Dr. 259. 29. Iahrgavs. cilazt Ks JMrts" Aerlim WsblM. Wettsks» 3. NmlnbtttSH. ver Aahlkampf Iv Keriin. Das Hnrecbt auf den etTten Krcts. Der Freisinn schwärmt nun für das gleiche Wahlrecht Und für die Neueinteilung der Wahlkreise, trotzdem reklamiert er um der Gerechtigkeit willen das Mandat des 1. Kreises für sich. In Konsequenz seiner politischen Forderung hat er aber kein Anrecht darauf. In den sechs Berliner Wahlkreisen sind bei der Wahl im Januar 1912 zusammen nur 70159 Stimmen für den Freisinn abgegeben worden, dem stehen 370 762 sozialdemokratische Stimmen gegenüber. Berücksichtigt man die acht Wahlkreise Groß-Bcrlins, dann ergeben sich folgende Stimmcnzahlen: Freisinn 153 749, Sozialdemo- kratie 564 086. Bei diesem Stimmenverhältnis, das der Freisinn ignoriert, kann gar keine Rede sein von einem An- recht des Freisinns auf einen Reichstagswahlkrets in Berlin . Zur Illustration des gleichen Wahlrechts, wie es in Grojj-Berlm zum Ausdruck kommt, geben wir noch folgende Zusanuncnstellung: Bevölkerung der acht Grotz-Berliner Wahlkreise... 4 013 098 Wahlberechtigte in allen Kreisen........ 999 014 Im Durchschnitt kommen Wahlberechtigte auf 1 Mandat 124 927 Bevölkerung deö Kreises Teltow -BeeSkow ..... 1 815 601 Wahlberechtigte im Kreise,,..... 389 250 Bevölkerung deZ 1. Berliner Kreises...... 62419 Wahlberechtigte im 1. Kreise......... 13 407 Der erste Kreis hat ein Achtel, also fast 13 Proz. der Mandate zu beanspruchen, er stellt aber nur 0,016 Proz. der Bevölkerung und 0,014 Proz. der Wahlberechtigten. Der Kreis Teltolv-Beeskow hat ebenfalls ein Anrecht auf ein Achtel oder fast 13 Proz. der Mandate, aber er verfügt über 35 Proz. der Wahlberechtigten und 33 Proz. der Bevölke- ruug. Das Verhältnis zwischen Einwohner und Wahl- berechtigten ist in den Kreisen verschieden. Auf einen Wähler im ersten Kreise kommen beinahe 26 im Kreise Teltow - Beeskow . Dieser Kreis hat sechsmal so viel Wahlberechtigte wie Berlin I— Einwohner. Und das nennt man ein gleiches Wahlrecht l So lange solche Verhältnisse in der Hauptsache den rechts- stehenden Parteien zugute kommen, denken sie nicht an eine vernünftige WahlkreiSeinteilung. Schon aus diesem Grunde, aus Protest gegen die bestehende Wahlkreisgeometrie, muß der erste Wahlkreis für die Sozialdemokratie erobert werden. Erst dann, wenn der Widersinn der Wahlkrciseinteilung durch das Massenaufgebot sozialdemokratischer Stimmen unwirksam ge- macht worden ist. gibt es freie Bahn für eine vernünftige Einteilung der Wahlkreise. Das Sigentum! In einem der freisinnigen Flugblätter ivird behauptet, die Sozialdemokratie wolle das«Eigentum abschaffen". DaS ist naiür lieh Blödsinn. Das Eigentum der großen Masse hat die herrschende Gesellschaft längst abgeschafft, das heißt, für sich okkupiert. Für den größten Teil der Bevölkerung ist das Eigentum nur ein thcoreti scher Begriff, denn er hat keines. Die Sozialdemokratie will das Eigentum nicht abschaffen, son dcrn eine Gesellschaftsordnung herbeiführen, die das Zusammen- häufen unermeßlicher Reichtümer in den Händen weniger und die Besitzlosigkeit der großen Masse Reichtumsschaffer verhindert. Der Freisinn fühlt sich als Verteidiger des Eigentums der— Besitzenden. Dafür sich zu begeistern, hat für die Habenichtse gar kein Interesse. In der Gesellschaftsordnung, die der Freisinn ver tcidigt und erhalten will, schuf die Verteilung des Besitzes folgende Verhältnisse: kleines feuilleton. Die Bcfestiglingslinie von Tschntaldfcha. Die heute vielgenannte Tschataldscha-Linie, mit Ausnahme der alten byzantinischen Wälle die letzte VerteidigungSposition vor Konstantinopel und der Punkt, au dem man den letzten Widerstand der Türkei erwartet, liegen etwa 82 Kilometer von Konstantinopel entfernt. Die Halbinsel, auf der Konstantinopel liegt, engt sich dort zu einer Weite von nur 25 Kilo- meter ein mit einem Zugang zum Marmarameer im Süden und dem Süßwasscrsee DerkoS im Norden. Im Jahre 1829 begann man. als eine russische Armee Konstantinopel bedrohte, mit der An- läge von BefestigungSwerkcn, die 1877, als die Russen erneut die türkische Haupistadt bedrohten, weiter ausgebaut wurden. Sie zicben fick quer durch den Isthmus, und da sie beide Flanken an die See lehnen, ist ihre Umgehung unmöglich. Die Werte wurden in letzter teil ausführlich von dem Engländer C. Woods in seinem unter dem itel„Von vier Meeren bespült" erschienenen Buche geschildert. Danach sind sie auf dem Rücken von Hügeln angelegt, die sich rund 150 Meter über dem Meeresspiegel erheben, und Habeneinenschmalen Wasscrlauf, der sich über die ganze Front hinzieht. Die Forts sind in zwei, und manchmal in drei Linien erbaut. Man hofft, daß sie das ganze Gelände beherrschen. Bei einer Besatzung in ausreichen- der Stärke hält man die Linien, die in Friedenszcitcn eine Garnison von 2400 Mann aufweisen, für schwer cinnehmbar. Theater. Im Neuen Volks-Theater ließ am Sonnabend die Reue Freie Volksbühne ein seltsam Lied erklingen: die Ballade vom verlorenen Sohn, die Wilhelm Schmidtbonn in„Mutter Landstraße" neu gefaßl hat. Romantisch-lyrisch weisen Anfang und Schluß auf die Landstraße, als die Mutter der ganz Verlasienen und Ausgestoßenen, die in die Welt der Ordnung und Sitte nicht passen. Der symbolische) Spielmann, der in der Aufführung allzu realistisch herauskam, lockt mit seinen Weisen tröstend und verheißend. Spi-lmannSromantik soll dos bittere Ende verschönen: aber dahinter bleckt die Wirklichkeit der Not, des Hungers und dcS VerkommenS die grimmen Zähne. Der Dichter verhüllt, da er das letzte Wort: die Verzweiflung nicht aussprechen wollte, aber der Kontrast selber, aus dem das Stück beruht, ist mit harter Unerbiltlichkeit hingestellt. Zwischen der LLelt dcS bäuerlichen Besitzes, des egoistischsten aller Besitzformen, und serner Ehrbarkeitsanschauungen und der Welt deS eigentum- und elfolgloien Habenichts gibt eS keine Brücke, selbst wenn die Vertreter der beiden Gegensätze Vater und Sohn sind. Die beiden Typen sind gewiß etwas abstrakt gefaßt; man möchie mehr WirllichkeitSzüge sehen. Auch die soziale Anklage, die der Deklassierte gegen die ge- festete Welt ruhigen Besitzes inehr instinktmäßig als bewußt erhebt, könnte ganz anders in Erlebnissen und Ersahrungen verankert sein. Aber es bleibt doch ein großer Wurf, den Schmidtbonn getan, indem er dieses packende �Problem aufgriff und unversöhnt zu Ende führte. Den unerbittlich hartherzigen, von schroffen und heute altmodischen Sittlichkeitsvorstellungen befangenen Vater spielte Robert Müller mit Recht nicht auf das Theaterscheusal hinaus, ergab DaS deutsche„Nationalvermögen"! Nach einer Berechnung von Steinmann-Bucher beträgt Deutsch lands Nationalvermögen....... 350 000 000 000 Mark Demnach beträgt das Vermögen pro Kopf der Bevölkerung........... 5 400, Pro fünfköpfige Familie....... 27 000, Doch in Wirklichkeit befitzen die meisten Arbeiter gar nichts. Stcuerpflichtiges Vermögen in Preußen! Die preußische Ergänzungssteuer mnfaßt alle Vermögen von über 6000 M. Diese Vermögen ergaben im Jahre 1895............ 63 857 171 854 Mark Nach der Einschätzung für 1903— 1910 war da? Vermögen(von den defraudierten Millionen abgesehen) angewachsen auf...... 51 653 257 157„ Preußen hatte 1908 Einwohner rund... 89 000 000 DaS Vermögen verteilte sich auf Zensiten. 1502 570 l'/g Millionen Zensiten hatten...... alles I Viele Millionen Volksgenossen dagegen besaßen nichts l Im Jahre 1908 besaß jeder von den damals vorhandenen 1 152 332 Zensiten.... 55 400. Von den 1 502 570 Zensiten der letzten Zählung hatte jeder............ 61 000„ Die VermögenSsteuerzensiten machen 4 Proz. der Bevölkerung aus, emsckließlich der Familienangehörigen sind eS Personen.. 5 500 000 Die hatten ein Vermögen von..... 91 653 297 197„ Der übrige Teil der Bevölkerung zählte Köpfe 33 500 000 Diesem gehörte von den 91-/, Milliarden. nichts 1 Einkommen im Jahre 1911. Preußen zählte Ende Dezember 1919 Einwohner 40 165 219 Darunter befanden sich Zensiten mit einem Ein- kommen von über 900 M. nur..... 6 561 705 Alle Zensiten versteuern ein Einkommen von M. 18 643 710 900 Das steuerpflichtige Einkommen in Preußen verteilt sich wie folgt Zensiten Einkommenstufe Gesamteinkommen 5 8«! 107 900 bis S 099 M. 8 078 440 000 M. 543 436 3 000„ 6 500 2 177 650 000„ 84 868 6 500, 9 500„ 637 720 000„ 03 726 9 500„ 30 000„ 1440 180 000„ 19 430 80 000„ 100 000„ 972 860 000„ 4 138 üb« 100 000„ 1018 360 000., 6 551 705 Das durchschnittliche Einkommen betrug pro Zensit in der ersten Gruppe... 1 476 M. in der letzten Gruppe... 246 lvv, Ein Zensit der letzten Gruppe erzielte genau so viel Einkommen alS wie 166 Zensiten der ersten Gruppe. So haben die Herrschenden bisher geteilt I Und diese Art von Teilerei ivill der Freisinn alS Grundlage der Gesellschaftsordnung erhalten. Darum spielt er sich als Schützer des Eigentums der Besitzenden auf! Daß die Sozialdemolratie eme gerechte Teilung der Güter erstrebt, nennt der Hüter des Geldsacks, nennt die Partei des Bank- und Börsenkapitals: Abschaffung des— Eigentums 1 Die Millionäre rufen den Armen zu: Wählt unS, die Sozialdemokraten wollen Euch das Eigentum nehmen! Die MsH im ersten Berliner Maklkreise und die polnifcben Mäkler. Am Sonntag fand eine gutbesuchte Versammlung der polnischen Wähler statt, die Stellung nahm zu der Wahl im ersten Berliner ReichslagSwahlkreise. Das Referat hielt Genosse Ri bicki, der in temperamentvollen Worten die Wahlsituation beleuchtete und die Stellungnahme der polnischen Arbeiter und Angestellten dazu Prä zisterte. Insbesondere ging er auf das EnteigmmgSgesetz ein uud geißelte den skandalösen Raub- und Unterdrückungszug der Regierung und ihrer Hintermänner sowie das geradezu beschämende Verhalten der bürgerlichen Parteien angesichts dieser Vorgänge. Auf die exorbitante Steigerung der Lebensbedingungen eingehend, zeichnete Redner ein Bild von unseren zollpolitischen Vor- Hältnissen, von der Aushungerungspolitik der Junker und Zwischen- Händler und wandte sich scharf gegen die Regierung, deren Maß- ihm Kraft und soweit eS die Rolle zuließ, sympathische Züge. Schwerer tat sich L i ch o mit dem Sohne, der völlig schiffbrüchig aus der Welt der eigenen Wahl zurückkommt, gebückt und gebrochen und Mitleid erflehend für sich und Weib und Kind. Trotz und Härte— er ist aus gleichem Holze wie der Vater— waren in LichoS Verkörperung noch zu stark vernehmbar. Wenn er erhobenen HaupteS davon geht, auf die Landstraße, nun wieder ein Eigener, da war er vortrefflich. Aber sonst muß das Zerrissene und Gequälte eines bis zum letzten Gehetzten noch mehr im Ton laut werden. Das Publikum folgte ergriffen der wirkungsvollen, auch in der Inszenierung verdienstlichen Aufführung. — r. Musik. DaS Friedrich- Wilhelm städtische Schauspiel- haus, reich an Wechsel der dramatischen Gattungen, hat auS dem .Apollo"-Varibtb herüber den vielleicht.populärsten" Berliner Kompo- nisten geholt, Paul Lincke . Seine anscheinend neue Operette „G r i g r i" wurde dort am Sonnabend niit dem üblichen Erfolg aufgeführt. Kamen seine Texte bisher meist aus dem Olymp oder aus Indien , so hält er'S diesmal mit dem Sudan . Dort heiratet ein französischer Konsul die ganz iveiße Tochter Grigri eines ganz schwarzen Negerkönigs, läßt sie sitzen und heiratet daheim die Nichte seines Ministers. Natürlich kommt die schwarze Majestät samt Tochter und Zofe nach Paris , im richtigsten Augenblick, und verliebt sich sogar in des Konsuls tobende Schwiegermutter. Bis endlich in einem breitgetretencn und breitgetanzten dritten Alt hinter den Kulissen eines VarietbS sich alle finden, einschließlich der Grigri und ihres ersten Gatten, dem die zweite Gattin sehr eilig durchge- brannt ist. Solchem Text gegenüber versagen auch bessere musikalische Anläufe, zu denen der Komponist das Zeug hat. Er beherrscht die Ein- fackheit der Mittel: er wirkt gut mit den primitivsten Nebeneinander- stellungcn von Dreiklängen, alS wär' er in der Operette das, was Plüddemann in der Ballade und Wolff-Ferrari in der Oper ist; er mischt die Klangfarben nicht mit dem modernen, auch in der Operette bekannten Raffinement, sondern stellt sie mehr nur�fein säuberlich nebeneinander, tut eS aber mit wirkungsvoller Geschicklichkeit und verwendet diesmal die Harfe besonders auSgiebig. So macht'S einige Zeitlang Freude; aber dann wird'S immer trivialer, bis man endlich beim Niggerbrettl angelangt ist. Kommt dazu noch in der Aufführung vaS, waS man.Borstadt" nennt, so wirkt auch der viele Ulk nicht mehr ulkig. Um so höher schätzt man dann Leistungen, die wie„hincuivenrrt" aussehen. Eine solche war die der Trägerin der Titelrolle, Susanne Bachrich, der wir schon mehrmals mit dem Eindruck begegnet sind, daß sie auf die Openibühue gehört. Ein anerkannter Komiker wie Alfred S ch nt a s o w und noch einige Künstler halfen mit, daß man sich über die verschiedenen Wackeltänze und sonstigen.Schlager" etwas reichlich lang amüsieren konnte. ez. Notizen. — Dichterabend. Die für Mittwoch anberaumte Vor- lcsung Johannes Schlafs mutzte verschoben werden. nahmen zur Linderung(von Beseitigung gar nicht zu sprechen) der Volksnot er als vollkommen ungenügend bezeichnete. Die Nutz- anwendung, die die polnischen Wähler hieraus zu ziehen hätten, sei die, Mann für Mann dem sozialdemokratischen Kandi- daten Düwell ihre Stimme zu geben. Mit ver« nichtender Kritik kennzeichnete der Referent sodann daS blamable Verhalten der Polenfraktion im Falle Borchardt, wobei sich ihre wahre Arbeiterfreundlichkeit in aller Doppelzüngigkeit gezeigt habe. Der Sozialdemokrat habe, wie die Polenfraktion vorher selbst zu- gegeben, die Interessen des polnischen Volke? sehr wirksam vertreten, die Fraktion beglückwünschte ihn deshalb und— versagte kläglich(wie das Zentrum und die Linke), als es galt, die parlamentarische Freiheit hochzuhalten und den Abgeordneten Borchardt vor Polizeifäusien zu schützen. Spontaner Beifall folgte den markigen Worten des Redners, als er diese Vor- gänge kritisierte. Die Sozialdemokratie habe sich auch hier wieder als die wahre und einzige Hüterin und Vertreterin nicht nur der Rechte des polnischen, sondern deS gesamten Volkes bewiesen. Darum müsse jeder Pole für W i l h e l m Düwell stimmen, um so mehr, als der Freisinn ebenfalls unzuverlässig sei und K a e m p f außerdem für den Sprachenparagraphen gestimmt habe. DeS weiteren dürfe kein polnischer Arbeiter die bürgerliche und nationalistische Presse unterstützen, vielmehr müsse er die sozio- listischen Arbeiterblätter, den„Vorwärts" und die»Gazeta Robotnicza" abonnieren.(Stürmischer Beifall.) In der nachfolgenden, sehr ausgedehnten Diskussion nahm als erster Redner ein Nationalpole das Wort, der in längeren Aus- führungcn mit viel Temperament und wenig Klarheit sich gegen den Referenten wandte und auch den„Vorwärts" angriff, damit jedoch nur ironische Heiterkeit auslöste. Denselben Erfolg erzielte ein Ge- sinnungsgenosie dieses Redner?. Beide wurden unter dem lebhaften Beifall der Versammlung von den nachfolgenden Rednern sowie von dem Referenten mit Eleganz au? dem Sattel gehoben und in den Sand gestreckt. Hierauf nahm der Kandidat des Kreises, Wilhelm Düwell, das Wort und führte, oft von stürmischer Zustimmung unterbrochen, auS: Ich kann nicht in Ihrer Heimatsprache reden, aber ich verstehe Ihre Heimatgefühle. Es ist hier wiederum der Vorlvurf erhoben worden, die Sozialdemokratie wolle die Polen germanisieren. Daß sie aber daS nicht will, hat sie 1870/71 bewiesen, als sie gegen die Anneltion der Reichslande protestierie. Wir sind international in dem Bestreben, die unterdrückten Völker zu erlösen von dem Joche des Kapitals, das überall das gleiche ist. Wir wollen nicht die Liebe zur Heimat und die Selbständigkeit der Nationen vernichten. Gerade weil wir die Vaterlandsliebe Pflegen, werden wir gehaßt von den Herrschenden aller Länder. Wo es die arbeitenden Massen zu unterdrücken gilt, sind sich die polnischen Schlachschitzen und die preußischen Junker völlig einig, ziehen sie am gleichen Strang. Die polnischen Arbeiter sollen chauvinistisch verhetzt werden, und daS gleiche Spiel wird in anderen Ländern ebenfalls betrieben, nur, um sie von der Be« freiung ihrer eigenen Klasse abzulenken. Gerade der jetzige Krieg bestätigt wiederum, was die Sozialdemokratie immer ge- lehrt hat. Eine Unsunrme von Blut. Tränen, Not und Elend wälzt sich über die vom Krieg b-e« troffenen und verheerten Länder. Ist eS die Frucht der Sozialdemokratie? Nein, es ist die Frucht kapital! st ischer Raubgierl Wir sind auch dafür, daß die Gesahnt- heit des Volkes da? Land besitzen soll und nicht, wie jetzt, eine kleine Minderheit. Jetzt beginnt man damit, die polnischen Großgrundbesitzer zu enteignen, wir sind aber dafür, daß alle Großgrundbesitzer enteignet werden— aber nicht zu- gunsten der Hakatisten. Wir wollen, daß alle Proletarier sich als Klasse organisieren, als Ausgebeutete und Unterdrückte, wir wollen aber nicht, daß die Kultur und Eigenart anderer Völker vernichtet werde, bielmehr fordern wir, daß alle Volksgenossen am Segen der Kultur teilnehmen sollen. Dazu ist eS nötig, die Herrschast des Kapitals auS dem Wirtschaftsleben, auS dem Produktionsprozeß aus- — Musikchronik. Raoul KoczalSIiS drittes Konzert findet unter Mitwirkung des Opernsängers Hans Epies, der zehn Lieder des Konzertgebers zum Vortrag bringen wird, Dienstag in der Hochschule für Musik statt. — DaS Schicksal deS Komödienhause». Direktor Lothar hat notgedrungen von der Leitung seiner mit soviel Bluff in Szene gesetzten Gründung zurücktreten müssen. Eine Treuhänder- Kommission der Schauspieler, die sich bekanntlich mit Einlagen bc- teiligen mußten(345 000 M.!) und sonstiger Gläubiger hoffen das Theater weiterführen zu können.(Es ist bereits eine Not- Nolkonzession erteilt worden.) Man will einen Teil der Kaution erheben und die Gagen reduzieren. So hat daS Theater, das dieser Pl-itedirektor zum clegantesteu Berlins machen wollte, knapp sechs Woche» sich halten können, trotz der Reklame, trotz der Ausplünderung der Angestellten, trotz der angeblich erfolgreichen Stücke. Was mit den vielen Schauspielern, den in größter Fülle akzeptierten Komödien werden soll, weiß niemand. Herr Lothar freilich wird wieder wie zuvor anmutig geistreich plaudern. Librettos komponieren und markt- gängige Romane schreiben. Und irgend ein anderer Feuilletonist organisiert inzwischen schon die nächste Berliner Theaterpleite. — Der Volks-Schillerpreis der Deutschen Goethe- Bünde, der in einer alle drei Jahre an Schillers Geburtstag zu ver- leihenden Ehrengabe von 3000 M. besteht,»ourde dem Drama „Belinde" von Herbert Eule nberg, das gelegentlich seiner Uraufführung hier besprockien wurde, zuerkannt. Das Preisgericht beschloß, von den in engere Wahl gekommenen Dramen.Herzog Heinrichs Heimkehr" von Hans Franck ,„Der Zorn des Achilles' von Wilhelm Schmidtbonn und das Schweizer Bolksdrama„Marignano" von Karl Friedrich Wiogand ehrend zu erwähnen und den deutschen Bühnen zur Aufführung zu empfehlen. — Der Mann mit viel zugutenManieren. In seinen heiteren Beobachtungen aus den, Alltagsleben erzählt H. F. Urban(in der.Jugend") folgenden Vorfall: In den überfüllten Vorortzug stieg eine junge Dame. Sofort erhob sich(eine ungeheure Seltenheit in Berlin ) ein einfacher junger Mann und überließ ihr hutlüftend seinen Sitz. Dann lehnte er sich gegen die Tür und zog seine Zeitung aus der Tasche. Es war der.Vorwärts". Da be- merkte mein Nachbar zu ihm in strengem Ton:.Junger Mann, wenn Sie solche Manieren haben, dürfen Sie aber nich den.Vor- wärtS' lesen l" — Jobber und Held. Der.Erl de Paris' erzählt nach- stehendes Geschichtchen. Bei seinem letzten Aufenthalt in Pari» ver- suchte der Kronprinz von Montenegro eine Anleihe unterzubringen. Die Großbanken lehnten ab. Hierauf wandte sich der Prinz an eine Gruppe von Banken zweiten Ranges, die sich syndiziert hatten, um in russischen und orientalische» Werten ä la baisse zu pekulieren. Das Syndikat schloß daS Geschäft ab und zwar auf olgender Grundlage: Der Prinz verpflichtete sich, die Kriegserklärung drei Tage zuvor anzuzeigen. Dafür bekam Montenegro 2 Millionen in bar und außerdem die Hälfte deS von den Banken zu erzielenden BörfenaewinnS zugesagt. Dieser Gewinn soll bedeutend gewesen sein. Man spricht von einer z>v?istelligcn Millionenzahl. Und auch von etlichen Selbstmorden.
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