der aber sicher keine frekereli Bestimmungen bringen würde. ImArbeitsverhältnis des Landarbeiters habe der Unternehmer unum-schränkte Gewalt über den Arbeiter. Der Vertrag komme nichtzwischen zwei gleich Starken zustande. Alle gesetzlichen Bestim-mungen ieien anscheinend nur von der Ansicht diktiert: Wie machtman cs dem Unternehmer leicht, den Arbeiter auszunutzen. Dergewerbliche Arbeitsvertrag für die Industriearbeiter zeige doch da-gegen einige vorgeschrittene Rechtsformen. Durch die Gewerbeord-nuug sind doch Arbeiterschutzbestiminungen, ein Verbot der Lohnauf-rcchnung, die Einbehaltung der Kaution über die Höhe einesWochenverdienstes hinaus untersagt, ferner ist bei Kontraktbruchdie Strafe für beide Teile die gleiche, die Dauer der Arbeitszeitin gewissen Betrieben und für Frauen ist bestimmt und anderesmehr. Das ist zwar, gemessen an dem, was wir verlangen, keinideeller Arbeiterschutz, er stehe aber turmhoch über dem Gesinde-recht. Hier herrsche kein Arbeiterschutz und die Gesetzcsbestimmun-gen sind noch durch Strafbestimmungcn maßlos verschärst. Dazukommt, daß dieses„Recht" nicht einheitlich ist, sondern in 44 Ge-sindcordnungen verzettelt ist. Und während das Gesinde— waszum Gesinde zählt, ist übrigens selbst unter Rcchtskennern sehrstrittig— unter die Gesindeordnung fällt, unterstehen die landwirt-schaftlichen Arbeiter den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetz-buches über den Dienstvertrag. Im Einführungsgesetz zum B.G.B.ist extra gesagt, daß die Bestimmungen der Gesindeordnung unbe-«"ührt bleiben. Sonst geht Reichsrecht vor Landrecht, nur im Ge-sindeverhältnis des Landarbeiters nicht. Das Gesinderecht kennteigentlich nur Pflichten des Gesindes, das lehrt ein flüchtigerBlick in die 44 Gesindeordnungen. Danach hat sich das Gesinde derhäuslichen Gewalt zu unterordnen, hat jede Arbeit und in unge-messener Dauer zu verrichten, muß(nach einigen Gesindeordnun-gen) ein obrigkeitliches Zeugnis haben, ist nicht nur der Dienst-Herrschaft, sondern auch den Gästen gegenüber verpflichtet, treuund fleißig, ehrerbietig und gehorsam, sogar auch außer dem Hausezu sein(eine schwerwiegende Bestimmung, wenn man bedenkt, daßbei Verstoß dagegen die Strafbestimmungen in Anwendung gebrachtwerden können», es muß ferner das beste für die Herrschaft wollenund etwaigen Schaden gegen sie abwenden, es muß jede Untreuedes Ncbcngesindes melden, sonst haftet es für den der Herrschaftdadurch entstehenden Schaden, es muß sich jederzeit seine Sachen(verschlossene Koffer) durchsuchen lassen, cs mutz verträglich mitdem Nebcngesinde sein, es darf von den häuslichen Verhältnissender Herrschaft nichts ausplaudern, es mutz Verweise und Befehleder Herrschaft mit Ehrerbietung entgegennehmen usw. Dazukommt aber vor allem, datz nach den Bestimmungen einiger Ge-sindeordnungen der Herrschaft das mittelbare Züchtigungsrecht zu-steht. Zwar wird das von Kommentatoren mit modernen Ansichtenbestritten, die Gerichte aber entscheiden noch heute in dem Sinne.— Diese Gewohnheit des Prügelns hat sich denn auch auf dieLandarbeiter übertragen. Wenn der Arbeiter dann bei der Staats-anwaltschaft Strafantrag stellt, nimmt diese stets an. datz der Guts-Herr in Notwehr gehandelt habe und lehnt ein Verfahren ab. Daswirke wie eine Prämie auf das Prügelrecht. Alle Gesindeordnun-gen, außer der badischen, haben Strafbestimmungen. Das Gesindekann bestraft werden wegen Nichtantreten des Dienstes, vorzeitigenunberechtigten Verlassen des Dienstes(Kontraktbruch), Widerspruchgegen Befehle der Herrschaft, beharrlicher Weigerung von Dienst-leistungen, Unbotmätzigkeit, Aufwiegeln zu Zänkereien und zuübler Nachrede der Herrschaft, wenn es das Dienstbuch nicht ab-gibt oder sich bei mehr als einer Herrschaft vermietet u. a. m. InMecklenburg wird jeder bis zu 60 M. bestraft, der bei Auf-suchen eines neuen Dienstes nicht im Besitze eines„Zieh-scheines" ist; ein solcher vom Referenten im Original mit demStempel des Amtes versehener„Ziehschein" aus H o l st e i n be-sagt, daß dem Arbeiter Soundso bescheinigt wird, daß er zum...... seine Arbeitsstätte verlassen darf. Verlassen darf,obwohl der Arbeiter rechtmäßig gekündigt hat.Dazu kommt endlich die Polizeigewalt. Die Polizei kann kontrakt-brüchige? Gesinde zwangsweise an die Arbeitsstätte zurückführen.Bei Anwendung des Preußischen Landesverwaltungsgesetzes aberkann die Polizei— also der Amtsvorsteher, der auch nieist Guts-besitzer ist— dem Arbeiter Strafe androhen wegen Nichtbefolgungder durch die Gesindeordnung vorgeschriebenen Pflichten. Und gegendie dann folgende Festsetzung der Strafe gibt es kein Klagerecht,sondern nur ein Beschwerderecht im Verwaltungswege, alsobeim Landrat.Faaß bespricht weiter das Recht der nicht zum Gesinde ge-hörenden landwirtschaftlichen Arbeiter, die den Bestimmungen desBürgerlichen Gesetzbuchs unterstehen. Für sie sei das Recht zwarein etwas freieres, bei Entscheidungen durch die kleinen Amts-gerichte, die sich nach höheren Entscheidungen nicht richten, werdedieses bessere Recht aber oft sehr stark verkümmert.— Dieses Rechtwürde weiter beschränkt durch das Reichsstrafgesetz. Danach kannmit Haft, und zwar nur mit Haft, bstraft werden, wer Armenunterstützung annahm, wenn ihm Arbeitsgelegenheit nachgewiesenwerden kann; es wird dann Arbeitsscheu angenommen. So erhieltein Landarbeiter eine Haftstrafte von 5 Tagen, weil er entgegender Verweigerung des Inspektors mit seinem Sohn zur Stadt fuhr,Militarismus" zu protestieren, der sich in dieser Schule festzusetzenbeginne und„zweifellos von Professoren mit radikalen Ideen nichtgenügend entmutigt" werde. Die schlimmsten internationalistischenLehren seien dort im Schwang. Antipatriotische Broschüren—d. h. Broschüren gegen den Krieg— seien am Schultor von Schülernverteilt worden.— Der„Matin" schließt, datz unser diesen Um-ständen das Diktat aus Marx eine„größere Tragweite" bekomme.Vermutlich darum, weil es Patriotenpflicht ist, zu glauben, datz esin den französischen Fabriken keine Ausbeutung gibt. Oder etwa,weil durch diese liebliche Zusammenstellung die Denunziationgegen den Professor besseren Erfolg verspricht?Musik.Vor dem Bestehen des B l ü t h n e r s a a l e s gab es an gewich-tigeren Reihen von Orchesterkonzerten nur die der Philharmonikerund der königlichen Kapelle. Seit der Eröffnung des Blüthnersaalessind auch nur in ihm die Konzertreihen solcher Art kaum mehr zuüberschauen, von der Sonntagsunterhaltung bis zum Risiko un-sicherer Neuheiten. Eine besondere Energie zur Erfüllung der wohlwichtigsten Aufgabe des Konzertwesens: der Vorführung jüngsterKompositionen, entfaltet F. B u s o n i, der sich vor dem Publikumimmer mehr vom bloßen Klaviervirtuosen zum Schaffenden wandelt.Ein erster Buscmi-Abend fand am Sonnabend unter dem nicht ebenbestimmten Titel:„Moderne Sinfonie konzerte I", statt.Zuerst hörten wir eine größere Szene aus Bufonis Oper„D i eBraut wähl", die als„mufikalisch-phantastische Komödie" am13. April 1012 in Hamburg aufgeführt wurde. Sie spielt inBerlin nach einer der zwischen Biedermeier und Teufelei stehendenErzählungen E. T. A. H o f f m a n n s(mit Altmeister I. L i e b a nals Gesangshelfer). Zu beschreiben gibt es da schwerlich etwas;genug an dem Eindruck, daß wir eine Gesamtaufführung mit leb-wftem Interesse entgegensehen würden.B u s o n i dirigierte. Vorher spielte er B r a h m s' Klavier-konzert v-Moll. Dirigieren sollte es Max Reger. Allein damutz etwas vorgefallen sein. Reger lehnte im letzten Augenblickab Herr Th. Spiering übernahm ohne die geringste Probe—also mit einem außerordentlichen Wagnis— die Leitung und brachtedas Ganze glücklich durch. Schon vorher war unsere Verwunderungerweckt worden durch eine Notiz: der letzte Satz der„R o m a n t i-scheu Suite" von Reger müsse„in Anbetracht der wenigenVorproben" entfallen. Erklären lassen sich die beiden Vorfälle nurdurch die Vermutung, Reger sei mst der Eignung des Blüthner-orchcsters zu der Aufführung eines solchen Werkes von ihm sounzufrieden gewesen, datz seine bajuvarische Urkraft bis zu einemso ungewöhnlichen Konflikt aufwallte. Tatsachlich dirigierte er dieersten zwei Sätze des genannten Werkes(Opus 125). für Berlinzum erstenmal. Die Suite ist eine Programmusik zu drei GedichtenEichcndorffs. Die vielberufene Kompliziertheit der Reger-sehen Konipositionen entfaltet sich hier zu einem seltsamen GewebeV«, reichlich disharmonischen Tonsügungen. die bis schwebendenum diesem einen Konfirmandenanzug zu kaufen, und weil er des-halb einen Tag Arbeit versäumte. Und seine Frau erhielt dieselbeStrafe wegen desselben Delikts, weil sie einen Tag Arbeit ver-säumte, um ihre Wäsche zu waschen.— Die Gutsbesitzer wütztensich aber auch der Unterstützungspflicht gegen Ortsarme zu entziehen.So wurde einem Landarbeiter, der seinen 68 Jahre alten Schwieger-Vater bei sich als Hofgänger hatte, aufgegeben, den alten Mann zuentlassen. Als er dem nicht nachkam, strengte der Dienstherr dieRäumungsklage an. Der Termin wurde aber zu einem Tage an-gesetzt, an dem der alte Mann das Unterstützungsrecht erworben hatte.Deshalb wurde nun dem Schwiegersohn aufgegeben, selbst zu gehen.Die Sache schwebt zurzeit beim Gericht. In erster Instanz ist ent-gegen der Behauptung des klagenden Arbeiters angenommen wor-den, datz er sich mit der Entlassung einverstanden erklärt habe, des-halb wies das Gericht die Klage ab. Die Entscheidung der zweitenInstanz steht noch aus. Ter alte Mann schrieb aber am 21. d. M.an den Vorstand des Verbandes, datzseinem Schwiegersohnin der neuen Arbeits st ätte aufgegeben wordensei, ihn ein vollesJahr lang nicht zu beschäftigen.Solchen Zuständen gegenüber— sagt der Referent— stehen wirschier machtlos gegenüber! Dem armen kranken Arbeiter, der seineKnochen im Dienste des Agrariers sich zerschunden habe, wird dasRecht des Unterstützungswohnsitzes verwirkt I In Kabinettsverordnungen und bundesstaatlichen Gesetzen bestehen heute noch er-schreckende Strafbestimmungen. So besteht noch eine Dienstboten-ordnung in Lauenburg vom Jahre 1732 zu Recht, nach der derstraffällige Landarbeiter mit Karrcnschieben, mit dem Schandpfahlund mit Zuchthaus bei Wasser und Brot bestraft werden könnte;die Aenderung des Strafvollzuges lasse die Anwendung dieserStrafen nur nicht zu. Auch könnte Arbeitseinstellung bis zu zweiJahre Gefängnis bestraft werden und mit Haft, und zwar nurm i t Haft, wenn der Arbeiter mit der gewöhnlichen Speisungnicht zufrieden sei.Der Redner bespricht weiter die Einschränkung des Koalitions-rechts der Landarbeiter und die Bestrafung bei Verabredung zurErreichung besserer Arbeitsbedingungen durch das preußische Gesetzvom 24. April 1854 und ähnlicher Gesetze in Anhalt, Reutz j. L.,Braunschweig, Hannover, Mecklenburg; den Legitimationskarten-zwang für ausländische Arbeiter und das in der Arbeitcrversicherungenthaltene mindere Recht für Landarbeiter.F a a tz geht sodann auf den kürzlich von der„Deutschen Tages-zeitung" gemachten kuriosen Vorschlag eines Amtsgerichtsrats ein,der verlangte, datz die überzähligen Rekruten und die nicht voll-waffenfähigen jungen Leute zwangsweise zur Landwirtschaft ver-pflichtet werden sollen. Der Herr wollte zwar damit für denKriegsfall ausländische Landarbeiter ersetzen, er wollte aber auchder Lcutenot steuern. Und diese neue Pflicht für das Vaterlandhabe in der„Deutschen Tageszeitung" freudigen Widerhall ge-fanden.(Heiterkeit.)All diesen Bedrückungen gegenüber hätten die Landarbeiter ihreForderungen zu erheben. Zwar habe die sozialdemokratische Frak-tion im Reichstage schon oft den Verfudj gemacht, sich für die Rechteder Arbeiter zu verwenden. Die Landarbeiter aber dürften nichtunterlassen, sich selbst an die Regierung zu wenden, wie die Agrarieres auch tun. Sie müßten wie diese schreien und abermals schreien.Der Schrei von 17 606 wirke schon nachhaltiger als der des einzel-nen; der Schrei von 100 600 aber, den er bald hören möchte, würdenoch eindringlicher sein. Die erste Generalversammlung sei alsein Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Landarbeiterbewegungzu betrachten. Seit der Zeit der Bauernkriege habe der Landarbeiterin Deutschland seine Forderungen in Gemeinschaft nicht mehr er-hoben, er müsse jetzt wieder aufstehen, und seine Forderungen inder Leffentlichkeit stellen.(Minutenlanger Beifall.)Dr. S. R o s e n f e l d ergänzt die Ausführungen von Faaß durcheine Reihe höchst interessanter Fälle aus seiner Rechtspraxis. Essei durchaus unzulässig, daß, wenn, wie es geschieht, Landarbeiterwegen Arbeitsverweigerung täglich neu in Strafe genommen wer-den können bis zu überaus hohen Gesamtbetragen. Damit solleFurcht und Schrecken unter den Arbeitern verbreitet werden, umden alten Gesindezwangsdienft in Praxis umzusetzen. Allgemeinerjuristischer Grundsatz sei, daß Arbeitsverweigerung ein Dauerdeliktsei und deshalb nur einmal Strafe in Anwendung kommen könne.Es ist zu erwarten, datz bei gerichtlichen Entscheidungen dieserGrundsatz- beachtet würde.— In Mecklenburg bekamen zwei Land-arbeiter einen ritterschaftlichen Strafbesehl wegen Gehorsamsver-Weigerung, weil sie vergessen hatten, die Forken zur Arbeit mitzu-bringen. Die erste Gerichtsinstanz bestätigte den Strafbefehl mitder Begründung, es müsse jeder Arbeiter in Mecklenburg wissen,datz er das Arbeitsgerät mitzubringen habe. Die zweite Instanzhob das Urteil auf, da unter dem verlangten Gehorsam nicht abso-luter Gehorsam zu verstehen sei.— In einem anderen Fall war einArbeiter, weil er dem Gutsherrn Säcke Getreide entwendet hatte,wegen Diebstahls zu der hohen Strafe von 7 Monaten Gefängnis ver-urteilt worden. Der Gutsherr, der seinen Schaden auf 250 M.berechnete, hielt sich darüber hinaus reichlich schadlos an dem Eigen-tum(der Kuh, dem Holzvorrat usw.) des Arbeiters. Auf Anschreibenzahlte der Herr dann zirka 150 M., ohne es zum Prozeß kommenStimmung der vorgelegten Gedichte jedenfalls entsprechen und nichtetwa sezcssionistische Verrücktheit sind; aber einzig die zarteste, sozu-sagen unirdischste Wiedergabe läßt das„Durcheinander" motivierterscheinen. Die eben scheint Reger bei dem in gewohnteren Auf-gaben bewährten Blüthnerorchester vermißt zu haben.Indessen dirigierte Reger noch eine Komposition von sich:ein Altsolo mit Orchester:„An die Hoffnung", Text vonF. Hölderlin. Natürlich so weit wie möglich entfernt von allemSingsang und Koloratur!— Wienn aber ein Zug der Kompositionzur Breite und Breitspuriakeit— vielleicht eine modernmusikalische Eigentümlichkeit überhaupt— fast auf jede Silbe eine förm-liche Kette von Tönen legt: geraten wir da nicht in eine abermalige,auf noch ältere Zeiten zurückgreifende Art von Koloratur hinein? ineine sinnvolle— natürlich I sz.Theater.Freie Volksbühne(im Herrnfeld-Theater). Des DänenPeter Nansen Art ist: weniger tief als pikant zu schreiben. DiesMerkmal haftet auch dem Lustspiel„Eine glückliche Ehe" an,das keine neue Schöpfung, sondern nur die von Damenhand her-rührende Dramatisierung einer seiner Geschichten gleichen Namensist. Bei dem Prozeß des Umformens ging manches, was alspsychologische und poetische Feiniheit angesprochen hatte, verloren.Um so deutlicher wird man nun aber gewahr, datz dem Stoff oderseiner Behandlung die eigentliche nordische Note abgeht, iffias sichin diesem Lustspiel zuträgt, bildet ja auch den Angelpunkt in denmeisten Pariser Stücken, die wir seit Jahren zu sehen bekamen.Dorther kennen wir genug gehörnte Ehemänner, die von einer er-schreckenden Naivität und Gutgläubigkeit besessen sind— wieNansens Postassistent Mogensen; genug Frauen, die ihre Liebhabersozusagen mit der Leibwäsche wechseln— wie Nancy Mogensen;genug Seladone, die den befreundeten Mann ihrer Geliebten inseiner jeweiligen Position als Beamter heimlich zu fördern suchen— wie der Finanzrat Jermer. Ebenso wenig neu wird die Ver-spottung sentimentaler Schwächen, wie solche ettva bei der Feier desWeihnachtsabends unternommen ist, anmuten. Und schließlich sinduns getäuschte Liebhaber, die sich hinterher ihr Leid klagen, auchschon in anderen Stücken begegnet. Van einem eigenartigen nor-disch gesehenen Anschnitt gesellschaftlicher Sitte ist also blutwenigzu entdecken. Ja, bisweilen— beispielsweise im dritten und viertenAkt— bekommt man den Beigeschmack possenhafter Trivialitäten.Immerhin— der pikante Dialog, die Auseinandersetzungen überLiebe und Treue zwischen Jermer und Nancy, der mokant gekräuselteSpott, der die Handlung belebt, geben Anreiz zu Heiterkeit undLachen genug. Das um so mehr, wenn Frau Nancy in all ihrerunbekümmerten Sündhaftigkeit so glänzend dargestellt wird, wie csgerade Mirjam Horwitz vermag. Ihre Leistung stellt natürlichalle mitwirkenden Männlein in den Schatten. Robert H a r t b e r gwürde jedoch gewinnen, wenn er seine Worte nicht durch aufdring-liches Mienenspiel unterstriche, e. k,zu lassen, heraus. So wird Eigensumsüergehen mik Eigentums-vergehen beantwortet.— Ein recht interessanter Prozeß war dergegen einen von der pommerschen Familie Malzahn geführte. ES warein Lohn für zwei Wochen in Höhe von 18 M. einbchalten, weil einPferd des Besitzers beim Sandfahren auf einer Feldbahn gestürztwar. Der Lohn wurde eingeklagt mit der Begründung, datz demArbeiter kein Verschulden treffe, weil er, in der Arbeit neu undunbewandert, beim Leiten der Pferde mit der Bremsvorrichtungnicht zurecht kam. In erster Instanz wurde der Herr v. Maizahnverurteilt, in zweiter Instanz erstritt er ein obsiegendes Urteil.Da»ach der ersten Verurteilung sofort Vollstreckung erfolgte, erhieltder Arbeiter seine 18 M., und an 200 M. Kosten mögen dem HerrnBaron entstanden sein. Welchen Respekt dieser Agrarier vor denhohen Herren des' Gerichts hat, erhellt der Umstand, datz ein zudiesem Zwecke notwendiger Lokaltermin auf dem Gute, an demaußer Amtsrichter und Referendar auch beide Anwälte teilnahmen, inder Leutestube abgehalten werden mutzte, die in allerprimitivsteu»Zustande war, so daß der gegnerische Anwalt Gefahr lief, mit demStuhl durch die Decke zu fallen.— Dr. Rosenfeld konnte noch miteinigen weiteren so interessanten Fällen aufwarten. Er meinte zumSchluß, die segensreiche Tätigkeit des Laudarbeiterverbandes durchGewährung von Rechtsschutz würde sicher von den Arbeitern sehranerkannt, das bewiesen u. a. auch verschiedene Dankesbriefe.Auf eine Diskussion wurde in Anbetracht der vortrefflichen, all-gemein sehr befriedigenden Referate verzichtet.Nach Annahme einer Resolution, die die Forderungen der Land-arbeiter ausführlich präzisiert, wurden die Verhandlungen vertagt.Soziales.Die Egebnisse der Bertraurnsmännerwahlen in der Angestellken«Versicherung.Die Wahlen der Vertrauensmänner für die am 1. Januar 1613in Kraft tretende Privatangestelltenversrcherung sind nun in allenBezirken beendet. Eine amtliche Zusammenstellung der Wahlresul-täte ist noch nicht erfolgt. Der Verband der Bureauangestellten(Sitz Berlin) hat es unternommen, eine private Erhebung über denAusfall der Wahlen zu veranstalten. Es ist ihm gelungen, die Er-gebnisse aus 390 Wahlkreisen zu ermitteln. Das ist die knappeHälfte sämtlicher Wahlbezirke. In den 390 Kreisen wurden ab-gegeben 351 611 Stimmen. Davon erhielt die Freie Vereinigungfür die soziale Versicherung der Privatangestellten 77 992, derHauptausschuß für die Sonderversichcrung 260 685, sonstige zer-splitterte Listen 12 934 Stimmen. Mandate erhielten: Freie Ver-einigung 709(davon 202 Vertrauensmänner, im übrigen Ersatz-leute), Hauptausschutz 2816(davon 913 Vertrauensmänner), Wilde140(davon 45 Vertrauensmänner).In vielen Kreisen verlief die„Wahl" recht eigenartig. Inmindestens 65 Bezirken, die 195 Vertrauensmänner und 390 Ersatz-männer zu stellen haben, konnte der Hauptausschutz ohne weiteresseine Listen als gewählt erklären lassen, weil keine Gegenlistenvorhanden waren. Darunter sind leider eine Reihe größerer Städte,von denen man das nicht erwartet hätte, z. B. Aschersleben, Er-langen, Flensburg, Rcgensburg, Ulm. Waldenburg usw. In minde.stens 5 Bezirken(Bamberg-Land, Ronsdorf usw.) sind überhauptkeine Listen eingereicht worden. Entsprechend den gesetzlichen Be-stimmungen wurden daselbst die nötigen Vertrauenspersonen er-,nannt.—Zahnpflege und Pvlitft.Die Nummer von 12. November d. I. des„Aerztl. Vereins-blatts", daS Organ des Deutschen Aerztevereinsbundes, brachte fol-gende Notiz:„Ein Zahnarzt hatte um die Genehmigung der braun-schweigischen ijerztekammer gebeten, für die Mitglieder einer Orts-krankenkasse einen Vortrag über Zahnpflege halten zu dürfen; dieKammer erteilte nach Anhörung des zuständigen ärztlichen Kreis-Vereins ihre Genehmigung mit dem Bemerken, datz der Bortrag abernicht mit politischen Dinge» in Beziehung gebracht werden dürfe."Man sollte es nicht für möglich halten, daß cs in nnlerem ans-geklärteß Jahrhundert noch Aerztekammern wagen dürfen, ihrenMitgliedern derartige rigorose Vorschriften zu machen oder daß sichdie Mitglieder solche Zumutung gefallen lassen. Weshalb hängendie Aerztekammern ihren Mitgliedern einen Maulkorb um? Fürch-ten sie, es könnte bei Gelegenheit eines solchen Vortrages mal ein«die Regierung resp. das Agrariertum kompromittierende Aeutzerungentschlüpfen?Will jemand einen Vortrag über Zahnpflege nur einigermaßenerschöpfend halten, so ist er geradezu gezwungen, das politische Ge-biet zu streifen. Denn welches ist die Hauptursache der Zahnve»derbnis? Mangel an Muttermilch und Ersatz derselben durch Kuh»milch, Haferkindermehle und andere minderwertige Surrogate. Unddieser Milchmangel der Mutterbrust ist wieder in dem größtenProzentsatz der Fälle bedingt durch die schlechten sozialen Verhält-nisse der unteren Volksschichten, besonders durch die ungenügendeErnährung der schwangeren Frauen und Mädchen! Insbesondereträgt mit der Mangel einer rationellen, eiweißreichen Kost dieHauptschuld und diese ist wieder eine Folge unserer heutigenHumor und Satire.Silber st ernacht.Und nun. wenn alle Uhren schlagen,So haben wir uns was zu sagen,Was feierlich und hoffnungsvollDie ernste Stunde weihen soll.Zuerst ein Prosit in der Runde!Ein helles, und aus frohem Munde!Ward nicht erreicht ein jedes Ziel,Wir leben doch, und das ist viel.Noch einen Blick dem alten Jahre,Dann legt es auf die Totenbahre lEiu neues grünt im vollen Saft,Ihm gelte unsre ganze Kraft!Wir fragen nicht: Was wird es bringen?Viel lieber wollen wir es zwingen,Datz eS mit uns nach vorne treibt,Nicht rückwärts geht, nicht stehen bleibt.Nicht schwächlich, was sie bringt, zu tragen.Die Zeit zu lenken, laßt uns wagen!Dann hat es weiter nicht Gefahr,In diesem Sinne: Prost Neujahr!(P. Schlemihl im.Simplicissimus'.)Notizen.— DaS Theater des Westens wird im Februar wiedereröffnet werden und zwar mit der Operette»Der Schneider-Husar" von Leon Jessel.— Die neuen OpernhauSentwürfe werden vom3. bis 24. Januar im Konferenzsaal des Anhalter Bahnhofs unent-geltlich zu besichtigen sein.— Das Schiller-Theater in Neukölln. Wie in derGeneralversammlung der Schiller-Theater, die übrigens ein rechterfolgreiches Geschäftsjahr beschließen, mitgeteilt wurde, sind Ver-Handlungen wegen Gründung eines Schiller-Thealers in Neuköllnim Gange, aber noch nicht abgeschlossen. DaS Schiller-Theater 0.wird indes vielleicht aufgegeben werden müssen. Es würde aber fürErsatz gesorgt werden.— Der ProloguS in der Hofoper. Die Mitteilungdes Generalintendanten an das Berliner Opernpublikum von derGeburt eines Hohenzollernprinzen hat lebhaften Anklang gefunden.Aus vielfachen Wunsch aus diesem Publikum sollen auch künftiginteressante Mitteilungen vor Beginn der Vorstellung unter Auf«klopfen deS Zeremonienstabes gemacht werden. Man denkt da be-sonders an die Kurse der Abendbörsen und an die Notierungen vomSchlachtviehmarkt. Bei ungünstigen Nachrichten wird eine entsprechendeOuvertüre angeschlossen.