Milde Justis
Die Musensöhne in der alten Universitätsstadt an der Reine haben sich nie durch besondere Sanftmütigkeit ausgezeichnet, man braucht nur an ihren berühmtesten Besucher Bismard zu denken. In der letzten Zeit scheint der harmlose Studentenult etwas in den Hintergrund getreten und durch Scherze" ersetzt worden zu sein, die den Betreffenden die Bekanntschaft mit den Gerichten verschafften. In der lezten Sigung des Schöffengerichts in Göttingen erschienen nacheinander nicht weniger als fünf Studenten als Angeflagte. Der erste hatte in einem Streit mit einem Bolizisten diesem einfach seinen Hund auf den Rücken geworfen und fich seiner Verhaftung dadurch zu entziehen versucht, daß er sich auf den Erdboden warf. Urteil: 80 Mark Geldstrafe. Ein zweiter Angeklagter hatte nach amerikanischem Muster eine Laterne dadurch zum Erlöschen gebracht, daß er mit einem Revolver danach schoß. Wegen Sachbeschädigung erhielt er 30 Mark Geldstrafe.- Der dritte in der Reihe erhielt ebenfalls 30 Mart Geldstrafe, weil er einem Schutmann einen Tritt verabfolgt hatte. Bei der nächt. lichen Heimreise hatte der vierte Angeklagte ebenfalls ein Rentontre mit einem Schuhmann. Als ihn der Schuhmann aufschrieb, sah er sich die Nummer des Beamten an und konstatierte dann: Sie haben ja eine wunderschöne Schnapsnummer. Dieses maßgebende Urteil wurde vom Gericht mit zusammen 30 Mart geahndet. Schließlich kam der fünfte in den Saal. Er hatte einem Bekannten, der sich mit einem Polizisten stritt, zugerufen, er möchte fich doch nicht mit einem gewöhnlichen Polypen abgeben und, als sich der Schuhmann die Einmischung verbat, eine gewöhnlich nur andeutungsweise zitierte Aufforderung aus einem Werke Goethes an ihn gerichtet; er erhielt für die Anwendung dieses Klassischen Bitats 50 Mark Geldstrafe.
Mit diesen Strafen, gegen die nach Art und Höhe wir an sich nichts einzuwenden hätten, vergleiche man die gegen Streikende, insbesondere im Ruhrrevier ausgeworfenen Gefängnisstrafen wegen geringfügiger Beleidigungen, die gelegentlich eines Kampfes um eine bessere Lebenshaltung ausgeworfen wurden. Für ein einfaches Pfui" Gefängnisstrafe für eine Mutter und Vollstreckung der Strafe an der Mutter mit ihrem Säugling. Gibt es wirklich keine Klassenjustiz?
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Die großen Diebe müssen sich daran gewöhnen, daß man nur die kleinen hängt.
Die tleinen Diebe müssen sich daran gewöhnen, daß nur die erstklassigen Gauner geistestrant sind. Fürst Eulenburg muß sich daran gewöhnen, daß für ihn feine Zelle frei ist.
Die größten Sensationen der Welt.
Eine französische Zeitung, die ergründen wollte, wie weit das Publikum durch die systematische Sensationsmacherei gewisser franzö fischer Zeitungen bereits erzogen" worden ist, tam auf den originellen Einfall, ihren Lesern eine Preisfrage vorzulegen. Welches wäre die sensationellste Nachricht und der sensationellste Titel, dessent Aufdrud in fetten Lettern im Straßenhandel einen Riesenabsatz der betreffenden Zeitung garantieren würde? Es hagelte Titel. Und unter den ersten zehn, die jetzt bekanntgegeben werden, befinden sich auch wirklich einige, die beweisen, daß Frankreich von der Preſſe Ameritas schon manches gelernt hat. Eine Auswahl:„ Die Heirat des Papstes". Die Abdankung Kaiser Wilhelms"." Die Depu tierten verzichten auf ihre Gehälter."„ Ein Negerpräsident der Vereinigten Staaten. "" Fallières ermordet durch Arthiebe den Portier des Elysée.",„ Eine Flugmaschine mit einem Stern zusammengestoßen." Und so weiter. Alle diese sensationellen Titel würdent preußische Landwirtschaftsminister für Aufhebung der Lebensmittelzölle."
Die Bochumer Madonna" muß sich daran gewöhnen, daß für Verbrecher ihres Schlages das Gefängnis eine Erholung ist. Die Arbeiterfrauen müssen sich daran gewöhnen, nicht nur Fleisch, sondern auch Hummern, Austern, Spargeltöpfe, Kaviar und ähnliches auf den Tisch zu bringen. Die proletarische Jugend muß fich daran gewöhnen, daß nur der„ Jung- Deutschland- Bund" unpolitisch ist. Die Landarbeiter müssen sich daran gewöhnen, daß die Prügelstrafe ein treffliches Erziehungsmittel für Heloten ist. Die freien Gewerkschaftler müssen sich daran gewöhnen, von Streitbrechern niedergeknüppelt und mit Maschinen- aber übertroffen, wenn es eines Tages heißen würde:„ Der gewehren beruhigt zu werden.
Das preußische Volt muß sich daran gewöhnen, von jedem adligen Emportömmlung geichurigelt und getreten zu werden. Die Minister müssen sich daran gewöhnen, daß das Volk ihren Deklamationen feinen Wert beilegt.
Die preußischen Minister müssen sich daran gewöhnen, daß von Zeit zu Zeit einer von ihnen fliegt. Nur ein Minister braucht sich daran nicht zu gewöhnen, da er stets nur die Intereffen seiner konservativen Auftraggeber wahrnimmt.
Bier Opfer eines Stubenbrandes.
Ein kleines Mißverständnis.
Der Frankf. 8tg." schreibt man aus Amsterdam : Ein bißchen spät erst wird eine ergögliche Geschichte bekannt, die sich zu Neujahr in holländischen Abgeordnetenkreisen abgespielt hat. Um fie zu verstehen, muß man den frommen Sinn der Holländischen Calvinisten kennen, die so zartfühlend sind, daß sie vor jedem Fluc in Empörung geraten. Allerdings bat auch diese Frömmigkeit ihre Grenzen, die in den meisten Fällen gerade mit den Grenzen Hollands zufammenfallen. Denn außerhalb Hollands haben wir Ein schweres Brandunglück, das gleichzeitig ein helles Licht nirgends folch luftige Brüder angetroffen mie jene Niederländer, auf die Lebensverhältnisse vieler Arbeiterfamilien wirft, hat die in ihrem Vaterlande mit den strengen Mienen der Moralität sich am Donnerstag früh in 8a now in Pommern zugetragen. und Entfagung herumlaufen. Im Dezember nun geschah Als die dort wohnhafte Arbeiterwitwe Schmidt früh- es in der Zweiten Kammer, daß dem Sozialisten Duys im Eifer morgens zur Arbeit gehen mußte, hatte sie ihre vier des Gefechtes der bei Gottlosen äußerst beliebte Fluch:„ God verKinder eingeschlossen und die brennende Lampe auf dem domme!" entwischte, was dem in Deutschland auch nicht gerade feltenen Kernwort Gottverdammt!" entspricht. Der fromme Tisch stehen lassen. Eines der Kinder zündete nun an der Calvinist Duymaer van Twist war hierdurch., ten zeerste in Der von seiner Frau getrennt lebende Maurerpolier Heinrich Lampe Papier an und riß dabei die Lampe um. zyne gevoelen gekwetst", b. h. auf das tiefste in feinen Gefühlen Lutz von München, der mit der 27jährigen Haushälterin Regine Das Petroleum ergoß sich über das Kind und über den Fußgetränkt, und er hielt dem unartigen Sozialisten sofort eine ganz Seufert von Weichtun seit 1911 im Konkubinat lebt, hat im Jahre boden, wodurch auch die Betten der anderen Kinder in Brand energische Standrede. Herr Duys ärgerte sich und schwor Stein 1911 seine drei Kinder, darunter einen 4½ Jahre alten Knaben gerieten. Das eine Kind verbrannte und seine drei Ge- und Bein, daß er in Dreiteufelsnamen niemals geflucht habe. DaBudwig, zu sich genommen. Das Kind, das von den beiden grund- schwister im Alter von zwei bis fünf Jahren er- mit fchien die Angelegenheit erledigt. Aber zu Neujahr los blind gehakt wurde, wurde nach und nach das Opfer der bestia iti cften durch den entstandenen Qualm. Als Hilfe herbet fandte Herr Duys feinem empfindsamen Kammerkollegent lischen Quälereien der Seufert und des Lus. Das arme Wurm fam, war es bereits zu spät.
Das eigene Kind zu Tode gemariert.
wurde Tag für Tag mit einem daumendiden Weichselstock geschlagen, mit aller Wucht zu Boden geschleudert, mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen und mit wahllosen Fußtritten trattiert. Hin
Absturz zweier Militärflieger.
holländischer Sitte gemäß drei große Buchstaben alls Marzipan: ein G, ein v und ein D. Herr Duymaer meinte augenblicklich zu verstehen, was das heißen follte. Nichts anderes ale ,, God ver- Domme" natürlich, und er ward abermals„ in zyne
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Sagte es und ging strahlend
und wieder steckte der entmenschte Vater das hilflose Geschöpf mit Bei den in der Nähe von Magdeburg zurzeit stattfindenden gevoelen gekwetst". Und kaum wurde er des fühnen Herrn Duys dem Kopf bis an den Hals in ein Gefäß mit Wasser. In ein Bett- Manöverübungen der Militärfliegertruppe hat in den Wandelgängen der Kammer habhaft, als er ihm auch sofort vor den ernst aufhorchenden Stammermitgliedern die Meinung sagte, chen kam das Kind überhaupt nicht, der nadte Boden war sein sich am Donnerstag vormittag ein folgenschwerer Absturz und das gründlich. Aber Herr Duys erwiderte ganz erstaunt." Ich Lager. Dabei wurde das arme Wurm systematisch zu Tode geweier Flieger zugetragen. Beim Abflug ins Manövergelände weiß nicht, weshalb Sie frommer Herr in einemfort an Flüche hungert. Am 25. Februar 1912 trieb das entmenschte Paar die stürzte gegen 10 Uhr zwischen Burg und Mabel der Mars- Doppel- benten! G. v. D. heißt Gelukwensch van Duys"( Glückwunid) Quälereien so arg, daß der Knabe am folgenden Tage verstarb. decker B. 78 beim Nehmen einer Linkskurve aus einer Höhe von von Duys) und nichts anderes!" Der Heine Leichnam, der nur 22 Bfund weg, wies nicht weniger 15 Metern ab. als 69 Verlegungen auf. Die gefühllosen Beiniger tamen nun wegen Körperverlegung mit Todesfolge vor das Schwurgericht. Der Staatsanwalt sah sich indes im Laufe der Verhandlung beranlaßt, Anklage wegen Mordes zu erheben. Am Dienstagabend wurde das Urteil gefällt. Nachdem die Geschworenen die Frage auf Körperverlegung mit Todesfolge bejaht hatten, lautete das Urteil gegen jeden der Angeklagten auf 12 Jahre Zuchthaus.
Aus aller Welt.
Schorle- Morle.
„ Das Publikum muß sich daran gewöhnen, auch für Lebensmittel mehr auszugeben." ( b. Schorlemer im preußischen Abgeordneteny. ife am 22. 1. 1318.)
Die preußischen Landtagswäbler müssen sich daran gewöhnen, daß die Wahlstimme eines Bordellbesizers schwerer wiegt, als die eines Ministers.
Unserer Kollegin
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Berta Po.tzsch nebst Gemahl die herzl'chiten Glüdwünsche zur filbernen Hochzeit.
Die Kolleginnen der Spedition Hackelbusch.
Todes- Anzeigen
Sozialdemokratischer Wahlverein Charlottenburg .
Den Parteigenoffen zur Nach. richt, daß unser langjähriger Ge noise, der Buzer
Julius Keilmann am Sonntag, den 19. Januar, verstorben ist.
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren!
Der Vorstand.
Verband d. Brauerei- u. Mühlenarheiter u. verw. Berufsgenossen.
Den Kollegen diene zur Nach richt, daß unser Mitglied, der Mühlenarbeiter
Rudolf Dobronski am 21. Januar nach achtjähriger Krankheit geftorben ist.
Ehre seinem Andenken! Die Beerdigung findet am Sonnabend, den 25. Januar, nachmittags 2, Uhr, von der Leichen halle des neuen Pauls- Kirchhofes am Plözenfee aus statt.
Um zahlreiche Beteiligung ersucht 42/6
Die Ortsverwaltung.
Verband d.Gemeinde- u. Staatsarb.
Filiale Groß- Berlin. Unseren Mitgliedern zur Nachricht, daß die Masseuse, Kollegin
Agnes Müller
verstorben ist.
Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren.
am
Die Bestattung findet Freitag, den 24. Januar, nach mittags 22 Uhr, von der Leichen halle des St. Petri Friedhofes, Friedenstraße, aus statt. 83/3
Die Ortsverwaltung.
Zentralverband der Maschinisten u. Heizer sowie Berufsg. Deutschl.
Verwaltungsstelle Groß- Berlin. Am 20. Januar verstarb unser Mitglied, Kollege
Albert Matthes.
Ehre seinem Andenken! Die Beerdigung findet am Freitag, den 24. Januar, nach mittags 2 Uhr, von der Leichen balle des Zentral Friedhofes in Friedrichsfelde aus statt. 152/2 Bahlreiche Beteiligung erwartet Die Ortsverwaltung.
Allen Freunden und Bekannten bie traurige Nachricht, daß unser Heber Freund, der Schlächtermeister Heinrich Kemnitzer
nadh langem, schwerem Leiden im Alter von 34 Jahren sanft ent schlafen ist.
21625
am
Um ftille Zeilnahme billet Familie Schlicht. Die Beerdigung findet Sonnabendnachmittag 4 Uhr in Ahrensfelde ftatt. Abfahrt 3.24 Friedrichsfelde .
Der Führer Leutnant b. Seele wurde feiner Wege. ihmer verlegt und bewußtlos ins Garnisonlazarett gebracht. Sein Begleitofffzier Leutnant Schlegel war fofort tot. Der Apparat wurde stark beschädigt.
Kleine Notizen.
Schweres Grubenunglüd. In dem im Abteufen begriffenen Schacht der Gewerkschaft Wendland bei Luka u ereignete sich ant Mittwochvormittag ein bedauerlicher Unfall. Durch das Versehen des Anschlägers, der vergeffen hatte, die Schachtklappen zu schließen, wurde der Inhalt eines Stübels anstatt in die Stippborrid tung in den Schacht hineingeschüttet. Ein Berga mann erlitt ben Tod, zwei wurden schwer und elf leicht verlegt.
Die Förderung der einheimischen Industrie. In diesen Tagen ist im Reichstage des langen und breiten darüber geredet worden, wie man dem Handwerkerſtande helfen fönne. Einer der Redner, ein ganz Schlauer, verstieg sich dazu, die Warenhäuier einfach zu verbieten. Wie in manchen Kreisen die Heimische Industrie gefördert wird, illustriert trefflich eine Meldung, Der Erbschaftsstreit. Am Donnerstagvormittag erfoß in die uns aus München zugeht. Die Spizenklöpplerei im oberen Großwalbur ( Koburg) der Zimmermann Baehring aus Frankenwald ist weltbekannt. Kürzlich mußten Nordhalbener Gotha feinen Schwager, den Landwirt Büsche I in seiner Wohnung und Geroldsgrüner Heimarbeiterinnen für eine Pariser wegen einer Erbschaftsangelegenheit. Auch die Frau des Büschel Firma eine Bestellung anfertigen. Die deutsche Kron- wollte er erschießen. Diefe flüchtete jedoch auf die Straße und rief betreffende Barifer Firma aber ließ die Spigen dazu von den haftet. Der Erichoffene ift Vater von fünf Kindern. pringeffin hatte in Paris eine Spizenrobe bestellt, die um Hilfe. Der Mörder wurde auf dem Bahnhof in Meeder ver oberfräntischen Heimarbeiterinnen anfertigen. Die Arbeit wurde mäßig bezahlt. Dann wurde die Robe als Bariser Erzeugnis, natürlich auch mit Bariser Preis, abgeliefert. Eine echte deutsche Frau Mag feinen Franzmann leiden, Doch seine Spigen trägt fie gern.
Zentral- Kranken- u. Sterbekasse der deutschen Wagenbauer.
Ortsverwaltung Berlin 11. Den Mitgliedern zur Nachricht, daß unser langjähriges Mitglied, der Bauwächter
Theodor Körner nach langer schwerer Krankheit am 21. Januar im 61. Lebensjahre verstorben ist.
Ehre seinem Andenken! Die Beerdigung findet Sonn abend, 25 Januar, nachm. 3 Uhr, bon der Halle des Bions- Kirchhofes in Nordend aus statt. Um rege Beteiligung wird gebeten. 257/4 Die Ortsverwaltung.
Danksagung.
Für die herzliche Teilnahme und zahlreichen Kranzfpenden bei der Ber erdigung meines lieben Mannes, unseres guten Baters Kart Gesch fage allen Verwandten und Kollegen meinen herzlichsten Dank.
21605 Minna Gefch.
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