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pathischsten Worte der deutschen Sprache. Wo wir nicht mehr weit zu marschieren haben, um am Ziele zu sein, da erhebt sich die Expropriation der Expropriateure.(Euteignuiig der Enteigner), da ist der Grund und Boden aus dem Privatbesitz   in den der Gesellschaft überzuführen. Da freut es uns nun außerordentlich, daß eine konservative Re- gierung mit Unterstützung zweier so staatserhaltender Parteien wie der konservativen und der nationalliberalen, einen Präzedenzfall für unsere große Enteignung geschaffen hat, es freut uns, daß diese beiden Parteien durch ihre Enteignung von heute unsere Enteignung von morgen und übermorgen rechtfertigen.(Unruhe rechts.) Freilich hat die Regierung mit ihrer Enteignung nichts begangen, was irgendwie sozialdemokratisch wäre. Sozialistisch sind diese Enteignungen nicht, höchstens an­archistisch.(Heiterkeit und Sehr gut l bei den Sozialdemokraten.) Denn sie werden gegen eine Nationalität ausgeübt, und von einer kleinen Minderheit gegen den Willen einer Mehrheit. Was sozialistisch ist. muß aber im Einklang st e h e n mit den Empfindungen der Gerechtigkeit und mit dem Willen der Massen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdcmo- traten.) Die Konservativen und Nationalliberalen haben mit ihrer Zustimmung zur Enteignung nicht nach einem sozialdemokratischen Prinzip gehandelt, aber sie haben das Prinzip durchbrochen, auf dem ihre Gesellschaft sich ausbaut, das Prinzip von der Unan- tastbarkeit des Privateigentums.(Lebhaftes Sehr richtig!) Ich will nicht sagen, daß die Konservativen immer vor der Enteignung Scheu gehabt haben. Ich will gar nicht an die Köckeritze und Jtzenplitze erinnern, an die Vorfahren der Junker von heute, die auf den Landstraßen sehr energische Ent- eignungen vornahmen.(Heiterkeit.) Ich erinnere nur. daran, daß die ganze Geschichte des Großgrundbesitzes eine Geschichte der Ent- eignung des bäuerlichen Grundbesitzes war.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Aber in der Theorie, auf dem Papier war das Privateigentum ihnen immer heilig. Selbst die bürgerliche Revolution hat an die Häuser mit Kreide geschrieben:Heilig ist das Eigentum" (Heiterkeit), und ganz besonders heilig war der Grundbesitz. Der Jude Schlesinger, der unter dem Namen Friedrich Hugo Julius Stahl als erster geistiger Vorkänipfer des christlich deutschen   Staatsge- dankeiis wirkte(Große Heiterkeit), hat das Grundeigentum für das heiligste Bollwerk erklärt. All das haben Sie(nach rechts) verleugnet, als Sie dem Enteignuugsgesetz zustimmte». Mit der Enteignung haben die Konservativeu und Nationalliberalen einen Schritt be- gangen, den sie vielleicht eines Tages rückgängig machen möchte», dann aber nicht mehr rückgängig machen können. Sie haben damit einen politischen Sündcufall vollzogen und sich deS moralischen Rechtes beraubt, über die Ziele ihrer Gegner entrüstet zu sein. Die konservativen Wanderredner werden keinen Eindruck mehr machen, denn sie sagen, der Unterschied zwischen Sozialdemokraten und Konservativen ist, daß die Kon- servativen das Privateigentum verteidigen, daß die Sozial- demokraten es abschaffen wollen. Jeder Gemeindehirt wird Ihnen entgegnen. Ihr selbst nehint ja das Privateigentum der Polen  . Das ist die tiefe Bedeutung der Enteignung, daß Sie diese Frage aus dem Bereich der Rechtsfrage herausgerückt haben in das Bereich der Machtfragen. So lange Ihr Eigentum noch umgittert ist von Bajonnetten, mag Ihnen das be- deutungslos erscheinen. Aber die Dinge ändeni sich, und wenn an die Expropriation der Expropriateure gegangen wird, so wird sie vor den Rittergütern nicht Halt machen, und manch einer von Ihnen wird sich im stillen dann sagen: Jetzt wird dir mit demselben Maße gemeffen. mit dem du andere gemessen hast. (Stürmischer wiederholter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Präsident Kaempf kündigt an. daß die Abstimmung über den Antrag Brandys(Pole) namentlich sein wird. Abg. Gras Praschma(Z.): Durch die Anwendung deS Ent- «ignungögesetzes ist ein neues Moment hinzugetreten, denn das Gesetz kann rückgängig gemacht werden, die Enteignung selbst aber nicht. Die Bedenken, die gegen die Anwendung des Gesetzes erhoben sind, geben weit über die Grenzen Preußens hmaus. Ich habe aber die Hoffnung, daß man auffalfchemWegesit, und daß man auf diesem Wege nicht zu dem gewünschten Ziele kommt: Beruhigung der polnischen Bevölkerung. Auch das»st einer der Gründe, weshalb wir gegen die Polenpolitik sind, die ja nicht abhängig ist von der Stellung der Parteien. Unsere Führer haben alles vorausgesehen, was heute eingetreten ist. Mit dem Gesetz wird die Regierung die polnische FrKge nicht aus der Welt schaffen, sondern sie wird über die Grenzen Polens   hinübergreifen nach Oberschlesien   und in die I n d u st r i e b e z i r k e. Wir können eS nicht für richtig halten, wenn diese Bevölkerung au« ihrem Besitz gebracht wird. Man schafft dadurch nur neue Herde der Un- zufriedenheit. Das Recht auf das Eigentum ist das wich- t i g st e Recht, daö für Reich und Staat besteht; und in dieses Recht wirst die Regierung dieses Gesetz hinein. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, wie es schlimmer nicht gedacht werden kann. Diese Frage spielt hinüber iu die Frage der inneren Kalo- nisotion, der WohnungSsürsorge usw. Und nun gibt die Re- gierung selbst den Weg an. wie man gegen die seßhafte Bevölkerung vorgeht. Es ist für den Staat gefährlich, dieses Kampfmittel anzu- wenden, wo er mit der Möglichkeit rechnen muß, daß sie auch von den Gegnern angewendet werden können. Es gibt unverruck- bare Grundsätze, die weder durch Zweckmäßigkeit, noch durch Notwehr zu beseitigen find. Wir werden dem Antrage der Polen   zu- stimmen.(Beifall.). Abg. Schlee(natl.): Es ist nicht richtig, daß das Enteignungs­gesetz nur gegen die Polen   angewendet werden kann, das Gesetz spricht nur davon, unter bestimmten Voraussetzungen Eigentum zu enteignen. Der Grundsatz der Enteignung ist nicht neu. Das Königreich Polen hat stüher gegenüber Westpreußen   nicht anders gehandelt, und wie gehen die Polen   jetzt gegen die Rutbenen vor.(Zuruf bei den Polen  : Machen Sie es doch ander« I) Die Polen   können sich nicht wundein, daß sich auch die deutschen   Elemente zusammenschließen, wie sich die Bolen seil jeher zusammengeschlossen haben, daß sie zum Boykott aeaen die Polen   greifen, den die Polen   gegen uns schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts angewandt haben.(Widerspruch bei den Polen  .) Wir behandeln die Polen   mit Gerechtigkeit und werden mit ihnen fertig werden, und auch mit Ihnen, meine Herren Sozialdemokraten.  (Bravo  . bei den National- ��Abg�Graf v. Earmer-Zieserwitz(k): Es sind hier Angriffe gegen die Regterung erhoben worden, daß man manchmal nicht den Ein- druck hatte im Deutschen Reichstag zu lern., andern in dem Parlament eines Staates, der der«rbtttertste Feind Preußens ist.(Sehr gut! rechts.) Dre Anschuld, guugen gegen Preußen reichen nicht heran anPreußen und seine Größe.(Gelächter bei den Polen   und Sozialdemokraten.) Auch nach unserer Anschauung gebört diese Frage n-cht v o r d-n R e, ch«. a g. Da« gemeinsam- Jndigenat. das für das ganze Reich durch den Artikel S der Verfassung festgesetzt ist, besagt nur. daß i-d-r Deutsche   in jedem Bundesstaat behandelt werden soll, als sei er ein Inländer, aber wie der linländer deS betreffenden Slaates gestellt ist. ist nicht die Sache de« Reich«, sonder» Sache d,e,eS Emzelstaate«. Der Reichstag   macht sich eines s ch w e r e n E i n- brucks m die Rechte schuldig, die das Reich den Einzelstaaien garaniierl hat.(sehr richtig i rewis.) Preußen geht seine Polen- polilik. besser gesogt, seine deutsche Politik in Preußen ohne Schwanken zielbewußt w-tter. Preußen allein hat diese Politik zu verantwoNen, nicht das Reich.(Bravo I rech,«.) Ein Amrog S i e g(natl.). die Abstimmung über den Antrag auf morgen zu vertagen, wird angenommen Abg. Dr. Pachnicke(B�): Vi- b-dauen, dies- Polenpolisik im deutschen   Jntereffe. Zur Starluiig de« Deutschtums sind wir bereit. alle geeigneten Mittel anzuwenden.( tjt ti0n bcm sozialdemo­kratischen Redner auf die Verganaenhe,t zurückgegriffen. Will man historische Vorgänge auf Recht oier Unrecht untersuchen, so könnte man Unrecht auf den verschiedensten Seiten finden. Hier kann man nur sagen:dieGeschichtehatgesprochen.der Richterspruch muß vollzogen werden. Preußischer Boden ist eS, auf dem diese Dinge sich abspielen und preußischer Boden muß es bleiben. Unsere Bedenken, die wir gegen die ganze Polenpolitik von ihrem Beginn an geäußert haben, haben sich durch die Ergebnisse dieser Politik als richtig erwiesen. Nicht gemildert haben sich die Gegensätze sondern verschärft, das haben erst die letzten NeichStagswahlen wieder bewiesen. Gegen das Enteigiiungögesetz haben auch die Konservativen im preußischen Landtag die ernstesten Bedenken gehabt und im Herren- haus haben Leute, die der Krone nahe stehen, dagegen gestimmt. Durch diese Erschütterung des Eigentumsbegriffß haben Sie(nach rechts) der Sozialdemokratie die beste Waffe in die Hand gegeben. Wie diese Waffe gegen Sie benutzt werden wird, davon hat Ihnen die Rede des Kollegen Wendel einen Vorgeschmack gegeben. Gerade aus den Kreisen der mittleren Gewerbetreibenden wird über die Folgen der Enteignungspolilik geklagt.(Hört! hört! links.) Vor allem bedürfen die Schulpolittk und das Berwaltungs- recht in den polnischen Propinzen einer gründlichen Reform.(Sehr richtig! links.) Es gilt nicht die Gegensätze gerade in diesen Pro- vinzen zu verschärfen, fondern zu mildern das Ziel hätte fein müffeii, die Pole» zur Annahme deutscher Kultur zu gewinnen. Was den Antrag anlangt, der angekündigt worden ist, da besteht ein Unterschied zwischen uns und den Polen  . Sie richten sich gegen den Reichskanzler, wir gegen die preußische Regierung und weil wir die Zuständigkeitsverhältnisse respektieren müsten(Hört! hört! rechts) >v erden wir uns der Abstimmung enthalten.(Leb- Haftes Hört! hört! rechts. Gelächter bei den Sozialdemokraten. Bravo! bei der Volkspartei.) Abg. Mcrtiu-Oels(Rp.): Nach diesem Mei st er stück der Diplomatie, das soeben geleistet worden ist(große Heilerkeit) fällt es mir noch schwerer als sonst, diese Tribüne zu betreten. Auch für uns ist die Zustätzdigkeitsfrage von großer Bedeutung, aber das betonen wir. nicht zum Schluß, sondern am Anfang. Die Be° bauptung des Herrn Wendel, daß das Gesetz aus pekuniären Gründen gemacht fei. war wohl nur einer der vielen Witze des Abg. Wendel. Ich will nicht wie er bis in die französische  Revolution oder noch später zurückgehen, sondern nur bis 1809. Damals wurde auch eine Enteignung vorgenommen und zwar wurde» Rittergutsbesitzer gezwungen die Halste ihres bäuerlichen Besitzes zu verschenken.(Hört! hört! rechts.) Die Polen   sollten lieber, statt solche Anlräge einzubringen, dafür sorgen, daß friedliche Verhältnisse in de» Ostmarken geschaffen werden.(Bravo  ! rechts.) Abg. v. MorawSki(Pole): Die Konservativen untergraben mit ihrer Enteignungspolitik den Baum, aus dem sie selbst sitzen, sie ver- leugnen ihre eigensten Interessen. Der deutsche Adel hat in Ostelbien 2V Millionen Morgen in Besitz. Bei einem Diner von 20 Personen waren 2 Millionen Morgen vertreten.(Hört! hört!) Und die Vertreter der Partei dieser Leuie haben das Ent- eignungsprinzip in Preußen eingeführt; sie werden jetzt prinzipiell nichts mehr einwenden können, wenn es heißt: Das Land den Land- leuien, weg mit dem Großgrundbesitz I  (Sehr gut! bei den Polen  .) Profeffor Conrad hat festgestellt, daß 43 Proz. der deutschen  Großgrundbesitzer Absentisten sind, d. h. nicht aus ihrem Gute wohnen. Sie müßte man enteignen und nicht die Polen  , die alle an ihrer Scholle hängen. Die Stimmung unter den Ansiedlern in den polnischen Provinzen geht dahin, daß aller Großgrundbesitz auf- geteilt wird. Man singt dort das Lied: Wilhelm sprach zu seinem Sohne: Hol' der Teufel die Barone, Ob sie Deutsche   oder Polen  . Alle soll der Teufel holen. (Große Heiterkeit.) Die Sozialdemokraten wären»» und sie find eS bei Gott nicht furchtbar dumm, wenn sie jetzt nicht zugreifen würden. Sie haben ja auch auf ihrem letzten preußischen Parteitage das Vorgehen der preußischen Re- giernng als Vorbild der künftig im allgenr einen Volksinteresse vorzunehmenden Enteignung des Großgrundbesitzes begrüßt.(Hört! hört!) Wir Pole» bleiben, die wir waren. Wir werden hindurchkommen durch die hakatistische Scylla und durch die sozialistische Charybdis. Sie arbeiten auf einen Zustand bin, wo hinter jedem Polen  ein Soldat mit einem Bajonett stehen mühte. Mit Bajonetten kann man siegen, aber sitzen kann man auf ihnen nicht.(Heiterkeit, Sehr gut! bei den Polen  .) Wir Polen  halten treu zusammen, wir halten fest gegenüber allen Umstürzlern an dem Althergebrachte», an uiiserer Sprache, unserer Kultur. Noch ist eS ja nicht zur Enteignung gekommen, man taxiert nur. Aber kommt es einmal zur wirklichen Enteignung, dann wird man viel- leicht die Frauen an den Haaren he r a u s s ch l e i fe n und die Kinder zum Fenster hinauswerfen muffen. Und waS die Männer tun werden? Ich frage Sie, was Sie tun würden, wenn man Sie wie einen Hund von Haus und Hof hinausjagen will. Unsere Toten hat man nicht eiiteignet, sie werden uns zurückrufen zu dem heiligen Boden unserer Bäter. Auf dem geraubten Gut ruht für den Räuber kein Segen.(Leb- Höstes Bravo  ! bei den Polen  .) Abg. Haussen(Däne): Preußen wird die unhumane und unkluge Gewaltspolitik gegen die Nichtdeutschen im deutschen Reich zu be- reuen haben, umsomehr als diese Politik für seine eigenen Volks- genoffen im Ausland schicksalsschwer werden kann. Auch ich erhebe schärfften Protest gegen die Gewaltpolitik der Enteignung. Abg. Thumnnn(Elf.) schließt sich für die Elsässer dem Protest gegen die preußische Polenpolitik an. Abg. Lcdcbour(Soz.): Die vortrefflichen Ausführungen meines Freundes Wendel hätten es eigentlich überflüssig gemacht, noch einmal unsere Stellung zu präzisieren, wenn nicht einige Vertreter der bürgerlichen Parteien wieder versucht hätten, mit nationalen Gründen, wobei sie sich als Vertreter de« deutschen   Volkes aufspielten, die untaugliche Polenpolitik zu verteidigen. Herr Schlee meinte, eS stehe in dem Enteignungsgesetz nicht drin, daß das Gesetz gegen die Polen   an- gewandt werden solle, eS könne dem Wortlaut nach auch gegen Deutsche   angewendet werden. Damit hat er den Schleier ge- lüftet von dem Zweck, den man bei Absassung des Gesetzes ver- folgte. Man hat ihm gefliffentlich eine Form gegeben, so daß eS sich nicht nur gegen die Polen   richtet, in dem Bewußtsein, daß eS doch nur gegen die Polen   angewandt werden soll. Das ist weiter nichts. als abgrundtiefe Heuchelei. Präsident Kaempf: Ich nehme an. daß Sie mit dem Wort der Heuchelei nicht Mitglieder des Hauses gemeint habeil. Abg. Ledebour: Ich hatte«abgrundtiefe Heuchelei" gesagt.(Heiterkeit.) Wenn die Anhänger der Enteignung so tun, als sprächen sie im Namen des deutschen Volkes, so bat auch der Verlauf der Debatte gezeigt, daß zweifellos die große Majorität dieses Hauses, die das deutsche   Volk in seiner großen Mehrheit vertritt, gegen da« Gesetz ist. Ich tue auch den Herren von der Fortschrittlichen Volkspartet die große Ehre an, daß ich sie mit zu den ausgesprochenen Gegnern des Ent- eignungsgesetzes rechne(Heiterkeit), obgleich sie heute durch ihre Haltung eine etwas klöglichr Rolle gespielt haben. Bei einem solchen Gesetz heißt eS Farbe be« kennen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Auf jeden Fall aber sind hier im Hause etwa 270 Gegner gegenüber nur l2b Anhängern des Enteignungsgesetzes, d. h. mehr als zwei Drittel der Vertreter des deutschen   Volkes verurteilen daSGefetz. .-Hierbei tritt wieder sinnfällig zutage, zu welch tiefgehenden politischen Differenzen die Verschiedenheit deS ReichStogSwahlrechtö und deS preußischen LandtagswahlrcchtS führt. StaalSseiretär Delbrück   hat neulich bei einer anderen Gelegenheit die Not- wendigkeit betont, daß die Politik de« Reiches und PiephenS nach einheitlichen Gesichtspunkten geleitet werden muß. Dann ist aber die notwendige Voraussetzung, daß die Regierung in, Reich und in Prenßen von einer Volksvertretung abhängt, die auf Grund desselben Wahlrechts gewählt ist. Deshalb appelliere ich an die Polen   und an daS Zentrum, sie mögen(edc Gelegenheit benutzen, um auch in Preußen für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht einzutreten. Ihre Haltung im preußischen Landtag hat leider bisher das Gegenteil bewiesen. Sie können nur dann gegenüber Ausnahmegesetzen gegen die Polen   und gegen die Jesuiten  wirksan, ankämpfen, wen» sie an der Seite der Sozialdeinolratie in den große» Wahlrechlskampf in Preußen eintreten. Findet sich in diesem Kampf« eine so starke Phalanx wie hier im Reichstag zu- sammen, so würde selbst ein Belhumnn Hollweg seinen Widerstand aufgeben müsse». Sie sind Schuld daran, daß das Junkertum in Preußen noch eine solche Macht hat, das hier»ur in winzige N Exemplaren(Ruf: Derlei! Große Heiterkeit) ich meine natürlich nur zahlenmäßig existiert. Im übrigen erkenne ich an, daß sehr gewichtige Exemplare, nicht deS JunlertumS, sonder» seiner Helfershelfer hier sitzen. Die Polen   sind von der Schuld nicht freizusprechen, daß sie bei der Finanzreform die lleine Junkerpartei wieder in den Sattel ge- hoben habe».(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Sie haben damals offenbar auf die Dankbarkeit' der Herren ge« rechnet, aber Sie haben sich gründlich getäuscht, man hat Ihnen noch einen Fußtritt obendrein versetzt. Deshalb sollten Sie künftig wenigstens prinzipiell Opposition machen gegen die Politik der Junker. Wenn Sie diese Konsequenz nicht ziehen, so bin ich doch überzeugt, die polnische Bevölkerung, insbesondere die polnischen Arbeiter, werden diese Konsequenz ziehen, sie werden nicht länger mehr zusehen, wie Sie eine agrarische Politik treiben. Machen wir doch auch im Westen, wohin polnische Arbeiter so oft durch die Unternehmer als Lohndrücker herübergeholt werden, die Erfahrung, daß, wen» sie erst die Verhältnisse dort näher kennen gelernt haben, sie es sehr gut verstehen, an der Seite unserer Parteigenossen sich in den Lohnlämpfen tüchtig zu schlagen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Daß Graf C arm er auf die Angelegenheit nicht eingehen wollte, begreife ich; denn die Junker haben sich verleiten lassen, die Sache mitzumachen, aber es ist ihnen sehr unheimlich dabei zu Mute. Sie gleichen dem Bär, der dem Honiggeruch nachgeht und so viel Honig schleckt, daß er Erbrechen bekommt.(Heiterkeit.) Der süße Honig der kapitalistischen   Bereicherung ist Ihnen in die Nase gestiegen, aber Sie werden an diesem süßen Fraß verrecken.(Große Heiterkeit.) Indem Sie Ihren Grund- sätzen zuwider handeln und den Glauben an die Unantastbarkeit des Privateigentums vollkommen zertrümmerten, baben Sie uns Waffen geliefert. Aus Ihren Reden für das Enteigmingsgesetz werden wir Schätze für die Agitation zusammentragen. So sagte Herr v. Heydebrand: Es gibt Verhältnisse, in denen man Grundsätze verlassen muß, die sonst unverrückbar sind, wo man nehmen muß, ivenn man eS nicht anders bekommt."(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das wird Ihnen noch oft in die Ohren klingen. Wenn der Sozia- lismus in Stadt und Land sich weiter entwickelt hat und da« wird in absehbarer Zeit geschehen dann werden wir den Grund und Boden nchmeu unter Berufung auf Ihre Worte und nuf Ihre Taten. Wir werden die Politik zu gutem Ende führen, die Sie aus kleinlicher Gehässigkeit und Habgier gegen eine nationale Mmderheit unternommen haben. Dann wird eS keine unterdrückten Nationalitäten und keine unterdrückten Völker mehr geben, und da» deutsche Volk wird befreit werden von der Schmach und Schaude, die diese hakatistische» Grundbesitzer, Speiulnntc» und Rechtsverdreher ihm bereitet haben.(Lebbaiter Beffall bei den Sozialdemokraten.) Präsident Kaempf: Sie haben der konservativen Partei ge- häsfige und habgierige Politik vorgeworfen. Das ist parlamentarisch unzulässig. Abg. v. Trampczinski(Pole) geißelt die preußische Polenpolitik. Die preußische Regierung gleicht dem Mann, der sagt, ich haue meine Frau beständig, ich haue sie morgens, ich haue sie mittags, ich haue sie abends, cch sie läuft doch fort.(Große Heiterkeit.) An» ständige Leute geben sich zu Taxatoren der AnsiedlungSkommiision gar nicht her. denn sie treibt geradezu offenen Straßenraub. Wenn die preußische Regierung von dieser Politik abläßt, sind auch wir zum Frieden bereit.(Beifall bei den Polen  .) Abg. Mumm(Wirthsch. Vg.>: Wir beteiligen uns an der Au«- spräche über die rein preußische Angelegenheit nicht.(Große Heiterkeit.) Abg. Dr. Pachnicke(Bp.): Meine Fraktion enthält sich der Ab- stirnmung über den Antrag, nur weil er in seiner jetzigen Fassung staatsrechtlich ein Nonsens ist. Für die Handhabung eines preußi­schen Gesetzes könneii wir nicht den Reichskanzler, sondern nur das preußische Staatsministerium verantwortlich machen. Abg. Lcdcbour(Soz.): Der Antrag verstößt auch in seiner jetzigen Fassung nicht gegen die Verfassung, denn jeder Vorgang, jede staatsrechtliche Handlung in einem Einzelstaat kann gegen die Reichsverfassung verstoßen und dann ist der Reichs- kanzler die einzig berufene Persönlichkeit dagegen einzuschreiten. Und weil wir dies Gesetz und seine Ausführung als eine Beein- trächtigung der Reichsverfassung betrachten und dasselbe ist aus- geführt von allen mögliche» Rednern, auch Sie(zu den Frei« sinnigen) haben da« im preußischen Landtag gesagt können und müssen wir für Viesen Antrag der Polen   stimmen, da er in dieser Situation die einzige Möglichkeit bietet, eine Verurteilung des Verhaltens der Reichsregierung auszu- sprechen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Besprechung.   Da« Haus vertagt sich. Nächste Sitzung: Donnerstag 1 Uhr.(Namentliche Abstimmung über den Antrag der Polen   zur heutigen Interpellation; Zweite Lesung des Gesetzes über vorübergehende Zollerleichterungen bei der Fleischeinfuhr.) Schluß nach 7 Uhr._ Mgeoränetenkaus. 120. Sitzung, Mittwoch, 29. Januar 1918, vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: Frhr. v. Schorlemer. Nack) einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Cleve ist daS Meineidsverfahreu gegen den Abg. Underberg(Z.) eingestellt. Zunächst wird der Gestütsetat weitcrbcraten und ver- abschiedet. Es folgt die Beratung des Tomäncnetats. Ab. Weißermel(k.): Wir sind durchaus dafür, daß in den Ge- bieten mit überwiegendem Großgrundbesitz die Domänen zur inneren Ansiedelung verwendet werden und verwahren uns gegen alle Mißdeutungen unserer Freundschaft für die innere KolonU stition mit Vernunft und Vorsicht.(Beifall rechts.) Abg. Heine(natl.) ist mit der Domäncnbewirtschaftung zu- frieden, wünscht innere Kolonisation und hält am Schutzzoll- syst cm fest. betreiben. I Abg. Dr. Arniug(natl.): Wir wollen natürlich nicht den ganzen Großgrundbesitz aufteilen. Aber die Domänen muffen zur inneren Kolonisation herangezogen werden. Abg. Leinert lSoz.): Unsere Wirtschaftspolitik ist nur dem Großgrundbesitz zugute gekommen. Die Staatsdomänen aber machen eine Alts- nähme, denn sie werden»ach wie vor viel zu billig ver- pachtet. Die Domäne Blumeuberg in.der Provinz Sachsen   ist für 25.70 M. pro Morgen verpachtet worden. Der Domänenpächter aber verpachtet ileine Parzellen weiter für 00 M. den Morgen.(Hört! hört!) bei den Sozialdemokraten.)