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Nr. 236.

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Vorwärts

Berliner   Volksblaff.

29. Jahrg.

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Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt Moritplak, Mr. 1983.

Mittwoch, den 9. Oktober 1912.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritplatz, Nr. 1984.

Kriegsbeginn! Der BBankrott der Diplomatie!

wurden die Pässe zugestellt.

London  , 8. Oktober. Das Reutersche Bureau er-| sein altes und wichtigstes Ziel, das es nie aus den Augen| Aus einer Erklärung des Staatssekretärs für Indien  hält aus Cetinje   die Nachricht, der montenegri  - verloren hat, aufs Neue aufzunehmen und die Herrschaft über im Oberhaus geht hervor, daß es bereits zu einem Gefecht nische Geschäftsträger habe heute vormittag in Kon- die Dardanellen zu erringen. Er bedeutet für Desterreich die an der montenegrinischen Grenze gekommen ist. stantinopel die Kriegserklärung überreicht. Gelegenheit, den Versuch zu machen, seinen imperialistischen Cetinje  , 8. Oktober.  ( Meldung des Wiener K. R. Traum der Eroberung von Saloniki   zu verwirklichen. Als Die Auffassung in Paris  . Telegr.- Korrefp.- Bureaus.) Der montenegrinische Paris  , 8. Oktober.  ( Privattelegramm des Vorwärts".) Geschäftsträger Plamenas verläßt hente Konstan- Nachbar von Serbien  , im Besitz von Bosnien und Herzegowina  , Gin in dem Journal des Debats" veröffentlichter, vor der tinopel. Dem hiesigen ottomanischen Geschäftsträger ist Desterreich ja selbst ein Balkanstaat, deren Machtinteressen von Kriegsmeldung verfaßter Artifel sagt, die Türkei  , die ein Kon­jeder Aenderung unmittelbar berührt werden. Aber jedes trollrecht den Großmächten wirklich nicht geben will, müsse Vordringen Desterreichs stößt auf den Widerstand Rußlands   dies auch den Kleinmächten verweigern. Gäbe es wirklich ein und erzeugt den Gegenstoß Italien  , das nach der albanischen europäisches Konzert, dann könnten die Mächte von der Pforte Stüfte strebt. In Rußland   herrscht der Absolutismus   und ein die Ausübung einer eigenen Kontrolle fordern und den Krieg um des Balkans willen findet zugleich die stärkste aber ein Einvernehmen, um auf alle Streit. Balkanstaaten die Annahme dieser Satisfaktion auferlegen. Unterstützung in der nationalistischen Strömung. Auch über teile die nötige Pression auszuüben, besteht die österreichische auswärtige Politik vermag die Volks- leider nicht. Gewisse Mächte wissen schon von der Aus­kontrolle wenig und Italien   wird jetzt von allen Fiebern des fichtslosigkeit der diplomatischen Schritte und sind nicht Chauvinismus geschittelt. Und da sollen wir den böse darüber. Diplomaten glauben, ihr sanftes Zureden werde den Krieg lokalisieren?

Konstantinopel  , 8. Oktober. Auf Befehl seiner Regierung hat der montenegrinische Geschäftsträger die Beziehungen zur Pforte abgebrochen. Er reist zu Schiff über Konstansa ab. Das Schild der

Gesandtschaft ist entfernt worden,

Das ist der Krieg! Montenegro hat die Geduld verloren und die Fackel ins Pulverfaß geschleudert. Der kleinste der Balkanstaaten hat seinen Ehrgeiz befriedigt und der König Nikita darf sich rühmen, in all seiner Erbärmlichkeit das Werk zeug der Geschichte einen Moment lang gewesen zu sein.

Oder glaubt noch jemand, daß das Verderben in seinem Laufe noch aufgehalten wird?

Jaurès   bezweifelt gleichfalls die Ehrlichkeit des Einvernehmens. Er schreibt, wenn Bulgarien   trotz der angebotenen Bürgschaften in seiner Kriegspolitik fortfährt, bon russischer Seite. Jaurès   wiederholt seine For so sei dies ein Beweis heimlicher Ermutigung derung, die Einberufung des Internationalen Songresses zu beschleunigen.

Denn die Entfachung des Balkanbrandes bedeutet den Der Schutz des Friedens liegt heute nicht bei den Re­Beginn einer Periode von Unruhe und Gewalt für ganz gierungen, nicht bei der bankrott gewordenen Diplomatie. Europa  , einer Periode voll von Perspektiven tiefgreifender Er liegt einzig und allein beim internationalen Proletariat. historischer und sozialer Umwälzungen. Der 8. Oftober n seine Hand ist die Bewahrung des Weltfriedens gegeben. bedeutet vielleicht einen der wichtigsten Tage der Von der Stärke und dem Umfang seiner Aktionen wird es Bulgarien   hat neuerlich bei einer hiesigen Großbank ver­Geschichte, die von da an im Sturmschritt dahineilen wird, abhängen, ob der Krieg, der jetzt im Osten Europas   geführt sucht, 5 Millionen Frank aufzunehmen. Die Anleihe wurde und so lächerlich flein unserem an ganz andere Größen wird, auf den Westen übergreift. Die deutsche Arbeiterklasse aber abgewiesen. Die Meldungen über eine vergebliche Geld­verhältnisse gewöhnten Auge der barbarische Zwergstaat dort hat kein Interesse daran, ihre Söhne auf den Schlachtfeldern suche Bulgariens   in Paris   stammen von Poincaré   selbst, der unten im verlorensten Winkel Europas   erscheinen mag, es ist verbluten zu laffen, weil die Regierungen unfähig geworden dies Journalisten unter der Hinzufügung, daß die Regierung der Kiesel, der die Lawine ins Rollen gebracht hat. find, die kapitalistischen   Gegensäge der Staaten anders als dagegen eingeschritten sei, erzählte und die Veröffentlichung mit Gewalt auszutragen. Der Kriegum das Erbe der raschend, da man bis zuletzt an die Möglichkeit eines Erfolges nahelegte. Die Kriegserklärung fam hier über­der Türkei   ist nicht die Knochen eines einzi Poincarés glaubte, Jett ist man auch hier überzeugt, daß Seit Jahren haben wir dies Heranschleichen der Kriegs- gen pommerschen Grenadiers wert. Und was Bulgarien   und Serbien   ungefäumt zum Angriff schreiten bestie vorausgesagt und seit 1908, wo ein an sich so un- immer seine Folgen sein mögen, wir fordern von der werden. Die Börse war sehr schwach und französische   Rente bedeutender Aft, wie die Verwandlung der bosnischen   deutschen   Regierung eine Politik der nicht erreichte ihren tiefsten Stand ſeit 1895. Dffupation in eine Besizergreifung, den Gegensatz zwischen einmischung, der striktesten Neutralität Rußland   und Desterreich bor allen Augen enthüllt und der Wahrung des Friedens. hat und dieser Gegensatz ganz Europa   in das feind- Wir werden diesen Kampf für den Frieden im Bunde liche Lager von Dreiverband und Dreibund zerspalten hatte, mit unseren österreichischen, französischen, englischen Brüdern seitdem konnte man gewiß sein, daß der Kriegsausbruch dort mit aller Kraft führen. Ob wir das Ziel erreichen, steht unten mur eine Frage der Zeit sein würde. Und als vor dahin, aber wir werden dann frei von Berantwortung sein. einem Jahre Italien   das Verbrechen des Tripoliskrieges und wenn wirklich die europäischen   Regierungen die Völker beging, erklärten wir sofort, daß damit die ganze Orientfrage in den friegerischen Strudel hinabstoßen, dann ist es nicht aufgerollt sei. nur der Kampf um das Erbe der Türkei  , der am 8. Oktober Immer wieder haben die kapitalistischen   Regierungen ihre 1912 begonnen hat! Völker zu täuschen gesucht, ist der Mund der Minister von Friedensbeteuerungen überflossen, haben die Diplomaten

werden.

trant worden.

Die Kriegserklärung.

Der Eindruck in London  .

Die Haltung Bulgariens  .

Paris  , 8. Oktober.  ( Meldung der Preß- Centrale.) Der Temps" meldet aus Sofia  : Die Situation hat sich trotz der Intervention der Mächte nicht gebessert, zumal Bulgarien  in keinen weiteren Aufschub einwilligen will, da sich dadurch Die militärische Situation bedeutend verschlechtern würde. Die Konzentration der Truppen ist ziem. lich vollendet. Es wird angenommen, daß heute oder morgen bereits gewisse wichtige Punkte an der türkischen  Grenze bei Karamanli und Kirk Kilisso besetzt werden dürften. Seitens der bulgarischen Heeresleitung sind alle Vorsichts­maßregeln getroffen worden, da man bei den beabsichtigten Besetzungen Busammenstöße mit den türkischen Truppen erwartet.

Die Solidarität der Balkanmächte. Sofia  , 8. Oktober. Ein von der Sobranje an die Parlamente von Belgrad  , Athen   und Cetinje   ge­richtetes Telegramm spricht die Hoffnung aus, daß die christ­lichen Balkanstaaten unlösbarvereint in gemeinsamem Stampf gegen die Anarchie und die Tyrannei, worunter ihre Stammesgenossen in der Türkei   zu leiden hätten, der Ord­nung, Gerechtigkeit und Freiheit zum Siege verhelfen werden. Serbische Kriegsstimmung.

ihre unermüdliche Friedensarbeit gelobt. Jetzt ist der Bankrott Konstantinopel  , 8. Oktober. Gegen mittag überreichte der offensichtlich und während noch am Morgen alle Zeitungen die Einigkeit Europas   und das wunderbare Wert der montenegrinische Geschäftsträger Plamenas auf der Diplomaten priefen, antwortet am Abend das höllische Ge- Pforte eine Note, in der erklärt wird: Da die Türkei   die Wünsche lächter der Kriegsfurie. Montenegros  , die Streitfragen zu schlichten, nicht erfüllen wollte, Aber die Unverfrorenheit der Diplomatie ist ohne Grenzen. fiebt sich Montenegro gezwungen, sich mit den Waffen Gerechtigkeit zu verschaffen. Die Pässe wer­Eben hat sie uns versichert, daß sie einig sei und den sen noch heute dem türkischen Gesandten in Getinje zugestellt Frieden erhalten werde. Hatte sie nicht eine rettende Formel gefunden und gibt es für die Diplomaten etivas Höheres als die Formel? Aber diese Formel Der montenegrinische Geschäftsträger ist bereits abgere i st. Der hatte keinen Inhalt und während Rußland   und Desterreich ihre Der Schutz der Montenegriner in der Türkei   ist. Rusland anver­Belgrad, 8. Oftober. Die von der Pforte gemachten Ver= gemeinsamen Vorstellungen in den Hauptstädten der Balkan­sprechungen wegen Einführung von Reformen blieben staaten den höflich lauschenden Ministern aufsagten, hatte der hier vollständig eindrudslos, da man den Versprechun­unter Rußlands   Protektorat gestiftete Balkanbund die Kriegs­London, 8. Oktober.  ( Privattelegramm des gen keine ernste Bedeutung beilegt. Die Zeitungen bringen fort­erklärung bereits fertig. Und während England und Vorwärts".) Montenegros   Kriegserklärung kam bei der gefeht recht kriegerische Artikel und verlangen, daß Serbien  Frankreich   noch über die wichtige Frage verhandelten, herrschenden pessimistischen Stimmung faum als ueber- fofort feine Operationen gegen ob der Schritt der Mächte in Stonstantinopel von allen Bot- raschung. Auf der Börse machte die Nachricht wenig Ein- aufnehme. Fortgesetzt treffen zahlreiche Freiwillige ein, so daß schaftern zugleich oder von jedem nach einander abgegeben brud. Der Sekretär der türkischen   Gesandschaft erklärte einem aurzeit 60 000 Soldaten mehr eingerüdt find, als einberufen wur­werden sollte, ließ der montenegrinische Geschäftsträger bereits Berichterstatter, daß dies ein Funke sei, der den ganzen den. Für übermorgen erwartet man hier eine Abteilung des das Wappen von seinem Hause abnehmen und verlangte Balkan   in Brand steden werde. Dagegen meint russischen Roten Kreuzes. Auch eine Legation italienischer Frei­die Pässe für seine Abreise. Das hindert aber die Oberst Mark Sykes  , früherer Attaché an der Gesandschaft in williger ist auf dem Wege hierher. Hier verlautet, daß es angeblich Herren Diplomaten nicht, uns heute zu erklären, daß der Konstantinopel  , daß Montenegro möglicherweise von den schon bei Berane zu kämpfen zwischen serbischen Bauern und türkischen Truppen gekommen sein soll. Die Kriegserklärung Strieg bald beendet und sicher auf den Balkan   beschränkt Balkanstaaten als Versuchskarnickel vorgeschickt sei, um zu wird für morgen erwartet. sehen, ob eine europäische Intervention erfolge. bleiben würde. Denn Europa   ist einig. In Wirklichkeit Bielleicht handele es sich auch nur um einen volkstümlichen. aber ist Europa   ein starrendes Waffenlager, und jede natio- Ausbruch, der leicht zurückgedämmt werden könne. nale Rapitalistentlasse ist bereit, über die andere herzu- Das Regierungsblatt Westminster Gazette" schreibt, Studentenversammlung statt, die angeblich von jung­

Kriegsagitation in der Türkei  , Konstantinopel  , 8. Oftober. Gestern nachmittag fand cine

fallen, wenn nur der Kampfpreis lohnt. Wäre Europa   es kann sein, daß es keinen anderen Ausweg aus türkischen Komitee organisiert worden ist, um der Regierung einig, wäre nicht der deutsch   englische Gegensatz und der gegenwärtigen Situation gibt als eine gewisse Verlegenheiten zu bereiten. Der Leiter der Versammlung war ein seine Wirkung auf die anderen Staaten, dann hätten die Summe Kampf. Aber wenn dem so ist, wird es mehr Mitarbeiter des Tanin". Die Studenten, höchst erregt, verlang­Zwergmächte des Balkans nie wagen dürfen, zum Schwert denn je notwendig sein, daß die Mächte zusammen- tenstürmisch den Krieg, verhöhnten Griechen und Bulgaren  zu greifen. Weil dem aber so ist, deshalb ist es auch eine eitle halten und in Bezug auf einen ordentlichen Frie und schrien: Nieder mit dem Artikel 231 Gegen 2 1hr Hoffnung, daß die Regierungen das weit größere und schwierigere densschluß einmütig sind. Es heißt dann weiter, erschienen zuerst 200 Repatriierte, die mit dem Publikum bald eine Werk der Lokalisierung des Brandes herbeiführen könnten, daß die schlimmsten Gefahren vermieden würden, wenn Masse von über 1000 Köpfen bildeten, vor der Pforte, während der nachdem sie das weit Leichtere seiner Entstehung nicht zu voll- Desterreich und Rußland   einmütig blieben. Das zu Ministerrat tagte, besetzten die Tore zum Hof und veranstalteten bewerkstelligen müffe eine Hauptaufgabe der englischen Di lärmende Kundgebungen, bis die Tore der Pforte ge= bringen vermochten. plomatie sein. Die schlimmste Gefahr drohe von einer Er- sperrt wurden. Das Kriegsministerium schidte eine Kompagnie Der Kampf um Konstantinopel  , den diefer Strieg eröffnet, regung in Rußland  , die durch Niederlagen der Soldaten ab, die vergebens in die Pforte hineinzugelangen bedeutet vor allem für Rußland   die stärkste Aufforderung, Balkanstaaten hervorgerufen werden könnte. versuchten. Die Studenten begrüßten die Truppen mit einem Hoch