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Nr. 261.

Erscheint täglich außer Montags. Brets pränumerando: Viertel: jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Big frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Belt" 10 Pfg. Boft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Defterreich: Ungarn   2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingerz. in der Boft Beitungs- Breislife für 1898 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Betitzeile oder deren Raum 40 Bfg., für Vereins: und Beriammlungs- Anzeigen 20 fg Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in Der Erpedition abgegeben werden. Die Expedition in an Wochen­ragen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Geftagen bis 9 Uhr Vor: mittags geöffnet. Fernfpredjer: Amt I. 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Au die Parteigenossen! Durch Beschluß des Parteitages in Köln   sind die Unter: zeichneten für das nächste Jahr mit der Führung der Partei­geschäfte betraut worden.

Sofort im Anschluß an den Barteitag hat die Konstituirung der Porteileitung entsprechend den Bestimmungen des§ 13 Abs. III des Organisationsstatuts stattgefunden.

Es wurden in dieser Sigung, an welcher sämmtliche Vor: standsmitglieder und Kontrolleurestheilnahmen, folgende Beschlüsse gefaßt:

Das Parteibureau befindet sich wie bisher

Berlin   SW., Razbachstr. 9.

Alle für den Parteivorstand bestimmten Briefe und sonstigen Sendungen sind nur an diese Adresse zu richten.

Alle Geldsendungen für die Parteitasse sind nur an den Kassirer der Partei

Albin Gerisch, Berlin   SW., Ragbachstr. 9 zu richten.

Sonntag, den 5. November 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Wenn wir in diesem Sinne wirken, dann wird der Parteitag in Köln   ein neuer Markstein auf der Wege zur endgiltigen Be­freiung der arbeitenden und werkthätigen Klasse sein. Darum vorwärts ohne Furcht und Zagen! Hoch die sozialdemokratische Partei!

für unsere Sache zu gewinnenden Arbeiter leben und leiden. Unterstützung findet und wenn jeder Genosse an seinem Platze Ist es auch richtig, daß im Wesen die tapitalistische und auf dem Posten ist. Ausbeutung und Unterdrückung überall die gleiche ist, die Form Jeder Parteigenoffe muß Agitator und Organisator zugleich in der dieselbe ausgeübt wird und in die Erscheinung tritt, ist sein, jeder von uns für die Abschaffung der Klassenherrschaft eine wesentlich andere, ob es sich um Proletarier der Groß- und der Klassen selbst und für gleiche Rechte und gleiche industrie oder hausindustrielle Kleingewerbetreibende, ob um Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts und der Ab­Landproletarier auf den ostelbischen Latifundien oder um Klein- stammung unermüdlich thätig sein. bauern in Süd-, Mittel- und Westdeutschland handelt. Der ländliche wie der industrielle Proletarier, der Kleinbauer wie der Sandwerker, sie alle sind dem Großkapitalismus tributpflichtig und außerdem bürdet der Staat auf ihre Schultern den Haupt­theil der Lasten, welche die Herrschaft des Rapitalismus noth wendig macht, damit er gegen innere und äußere Feinde ge­schützt ist. Aber die Tributpflicht selbst vollzieht sich in den verschiedensten Formen. Der Kleinbauer, der unter der Hypotheken­last zusammenbricht und dem sogar die Fürsorge für die so noth­wendige Schulbildung verleidet wird, weil er nur die daraus erwachsenden Kosten zu tragen hat, während die in der Volksschule heran gebildete Intilligenz von der Groß­der Kaserne

Beschwerden von Parteigenossen über den Parteivorstand oder industrie angezogen oder vom Staate in dessen Geschäftsführung sind an

einzusenden.

Heinrich Meister, Hannover  , Pferdestraße 9,

Den Bestimmungen des§ 4 unferes Organisationsstatuts entsprechend, hat die Neuwahl der Vertrauenspersonen alljährlich im Anschluß an den Parteitag stattzufinden. Wir ersuchen des halb, diese Wahlen überall, wo sie nicht bereits stattgefunden haben, so rasch wie möglich vorzunehmen.

Sobald die Wahl erfolgt ist, sind die Adressen der Vertrauens­personen beim Parteibureau zu melden.

Parteigenossen! Die Verhandlungen in Köln   haben bewiesen, daß trok der Erfolge, auf welche unsere Partei zurückblicken kann, noch große Aufgaben in Bezug auf Agitation und Organisation zu erfüllen sind.

Es sind nicht nur große ländliche Bezirke, wo die Proletarier massen der sozialdemokratischen Bewegung noch vollständig fern stehen; auch große industrielle Gebiete exiftiren noch, wo die Arbeiter blind den gegnerischen Parteien folgen und ihre eigenen Ausbeuter in die Parlamente schicken.

Diese Bezirke der sozialdemokratischen Agitation zu eröffnen und jene Arbeitermaffen, welche heute noch der gewaltigen prole tacischen Bewegung ferne, ja theilweise sogar feindlich gegenüber stehen, für diese zu gewinnen, das muß unser ernstes Bestreben sein. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, dafür läßt sich keine allgemein giltige Schablone angeben.

Berlin  , 4. November 1893.

Für die Parteileitung: August Bebel  , Paul Singer  , Vorsitzende.

J. Auer, Richard Fischer, Schriftführer.

Albin Gerisch, or Kassirer.

und im Subalternbeamten- Dienst verbraucht wird, dieser Klein­bauer fühlt und denkt anders, als der Industriearbeiter, dem Den Vertrauensmännern und Parteigenossen zur Nachricht, jeder Kurs- und Dividendenzettel die Höhe der auf Kosten von daß das Parteiprogramm und Organisationsstatut gegen Erlag sein und seiner Angehörigen Gesundheit und Lebensglück erzielten der Herstellungskosten durch die Buchhandlung des Vorwärts", Profitrate des ihn ausbeutenden Kapitals vor Augen führt. Berlin   S.W., Beuthstr. 2,

Kampf gegen die Ausbeutung in jeder Form, das ist unsere zu beziehen ist. Losung, aber dieser Kampf kann nicht überall in der gleichen Weise und mit denselben Mitteln geführt werden.

Diese Erkenntniß ist in den Debatten in Köln   besonders tlar und scharf hervorgetreten und Pflicht der Genossen im Lande ist es, dementsprechend zu handeln.

Die Statistik der letzten Reichstagswahl.

Diese Erkenntniß mögen besonders auch jene Genossen be herzigen, deren spezielle Aufgabe es ist, die Berufsorganisationen Der Umstand, daß die Reichsregierung das Ergebniß der Arbeiter zu fördern. Der Parteitag in Köln   hat für die so lange verschwiegen hat, kann unmöglich auf die Schwierig­gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats seine rückhalt- teit der Ermittelung und Feststellung oder auf die Mängel lose Sympathie betundet, es ist zugleich von allen Seiten erklärt des Apparats zurückgeführt werden. Die uns vorliegende worden, daß dieser Sympathiekundgebung die praktische Bethäti- Miticln als denen des Statistischen Amts binnen 14 Tagen Arbeit der Richeregierung konnte mit weit geringeren gung zur Seite stehen müsse, wo dies möglich ist.

Damit ist über das Verhältniß zwischen der politischen und gewerkschaftlichen Bewegung vollständige Klarheit geschaffen, und wenn in Zukunft in den gewerkschaftlichen Organisationen, wie in der politischen Partei, nach dem Grundsaye verfahren wird: das Bindende zu suchen und das Trennende zu meiden, dann werden die Verhandlungen in Köln   auch nach dieser Richtung die allseitig gewünschte gute Wirkung haben. Parteigenossen! Der Parteivorstand wird auch im fünftigen

nach dem Wahltag bequem fertiggestellt und dem Publikum zugänglich gemacht sein. Sogar das Stöcker'sche Bolt" kann nicht umhin, sich mißbilligend zu äußern. In andern Ländern", so schreibt es, z. B. in Frankreich   und Nord­america, pflegt die amtliche Wahlstatistik- nur wenige Tage oder 28ochen nach dem Wahltermin zu erscheinen. Anders bei uns: das t. Statistische Amt hat 4( in Wirklichkeit!) Monate gebraucht, um die Zusammenstellung anzufertigen, was auf die Geschicklichkeit der in ihm angestellten Beamten fein allzu günstiges Licht wirft."

Die Form der Agitation muß sich den Verhältnissen anpassen; Jahre bestrebt sein, die Interessen der Partei nach jeder Richtung Wir glauben, daß die Beamten des Statistischen darin waren sich alle Redner einig, welche über diesen Gegen- wahrzunehmen und den Emanzipationskampf des Proletariats Bureaus ganz unschuldig, und daß für das Hinaus stand in Köln   zum Worte tamen. Die Agitation hat anzu- mit allen Kräften zu fördern. Erreicht kann dieses Ziel aber schieben der Verö, sentlichung einzig und allein die Re­Enüpfen an die wirthschaftlichen Verhältnisse, unter denen die nur werden, wenn der Vorstand in der gesammten Partei volle gierungen verantwortlich sind.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Das Recht zu leben.

[ 3

Soziale Skizze von Friedrich Thieme. Schon ihre Eltern waren ja reich gewesen und hatten sie aufgezogen mit allen Vorurtheilen und An­maßungen einer Tochter der gebildeten Stände", sie hatten ihr, wie die Welt es nennt, eine gute Erziehung" gegeben, und so blickte sie mit Verachtung auf alles, was ihrer Meinung nach unter ihr stand, und das waren alle diejenigen, die weniger hatten, als sie.

"

" Sie nennt sich Frau Wildung und ist die Frau eines in der Nachbarschaft wohnenden kranken Tapezirers." Was will sie denn? Betteln?"

jagen.

"

" Ich weiß es nicht, sie will es Ihnen nur persönlich

Frau Wildung trug ihr Anliegen vor, stehend, an der Thür, denn die Dame hatte ihr keinen Stuhl an­geboten.

" Man rühmt überall Ihren wohlthätigen Sinn, Fräulem," schloß sie zaghaft­

Das Fräulein nickte beifällig.

mein

" Und da dachte ich, wenn Sie vielleicht Mann, sagt der Arzt, könnte wirklich dadurch gerettet wenn Sie es uns nur als Darlehen

-

werden

"

Wovon wollten Sie es denn zurückzahlen?"

-

ich

"

" Ich trete prinzipiell nicht persönlich in Verkehr mit diesen Leuten. Man wird zu sehr von ihnen betrogen und außerdem weiß man nicht, was sie manchmal an sich haben. Weise sie ab." Nach einer Weile kehrte das Mädchen zurück. " Sie bittet so rührend, Fräulein sie weint wirklich nicht-" " Dumme Person, die Du bist! So rufe sie herein." Das Fräulein sind noch nicht angekleidet." Margarethe schleuderte ihrer Bediensteten einen wüthen Blick zu.

tann

Denn die alte Dame tannte keinen anderen Maßstab den als das Geld.

Es wäre auch schlimm für sie gewesen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, denn wie tief hätte sie selbst sonst in ihren eigenen Augen stehen müssen!

So aber sah sie die Intelligenz und die Arbeit nur als subalterne Dinge an, die den Leuten überlassen bleiben, die nichts haben, sie bezog davon von ihrem Buchhändler, ihrem Dienstboten und Lieferanten soviel für ihr Geld, als fie für das Haus brauchte. Als ob fie, wenn andere Leute auch so über die Arbeit gedacht hätten, nicht in wenigen Tagen auf ihrem gefüllten Geldsacke hätte verhungern müssen!

Fräulein Margarethe faß auf ihrem Sopha und las den Lofalanzeiger, als ihr Mädchen hereintrat und meldete, daß eine Frau sie zu sprechen wünsche.

"

Eine Frau- mich? Was für eine Frau?"

-

Für solchen Besuch bin ich gut genug", rief sic Gleich darauf trat Therese zögernd ein.

zornig.

Wenn mein Mann wieder gesund ist und arbeiten fann, erhalten Sie es bestimmt und mit Zinsen zurück. Andernfalls werde ich mit den Kindern"

Wenn wirklich eine Nothwendigkeit vorläge, würden Ihnen die Behörden und die anderen Personen, die Sie darum angesprochen haben, schon geholfen haben."

" O gemiß, wenn sie sich in meine Rage hätten versetzen tönnen. Es mochte gewiß einige recht gute und liebevolle Menschen unter ihnen geben, aber ihr Vertrauen ist viel­wähleicht gemißbraucht worden und nun müssen die Unschul­digen mit den Schuldigen leiden."

Die arme Frau grüßte demüthig und schüchtern, rend das Fräulein kaum wahrnehmbar den Kopf neigte. Was wollen Sie?"

n

Ach, Fräulein, verzeihen Sie"

"

Was war denn Ihr Mann für ein Mann?" " Oh, er war fleißig und brav und so lange er arbeiten " Keine Phrasen, bitte, ich kommen Sie zur Sache, ich konnte, ging es uns ziemlich gut. Ich hätte nie geglaubt, habe wenig Zeit." mich in meinem Leben noch so tief demüthigen zu müssen." Margarethe lächelte verächtlich. Demüthigen diese Leute!

Das tlang nicht sehr ermuthigend.

" Ich bin in derselben Angelegenheit schon überall herumgewesen," sagte Therese leise. Bei den Behörden, bei Geistlichen, bei verschiedenen Privatleuten. Aber überall wies man mich zurück, weil ich und meine Kinder einen ausreichenden Verdienst hätten

"

Von welcher Angelegenheit reden Sie denn?"

-

" Ich meine, ob Ihr Mann die Kirche regelmäßig besucht hat?"

"

Ach, Fräulein, er hatte darüber seine eigenen An­sichten, und dann wo sollte er denn die Zeit hernehmen? Sonntags früh mußte er immer arbeiten-