Müssen, LaF d!e europaisHe DipkömakrS, MgeaWei ihrer unaufhörlichen Friedensbeteuerungen, in raffiniert- eigennütziger Weise das Kriegsfeuer am Balkan ge- schürt hat. Die größte Energie entfalteten hierbei die Staaten, denen es um eine Schwächung der Türkei zu tun war. d. h. Italien und'Rußlandl Während Italien bestrebt war. den albanesischen Aufstand zu schüren, um da- durch die Türkei zum Friedensschluß zu zwingen, entfaltete die russische Diplomatie eine fieberhafte Tätigkeit, um bei der italienlsch-türkischen Auseinandersetzung auf ihre Rechnung zu kommen. Die heftige Spannung, die Deutschland durch seine törichte MaroKopolitik hervorgerufen hatte, gab der parasi- tären russischen Großmacht nicht nur die Möglichkeit, in der europäischen Politik die Rolle des Züngleins cm der Wage zu spielen, sie gab ihr auch freie Hand in Persien wie im fernen Osten und ermöglichte es ihr, die Vormachtstellung, die sie nach der bosnischen Krise am Balkan eingebüßt hatte, durch zähe Arbeit wieder zu gewinnen. Die Verständigung zwischen den Balkanvölkern zum gemeinsamen Vorgehen gegen die Türkei ist das Werk der russischen Diplomatie: die fortge- setzten Provokationen Montenegros , dieses Vorpostens der russischen Eroberungspolitik am Balkan , fanden nie ohne vor- herige Anfrage in Petersburg statt: die Kriegsoperationen der Italiener in den Dardanellen stießen bei der russischen Diplo- matie stets auf verständnisvolle Unterstützung: und endlich bot der vom Zaune gebrochene Streit wegen des Grenzgeländes am Urmiasee der russischen Regierung genug Gelegenheit, einen Druck auf die Türkei auszuüben, dessen Resultate am Balkan sehr greifbar in Erscheinung traten. Bei der jetzigen Krise, die fast über Nacht hereingebrochen ist. steht gleichfalls, wie bei allen bisherigen Aktionen gegen die Türkei die russische Diplomatie als Hauptbeteiligte hinter den Kulissen. An einen direkten Konflikt mit der Türkei denkt natürlich die russische Regierung nicht. Dazu ist sie sich ihrer militäri- schen Untüchtigkeit zu sehr bewußt, während sie andererseits auf ihre Ententegenossen Rücksicht nehmen muß, von denen vor allem Frankreich durch einen Krieg im nahen Osten wirtschaftlich geschädigt werden würde. Sie hat aber nichts dagegen einzuwenden, daß es zu blutigen Zusammenstößen zwischen den von chauvinistischen Demagogen fanatisierten Balkanvölkern und der Türkei kommt, die ihr die Möglichkeit bieten können, mit selbständigen Forderungen hervorzutreten. Die Vorbereitung einer derartigen Aktion bildete neben der Neuregelung der persischen und niongolischen Frage den Hauptinhalt der diplomatischen Besprechungen des russischen Ministers des Auswärtigen in Balmoral. Dies hat unum- wunden der bulgarische Gesandte in Petersburg , General Paprikow, eingestanden, der dem Mitarbeiter der„Nowoje Wremja" erklärte, Bulgarien warte bloß nur noch auf die„Er- gebnisse der Unterhandlungen zwischen dem russischen Mi- nister des Auswärtigen Ssasonöw und den Vertretern der europäischen Kabinette, die an der Aufrechterhaltung des Friedens am Balkan interessiert sind". Liegt es hiermit klar zu Tage, daß die Fäden von den Balkanstaaten und ihrem hohen russischen Protektor in Balmoral zusammenlaufen, so unterliegt es andererseits keinem Zweifel, daß der Vorschlag des Grafen Berchtold. der offensichtlich den Zweck ver- folgte, der russischen.Diplomatie am Balkan den Wind � aus den Segeln zu nehmen, den Stein erst recht ins Rollen ge- bracht hat. Nun heißt es in allen Hauptstädten Europas , wenn es nicht gelänge, dem Ausbruch eines Krieges vorzu- beugen, so müsse er wenigstens„lokalisiert" werden. Die Börse aber, die für politische Komplikationen ein.e feine Nase hat. erlebt jetzt schon eine Deroute. die sie seit Jahren nicht kannte— ein Zeichen, mit welchen Besorgnissen das europäische Finanzkapital den Ereignissen entgegensieht, die das ver- brecherische Spiel der Diplomatie am Balkan hcraufbe- schworen hat. Die Ablehnung des serbischen Ultimatums. Konstantinopel , 2. Oktober. Meldung des Wiener K. K. Telegr.-Korr.-Bureaus.) Der Ministerrat hat beschlossen, die Forde- rung der Durchfuhr serbischen Kriegsmaterials zurückzuweisen. Zurückhaltung der griechischen Schiffe. Konstantinopel , 2. Oktober. Die Pforte verweigert den griechischen Schiffen die Ausstellung von DurchtahrtS- passen durch die Dardanellen, indem sie erklärt, sie könnte die Schiffe chartern. Die Zahl der griechischen Schiffe, die sich im Schwarzen Meer befinden, beträgt mehr als SO. In Konstantinopel befinden sich 22. Den türkischen Handelsschiffen, die sich in den Häfen des Schwarzen Meeres befinden, ist befohlen worden, sofort nach Konstantinopel zurückzukehren. Die Hafenbehörde läßt alle griechischen Dampfboote registrieren. Der griechische Gesandte Grhparis hat bei der Pforte gegen die Zurückhaltung der griechischen Schiffe Einspruch erhoben. Der türkische Oberbefehlshaber. Konstantinopel , 1. Oktober. General AbdullahPascha ist zum Generalissimus der türkischen Armee ernannt worden. Der Güterverkehr auf den Eisenbahnen nach Serbien und Bulgarien ist unterbrochen, da Serbien und Bulgarien das rollende Material requiriert haben; der Personenverkehr wird dagegen noch aufrecht erhalten. Die türkische Mobilisierung. Konstantinopel , 2. Oktober. Von überall her werden Einberufungen von Rebifs zweiten Aufgebots und von Reservisten gemeldet. Die Divisions-Kommandeure heben den Befehl erhalten, die Redif-Divisionen vollzählig zu machen. Jedes Bataillon soll auf die Dauer eines Monats auf 800 Mann gebracht werden. Die mobilisierten Divisionen von Elbasan werden demnächst nach S k u t a r i abgehen. Ein offiziöses Communiquö begründet die M o b i- l i s i e r u n g mit der Mobilisierung und Konzentrierung der Balkanstaatcn. Alle Parteien haben beschlossen, zu er- klären, daß sie einhellig die Regierung unter st ützen werden. Die Regierung hat alle Transportmittel und Schiffe requiriert._„ Einberufung der Sobranze. Sofia , 2. Oktober. (Meldung der Agence Bulgare .) Die S o b r a n j e ist für den 5. Ottober zu einer außer- ordentlichen Session einberufen worden, um den im Lande proklamierten Belagerungszustand zu sank- tionieren und die durch die Mobilisierung der Armee not- wendig gewordenen außerordentlichen Ausgaben zu Sofia , 2. Oktober. DaS Exekutivkomitee der maze- donffchen und Ldrianopeler Gesellschaften veranstaltete gestern nachmittag in den Straßen der Stadt eine Kundgebung an der sich Tausende, insbesondere Einwanderer aus Maze» donien und dem Wilajet Adrianopel beteiligten. Besonders bor dem königlichen Schloß, dem Militärklub» der serbischen und der griechischen Gesandtschast kam eS zu begeisterten Demonstrationen. Bulgarisches Ausfuhrverbot. Sofia , 2. Oktober. Die Ausfuhr von Korn,'Mehl und Futter über die Südostgrenze ist durch königlichen Erlaß ver- boten worden Keine Anleihen» Paris , 2. Oktober. Verschiedene französische Banken wurden in den letzten Tagen von dem bulgarischen Gesandten in Paris ersucht, Bulgarien einen Vorschußkredit zu ge- währen. Die französischen Banken haben auf den übereinstimmen- den Rat des Finanzministers und des Ministers des Auswärtigen dem- bulgarischen Gesandten geantwortet, daß sie unter den gegen- wältigen Umständen Bulgarien keinen Borschutz leisten könn- tcn. Die vom bulgarischen Gesandten geforderten Summen be- liefen sich anfangs auf 20 Millionen, wurden aber allmählich auf 15, 10 und 5 Millionen reduziert. Eine verhinderte Debatte. Wien , 2. Oktober. Der Ausschuß für auswärtige Angelegen- Helten der Oesterreichischen Delegation ist heut« zusammengetreten, um den BerichtdeS Referenten Marquis Bacquehem ent- gegenzunehmen. Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragte Delegierter Ellenbogen(Soz.), wegen der in den letzten Tagen veränderten politischen Situation die Debatte überdieaus- wältige Politik wieder zu eröffnen und den Minister des Aeußeren zu Aufklärungen über die Lage aufzufordern. Ueber diesen Antrag entspann sich eine kurze Debatte, in der der Obmann des Ausschusses Baernreither betonte, der Ausschuß müsse in der gegen- wältigen Situation eine gewisse Ruhe und Zuversicht be- weisen. Darauf wurde der Antrag abgelehnt. Den Blättern zufolge hat der Kriegsmini st er auf private Anfragen ungarischer Delegierter die Nachricht von einer Mobilisierung von zwei österrcichischaingarischen Armeekorps als den Tatsachen nicht entsprechend bezeichnet. Rußland leugnet. Paris , 2. Oktober. Eine Note der„Agence Havas" besagt: Die in der Presse erschienenen Meldungen über eine angebliche M obi- lisierung in Rußland sind zurückzuführen auf eine Probe- Mobilisation der Festungstruppen in dem befestigten Platz Ossolvetz. Zu diesem Zweck wurden am 30. v. M. in einigen Orten des Weichscl-Gouvernements die Reservisten einberufen. Eine Requt- sition von Pferden hat nicht stattgefunden. Die Maßregel bildet einen Teil eines Programms von Versuchen, die zum Gegen- stand die Prüfung der Funktion verschiedener Dienste haben, und steht in keinerlei Beziehung zu den gegenwärtigen politi- schen Ereignissen. Die Uneinigkeit der Mächte. Paris , 2. Oktober. Der.Radikal" schreibt über die Vorgänge auf dem Balkan :.Man muß den Mut haben, der Lage ins Angesicht zu sehen. Solange die Tripleentente und der Z w e i b u n d sich nicht verständigen, insbesondere was die Interessen Ruß lands und Oesterreich-UngarnS anbelangt, wird nichts gegen den Krieg geschehen können. ES ist Sache Frqnkreichs und Englands auf der einen und Deutschlands auf der anderen Seite, Anstrengungen in diesein Sinne zu unternehmen. Sie scheinen gleicherweise den Frieden auf dem Balkan zu wüuschen, haben aber keinen Augenblick zu verlieren. Zill' Neuerung. Württemberg gegen de» ß 12. Gleich der bayerischen hat auch die württem- bergische Regierung die Absicht, im Bundesrat einen Antrag auf Abänderung des tz 12, d. h. auf Zulassung über- seeischen Gefrierfleisches zu stellen. Kein Erfolg. Daß die von der Regierung geplanten Maßnahmen völlig un- zureichend sind, zeigte auch die Lage<deS gestrigen e r st e n Berliner Viehmarktes seit Veröffentlichung der Regierungserklärung. Wäh- rend sonst Ankündigungen von preisdrückenden Matznahmen s o- f o r t zu einem Sinken der Preise führen�«he noch die Maßnahmen selbst durchgeführt werden, blieb der gestrige Markt unbeeinflußt. Der Auftrieb(13 500 Schweine) stand um 800 Stück niedriger als am Mittwoch vrgangener Woche. Was die Preise betrifft, so wurden vor acht Tagen für Schweine erster Qualität 87 bis 88 M. für den Zentner gezahlt, während sie gestern rnt r zu 88 M. zu haben waren. Bei der zweiten Klasse, die am letzten Mittwoch mit 85 oder 80 M. notiert wurden, war der Preis mit 85 M. der- selbe. Dagegen stellten sich für die dritte Qualität die Preise fast durchweg um eine Mark höher. Schafe hatten den alten Preis, dagegen notierten Kälber um 2 M. höher. Der deutsche Fleischerverband und die Regierungsmaßnahmen. In Kassel beschäftigte sich am Dienstag der gesamte Vorstand des Deutschen FleischcrverbandeS— etwa 30 Herren aus den verschiedenen Bundesstaaten— mit den Regierungsmaßnahmen zur Abwendung der Fleischnot. In einer angenommenen Resolution sprechen die Herren aus, daß die Maßnahmen zwar zu begrüßen sind, daß aber einprakt ifcher Erfolg der Maßnahmen nicht zu erwarten sei. Am Schlüsse heißt es: Besser würde es allerdings für die Landwirtschaft, Gewerbe und Konsumenten gewesen sein, wenn in erster Linie eine Verbesserung der Einsuhr von Zucht- und Schlachtvieh erfolgt wäre. Trotzdem will aber der Fleischerverband seine Mitarbeit bei den Maßnahmen nicht aus- schließen, aber er sindet es unverständlich, daß die Frachtermäßigun- gen lediglich für ausländisches Vieh und Fleisch zugestanden worden sind. Der preußische Stndtetag kennt keine Teuerung. Vom 7. bis 10. Oktober wird in Düsseldorf der 7. preußische Städte tag abgehalten. Auf der Tagesordnung, die jetzt veröfsent- licht wivd, vermißt man die Möglichkeit einer Aussprache über die Teuerung und deren Linderung. Dafür wird sich dieser Städtctag mit dem preußischen Wassergesetz, mit den Satzungen des Städte- tage» und ein wenig mit der preußischen Verwaltungsreform be- schäftigeu. Der preußische Städtctag wird also keine ihm unange- nehmen Dinge berühren. Die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft haben sich mit den Maßregeln der Regierung beschäftigt und eine Erklärung angenommen in der es heißt: .Angesichts der Schwere der Fleischteuerung halten sie die Maß- regeln der Regiemmg für nicht weitgehend genug, ins besondere sind sie der Meinung, daß«ine Abänderung des§ 1 des'Fleischbeschaugcsetzesunbedingterforderli ist, damit die Einfuhr von gefrorenem Rindfleisch insbesondere au Argentinien ermöglicht wird. Wenn dies geschieht, so werden auch der Eisenbahnfrachtnachlaß und die Erniedrigung des Fleischzolles eipe ganz andere praktische Bcheutung gewinnen� als wenn diese Erleichterungen nur für den Bezug von frischem Fleisch oSer Sock gefrorenem Hammelfleisch in Frage kommen, das für die Ver- sorgung deS Konsums schwerlich eine derartige Bedeutung erlangen kann, daß der Notstand erheblich gemildert wird. Unbedingt ge- boten erscheint cS ferner, daß die Milderung der Grenzsperre und die Zo l l n a ch l ä s s e nicht nur für Fleisch,- sondern auch für lebendes Vieh Platz greifen, insbesondere ist die Zulassung der Einfuhr lebender Schweine ans Dänemark zu fordern." Teuerungsversammlung der Festbesoldeten� Nach dem Muster der gelben Werksvereine hat sich eine Be- amtenorganisation etabliert, die als.Festbesoldete" firmiert. Ihr Grundsatz scheint zu sein: durch Bekundung unÄertrefflicher Gesinnungstüchtigkeit Wohlwollen und Ehre von oben zu erlangen. Jetzt hat die Bundesleitung an die Stadtverordnetenbureaus von Groß-Berlin die Mitteilung gelangen lassen, daß der Verein für Sonntag nach der„Neuen Welt" eine Versammlung einberufen habe, die zu der Teuerungsfrage Stellung nehmen soll. Tann wird weiter bemerkt: Der Bund ladet zu dieser Versammlung die bürger- lichcn Stadtverordneten ein und ersucht das Bureau, die in Be- tracht kommenden Herren einzuladen. Weiter wird noch bemerkt, daß auch nur bürgerliche Reichstags- und Landtagsabgeord- net« eingeladen seien Der Bund wandelt ganz eigenartige Wege. Wir haben sicher keine Vorliebe für gelbe Gewerkvereinler, aber das kann man ihnen nicht nachsagen, daß sie auS Gesinnungstüchtigkeit, möge sie er- heuchelt sein oder nicht, sich den Anschein zw geben versuchten, als wollten sie Vorteile von Sozialdemokraten nicht annehmen. Selbst- verständlich angeln auch die Festbesoldeten nach der Unterstützung der Sozialdemokraten, ohne die sie in den letzten Jahren, überhaupt nichts erreicht haben würden. Aber lediglich aus Katzbuckelei nach oben, um sich lieb Kind zu machen, geben sie sich nun, als wollten sie von Sozialdemokraten nichts wissen Nun, die Leute haben sich mit den gegebenen Tatsachen abzufinden, und zwar mit den Tat- fachen, daß sie ohne Sozialdemokraten auf keine Verbesserung ihrer sozialen Lage hoffen dürfen. Ob die Mitglieder des Bundes mit diesem mehr als eigenartigen Verhalten der Leitung einverstanden sein werden, das aus ihren Kreisen zu hören wäre jedeusalls sehr erwünscht und interessant. Städtische Maßnahmen gegen die Teuerung. Die Siadt Frankfurt a. M. läßt in einer städtischen Halle Ge- frierfleiscki durch eine gemeinnützige Gesellschaft verkaufen, nachdem die Metzger sich geweigert haben, den Verkauf zu übernehmen. Eine Anzahl renitenter Metzgermeister belagert die Stände, um die Kauf» lustigen vor dem Ankauf von Gefrierfleisch zu warnen. Die Ver- käufer konnten bisher nur mit Mühe ihr Geschäft versehen. Die Elberselder Stadtverordnetenversammlung stimmte am Dienstag den Vorschlägen der von ihr eingesetzten Kommission zu. nach welchen 80 000 M. bewilligt wurden, um aus Holland irisches Rindfleisch zu importieren; 10 000 M. wurden zur Errichtung eines städtischen FleischnrarkteS zur Verfügung gestellt. Der Verlaus des Flei'ches soll den Metzgern übertragen werden. Falls sich hieraus Schwierigkeiten ergeben, wird sür anderweite Regelung des Verlaufes Sorge getragen werden. Die städtischen Kollegien in Kiel setzten eine Kommission ein zur Prüfung der von der städtischen Verwaltung zu treffenden Maß- nahmen gegen die Teuerung. Dieser Kommission wurden auch die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion mit den bekannten For- derungen überwiesen. Der städtische TeueningsrniSschiiß in Barmen beschlaß. frisches Fleisch durch die Stadt zu beziehen und mit dem Berk-rnf möglichst noch in dieser Woche zu beginnen. Den Metzgern soll cur- geboten werden, den Berkauf mit einem Ausschlag von 10 Pf. lür das Pfund zu übernehmen. Falls diese sich hierzu nicht verstehen, wird die Stadt den Verkauf selbst übernehmen. Mit einem Händler wurde ein Vertrag auf Lieferung von wöchentlich 20 Stück dänischem Rindvieh abgeschlossen. In Dortmund setzte die Stadtverordnetenversammlung eine Teuerungskommission ein, die voraussichtlich städtische Fleischverkaufs- stellen errichten wird, da die Metzger es abgelehnt haben, dänisches Fleisch, das die Stadlverwallung einkaufen will, zum Verkauf zu bringen. In Nordhausen haben die Vertreter der Fleischerinnung im Auftrage der Stadt däiiisches Fleisch eingekauft, das sie zum Durch- schnittspreise von 85 Pf. abgeben. Das Ulteil über die Qualität ist allgemein ein günstiges., In Stuttgart wählte die Fleischennrning eine aus drei Mit- gliedern bestehende Kommission, die im Auslande Fleisch ein- kaufen soll. Nachdem die Lübecker Bürgerschaft auf Antrag der Sozial- demokrotcn und Liberalen den Senat um Maßnahmen gegen die herrschende Teuerung ersucht hat, ist nunmehr vom Polizeiamt der Verkauf von frischen Seefischen in die Hand genommen worden. Auch die Berwaltung der städtischen Markthalle ist diesem Beispiel gefolgt. Auf diese Weise ist es zugleich gelungen, die privaten Händler zu einer Ermäßigung der Fischpreise zu zwingen. Des weiteren hält daS Polizeiamt an zwei Tagen der Woche in der Markthalle dänisches Rindfleisch feil, dessen Preis nicht un- erheblich geringer ist al» derjenige des deutschen Rindfleisches. Bis- ber hat die Nachfrage das Angebot der Fische sehr erheblich über- stiegen. Wahrscheinlich wird beim Fleischverkauf die gleiche Erschei- nung zu beobachten sein. pcUtifcbe acbcrHcbt. Berlin , den 2. Ottober 1912. Aha, Herr Romen. Die Verurteilung der Genossen Borchardt und Lcinert durch die Strafkammer des Berliner Landgerichts I hat in der bürgerlichen Presie allerlei juristische Erörterungen hervorgerufen. Soweit diese in rechtlicher Hinsicht von wirklicher Bedeutung sind, werden wir deinnächst auf sie zurückkommen. Versagen können wir uns jedoch nicht, heute schon einige Aeußerungen des Wirkt. Geh. KriegSralS Dr. jur. Romen abzudrucken, die diese juristische Leuchte im roten .Tag" veröffentlicht. Herr Romen ist ein grimmiger Hasser der Sozialdemokratie, der sich durch die 18S2 von ihm in Hamburg aufgestellte These einen berühmten Namen in gewissen hochkonservativen Kreisen gemacht hat, daß sich sozialdemokratische Zeugen infolge ihres Programms und ihrer Grundsätze für berechtigt hielten, ans den von ihnen geleisteten Eid vor Gericht Unwahres auszusagen, da die Sozialdemolralie solchen Eid sür nicht verbind- sich halte. In den Augen mancher Leute hatte sich der damalige Staats- anwalt Romen durch diese große polilrsche Tat ein folweS Ansehen erworben, daß er bald zu», Geheimen Kriegsrat avancierte. Seinen Haß gegen die vaterlandslose, meineidige" Sozialdemokratie hat dieses Arrangement natürlich nicht vermindert. Verschiedentlich hat er seitdem die sich ihm darbietenden Gelegenheiten benutzt, durch schneidige Artikelchen seinen Teil znr Vernichtung der Sozialdemo- kratie beizutragen. Auch die Verhandlungen gegen Borchardt und Leinert konnte er nicht ungenutzt vorübergehen lassen. So erfreut er denn die Leser des.Tag" mit folgender schönen Kritik: Daß die etwaige Meinung,- die Beamten befanden sich nicht in rechtmäßiger Ausübung des Amtes, den Täter nicht entschuldigt, hat das Reichsgericht in konstanter Rechtspreckning angenommen. DaS alles wurde vom Oberstaatsanwalt zutreffend und überzeugend dargelegt, und die Strafkammer ist seine» AuSsührungen durchweg beigetreten. Ihnen gegenüber konnten die»schweren Bedenken",
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