariat feit feiner Existenz gegen den Kapitalismus erhob. Und jetzt ist man in den vollen Zusammenhang aller Schädigungen eingedrungen, die Frauenarbeit aus die Gebärenden und Geborenen ausübt. In den ärztlichen Berichten über Krankheiten, die in erster Reihe die Arbeiterschaft heimsuchen, kehrt immer wieder die«ine Ursache: Unterernährung. Trotz aller eigenen Hilfe der Ar- beiter und wohlmeinender sozialerWohlfahrt" läßt die zunehmende Teuerung die Not nicht geringer werden. In diesem Sommer hat sie eine Höhe erreicht, daß auch die st ump festen Frauen fragen müssen: Gibt es keine Hilfe gegen dieses Elend? Wer vermag uns von unseren Sorgen zu befreien? Wenn Frauen Nächte hindurch mit ihren Kindern vor den Toren der Fleischbank kauern-, nur um ein Stück� finniges Fleisch zu erlangen, wenn. Pferde, und Hunde- fleisch nicht mehr verschmäht werden dann muß die Not über das von Proletariern gewohnte, wirklich nicht knappe Maß, gestiegen fein und jede auch dem politischen Leben bisher noch ferne Frau die Verpflichtung fühlen. in«die Reihen ihrer kämp­fenden Männer zu treten. Nicht als eina göttliche Schickung oder als natürliches Verhäng- niS-darf die Teuerung getragm werden. Mittel zur Abhilfe sind bekannt; wenn nur die herrschenden Klassen Deutschlands   sie an- wenden wollten. Aber noch immer speisen die Regierung und die agrarischen Parteien das Volk damit ab, daß die Teuerung vor- übergehen würde. Jahr auf Fahr find die Massen verlröstet worden, aber von Jahr zu Jahr hatdieVerteuerungzugenommen. Jetzt müssen selbst die Regierung und die LebenSmittelverteurer zugeben, daß eine Not besteht und daß eine baldige Besserung nicht zu erwarten ist. Aber nun verschanzen sie sich hinter einem neuen Argument: Die Teuerung besteht in allen Ländern! Die Gesetz« find ohnmächtig, ihr abzuhelfen. Die niedrigeren Lebensmittelpreise in Ländern ohne Einfuhrzölle beweisen die Unrichtigkeit dieser Be- hauptungen. Erst durch Absperrung«dcrGrenzen gegen die Einfuhr wird den Produzenten von Fleisch und Brot die Mög- lichkeit, von dem Volke höhere Preise zu nehmen. Nur um dieses agrarischen Profites willen wehrt sich die Regierung unter allerlei Vorwänden gegen die für'die Gesundheit deS Volkes notwendige Grcnzenöfsnung. Nur in einzelnen Orten hat man sich bisher dazu aufgerafft, mit Hilf« städtischer Mittel Fleisch auS dem Auslände zu'beziehen und zum Selbstkostenpreise abzugeben. Wichtiger als diese immer nur beschränkte Maßregel ist aber die Orssnung der Grenzen für die genügende Sersorgiing Deutsch­ lands   mit billigen Nahrungsmitteln. Zur Erfüllung dieser Forde- rungen muß die Regierun« gezwungen werden. Bisher hat sie auf alle Proteste der Arbeiterschaft und einzelner Schichten des Bürger- tum» noch immer nicht reagiert. Nicht einmal die Vertreter deS Volke» will sie zusammenberufen, damit der Reichstag   gemeinsam mit ihv über die notwendigen Maßnahmen beraten könne. Nicht einmal einer Antwort ist der Brief der sozialdemo- kratischen Fraktion an den Reichskanzler mit der Forde- rung der NeichStagSeinber-usung gewürdigt worden. Deshalb mutz die Arbeiterschaft ihr« Stimm« lauter und dring- licher erheben. Nachdem-das gesamt« Proletariat in Ver. sammlungen gemeinsam seinen Willen kundgetan hat, müssen jetzt die Frauen sprechen. Auch sie werden zeigen,«daß st« geschlossen hinter den Forderungen der Sozialdemokratie stehen und nicht«her ruhen wollen, bis für das Volk billiges Brot und Fleisch Eeschafsen worden ist. Arbeiterinnen I protestiert am Dienstag in Suren Versamm­lungen gegen Neuerung uncl Dunger  . s�iecier mit dem ßrot- und f Uifebwueber I Wieder mit Ausbeutung und Rechtlosigkeit! polltifcbc(leberNckr. Berlin  , den 21. September 1912. DieDeutsche TafteSztg." und das sozialdemokratisch- fortschrittliche Stichwahlabkommen. Die konservative und klerikale Presse ist höchst verschnupft über die Zustimmung der großen Mehrheit des Chemnitzer  Parteitages zu dem sozialdemokratischen Stichwahlabkommen mit der Fortschrittlichen Volkspartei   und sucht mit dem Auf- gebot der spitzfindigsten Deduktionen nachzuweisen, daß die Sozialdemokratie durch dieses Abkommen ihre heiligsten Grund- sätze preisgegeben hat. Der Grund dieser Verschnupfung der konservativ-klerikalen Blätter ist ziemlich deutlich zu erkennen: man fürchtet nämlich, daß daS Stichwahlabkommenweitere Folgen" haben könnte, das heißt, daß auch bei den bevorstehenden preußischen Landtagswahlen die Sozialdemo­kratie mit der Fortschrittspartei ein gegenseitiges Wahlunter- stützungsabkommen treffen und dadurch der klerikal-konservativen Koalition manchen schönen Laudtagssitz abnehmen wird. Besonders ist der Koguakmarken-Chef derDeutschen Tagcsztg." über solche Möglichkeit entrüstet, und er gibt des- halb mit hysterischem Geschrei die Parole auS,. daß nie- m a l S, unter keinen Umständen, ein überzeugter Anhänger der Monarchie irgend eine Vereinbarung mit Sozialdemo- traten treffen dürfe. Er erklärt: Mit ihr(bet Sozialdemokratie) darf eS unter keinen Um- ständen eine Vereinbarung,«in Paktieren geben, sei eS in bezug aui Wahlen, sei es auch in bezug auf parlamentarische Zusammen- arbeit. Immer und immer wieder hat man den Borwurf erhoben, daß in einigen Fällen rechlSstehende Politiker gegen diesen Grund- satz verstoßen hätten. Wir geben zu. daß zweimal oder dreimal im Laufe der letzten Jahrzehnte rechtsstehende Politiker sich be- dmierlicherweise zu einer Wahlabmachung mit der Sozialdemo- tratie haben bercitfinden lassen, ja, daß sie vielleicht in einem Falle eine Anregung dazu gegeben haben. Diese Fälle müssen aber ausscheiden. Sie kommen nur auf das Schnldkonto Ein- z einer. Die in Betracht kommenden rechtsstehenden Partelen haben mit voller Deutlichkeit und mit der erforderlichen Entschiedenheit ihre Mißbilligung anSge- s p r o ch e n. Es ist kleinlich und sinnlos, mit diesen wenigen Fälle» krebsen zu gehen.... Was aber für die Wahlen gilt, das gilt auch für die politische Arbeit. Solange Sozialdemokraien in den Volksvertretungen sigen, kann sich niemand von der Zusammenarbeit mit ihnen völlig ab» schließen und ausschließen. Wohl aber sind und bleiben wir der Meinung, daß taktiilve und politische Vereinbarungen mit ihnen für monarchische rechtsstehende Politiker ein Ding der Unmöglich- kert sein sollten. Deshalb haben wir mit großer und herzlicher Befriedigung begrüßt, daß unsere Freunde in Bayern   ein Zusammen- gehen mit dem dortigen Großblvcke bei den Landtagswahlen rund- weg abgelehnt haben. Deshalb hat eS uns zu nicht minderer Be- friedigung gereicht, daß die Konservativen in der Zweiten sächsischen Kammer darauf verzichtet haben, im Präsidium zu sitzen, weil ein Sozialdemokrat ihm angehört. Dagegen können wir nach wie vor weder begreifen noch billigen, daß die uns politisch nahestehenden Abgeordnelen des Landtags des Fürstentums Scharzbnrg-Rudol- stadt nicht nur dem sozialdemqlratiichen Präsidenten ihre Stimme gegeben, sondein sich anscheinend auch in andere politisch-taktische Vereinbarungen eingelassen haben. Wir können nicht umhin, mit aller Schärfe gegen dieses Vorgehen von unserem monarchischen Standpunkte aus Verwahrung und Protest einzulegen. Auf diesem Gebiete kann es kein Schwanken geben. Die anli- monarchische, revolutionäre Sozialdemokratie kann niemals bündnisfähig werden; mit ihr darf niemals ein Paktieren ge- stattet oder entschuldigt werden." Herr Oertel mag sich beruhigen, zwischen uns und seiner Partei wird niemals ein Wahlabkommen zustande kommen nicht weil die Agrarier zu monarchisch und charakterfest sind, sondern weil wir es mit dem alten Sprichwort halten:»Wer Pech angreift, besudelt sich!" Uebrigens muß Herr Oertel, wenn er konsequent sein will, auch die Zentrumsführer zu den Autimonarchisten zählen, denn verschiedentlich haben diese der Sozialdemokratie Stich- wahldiindnisje angetragen. Alle Frömmigkeit sicherte sie nicht gegen die Verführungen durch den satanischen Generalstabsches Bitru. Was ist eine Staatsnotwendigkeit? DieSaale- Zeitung' veröffentlicht eine Unterredung mit dem Rudolstädter   Staatsminister Freiherrn v. d. Recke   über die durch die Vertagnng des Landtages geschaffene gespannte Lage im Fürstentum. Der Minister erklärte, daß cr daS aufrichtige Bestreben habe, einem Konflikte auS dem Wege zu gehen. Nur wenn er ihm aufgezwungen würde, könnte es zu einem Konflikte kommen. Die Regierung habe in der Verhinderung von Beschlüssen, die schwere Kollisionen nach sich ziehen könnten, eine direkte SlaatSnotwendigkeit gesehen. Auf die Frage des Interviewers, wie der regierende Fürst über die jetzige Situation denke, antwortete der Minister:Der Fürst habe des Ministers konstitutionelle Auffassung gebilligt." Der Minister hofft, selbst auf die Gefahr hin, für einen Optimisten gehalten zu werden, auf einen baldigen gedeihlichen Ausgleich der Gegensätze. Der Herr StaatSminister von Schworzburg-Rudolstadt scheint recht sonderbare Ansichtcn überStaalsnotweudigkeiten" zu haben. Als staatSnotweudig gilt ihm, was im Interesse seiner rcaliionären Pläne liegt._-. Leeres Geschwätz. Die wissenschaftliche Zeitschrift deS KlerikallSmuS. dieHistorisch- p o Ii t. Blätter", beichäsiigt sich im Heft S de« laufenden Jahr- gangeS mit dem preußischen Wahlucht und fällt über dieses folgendes Urteil: Preußens Wahlrecht ist so reformbedürftig, daß eine Aenderung eintreten muß. wenn nicht mehr auf daS Spiel geletzt werden soll. Hartnäckiges Verschließen gegen alle VolkSwüiische fördert den stnisturz und die Unzufriedenheit. Das heutige Dreiklassenwahlrecht fordert Hohn und Empörung heraus und kann nicht mehr gehalten werden, die geheimeWahl muß unbedingt gegeben werden,, die direkte kaiin gegeben werden; daS wären schon zwei Fortschritte, für welche stet» eine Mehrheit da ist, wenn die Regierung will. Aber auch der plulokratiich« Charakter läßt sich schnell mildern; man lege auch für die Klasseneinteilung nur die wirklich gezahlten Staats steuern zu- gründe, man beschränke sogar die Summe auf LSOl) Mark usw. Da lassen sich eine Reihe von Modalitäten denken, für die eine Mehrheit zu finden ist. Die Haupt- fache ist. daß ein Fortichritt gegeben wird; über das Maß desselben wird man ja stets verschiedener Ansicht in den Parteien sein. Was die eine als Abschlagszahlung ansteht, ist der anderen schon Höchstmaß; man wähle die goldene Mittellinie des ForilchriitS ohne jede Berichlechierung, und eS ist viel gewonnen. Wenn 19l3 die Neuwahlen stattfinden ohne eine Reform, dann kann es doch Ueberraschungen aller Art geben. Ein kluger Staats- mann baut vor." Es ist recht wenig, was dieHistorisch-pokit. Blätter" als reformbedürftig ansehen. Sie verlangen nicht eine Abschaffung der Dreiklasseneinteilung und die Neuregelung der Wahlkreise nur der plutokraüsche Charakter der Klasseneinteilung soll zugunsten der kleinbürgerlichen Schichten in klerikalen Gegenden etwa« gemindert und die öffentliche Abstimmung durch die geheime ersetzt werden. Unter Umständen will das klerikale Blatt auch noch die Beseitigung des WahlmännersystemS zugestehen. DaS ist alles I Dennoch ist c« böchst zweifelhaft, ob sich das Zentrum bereit finden wird, diese Forderungen im preußischen«bgeordnetenhause energisch zu ver- treten. Die perfide, verlogene Taktik, die eS bisher bei den Wahlrechtsberatungen im«bgeordnetenhause befolgt hat, zeigen, daß ihm an einer wirklichen demokratischen Reform de» preußischen LandtagSwahlrechts nicht das geringste liegt. DerartigeKritiken" wie die obige in klerikalen Blättern sind lediglich darauf berechnet, die klerikale Leserschaft zu täuschen und die Vorstellung zu erhalten, als gäbe es tatsächlich im heutigen Zentrum noch so etwas wie demokratische Reformbestrebunge». Ein gutgetroffenes Konterfei. Wie weit die Gegensätze im nationalliberalen Lager sich bereits verschärft haben und mit welchem Hohn man in jungliberalen Kreisen das Bestreben der sogenannten Altliberalen verfolgt, sich nach oben beliebt zu machen, zeigt folgendes satirische Inserat einer Ulk- zeitung, die kürzlich auf einer Zusammenkunft der Berliner Jung- liberalen verteilt worden ist. an der auch Herr Bassermann teilnahm: Gesucht für unser Parteiaktienunternehmen leitende Kraft mit konservativen Grundsätzen, besten Beziehungen zur Regierung, geschickt im Vermitteln von Orden. Titeln und Wirtschaftlichen   Vergünstigungen, überhaupt erst­klassig. Offerten an Heinz«, Schifferer u. Co. . unter»Servie' an die Expedition der.D rutschen Tageszeitung". Natürlich sind die Friedberger höchst erbittert über diesen Spott.