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die Oesterreich auf dein Balkan   in den verschiedensten Rich- tungen hätte. Mit großer Leidenschaft lehnt sie jede Möglich- keit ab, daß Oesterreich erklären könnte, es hätte auf dein Balkan   keine spezifischen mit allen Mitteln durchzusetzende Interessen. Eine solche Wendung der offiziösen Presse ist sehr zu beachten. Ich gehe ja nicht so weit, daß ich den schreibenden Baschibosuk unter den Offiziösen schon ernst nehme, der jeden für einen Vaterlandsverräter erklärt, der nicht die ganze militärische GeNxilt Oesterreichs   auf dem Balkan   einsetzen will. Wir werden ja sehen, was Graf Berchtold   sagen wird. Ich glaube vorläufig noch, daß dieser Schreibknecht des Ball- Hausplatzes seinen Auftrag überschritten hat. Für uns aber liegt in alledem die ernste Mahnung, daß wir uns auf die Vernunft und die Verantwortlichkeitsver- pflichtung der bei uns Herrschenden nicht verlassen können, daß wir mit aller Energie die schon begonnene Aktion auf die öffentliche Meinung fortsetzen müssen, die mit der Ansicht aller Vernünftigen im Lande übereinstimmt: Oesterreich  soll Frieden halten aus dem Balkan  !(Stürmi- scher Beifall.) Es kann dort niemals Interessen haben, die es tvert wären, bezahlt zu werden mit einem Kriege, mit dem Leben unserer Söhne, mit der Wohlfahrt unserer Völker. (Erneuter Beifall.) Gerade weil diese Wendung eingetreten ist, erschien es mir richtig, den Schluß unseres Parteitages anzuknüpfen an seinen Beginn. Unsere ganze Energie muß darauf verwandt werden, den Herren da oben klar zu machen: das arbeitende Volk in Oesterreich   will keinen Krieg unter gar keinem Vor- wände, mag er lauten wie er will.(Stürmischer Beifall.) Perncrstorfcr gibt einen Ueberblick über die Arbeiten des Parteitages, der wieder bewiesen hätte, daß die einzige Kultur- Partei in Oesterreich   die Sozialdemokratie sei. Wir wissen nicht, was der nächste Tag bringt, aber wir wissen, daß unsere Solidarität uns mit den Sozialdemokraten aller Länder der- knüpft. So hoffen wir auch auf die Zukunft der Sozialdemo- kratie unten in den Balkanstaaten. Vor allem wissen wir eins: Wir wollen den Krieg nicht! Wir fürchten nicht, daß das Menschengeschlecht erlahmen könnte und siecher würde, wenn es kein Stahlbad des Krieges mehr gäbe. Wir wissen, daß die Tugenden, die nur im Kriege gedeihen sollen, auch im Frieden blühen. Auch die Kämpfer auf dem Gebiet der Wissenschaft müssen Wagemut beweisen, wenn sie Gefahren begegnen, die noch größer sind, als die des Krieges. Und die Kühnheit unserer aufstrebenden Generation wird nicht ver- schwinden, wenn die Kriege verschwinden Aber diese Wage- mut und diese Kühnheit, die das Volk immer höher führt, ist auf Edleres gerichtet, als auf Mord. Wir fühlen die So- lidarität aller Menschen, wir fühlen die Heiligkeit des ein- zelncn Menschen. Deshalb sagen wir auch heute: Krieg dem Kriege! (Brausender Beifall!) Dreimal erklingt der Hechruf auf die deutsche Sozialdemo- kratie und die Internationale. Die Delegierten haben sich er- hoben und singen stehend die ersten Verse des Liedes der Arbeit. Pernrrstorfer: Der Parteitag ist geschlossesi. Krieg und Geldmarkt. Die Sparkassenruns und die Börsenkrise während der Marokko  - wirren im vergangenen Jahre haben Deutschland   den Vorwurf ein- gebrocht, datz die deutsche Geldwirtschaft für außerordentliche politische Vorfälle nicht gerüstet sei. Besonders im Auslande hat man diese Ansicht verbreitet, und die deutschen   Patrioten halten eS daher für ihre Aufgabe, sie zu widerlegen. Während die agrarisch gerichteten Blätter alle Schuld auf die Großbanken schoben und erneut um Hilfe gegen die Börse schrieben, wandte der Direktor der Deutschen Bank, der auch als Finanz- theoretiker bekannte Professor Helfferich, den Spieß um und erklärte auf dem Münchener   Bankiertage, gerade die Presse hätte durch beunruhigende Nachrichten das Publikum vollends in Verwirrung gebracht. Immerhin fühlten die Finanz- leute Deutschlands   die Vorwürfe als so schwere, daß sie seither alles tun, um gegenüber der Oeffentlichkeit als besonders stark und gerüstet zu erscheinen. Jetzt während des Balkankrieges, der natürlich nicht ohne Rückwirkung auf den deutschen   Geldmarkt ist, vermeidet man alles, was das Publikum beunruhigen könnte. Auch der Staat ist selbstverständlich an dem finanziellen Prestige des Landes wesentlich interessiert. Das neue preußische Sparkassengesetz, das die Kassen zur Anlage eines Teils ihres Vermögens in Staatsanleihen zwingt, mußte sich zum Beispiel die Begründung gefallen lasten, datz es die finanzielle Bereitschaft(größere Flüssigkeit der Mittel) für einen Kriegsfall im Interesse des Publi- kumS stärke. Vor allem aber durch die Reichsbank, die als Zentralkceditinstitut bestimmenden Einfluß auf den Geldmarkt ausübt, sucht die Regierung ihr Ziel zu er- reichen. Zur Einschränkung der Spekulation hat sie ihren ZinS für die Ultimotage, an denen die Spekulationsgeschäfte beglichen werden, verteuert. Auch sonst sucht sie durch ihren EeschüftSverkebr mit den Großbanken diese zu vorsichtigerer Kreditgewährung für Spekulationszwecke zu veranlassen. Sie selbst aber hält ihren ZinS- fuß möglichst niedrig, um den Eindruck zu erwecken, daß genügende Mittel für den Geldverkehr vorhanden sind. Gerade im Oktober. als der Balkankrieg eine allgemeineVersteifung� am inter  - nationalen Geldmarkt hervorrief, sah sie von Diskont- (Wechselzinsfuß-) Erhöhungen möglichst ab. Einige Tage hindurch war bei ihr billigeres Geld zu erhalten, als bei der Bank von England  , während sonst stets die englische Zentralbank um mindestens�»/« bis 1 Prozent niedriger ausleiht. Auch zur Zeit<d. h. während des Ultimos und kurz danach) steht der offizielle Diskontsatz in Berlin   mit ö Proz. nicht höher als in London  . Die Großbanken haben ebenfalls ein Jntereste daran, die Geld. und Krcditverhältniste als möglichst gesund darzustellen. Gerade im Oktober sind von der agrarischen Preste. voran von derDeutschen Tageszeitung-, heftige Angriffe erfolgt. Es hat sich nämlich heraus- gestellt, daß die ersten Kursverluste bei Ausbruch deS Balkankrieges nicht durch Angstverkäufe deS Publikums, sondern durch Ab- gaben der Banken verursacht worden sind. Auf Grund ge- nauerer Kenntnis der Vorgänge auf dem Balkan   haben gerade die Großbanken das Publikum zum Verkauf veranlaßt. So schreibt der .Plutus" über die Rolle der Berliner Handelsgesellschaft bei den ersten Verkäufen: .Herr Fürstenberg(Geschäftsinhaber der Handelsgesellschaft) bat. wie ich zuverlässig weiß, schon einige Tage vor der Mobrl- machung in Serbien   davon gewußt, wie die wirkliche Lage am Balkan   gewesen ist und auf Nachrichten, die aus den Bureaus der Handelsgesellschaft kamen, haben kluge Vermögensverwalter um- fangrciche Verkäufe vorgenommen. Die Berliner   Hairdelsgesell- schast hat übrigens die Depesche über die Kriegserklärung Monte- negros um 11 Uhr vormittags an dem Tage gehabt, an dem erst in den Abendblättern die Kunde davon veröffentlicht wurde. Erst durch die von den Banken in Szene gesetzten Kursverluste Ivurde dann das größere Publikum unruhig und ging seinerseits zu Verkäufen über. Durch Forderungen auf Erhöhung des Einschusses (Anzahlung) für Spekulationszwecke und durch Zwangsverkäufe der Spekulationspapiere, wenn die spekulierenden Kunden nicht Nachschüsse liefern konnten, haben die Banken dann wesentlich zur Verstärkung der Kursrückgänge beigetragen. Die Banken traten auf die Seite der Baissespekulation. Sobald aber ein Tiefstand erreicht war und die Ein- stelluug der Spekulation den Banken Geschäftsverluste gebracht hätte, regten die Banken selbst wieder zur Spekulation an. Die Beeinflussung der Kunden durch Mitteilungen der Banken war um so leichter, als im Oklober die Großindustrie sehr günstige Jahres- und Vierteljahrs- obschlüffe der jetzigen Hochkonjunkturperiode veröffentlichen konnte. Sobald die Haussestimmuug erzeugt und ein neuer Hochstand der Kurse erreicht war, gingen die Banken wieder in die Baisse. Sie nahmen eine neueReinigung' des Speku- lationsmarktes vor. So führten die Banken abwechselnd die Börse auf und ab: Tiefstand am 2. Oktober, Hochstand am 5., Panik am 11. und 12., Hochstand am 16., Abwärtsbewegung bis Ende deS Monats, dann wieder Anfwärtstendenz. Fielen die Kurse, so sorgten die Banken für die Beseitigung ungesunder und über- triebener Spekulation: stiegen die Papiere, so bewahrten die Banken durch Jnterventionskänfe vor größeren Kursrückgängen. So kündete die Börsenpresse das Lob der Banken an allen Tagen. Tatsächlich haben die Großbanken im Oktober ganz enorme Gewinne gemacht, indem sie die wechselnde Situation geschickt ausnutzten Papiere zu niedrigem Kurs aufnahmen und zu hohem Kurs ab- gaben. Durch den Ultimo muß sich dieser günstige Einfluß des Krieges auf die Großbanken noch verstärkt haben. Bekanntlich werden die Spekulationspapiere meist im Uitimohandel umgesetzt. Ende Oktober waren also die gekauften Papiere zu liefern, die Diffcrenzgewinne auszuzahlen. Infolge der zahlreichen und hohen Kursschwankungen müssen diese Summen eine recht beträchtliche Höhe erreicht haben. Gespannt und ängstlich warteten daher alle Börsenkreise auf den Ultimo. Zahlungseinstellungen wurden sicher erwartet. Erstaunlicherweise vollzog sich aber alles glatt. Die SpekulationSgewinner, also vornehmlich die Großbanken, müssen ihren Schuldnern reichlich Stundung der Zahlungen gewährt haben. Auch das Reportgeschäft wird eine starke Be- lebung erfahren, d. h. die Banken werden die Papiere gegen Kredit- gewährung bis zum nächsten Ultimo übernommen haben, damit die kreditsuchenden Spekulanten, in der Hoffnung auf Kurssteigerungen im kommenden Monat, nicht ihre Papiere zu verkaufen brauchten- Daß die Banken nicht auf Glattstellung der Geschäfte drängten, hat wiederum in dem Bestreben seinen Grund, den deutschen   Kapital- markt möglichst widerstandsfähig erscheinen zu lassen. Die agrarische Presse sucht eifrig nach jedem Anlaß, durch gesetzlichen Zwang die Tätigkeit von Banken und Börse einzuengen. Auch im Auslände hätten Zahlungsschwierigkeiten deutscher Firmen ein Bild hervor- gerufen, das dem Reich aus politischen und den Finanziers aus geschäftlichen Gründen gleich unerwünscht ist. Aufschub wird den Großbanken um so leichter fallen, als sie ja jederzeit die Liquidation ihrer Schuldner eintreten lassen können, so daß sie keine Verluste zu fürchten haben. Die Spekulanten aus dem Privatpublikum sind im Oktober bereits geschröpft und expropriiert worden. Nun auch die kleinen Firmen zum Fallissement zu bringen, dafür liegt kein Interesse vor. Ihre Abhängigkeit von den Großbanken ist weiter befestigt worden. Die Erfahrungen, die einige Bankfirmcn in Reichenbach (Provinz Schlesien  ) machen mußten, haben überall Befürchtungen geweckt. Als dort die Firma F. W. Weiß ihre Zahlungen einstellte, begann das Publikum auf die Banken zu lausen und die Spargelder abzuheben. Eine zweite alte, angesehene Bankfirma, Fr. v. Einem, fiel diesem Run zum Opfer. Würden die Großbanken durch Schuldeintreibungen weitere Firmen im Reich oder gar in Berlin   selbst zu Zahlungseinstellungen zwingen, so begänne ein all- gemeiner Sturm auf die Privatbanken und Sparkassen. Wie nervös die kleinen Sparer bereits jetzt sind, geht daraus hervor, daß die gesamte Presse mit Anfragen überschüttet wird, ob die Gelder auf Sparkassen, größeren Banken usw. im Kriegsfalle auch sicher wären. Der Konkurs einiger Banken wäre sofort der Anstoß, die Spargelder zurückzuziehen. Und darunter litten nicht nur die kleinen Banken, das würde auch die Depositenkaffen der Großbanken empfindlich treffen. Ruhe, so weit es die Geschäfte irgend erlauben, heißt jetzt die Losung. Aber gerade diese Ungewißheit über die Situation und das Verhalten der Großbanken verstärkt die Unsicherheit. An der Börse gibt man schnell wechselnd günstigen und ungünstigen Momenten nach, bald beurteilt man die Kriegsgefahren zu über- trieben pessimistisch, bald zu lässig optimistisch. Auch die Großbanken versagen als Führer durch die Wirrnis der politischen Möglichkeiten, denn die Banken wissen ebenso wenig wie die Diplomatie, die jederzeit die Banken des eigenen Landes über die Aussichten auf dem Laufenden hält. So ergibt sich für sämtliche großkapitalistischen Staaten das gleiche Bild: Unsicherheit an den Börsen, Expropriationen der kleinen Spekulanten und Kapitalrentner durch die Großbanken, finanzielle Rüstung durch langsame Herauf- setzung des Diskonts. Einzelne Börsen(u. a. Petersburg  ) haben die Gelegenheit ergriffen, um einige Aenderungen des Börsen« Verkehrs durchzusetzen. Dort versuchte man, in der Oeffentlichkeit die KuiSschwankungen auf rein technische Mängel zurückzuführen. In Deutschland   hat man den Vorschlag gemacht, eine Abend- b ö r s e einzuführen. Dann könnten noch am Abend die neuesten Nachrichten berücksichtigt werden und das Kursniveau würde dann öfter ausgeglichen erscheinen. Tatsächlich würde natürlich eine Abend- börse die Spekulation nur neu anregen, ohne daß die Mittagbörse auch nur eine Entlastung erführe. So steht der Geldmarkt im Zeichen deS Krieges auch da, wo er scheinbar seine Unabhängigkeit wahrt. Die Neuerung. Keine weiteren Maßnahmen. Wie dieLandeszeitung für beide Mecklenburg" erfährt, hat der zuständige Bundesratsausschust alle auf die Fleisch- frage bezüglichen weitergehenden Anträge abgelehnt. Es bleibt sonnt bei den bisherigen Maßnahmen der Reichs- regierung gegen die Fleischteuerung wenn es nach den Wünschen der Regierung und ihrer Auftraggeber geht. Die Teuerungskommission im Reichsamt des Innern. Di« vom Reichskanzler im preußischen Abgeordnetenhaus in Aussicht gestellte Kommission zur Beratung der Teuerüngsverhält- nisse soll nach einer Meldung derNeuen politischen Correspondenz" noch in diesem Monat zusammentreten. Sie wird sich ans Ver- tretern der Wissenschaft und Statistik, der Landwirtschaft, der land  - wirtschaftlichen Genossenschaften, des Biehhandels. der Kommissio- näre des FleischgcwerbcS, der Schlachthosdirektoren sowie aus Ver- tretern der Kommunaivettvaltungen zusammensetzen. Die Per- Handlungen sollen uft kontradiktorischen Verfahren staltfinden; es werden dazu eine große Zahl von Sachverständigen aus den ver- schicdensten Kreisen und Gebieten herangezogen werden, wegen deren Benennung die Rcichsvcrwaltung mit den Regierungen und den interessierten Verbänden bereits in Verbindung getreten ist. Agrarische Ausbeiltung der Notlage des Volkes. DieDeutsche Tageszeitung" ist.sehr ungehalten über die Ver- ösfentlichung uird die Kritik des Angebots des Pommevschen Vieh- vcrwertungsverbandes, der Stadt Berlin   wöchentlich 1266 Schweine im Gewicht von 100120 Kilo lebend zum Preise von 66 M. per per 50 Kilo Lebendgewicht abzüglich 20 Proz. Tara frei Viehhofs- rampe Berlin   zu liefern, wenn der Magistrat hiexüber einen Wer- trag auf fünf Jahre abschließt. Das Blatt bemüht sich, nicht nur die Veröffentlichung als Vertrauensbruch irgendeines Magi- stratsbeamten hinzustellen, sondern auch die Feststellung, daß das Angebot zu hoch ist, abzuschwächen. Das Angebot lehnte die Stadt Berlin  , wie wir bereits mitteilten, ab, weil es bis zu 10�55 M. höher ist als der Berliner   Durchschnittspreis des letzten Jahrzehnts. Das Oertelblatt zieht nun den Durchschnittspreis des letzten Jahr- f ü n f t s heran und kommt zu dem Resultat, daß das Angebot nur um einen Pfennig höher ist. Es werden die Preise angeführt von 61,03 M. vom Jahre 1908, steigend bis 79,39 M. im Fahre 1912. Und aus Grund dieser so kolossal gesteigerten Preise sollte Berlin  sich auf fünf Jahre binden! Damit bestätigt das Blatt, daß die Agrarier mit demselben Raffinement die wirtschaftliche Lage aus­zunutzen suchen wie seinerzeit bei der Beratung des Zolltarifs durch den Antrag Kunitz  . Zlber nicht nur das. Dr. Diederich Hahn nahm Anlaß, im preußischen Landtage den Pommevschen Viehverwertungsverband herauszuhauen, und der Agrarierhäuptling behauptete schlankweg, die Angebote, die der Verband gemacht habe, bewegten sich durch- weg in der Preisläge von 4548 M. Es war nun aber leicht, die Unrichtigkeit dieser Behauptung nachzuweisen. Doch dieDeutsche Tageszeitung" kommt auch in solcher Situation nicht in Verlegen- heit; sie erklärt jetzt,daß der der Stadt Berlin   angebotene Preis franko Berlin   nur einem den Landwirten(vom Vieh- verwertungsverband) zugestandenen Preis von 45 47 M. ab pom- merschen Stationen entspricht". Davon sagte aber Dr. Diederich Hahn im Abgeordnetenhaus nichts. Echt agrarisch! Mcmel erhält kein rnssisches Fleisch. Die Stadt Memel  , die sehr hohe Fleischpreise hat, trotzdem sie nur vier Meilen von der russischen Grenze entfernt liegt, hatte 15 000 M. zum Ankauf von Schweinen in Rußland   bewilligt und auch bereits Vereinbarungen über den Verkauf mit den Fleischern getroffen. Der Regierungspräsident in Königsberg   hatte die Zu- lassung der Einsuhr russischen Fleisches befürwortet, doch der Mi- nister hat die Zulassung der Einfuhr frischen Schweinefleisches nach Memel   über Bajohren abgelehnt und der Stadt anheimgestellt, durch Vermittlung der Landwirtschaftskamnler mit ViehverwertnngS- genossenschaften in Verbindung zu treten. Der Minister treibt also aus diese Weise unseren Agrariern die Kundschaft zu. DaS sind dieMaßnahmen" der Regierung zur Linderung der Fleischnot. Eine Folge der Fleischnot. Zu schweren Kämpfen zwischen Großkapital und Kleingewerbe hat die Fleischtenerung in Oberschlesien   geführt. Die DonnerS  « marckhütte, ein Jndustrielveck des 253 Millionen schweren Fürsten gleichen NamenS, läßt fremdes Fleisch hereinschaffen und gibt es den Arbeitern zum Selbstkostenpreise ab. Die Fleischer- meister der Umgegend führen diese Sozialpolitik des fürstlichen Werkes auf die Absicht zurück, keine höheren Löhne zu geben, wie es nötig wäre, und haben in einer Konferenz mit dem Bürgermeister von Zabrze   sestgestellt, daß die Hütte hei diesem Verfahren monatlich nur 1200 M. zuzusetzen brauche für sie eine Kleinigkeit und damit das ganze Fleischergewerbe ruinieret So wird der konservative Fürst zum Vernichter des Mittelstandes, weil die Agrarier Zölle und Einfuhrschwierigkeiten in exorbitanter Höhe erhalten wollen. Jetzt soll die Handwerkskammer helfen, um die sich das fürstliche Werk natürlich den Teufel scheren wird. Wenn also demnächst der Gerichts- Vollzieher bei den oberschlesischen Fleischern einzieht, dann ist es nicht'die mittelstandsfeindliche Sozialdemokratie, die ihn schickt, sondern Herr Hahn, Herr Oertel und Herr v. Donnersmarck. die Oberpatrioten! Maßnahmen gegen die Teuernng. Senat und Bürgerschaft der Stadt Bremen   haben mit den Mitgliedern der Schlächterinnimg als Maßnahine gegen die Teuerung vereinbart, daß die Schlächter Mittwochs bei Abnahme von mindestens zwei Pfund mit Knochenbeilage das Rindfleisch zu 80 Pf. und das Pfund Schweinefleisch zu 8590 Pf. verkaufen sollten. An diesenbilligen Fleischtagen" machen die Schlächter ein besseres Geschäft als sonst, weil sie alle Knochen, die sich ansammeln, los- schlagen konnten. Hierüber wurden so viele Klagen der Konsumenten laut, daß die Teuerungskommission sich veranlaßt sieht, vom Senat und von der Bürgerschaft 100 000 M. zum Einkaufe ausländischen Viehes und Fleisches zu verlangen, das den Schlächtern gegen cnt- Iprechenden Nutzen zum Verkauf überlassen werden soll. Weiter sollen die polizeilichen Bestimmungen über das Halten von Schweinen im Staatsgebiet mit Ausnahme der engeren Stadt erleichtert und mit auswärtigen Viehmästereien Verträge auf ver« mehrte Lieferung von Schlachtvieh abgeschlossen werden. 8o2ia!es. Die Einigung der französischen   Konsumvereine. Paris  , 2. November.  (Eig. Ber.) Der gestrige Tag wird in der Geschichte der französischen   Genosscnschaftsbewegung von ent- scheidender Bedeutung sein. Die beiden großen Konsumvereins- verbände derVerband der sozialistischen   und Arbciter-Koopera- tiven" und der neutralistische GenosscnschaftSverband haben nämlich auf zwei Kongressen in Paris   und Roanne   das von einer gemischten Kommission ausgearbeitete Einigungsprogramm ange- nommen. Ein Einigungskongreß, der in den letzten Tagen dieses Jahres in Tours   abgehalten werden wird, wird die Verschmelzung beider Organisationen auf dieser Grundlage vornehmen. Die französischen   Konsumvereine werden dann gleich der sozialistischen  Partei und der Arbeiterkonföderation einen einheitlichen, die inner- halb dieser sozialen Aktion wirkenden Kräfte zusammenfassenden Organismus darstellen. Der Einigungsbeschluß ist auf dem Kongreß des sozialistischen  Verbandes nicht ohne Widerspruch gefaßt worden. Die Opposition ging von den Vertretern der bedeutenden Konsumvereine des Nor- dens aus, die in nahen Beziehungen zur sozialistischen   Föderation st-hen und ähnlich wie die Genoss-nschaften im"--�achbarten Bsl» gien für Propagandazwecke kräftig beisteuern. Theoretisch vertreten diese Genossenschaften die Anschauung, daß bie Konsumvereins- bcwegung so wenig wie die Gewerkschaftsbewegungsich selbst ge- nügen" kann und auch nicht an sich, sondern nur in den Diensten, die sie der nach der Eroberung der politischen Macht strebenden sozialistischen   Aktion erweist, einenrevolutionären Wert" darstellt. Dagegen herrscht in der Mehrheit des Verbandes die Meinung vor, datz die Genossenschaftsbewegung in ihren Zielen eine sozia- listischc, in ihrer organischen Zusammensetzung tatsächlich eine proletarische Bewegung sei und dadurch, ohne einen formellen An- schluß an die anderen Aktionsformcn der Arbeiterschaft, dem Klassenkampf diene. Hierzu kam einerseits die Tatsache, daß der