Luxus geword'enj ift. Wenn Äas Äuskank» die Preisediktierte, würden viele Deutsche überhaupt erst Fleisch zuessen bekommen, die sich jetzt Äen Genuß von abgetriebenenPferden, Hunden und Katzen vergönnen!Die nächsten Tage werden ja zeigen, ob die Regierungfcer gottgewollten Abhängigkeiten sich von den Befählen desBundes der Landwirte emanzipiert, ob sie wirklich Maßregelnergreift, die mehr sind als SchciukonzessioneN. Auf keinenFall aber kann dadurch die Einberufung des Reichs-tags überflüssig, das inkonstitutionel[e Gebaren der Regierung gerechtfertigt werden.«*♦Die Hungernden reißen sich nach Pfcrdckadavern.In Märzdorf im Kreise Tauer(Schlesien) fuhr ein Spc-diteur zum Bahnhof. Unterwegs stürzte sein Roß zusammenund verendete. Das Tier wurde auf ein Wiesengrundstück ge-bracht, abgeledert und sollte dort verscharrt werden. Die Leutedes Spediteurs kamen aber gar nicht dazu, iveil Dutzende vonArbeitern über den Kadaver herfielen und alles, was Fleischwar, von den Knochen entfernten. Ehe die Behörde einschreitenkonnte, war das abgetriebene Roß aufgeteilt.So weit hat es die strafwürdige Wuchcrpolitik unsererJunker und ihrer Handlanger in der Regierung getrieben I. Das dänische Fleisch in Köln und die„ehrlichen" Metzger.Die Stadt Köln hat die Einführung dänischen Fleisches vor-genommen, das bei der Bürgerschaft eine recht gute Aufnahme ge-funden hat. Die Nachfrage ist außerordentlich lebhaft. Von Kon-sumcnten und Sachverständigen wird das Fleisch als durchausschmackhaft und vollwertig bezeichnet. Das dänische Fleisch wirdvon der Stadt an Metzger zum Weiterverkauf abgegeben, der Ver-kaufspreis ist den Metzgern vorgeschrieben worden. Das scheint vielenvon ihnen nicht zu passen. Das städtische Nachrichtenamt schreibt, daßvon manchen Metzgern gegen das dänische Fleisch Stimmung ge-macht werde. Schon die Auslagen in einigen Schaufenstern lasseunzweideutig die Absicht erkennen, das dänische Fleisch gegenüberdem hiesigen als minderwertig hinzustellen. Unter der Bczeich-„Eigene Schlachtung" oder„Hiesiges Fleisch" hätten im Schaufenstereiniger Grohschlächtercien große, saftige Stücke mit der gut aus-sehenden Schnittseite nach oben,. daneben mit einem Zettel„Dä--nisches Fleisch" kleine, schlecht ausgeschnittene, unansehnliche Stücke-mit der rot gestempelten, wenig gut aussehenden Fellseite nachoben gelegen. Auch die in Sprechsaalartikcln einer Zeitung bc-klagten Mißstände, daß einzelne Metzger dem dänischen Fleischweit mehr Knochen und Fett beigäben, als das sonst üblich sei, hättensich leider als Tatsachen erwiesen. Das Nachrichtenamt hofft, daßsich auch die betreffenden Metzger in der Folge mit der EinführungdeS dänischen Fleisches befreunden würden und es rät dem Publi-kum, gegen die gekennzeichnete Handlungsweise der Metzger ent-schieden zu protestieren.Wie man sieht, können sich manche Leute recht schlecht von denim„ehrlichen" Privathandel vielfach üblichen Gepflogenheiten los-machen. Die Stadt könnte solche Elemente aber doch etwas derberanpacken, sie könnte ihnen den Vertrieb einfach entziehen und ihreNamen zu heilsamer Lehre veröffentlichen!Die Zunahme der Fleischeiufiihr an der badisch- schweizerischenGrenzeist wohl der sprechendste Beweis, wie schwer man in der Bevölkerungdie hohen Flcischpreise empfindet. Bekanntlich dürfen bis zu vierPfund Fleisch zollfrei über die Grenze gebracht werden. Jinbadischen Amtsbezirk Lörrach beträgt das auf � diese Weise aus dernahen Schweiz geholte Quantum manchmal pro Tag 10 Zentner.Daß dadurch aber auch die Steuerkraft der einheimischen Geschäfts-leute geschädigt wird, liegt auf der Hand. Aus diesem Grundehat der Gemeinderat von Lörrach das badische Ministeriumersucht, im Bundesrat für die.Gestattung der Einfuhrargentinischen Fleisches in den Bereich des kleinen Grenz-Verkehrs einzutreten. Der Lörracher Gemeinderat denkt sich�die Sache so, daß das argentinische Vieh, welches jetzt nach Baselkommt, vor seiner etwaigen Einfuhr in die badischen Grenzortenochmals tierärztlich untersucht wird. Geschähe das, dann wäre eineScucheneinschleppung sicherlich zu verhüten.— Wie umfangreichdieser Grenzverkehr sich gestaltet hat, bezeugen die nachfolgendenZahlen, die amtlichen Ouelleu entnommen sind. Die Statistik istberechnet auf Grund der vereinnahmten Fleischsteuer(4 Pf. pro Pfd.)und bezieht sich nnr aus dieEinfuhr vonOchsen«undRindfleisch, da Kalbfleisch steuerfrei ist und demnach nichtstatistisch erfaßt wird. Die Ziffer» für 1S12 beziehen sich nur ausdie Monate bis inkl. Juli. Danach wurden eingeführt:Ueber Zollamt: ISO» 1910 1911 1912 InsgesamtWeil-Friedlingen. 3 606 kg 4 489 2 451 1 919 12 405 kgWeil-Otterbach.. 336„ 547 583 290 1756.Weil..... 184„ 256 820 740 1 500„Stetten..... 139„ 447 898 9 469 11 153„Basel-Bahnhof.. 5S32. 6 853 8 015 4 498 25 148.Grenzach-Horn.. 525„ 2 276 4 123 935 7 909„Lörrach-Bahnhof.—„ 8 021— 440 9 061„10 572 kg 17 489 16 39« 18 351 68 922 kgDiese Einfuhr fällt zum Teil(1909— 1911) in eine Zeit, wo-die Viehpreise noch nicht so hoch waren, wie in der zweiten Hälftedes Jahres 1912. Und es ist überaus typisch, daß die Einfuhrin den sieben Monaten d. I. die des Jahres 1911schonumrund2000Kilogramm überholt. Liegen erstdie Zahlen von den restlichen 5 Monaten noch vor, dann wird sichzeigen, wiediel Geld ins Ausland wegen der hermetischen Grenz-absperrung und der hohen Zollsätze für die Einfuhr von Vieh undFleisch getragen wird. Im Nebenzollamt Stetten ist innerhalb3% Jahren die Einfuhr um dckö Achtfache gestiegen. Dabei könnensich diese Leute glücklich schätzen, daß sie an der Grenze wohnen.Sie verstehen es denn auch nicht, daß da? argentinische Fleisch,daS jetzt täglich in Basel verkauft wird, eine halbe Stunde vor derdeutschen Grenze Halt machen muß.Das badische Ministerium und die Fleischnot.Am Dienstag hielt wegen der Fleischteuerung auch das babischeMinisterium de? Innern eine Konferenz ab, zu der alle Interessenten-kreise Einladungen erhalten hatten. Der Minister des Innern, Frei-Herr v. Bodman, äußerte sich über den Standpunkt der badischenRegierung dahin, daß die Einfuhr von Vieh aus Schweden undDänemark in den Bereich der Möglichzeit gezogen werden könne,desgleichen eine Ermäßigung der Fleischübergangssteuer. Dagegensprach sich der Minister gegen die Einfuhr von holländischem undfranzösischem Vieh und von argentinischem Gefrierfleisch aus.Lebensmitteltcnerung nnd Lohnsteigerung.Regierung und Brotwucherparteien reden sich, wenn sie wegender hohen Lebensmittelpreise zur Rechenschaft gezogen werden, daraufhinaus, daß doch auch die Löhne außerordentlich gestiegen s-ien-Huntertmal ist diese Behauptung Lügen gestraft worden. Auch derBericht der rheinisch-westfälischen Textilberufsgenossenschast für daSJahr 1911 zeigt aufs neue, wie unsinnig das Gerede von dergroßen Lohnsteigerung ist. Nach dem Bericht ist der Durchschnitts-fohreslohn der Textilarbeiter um ganze 7,51 M. ans 927,08 M. gestiegen. Die Lohnsteigerung seit dem Jahre 1886 beträgt 159,69 M.,das sind 20 Proz. Selbst Zentrumsblätter mußten zugeben, daßsich in der gleichen Zeit die Lebensbedürfnisse um etwa 35 Proz.verteuert haben. Wo ist.da die behauptete Verbesserung derLebenslage?Dagegen hat sich die AuSnützung der Arbeiter und damit dieUnfallgefahr erhöht; der Bericht der Berufsgenossenschaft verzeichnet2222 Unfälle 1911 gegen 2162 im Jahre 1910 und 2143 imJahre 1909.Folgen der Fleischtenerung.Die hohen Fleischpreise haben offenbar Fleischer in Köln zurVerwertung verdorbenen Fleisches verführt. Die Gesundheitspolizeimeldete bis Mittwoch abend 70 Fälle von Fleischvergiftungen, ohnedaß damit die Zahl der Erkrankungen erschöpft ist. Fast alle Er-krankten haben Hackefleisch gegessen. Bei sechs Personen wird dieKrankheit auf Genuß von verdorbener Wurst zurückgeführt. AlsLieferanten kommen vier Schlächter in Frage, von denen einer alleinbei 44 Fällen und ein zweiter bei 20 Fällen beteiligt ist. Einlljähriger Knabe ist bis jetzt der Vergiftungerlegen. Bei den übrigen Kranke» soll Lebensgesahr vorläufignicht vorhanden sein.Der Vorstand des Deutschen Städtetages wird am 7. Oktoberim Rathaus zu Köln a. Rh. darüber Beschluß fassen, ob wegen derTeuerung der Deutsche Städtetag zu einer außerordentlichen Ta°gung einberufen werden soll. Auf die Anfrage des Vorstandesbeim Reichskanzler, welche Maßnahmen die Reichsregicrunggegen die Fleischteuerung in Aussicht genommen habe, ist eineAntwort bisher noch nicht erfolgt.Fleisch- und Biehinteressente» gegen die Teuernngsmaßnahmen.DaS dänische Rindfleisch findet in Dresden reißenden Absatz,so daß es bereits die Vichpreise auf dem Schlachthofe drückt. Daweitere dänische Fleischtransporte in dieser Woche erwartet werden,und sich mehr als 150 Dresdener Fleischermeister zum Verkauf desausländischen Fleisches bereit erklärten, so hat sich der SächsischeLandeslulturrat, eine agrarische Interessenvertretung ähnlich denLandwirtschaftskammern, zu einer Kundgebung gegen die Einfuhrfrischen Fleisches und lebenden Viehes aufgeschwungen. Ein solcherImport von Fleisch und Vieh sei geeignet, die deutsche Schlachtvieh«Haltung zu ruinieren'und die. schwersten schädlichen Folgen fürdie Landwirtschaft herbeizuführen. Um die minderbemittelte Bevölkerung kümmert sich der Landwirtschaftsrat nicht; die mag zu«gründe gehen. Die Hauptsache ist, daß den Agrariern und Vieh«züchtern die Taschen gefüllt werden.In Halle a. S. stockt an den städtischen Fleischverkaufs-ständen, wo in der letzten Woche Hunderte Zentner Fleisch zu 85und 89 Pf. auSgepfnndet wurden, der Verkauf, weil die Fleischer«innung den Großschlächter, welcher bisher lieferte, zur Einstellungder Lieferung gezwungen hat. Die Stadt sucht nach neuen Bezugs«quellen.Das Bauernlegen eine Ursache der Fleischtenerung.Im führenden Zentrumsorgan Bayerns, dem„Bayer. Courier",wird an Beispielen gezeigt, wie das Bauernlegen auf die Fleisch«tenerung wirkt. Das Blatt berechnet zum Beispiel, waS die27 Bauernanwesen in der Gemeinde Glonn liefern könnten, wennsie nicht vom Baron v. Büsing d'Orville auf Zinneberg bei Glonnaufgekauft ivorden wären, wodurch die Gemeinde jetzt 400 StückRindvieh weniger zählt. Es schreibt:„Für die Ernährung desVolkes würden somit mehr erzeugt auf den 27 Höfen 966 ZentnerFleisch, 25 000 Liter Milch und 26 000 Eier, und das jedes Jahr.Dabei ist aber wohl zu beachten, daß auf den 27 Höfen 27 freieBauernfamilien mitsamt den notwendigen Dienstboten, also mindestens800 Personen, außer der angeführten Produktion mit Lebensmittelnversorgt wären, für die jetzt anderweitig Lebensmittel produziertwerden müssen."Gemeinden nnd Teuerung.In Hildesheim beschlossen die Stadtverordneten den direktenBezug von dänischem Fleisch, das zu festgesetzten Preisen von denFleischern verkauft werden soll. Auch werden besondere Fischmärkte,speziell für Seefische eingerichtet. Der ärmeren Bevölkerung bis zueinem Steuersatz von 6 M. soll ferner für die Zeit vom 1. Oktoberbis zum 1. April die Steuer ganz erlassen werden. Außerdemwurde» 5000 M. zur Speisung armer Kinder in der Schule zurVerfügung gestellt. Eine Jnteressentenkommission soll allmonatlichstatistische Erhebungen anstellen, um jeder Preistreiberei in Lebens-mittel» zu begegnen.Eine amerikanische Gesellschaft hat der von der Stadt Frank«f u r t a. M. zum Studium des in- und ausländischen FleischmarkteSentsandten Kommission ein Angebot auf Lieferung größerer Mengenfrischen Fleisches gemacht. Dieses Angebot wurde angenommen.Der Versand geschieht von Rotterdam, der Preis für daS Pfundbeträgt im Großeinkauf 53 Pf. Allerdings müssen noch die Trans«portkosten von den Empfängern getragen werden. Im Kleinverkauf.der durch die Scklächterinnungen geschieht, wird sich daS Fleisch aus82 Pf. für das Pfund stellen.Die von den städtischen Behörden Kassels eingesetzte Kom-Mission beschloß, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, umeine ständige Kommission zur Ueberwachung der Nahrungsmittel-preise ins Leben zu rufen. Ferner wurde beschlossen, dänischesFleisch im großen für Rechnung der Stadt einzuführen und imEinvernehmen mit dem Fleischcrgewerbe zu möglichst billigenPreisen an die Konsumenten abzusetzen. Die Preise sollen von derKonimission festgesetzt werben. Codann wurde beschlossen!» der Er-richtumg eines SeefischvcrkaufS näher zu treten.In Görlitz kam am Dienstag zum ersten Male das vomMagistrat bestellte dänische Rindfleisch durch Fleischermeister zumVerkauf. Die Preise, die vom Magistrat festgesetzt werden, sind um10—20 Pf. pro Pfund billiger als für hiesiges Fleisch. DaS dänischeFleisch fand stocken Absatz.polltisebe(JeberfEebt.Berlin, den 25. September 1912.Persönliches Regiment.Der verstorbene Freiherr v. Marschall wird in dergesamten bürgerlichen Presse in den höchsten Tönen als dertveitaus bedeutendste Staatsniann gepriesen, über den Deutsch-land verfügt hatte. Da ist es doch eine merkwürdige Sache,daß gerade dieser Mann 1897 als Staatssekretär ausscheidenmutzte� weil er der konservativen Kamarilla— PhilippEulenburg war damals noch der heimliche Leiter des„persönlichen Regiments"— unbequem geworden war. Undseit jener Zeit wurde Freiherr v. Marschall sorgfältigst vonBerlin ferngehalten. Warum wohl? Da die Ernennung desKanzlers und der Staatssekretäre ausschließlich vomBelieben des Kaisers abhängt, ist die Antwort klar: eshat Wilhelm II. eben nicht gefallen. Und so kames, daß der anerkannt fähigste Mann der bürgerlichen Weltins Ausland geschickt wurde, während z. B. Herr v. B e t h-mann Holl weg Reichskanzler ist.lieber den Geschmack läßt sich nun bekanntlich nichtstreiten. Aber daß die politische Leitung des deutschen Volkesvon der Geschmacksrichtung eines Einzelnen abhängt, der nachder Meinung aller bürgerlichen Parteien ja in diesem Falldurchaus nicht das Richtige getroffen hat, das beleuchtet dochwieder einmal die UnHaltbarkeit des deutschen Schein-konstitutionalismus auf's grellste.Die klerikale Bildungszentrale.Der„Aschaffenburger Zeitung" ist, wie sie in ihrer letztenDienstags- Nummer mitteilt, der vierseitige Brief eines„be«deutenden" Mitgliedes des München-Gladbacher katholischen Volks-Vereins an den Aschaffenburger Zentrnmsredakteur Geis auf denRedaktionslisch«flogen. In diesem Briefe macht der GladbacherZentrumsführer seinem gepreßten Herzen in folgender Weise überdie verrotteten.Zustände in der klerikalen Bildungszentrale München»Gladbach Luft:„Hier bei uns ist alles beim alten. Der Betrieb imVolksverein schreitet einen Tag nach dem andern im altenTempo weiter. Dazu komint dann daS stumpfsinnigeMilieu Gladbachs, das Sie ja jedenfalls noch i ngrausigster Erinnerung haben. Ich versuche geradejetzt, etwas Bresche in die hiesige Stupidität zu legen,indem ich von Dr. Popp aus München, mit dem ich gut befreundetbin, zwei öffentliche Vorträge... besorgt habe. Der zweite istbesonders für Arbeiter berechnet, aber die lieben Gladbacher„Ar-beiter".(Sie kennen ja deren geistigen Quer«durchschnitt!) zeigen sehr wenig Interesse... Können Sienicht mal mit den maßgebendsten katholischen Leuten dort inAschaffenburg sprechen, ob Dr. Popp im kommenden Winter nichtauch mal dort reden kann...."Der Briefschreiber muß daS Treiben in der München-Gladbacher Bildungsmetropole sehr genau kennen, denn seineCharakteristik stimmt._Aus dem badischen Landtag.Die Budgetkommission des badischen Landtages ist, wie bereitsgemeldet, einberufen worden. Und zwar ohne gleichzeitige Ein-berufung der Kammer. Das verstößt gegen den klaren Wortlautder badischen Verfassung. Auch im Jahre 1898 sollte wie jetzt ver»fahren werden. Eine Verordnung des Großherzogs berief die Kom«Missionen zu Sitzungen zusammen; die Zweite Kammer, derenPräsident Dr. Gönner von der Einberufung der Kommission nichtin Kenntnis gesetzt worden war, bestritt aber die Zulässigkeit dieser„Allerhöchsten Entschließung". Die Regierung berief sich dem«gegenüber auf einen ähnlich gelagerten Fall vom Jahre1862 bei der Vorberatung des badischen Polizeistrafgesetz»bucheS und auf die entsprechende Praxis für die Kommissions-beratungen des Reichstages. Die Volksvertretung gab jedoch nichtnach, und die Regierung ging auf eine formelle Erledigung ein.Zwar bestimmt die badische Verfassung, daß der Großherzog dieStändeversammlung einberufen, vertagen und auflösenkann; von den Kommissionen ist aber keine Rede.Darauf erschien am 29. November 1893 eine Entschließung desGroßherzogs, worin er die Ständeversammlung auf den 6. Dezembereinberief. Die Zweite Kammer trat zusammen und vertagte sichwieder an demselben Tage, nachdem sie die Kommissionenergänzt und mit der Vorberatung der Arbeit beauftragthatte.In dem gegenwärtigen Fall beruft der Großherzog die Budget«kommission der Zweiten Kammer ein„zum Zweck der Fertigstellungdes Beratungsstoffes" auf den 4. Oktober. Er betraut den Staats-minister v. D u s ch mit dem weiteren Vollzug. Dieser teilt demPräsidium der Zweiten Kammer der Landstände die Entschließungdes Landesfürsten mit und ersucht um„die Einberufung der Budget»kommission auf den gedachten Tag". Auf gleichem Schriftstück bittetder Kammerpräsident Rohrhur st den Vorsitzenden der Budget«kommission um„Erlaffung einer Einladung zur ersten Sitzung der-selben". Im direkten Anschluß daran erläßt auch schon der Bor-sitzende Rebmann die Einladung zur ersten Sitzung.Man scheint sich diesmal verständigt zu haben, um einer neuenDebatte über die Anwendung der Verfassung vorzubeugen.Trotz alledem besteht keine rechtliche Grundlage dafür, daß eineKommissionstagung der Zweiten Kammer angeordnet wird, ohnedie Kammer selber einzuberufen.Wetterls kontra„Tägliche Rundschau".Am Mittwoch fand in K o l m a r der Prozeß des elsäfstschenAbgeordneten Wetterlö gegen die„Tägliche Rundschau" statt. DerLnllage lag die Behauptung zugrunde, der Nationalbund habe130 000 M. Wablzuschuß für die elsaß-lothringischen Landtagswahlenin Frankreich gesammelt. Die Vernehmung der Zeugen, unter denensich die NaNonalistenführer und früheren Abgeordneten Jugenthalund Preiß befanden, ergab, daß die Zeugen der„Täglichen Rund-schau" überhaupt nichts wußten. Es kam ein Vergleich zustande:Die„Tägliche Rundschan" nimmt die Behauptung mit Bedauernzurück und wird dieS in neun Zeitungen publizieren.Vierzehn Tage hinter verschlossenen Türen.Sehr mysteriös gestaltete sich die Verhandlung, die am Montagin Halle a. S. gegen den 49jährigen KriegsgerichtSsekretär GustavH o f f m a n n aus Torgau nach zweiwöchiger Dauer zu Ende ge-führt wurde. Die Oeffentlichkeit war wegen angeblicher Ge»sährdung militärdien st licher Interessen ausge-schloffen. Hoffmann wurde beschuldigt, den früheren Divisions-kommandeur, Gerichtsherrn Exzellenz v. Röhl und mehrere Kriegs«gerichtsräte beleidigt zu haben. ES handelte sich, wie bekannt wurde,um Vorwürfe, wie Rechtsbeugung, versuchte Nötigung,Aktenbeseitigung usw. Der Angeklagte lebt seit Jahren mitseinen Vorgesetzten auf sehr gespanntem Fuße. Seiner Meinungnach haben die Differenzen begonnen, als der frühere Kriegsgerichts-rat Koch in Danzig auf seine Anzeige hin wegen Unterschlagungvon Schriftstücken zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt•nmrde.K. soll daraushin den Oberkriegsgerichtsrat Anspach, der gegen ihnals Ankläger aufgetreten war, gefordert haben. Es kam zu weiterenDifferenzen zwischen Hoffmaim und seinen Vorgesetzten. EinKriegsgerichtSrat Bohastedl wurde von der richterlichen Disziplinar-kanimer zu einer Geldstrafe verurteilt; Rat Zulauf wurde frei-gesprochen. Die von H. zur Anzeige gebrachten Unregelmäßig-keilen sollen sich ereignet haben in dem Prozeß des KanoniersTilkmann, der zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und später fürgeisteskrank erklärt wurde. Dann will H. sich KriegSgerichtsrätengegenüber geweigert haben, Protokolle zu fälschen. Das Kriegs-Ministerium soll die Sache geprüft, aber nicht ordnungsgemäß er-ledigt haben, wie H. erklärte. Schließlich wurde Hoffmaim selbsteinmal mit 30 M. bestraft. Er soll versucht haben, Kriegsgerichts-räteu Dienstreisen zu vermitteln. Bon Jnsterburg wurde er nachGraudenz und dann nach Torgau versetzt. Ueberall will er schlechteEnipfehluugeii mit auf den Weg bekommen haben. Immer wiederkam es zwischen H. und seinen Vorgesetzten zu neuen Konflikten.Als ein Militärgerichlsbote, der von einem Rat schlecht behandeltsein wollte, einen Selbstmordversuch unternahm, soll Hoffmann sichin die Untersuchung des Falles unbeiugt eingemischt haben.Die schweren Beschuldigungen Hoffmanns hätten in aller Oeffent-lichkeit verhandelt werden sollen, denn waren sie haltlos, dannwurden die Vorgesetzten öffentlich gereinigt. Dadurch, daß man sichhinter verschlossenen Türen verschanzte, hat man der KombinationTür und Tor geöffnet. Mit der ganzen Aufmachung oder vielmehr„Zuinachung" des Prozesses hat man der militärischen Rechtspflegesicher keinen guten Dienst erlviesen.Endlich wurden die Türen geöffnet und das Urteil verkündet:Der Angeklagte ward kostenlos freigesprochen.Darauf erhob sich der Ankläger und beantragte, das Urteil innichtöffentlicher Sitzung zu begründen. Der Angeklagte