die Enzyklika ihre Selbständigkeit und Arbeits-tätigkeit in keiner Weise eingeschränktwerde. Und der hohe Episkopat hat dieses Täuschungs-Manöver durch eine Interpretation, richtiger:„P a r a-p h r a s e" der Enzyklika unter st ützt, die zwar keineeinzige Forderung der Enzyklika zurück-nimmt. vielmehrdas Beaufsichtigungs- undZurechtweisungsrecht der Bischöfe ausdrück-lich feststellt, die Forderungen der Kurie aber in eineSprache kleidet, die der mit der katholischen Kirchenlehre nichtVertraute nicht versteht und meist in ganz anderem Sinneauslegt als die Kirche selbst. Was heißt z. B. der Satz:„DieKirche hat das Recht und die Pflicht, zu derartigen Streit-fragen. insoweitsiedasSittengesetzberühren,auch ihrerseits Stellung zu nehmen und durch Hinweis auf dierichtigen Grundsätze, die in Betracht kommen, den Gläubigenvor sittlich-religiösen Schäden zu bewahren." Die Einschrän«kung �..Insoweit sie das S i t t e n g e s e tz beruh-r e n" ist absolut wertlos, denn nach katholischer Lehre gehöreneben alle politischen und wirtschaftlichen Handlungen der ein-zelnen wie der Vereinigungen zum Gebiet der Moral, unddie Fragen, ob in einem bestimmten Fall Lohn-ca-höhungssorderungen erhoben, ob die Ar-beiteingestellt.obdieUnternehmerinFlug-blättern angegriffen, ob nicht katholischeVereinigungen unter st ützt werden dürfen,sindebenindiesemSinnesämtlichmoralischeFrage n. über die das kirchliche Hirtenamt zu unterscheidenhat. Oder ist das etwa nicht so? Wenn die„Köln. Volksztg."das bestreiten sollte, werden wir es ihr beweisen!Der christliche Gewerkschaftskongreß von Essen ist dem-nach nichts, als ein schlaues Täuschungsmanöver!Zum Kongreh von Basel.Die Regierung von Basel hat unseren Kongreß nicht nur ineiner Adresse begriißt: sie halte auch, dem Ainrag eines konser»v a t i v e n Mitgliedes folgend, die Absicht, den Delegierten einenEmpfang im Rathaus zu bereiten, als Ausdruck ihrerSympathie für unsere FriedenSbestrebuugen. Nur weil die großeZahl der Delegierten im Rathaussaal nickt Platz gefunden hätte,wurde schließlich von der Ausführung Abstand genommen.Der deutschen bürgerlichen Presse ist sowohl das Verhalten derSchweizer Regierung als auch der eindrucksvolle Verlauf de»Kongresses sichtlich unangenehm und so sucht sie möglichst rasch überdie historische Tatsache hinivegzugleiten, daß da« Proletariat derWelt zur selben Zeit Grundziige einer auswärtigen Politik auf-zustellen vermag, wo die herrschenden Klassen die Kriegsgefahr zueiner permanenten gemacht haben. Eine Ausnahme macht die„Frankfurter Zeitung", die schreibt:„Man ist, wie wir sehen, in der Schweiz so naiv, es für ganzersprießlich zu halten, wenn die Sozialdemokratie für denWeltfrieden ihren moralischen Eii>fl»ß aufbietet. Und in der Tatgeschab dies auf dem Kongresse meist in einer Art, die beiallen Anerkennung verdient, welche zu verhütenwünschen, daß der Balkankrieg zu einem cnropäiichen Kriegewerde. In der Resolution, welche der Kongreß ausstellte und dieein förmliches Programm bildet, wird das Recht derBalkanitaaten, sich zu einem Bunde zusammenzuschließen, betont,womit verständigerweise gelagt ist. daß der Friede nicht um jedenPreis, also auch um den Preis der Freiheil, angestrebt werdenkönne: aber für den Ausbruch de? Kriege« wurden die Groß»mächte veranitvoctlich gemacht, die eS jahrzehntelang unterlassenbaden, in Mazedouicu geordnete Znsläude zu schaffen, wie eS ihreMission war. Allerdmgs erscheint die Resolution, wenn man andie augenblickliche Situalion denkt, als zu ungünstig für Oester-reich-Ungarn und zu günstig für Serbien gefärbt, aber deutlichwird dock von ihr das Recht Albaniens auf Autonomie anerkanntEbenio begründet wie diese letztere Forderung ist der Appell anDeutschland, Frankreich und England, Oesterreich-Ungarn undRußland nicht z» unterstützen, wenn sie sich in die Balkanwirre»einmischen solllcn. wie auch der Satz:„Ein Krieg zwischen dendrei großen führenden Kuliursiaaten wegen de« serbisch-öster-reichischen Hafenstreites wäre verbrecherischer Wahnsinn", nurbraucht dies« Ausfaslung eine Schlichtung des österreichlich-serbischenKoiissikl« durch eine europäische Konferenz nicht auszitschließen.Als die größte Gefahr für de» Frieden bezeichnete der Kongreßdie lünstlich genährte Gegnerschaft zwischen Gloßbritannien unddem Deuischeii Reich. H'er eine friedliche sliinmunq und Ge-siiininig zu schaffen, müsse vor allem die Aufgabe der sozial-demokratischen Parteien sein. In Deutschland kann man denSozialdemokraten England« nur dafür daulen,daß sie in ihrem Lande gegen den Krieg wirkten und noch sernerwirken wolle»"Das„Beliiner Tageblatt" kann aus dieser Beurteilung vonneuem lernen, wie töricht seine und NaumaiinS Behauptungen vonder Ueberflüssigkeit unserer Friedensaktioncn gewesen sind. Uebrigenskönnen wir konstatieren, daß da? Blatt sich etwas gebessert hatund nicht mehr so kritiklos wie früher die schwarzgelb- klerikalePolitik unterstützt. Es ivar auch schon hohe Zeit, nachdem selbst diedeutsche Regierung durch ihre Erklärung in der»Norddeutschen Allg.Zeitung" das Bedürfnis empfunden hat, der österreichischen Krieg«-Partei zu bedeuten, daß die deussche.Rückendeckung" doch nicht unterallen Umständen ihr zur Verfügung steht.DaS Baierland in Gefahr.So laukete der Titel einer Broschüre, die gegen die Elektri-sierung der Stadt-, Ring, und Vorortbahnen von Berlin geschriebenwar und für den Fall einer Mobilmachung all« Schrecken des Unter.ganges des heiligen deutschen Reiches voraussagte. Dies« Schreckensollten, so schien es. greifbare Gestalt erhallen, da die Abgesandtendes Kriegsministeriums in Galauniform am Mittwoch in der.Kommission für elektrische Zugförderung" im Landtag erschienen.wo sie freilich erst nach der Millagpause zu Wort kamen. Zu An-fang der Sitzung gab der Referent über die Frag«:„Elektrizität-oder Dampftriebwagen oder elektrische Lokomotiven' seine Meinungzum Besten und entschied sich für das alte System, unter tausendBedenken gegen die Einführung der Elektrizität, die er allenfallsfür die Stadtbahn bewilligen wollte. Von einem Redner der Frei-konservativen wurde ebenso entschieden für die Elektrizität mitGründen, die sich hören ließen, eingetreten. Was zur Folge hatte,daß ein Redner der konservativen Bruderpariei den Redner der sonahe verwandten Partei nach allen Regeln der Kunst vermöbelte, wo-bei er auch die Regierung nicht ungeschoren ließ, was diese veranlaßte,es auch ihrerseits an einer ziemlich deutlichen Antwort nicht fehlenzu lassen. Bitter und unverdient klang die Klage über den unge-rechtfertigten Argwohn, den man von dieser(konservativen) Seiteder königlichen Staatsregierung entgegenbrachte. In gleicher Weiseklagte der Minister über den Vorstoß bei von der Eisenbahnverwaltung doch so reichlich bedachten Dampflokomo-tiven-KapitalS, das der E i s enbahnvc rwaltung jetzt solcheSchwierigkeiten mache.Eine lang« Reih« von Rednern erörterte das Für und Wider,bis nach der Pause endlich ein Vertreter des Kriegsministeriumsdas Wort nahm und selbst nach Meinung des Eisenbahnministersnichts sagte, waä� gegen die Elektrisierung sprach und nicht schonschriftlich oder mündlich erörtert worden ist. Ader einig« Miiglie-der der Kommission hielten das Gesagt« für so bedeutsam, daß sie,obwohl die Vertreter des KriegsministeriumS gar nicht daran gedachthatten, so etwas zu verlangen, da»„Amtsgeheimnis" forderten, bisder Redner des KriegsministeriumS die Korrektur gelesen hätte.Was an den Ausführungen dieses Redners geheim fem soll, ist unsein Geheimnis. Die �«heim"rätliche Besorgnis ging soweit, daßman sogar, nachdem der Vertreter der Postvevwaltung sich darübergeäußert hatte, daß dies« Behörde keine Besorgnis hege, daß dieStarkströme der elektrischen Bahnleitung die elektrische Leitung derPost stören könnten, von einer Seite anfragt«, ob der Herr der Post-Verwaltung Wert darauf lege, daß seine Ausführungen„geheim"blieben, was dieser lächelnd ablehnte. So ließ es denn die Kam-Mission bei der geheimen Korrektur des kriegsministeriellen Rednersbewenden. Nachdem die Herren des Krieges und der Post>der Kam-Mission den Rücken gewandt hotten, ging das Wettfahren zwischenDampf- und Elektrizität abermals los und verlor sich schließlich inein« fachgemäße Erörterung über Gleich- und Wechselstrom, bisschließlich nach nahezu sechsstündiger Sitzung die Kommission dieDebatte auf Freitag vertagte.__Die erfolglose Verbitte.„Verbitter des adligen Klosters Itzehoe und erster Prälat derschleswig-holsteinischen Ritterschaft" ist nach» dem Mitgliederver-zcichnis des Herrenhauses der Herr Graf zu Rantzau.Und in dieser Eigenschaft machte er sich also gestern— Mittwoch— noch einmal zum— na sagen wir mit dem schlichten Ausdruckder bürgerlichen Kanaille— Fürbitter der Sparkassen gegen dasGesetz, das sie zum Ankauf von Staatspapieren zwingen will. Daaber an der Annahme des Gesetzes nicht zu zwerfeln sei, beantragteer, die Regierung möge einen Weg suchen, wie von den Sparkassendie Schädigungen durch Kursverluste an diesen aufgezwungenenPapieren fernzuhalten seien. Herr v. Dallwitz aber sagt, dasgäbe es'nicht. Also wurde diese Resolution abgelehnt. Und da derStaatsbank-(„SeehandlungS"-) Präsident von DomboiS dieLiquidität der Banken lobte, fiel auch ein zweiter Antrag Rantzaus.der auch den Banken Staatspapiere aufzwingen wollte. In-derDebatte hielt der Sorquittener Graf Mirbach wieder einmalseine Bimetollistenrede und gab zu bedenken, ob man nicht Konsolsschaffen solle, die nicht nur auf 100 M. lauten, sondern für dieder Staat auch 100 Ml. bezahlt. Aber Herr Lentze lehnte dasunter vielen höflichen Entschuldigungen vor dem Steuer- und Wirt-schaftsreformer aus Sorquitten aus guten Gründen ab. Dannnahm man das Sparkassengesetz an; die Verbitten des Verbittersvon Itzehoe wurden abgelehnt.Religion auch in die Fortbildungsschulen hineinzubringen istein dringendes Bedürfnis dcS milden Kavdinalfürstbischofs vonBreslau, des böhmischen Bauernsohnes Joseph Kopp, der heutein zweier Staaten Herrenhäuser als eines der prominentesten Mit-glieder sitzt. Zu dem Gesetz über die ländlichen Pflicht-fortbildungSschulen stellten Se. Eminenz einen ent-sprechenden Antrag und— nicht nur christliche Gewerkschaften sindgehorsam, wenn Kopp etwas wünscht— daraufhin ging daS Gesetzan eine Kommission, obschon ein Erlauchter, oder war es bloß einEdler, bereits die Annahme der Vorlage empfohlen hatte.Ter Rest waren Petitionen. Der Regierung wurde bei einerPetition um Vereinheitlichung des Zeitpunkts desOsterfestes empfohlen, sich dazu mit den, römischen und dem Peters-burger Papst— dieser letztere wurde in Basel unter tausendfacherZustimmung Hcnkerzar genannt— in Verbindung zu fetzen.Tonnerstag: Hinterlegungsordnung, Entsendung einerparlamentarischen Untersuchungskommissionfür die Verkehrsnot uhrrevier. Petitionen.Die württemberflischen Nationallibernlen suche« einWahlbündnis mit der Sozialdemokratie.Die nationalliberale Partei in Württemberg hat in der höchstenNot den Weg zur Sozialdemokratie gefunden. Trotz ihrer devotenHaltung gegenüber den konservativen Bündlern mußte sie die Er.fahrung machen, daß die bündlerischen Führer skrupellos den Kampfortsetzen, um aus Kosten der Nationalliberalen die schwarzblaueLandtagSmehrheit herbeizuführen. Da die Sozialdemokratie bei derhochfahrenden Art der Nationalliberalen jede Unterstützung natio-nalliberaler Kandidaten gegenüber dem Bauernbund und demZentrum abgelehnt hatte, sind zwei alte nationalliberale Bezirke,Brackenheim und Sulz, schwer gefährdet, und in Gcißlingen drohtdie Wiederwahl des Zentrumsmannes, für welchen der Bauern-bund mit Hochdruck arbeitet. In der Verzweiflung entschloß sichdaher die nationalliberale Parteileitung, der Sozialdemo-kratie das Angebot einer Vereinbarung zumachen: aber in ihrer Bescheidenheit verlangten die Herren dieUnterstützung ihrer Kandidaten durch unsere Wähler in drei Bc-zirkcn. während sie lediglich in Waiblingen zur Unterstützungunserer Kandidaten ausfordern wollten. Unsere württembergischeParteileitung erklärte sich deshalb nur bereit, in Brackenheim, wounser« Kandidatur qlS aussichtslos bereit? zurückgezogen wordenist. zur Unterstützung des Nationalliberalen aufzufordern, wofürdie Nationalliberalen unsere Kandidaten in Waiblingen unter-stützen. Weitere Verpflichtungen wurden unserer-seits abgelehnt.Welche Rückwirkung dieser Sündcnfall der Nationalliberalenauf die Haltung des Bauernbundes ausüben wird, wird sich amWahltage, dem 2d. November, zeigen.� franhrdd».Der„Sou du Soldat".Paris, SS. November.(Ctg. Per.) Gestern und heute wurdevor dem Schwurgericht der Prozeß gegen die Vorstandsmitgliederde« BnuarbeiterverbandeS durchgefübrt, die im Mai d. IS. einenAufruf an die zu den Fahnen«inberufenen Gewerkickaftsmitgliederuuterzeichuet hallen, der den statutenmäßigen Geldsendungen bei-geillgt wurde. Der Kriegsmtnister hatte darin eine„Aufreizunggegen die Armee" gefunden und die Verfolgung veranlaßt.— Imheuligen Plaidoyer zog der Staatsanwalt das patriotische Registerauf und zeigt« den Geschworenen das bedrohte Vaterland:»SchauenSie über die Grenze! Dort stehen unsere Nachbarn, das Gewehr imArm, bereit, einen Schwächeanfall oder einen Fehler auf unserer Seiteauszunützen...Die Geschworenen fanden die Angeklagten nur der BeleidigMgder Armee schuldig und die Strafe lautet auf drei Monate Ge-sängnis. Da« Urteil ist tew Triumph für die Ankläger. � Die Verurteilten nahmen es mit dem Ruf:»Nieder mit dem Krieg!" aufund verließen unter dem Gesang der„Internationale" den Saal.Unterzeichnung des Marokkovertrages.Madrid, 27. November. Der französisch-spa»nische Marokkovertrag ist heute nachmittag unter-zeichnet worden.-öelgien.Der Kampf ums WahlrechtBrüssel, SS. November.(Eig. Ber.) In der Diskussionüber die Regierungserklärung hat sich der Minister-Präsident einer etwas klareren Sprache beflissen und sein Kom-mentar zeigt nun schon deutlich Kurs und Absichten her Regierungin der Wahlrcchtsfrage.— Bekanntlich hatte die Opposition derministeriellen Erklärung eine allenthalben optimistisch gefärbteInterpretation angedeihen lassen. Herr von Broqueville hatte nichtJa gesagk, dber er halle auch keinesfalls Rein Hefa gl, und mancherwollte in allem mysteriösen Dunkel der Rede eine«halbgeöffneteTür" gesehen haben.... Herr von Broqueville hat wieder ge-redet, aber er hat diesmal, um im Bilde zu bleiben, die Tür, fallssie überhaupt einen Spalt breit offen war, ziemlich vernehmlichzugeschlagen. Der Ministerpräsident behält sich zwar vor. auf denKern der Frage erst einzugehen, wenn darüber diskutiert werdenwird, ob die von den Sozialisten beantragte Verfassungsrevisionauf die Tagesordnung gesetzt werden soll; aber die letzten mi-nisteciellen Worte behalten in der gegenwärtigen Situation darumnichts weniger ihre Bedeutung.Herr von Broqueville ist nämlich endgültig darauf gekommen.daß der Generalstreik, wie er vom sozialistischen Kongreß am2. Juni formuliert wurde, eine Drohung ist, der eine Regierung,die um ihre Achtung und Autorität besorgt ist, nicht weichen darf.Ob das Wahlrecht, die Beseitigung des schändlichen Pluralsystemseine ernste, wichtige, dringende politische Notwendigkeit ist, dasscheint die Regierung im Augenblick gar nicht sonderlich zu inter-esjieren. Die Hauptsache ist ihr, daß die Arbeiter beschlossen haben,das wirtschaftliche Leben aus„gewaltsame Weise" zum Stillstandzu bringen, und da gibt es für eine Regierung, die etwas auf sichhält, kein Unterhandeln. DaS wäre ja ein Weichen aus Furcht,sagte der Ministerpräsident pathetisch, und da könnte man unsjeden Augenblick auf die Weise kommen, jammerte der unerbittlicheWahlrechtsseind Woeste.... Die Frage liegt nahe: WaS würdedie Regierung ohne Androhung deS Generalstreiks tun? Bander-Velde gestattete sich den LuxuS, Herrn von Broqueville rund herausdanach zu fragen, aber der Minister antwortete daneben und auchseine übrige Rede zeigt,' daß die Regierung derzeit nicht an eineVerfassungsrevision denkt. Schenken wir uns die Gründe, die sie.abgesehen eben von der Autorität, die auf dem Spiele steht, nachHerrn von Broqueville verhindern, das Pluralwahlrecht zu beseiti-gen oder sich zu irgendeiner Art von Wahlreform zu verstehen.Denn es ist zu schön, zu glauben, daß die Regierung nur aus purerFürsorge für die Arbeiterklasse— weil sie nämlich wichtige sozialeGesetze durchzuführen habe— diese politisch als Halb- und Viertel-bürger weiter bestehen läßt.Wenn der Ministerpräsident weiter erklärt, daß man eine Ve>fassungsrevision nicht nach den Wahlen, sondern am Endeeiner Legislaturperiode macht— warum, da der Minister für dies-mal schon seine diplomatische Zugeknöpftheit abgelegt hatte, hat erdie Reform nicht in Aussicht gestellt, warum in der gefahrvoll-ernstenSituation— Herr von Broqueville kennt die Tragweite des Streik-beschlusses vom 2. Juni und die Stimmung der Arbeiter so genau!— nicht ein„entspannendes" Wort gefunden? Warum nun diekategorische Ablehnung, nach der entgegenkommend-verbindlichenVersicherung der vorigen Woche, wonach sich die Regierung der pro-fundcn politischen Weisheit, daß auch Wahlrechtsformeln den Gc-setzen der Entwicketzung unterliegen, nicht verschließen wollte?Warum mit einem Wort nach der, zugegeben geheimnisvoll an-gedeuteten Absicht, zu verhandeln, sich zu verständigen, zu„plaudern", wie der Minister Helleputte in einer ähnlichen Lageeinmal sagte, nun die offene Provokation? Denn nicht anderswird man die nunmehr so verstärkte Betonung deuten können, daßsich die Regierung unter keinen Umständen zu einer VerfassungL-revision verstehen werde, solange die Arbeiter mit dem Streikdrohen.Herr Woeste, der alte klerikale Drahtzieher, der in solchen Mo-menten immer aus der Versenkung auftaucht, hat erklärt, die Re-gierungsertlärung sei„mißdeutet" worden. Die richtige Deutungnach Herrn Woeste ist eben, daß man mit einer Ver«fassungsrevision nicht zu rechnen habe. Man willwissen, daß die neue Interpretation der Regierungserklärung, diesich, wie wir gesehen haben, auch der Ministerpräsident, wenn auchin vorsichtigerer Form, zu eigen machte, nicht ohne den alten Staat?-minister zustande gekommen ist» daß er vielmehr seine Mitwirkungan der neuen Militärvorlage von der Haltung der Regierung inder Wahlrcchtsfrage abhängig gemacht haben soll und die katego»rische Sprache Herrn v. Broqueoilles auf dieses neuest« Techtel«mechtcl zurückzuführen sei.Es gibt ja Leute, die meinen, die Regierung hat noch lange nichtihr letztes Wort gesprochen und man brauche noch immer dir Hoff-nung auf eine friedliche Lösung der Situation nicht aufgeben. MögeeS so sein. Möge die optimistische Auffassung der liberalen„EtoileBeige" zum Beispiel, der freilich die Militärvorlage näher liegt alsdir Wahlreform, daß sich die Situation durchaus nicht hoffnungslosansehe und die Regierung ihre endgültige Stellung zu einer Ver-fassungsrevision noch keineswegs fixiert habe. möge, sagen wir. dieseoptimistische Auffassung recht behalten. Denn wer. der die Arbeiter.fache mitkämpft und mitfühlt, möchte nicht verhindert wissen, daßdas arme belgische Proletariat. daS ausgebeutetfte ProletariatEuropas, seine letzten Energien für den Wahlrechtskampf in einemGeneralstreik einsetzen müßte! Wer möchte nicht wünschen, daß dieseit Wochen vom kargen Lohn zurückgelegten SouSstücke— derbelgische Arbeiter ist ja der schlechtest bezahlte Europas—, die inder Generalstreikkasse zusammengehalten werden, daß diese sauerenSpareinlagen nicht anderen Zwecken dienen möchten! Aber sostark auch dieser Wunsch sein möge, so weiß doch heute jeder Menschin Belgien» daß einem letzten und unerbittlichen Widerstand derRegierung auch dieses letzte Kampfmittel entgegengestellt würde, uni»daß sich die belgischen Arbeiter, doppelt auf der Hut durch die zwei-deutige, wenn nicht provokatorische Haltung der Regierung, uner-müdlich, mit zähester Energie und unerschütterlichem Ernst für de«äußersten Kampf bereit machen. Dieser Standpunkt ist der Regie-rung durch den Mund Vanderveldes in nicht mitzzuverstehender Weis«dargetan worden. Die Arbeiterklasse wird nichts unterlassen, eineVerständigung und den Frieden zu ermöglichen. Aber. Herr vonBroqueville mag über diese„Drohung" denken wie er will, sie sam-melt unbeirrt Munition und ihre Waffen, um im äußersten Fall fürihr Recht ihr letztes Mittel: den Generalstreik einzujetze«.Englanck.Lansbury unterlege«'.London, 26. November. Bei der heutigen Nachwahl für daSUnterhaus in dem Londoner Wahlbezirk Bow erhielt der UnionistBlair 4042, das Mitglied der Arbeiterpartei LansburZ 3284 Stim-men. Die Unionisten gewinnen das Mandat,Marokko.„Beruhiguilgö"arbeit.Mazagan, 27. November. Oberst Mangin trieb auf seinemMarsch nach Demnat 7606 Bergbewohner auseinander, nachdemArtillerie sie dezimiert ljatte. Die Franzosen hatten vier Ver-wundete, darunter einen Ofsizier.— Die Mahalla Mwgi drängtein dem Paß Ameskrond die Anhänger El Hibas zurück.Hmmba,Das Stimmenverhältnis bei der PräsidcntenVahl.New Aork, 27. November. Eine Statistik der Abstimmung beider Präsidentenwahl ergibt folgende Zahlen: Für Wilson6 157 000 Stimmen, für Roosevelt 3928 000, für Taft3376 000. für Debs 674 000 und für Chapin 161 000 Stimmen.