Unechört I) Die erste Zulage erfolgt erst nach drei Jahren lHvrtl hört!), und zwar beträgt sie ganze 10 Pf. pro Tag, und steigert sich bis zum achten Dienstjahre um weitere 10 Pf. pro Tag, also auf durchschnittlich 3.30 M. Unter derartigen elenden Löhnen sZuruf bei den Sozialdemolraten: Hungerlöhne I), ja wahrlich, es sind Hungerlöhne, mit denen 34000 Postboten ihr Leben fristen müssen; bleiben diese Löhne doch an verschiedenen Orten hinter dem ortsüblichen Tagelohn zurück.(Hört I hört I) Jede inständige Stadtverwaltung bezahlt ihre Straßenkehrer besser.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Daß mit solchem Zohn auch die notdürftigsten Lebensbedürfnisse nicht bestritten werden können, ist ja ganz selbstverständlich, besonders, wenn der Postbote verheiratet ist.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) In der 'ummisfion sagte der Staatssekreiär, die Postboten seien in der iegel unverheiratete junge Leute. Nach der Statistik der leichspostverwaltung selbst aber sind von 34121 Postboten 26,4 Proz., ilso über die Hälfte, verheiratet.(Hört! hört!) Die Post- oei waltung würde ja wohl am liebsten die Postboten zum Zölibat wingen, und auch heute schon ist es für Postboten ein besonderes Bagnis, sich zu verheiraten, denn geraten sie dabei in Schulden, so oufen sie Gefahr, überhaupt nicht ctatsmäßig angestellt zu werden. Vielleicht beruft sich der Staatssekretär wieder darauf, daß sich trotz- dem eine erhebliche Anzahl Personen zum Postdienst meldet. Wenn «ber Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften für die Entlohnung ei der Post maßgebend fein soll, warum gilt dann dieser Grundsatz nicht auch für die h ö h e r e n und h ö ch st e n D i e» st st e l l e n, wo der Andrang bekanntlich sehr groß ist.(Sehr gut! bei den Soz.) Auch sollte man uns mitteilen, wie die Zahlen der Bewerber sich auf die einzelnen Postbezirke verteilen. Daß in agrarischen Bezirken eine große Anzahl von Landarbeitern der jämmerlichen Bezahlung und miserablen Behandlung durch die Junker die Post immer noch als kleineres Uebel vorziehen, ist begreiflich.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Gewiß werden sich auch in den Städten viele Arbeitslose melden, denn in der Not frißt der Teufel Fliegen, auch Reservisten, die von den Dienstverhältnisien bei der Post keine genaue Kenntnis haben. Tatsache ist aber auch, daß z. B. im westlichen Industriegebiet sich seit Jahren ein e r- heblicher Mangel an Bewerbern geltend macht, so daß man nur mit großer Mühe den Erholungsurlaub usw. hat durchhalten können. Die Arbeitsnachweise haben sogar versagt und ii einem Falle hat man aktives Militär heranziehen müssen, im die Verkehrsschwierigkeiten bewältigen zu können. Auch hier in Berlin besteht Mangel an geeignete, n Personal. Das hat z. B. nne Gerichtsverhandlung bewiesen, bei der ein Aushelfer wegen Unterschlagung verurteilt wurde, der bei seiner Einstellung in Lichten- berg lediglich gefragt wurde, ob er lesen und Briefe aus- tragen könne. Wie leicht übrigens Postangestellte infolge schlechter Bezahlung in Versuchung konimen, Straftaten zu begehen, zeigt ein Fall in Schlesien , wo ein Postbote wegen Unter- schlagung zu vier Monaten verurteilt wurde, der mit einem Gehalt von 1,80 Mark pro Tag angestellt war.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Mit Recht kann man hier sagen:„Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt Ihr ihn der Pein".(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Wir haben daher eine Erhöhung der Tagegelder der Po st boten um 10 Prozent beantragt. Die Kommission hat dem zugestimmt, hoffentlich tritt der Reichstag diesem Beschluß bei. Hier muß in allererster Linie durch Erhöhung der betreffenden Etattitel eingegriffen werden, um die schreiendste Notlage dieser Post- angestellten zu beseitigen. Die Po st Unterbeamten haben jetzt 1100—1700 M. Nach der vorliegenden Resolution sollen sie 1200 bis 1800 M. erhalten. Das hat der Reichstag schon 1309 gefordert. Bei der seitdem erfolgten enormen Verteuerung des ge- sainten Lebensunterhaltes hätten wir Sozialdemokraten eS für gerechtfertigt gehalten, diese Sätze jetzt zu erhöhen, um aber eine einmütige Entscheidung des Reichstages herbeizuführen, haben wir von eiyem solchen Antrage Abstand genommen. Bei den Unterbeamten handelt es sich durchschnittlich um fünfköpfige Fgmilien, das Höchstgehalt wird erst mit 21 Dienst- jähren meist nach Vollendung des SO. Lebensjahres erreicht. Auch unter diesen Beamten herrscht eine wahre Not- läge. Nach einer HauShaltsrechnung, die ich in einer Zeit- schrift für Postbeamte gefunden habe, kämmen die Postunterbeamten mit ihrem Gehalt auch bei der bescheidensten Wirtschaftsführung, wobei von Fleisch, Eiern, Butter, Ausgaben für belehrende oder ge- sellige Zwecke überhaupt keine Rede ist, nicht aus. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch die Regelung des Wohnungsgeldzuschusses für die unteren Beamten Ichlägt allen vernünftigen sozialen Grundsätzen ins Gesicht. Für diese fünfköpfigen Familien hat man zweieinhalb Zimmer zur Grundlage genommen, bei den mittleren Beamten mit durchschnittlich zwei Kindern viereinhalb Zimmer und für die unverheirateten Postgehilsen drei Zimmer. Das ist um so unsinniger, als bekanntlich die Mietsausgabe bei kleinem Ein- kommen verhältnismäßig am größten ist. Die Kommission schlägt Kinderzulagen vor, wir werden dieser Resolution beitreten. Am besten sollte man sie verwenden mit dem Wohnungsgeldzuschuß. Auch durch die OrtSllasseneinteilung sind besonders die Unterbeamten in den Orten schwer betroffen, wo es sich um besonders teure Lebens- Verhältnisse handelt, wie z. B. in E l b e r f e l d- B a r m e n. Man sagt,-es gibt viele Arbeiter, die noch viel weniger verdienen. Das beweist aber nur, unter welch elenden Verhältnissen d'i e s e A r bZe i t e r lje b e n(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) und wie sträflich der Versuch ist, diesen Arbeitern das Koalitions- recht und damit die Möglichkeit zu rauben, sich aus diesen Verhält- nisten herauszuhelfen.... Eine Regierung, die ihren Beamten jede Möglichkeit der Selbsthilfe nimmt, und die eine WirtschaftS- Politik betreibt, durch die die Preise der Lebensmittel immer mehr gesteigert werden, kann sich nicht darauf berufen, daß es noch Ar- beiter gibt, die schlechter bezahlt werden, als Unterbeamte. Der Land wirtschaftS mini st er hat noch kürzlich mit kaltem Blute gesagt, das Publikum müsse sich daran gewöhnen, für Lebensmittel mehr auszugeben, als bisher. Dann muß sich aber auch die Regierung daran gewöhnen, ihre Arbeiter und Beamten so zu bezahlen, daß sie bei diesen Wucherpreisen sich mit ihrer Familie einigermaßen menschenwürdig durchs Leben schlagen können.(Sehr gut! bei den Sozial- demokraten.) Wie die Unterbeamten zu diesen Dingen stehen, beweist der Beschluß des Berbandstages der unteren Post- und Tele- graphenbeamten vom September vorigen Jahres, worin eS heißt: Der Verbandstag beklagt auf das tiefste, daß zur Beseitigung der wirtschaftlichen Notlage dieser Beamten bisher noch nichts g e j ch e h e n ist. Er richtet erneut die dringende Bitte- an die gesetz- gebenden Körperschaften des Reiches, durch sofortige Bereitstellung ausreichender Mittel zur Gewährung einer allgemeinen Notstandszulage die Gefah« einer Unterernährung und der immer weiter um sich «reifenden Verschuldung abzuweisen. (Hört! hört l bei den Sozialdemokraten.) Der Reichstag sollte da- her die zur Durchführung der Zulagen notwendigen Mittel in den Etat einstellen, wie das die Kommisston vorschlägt. Wir werden aber der Assistentenzulage nur dann zustimmen können, wenn die Annahme der Zulage für die Postboten und Unterbeamten gesichert ist. Der Staatssekretär sieht in jeder Aenderung des Besoldung?- qesetzes die tausendköpfige Hydra aussteigen. Das ist Ge- spensterseherei. Es handelt sich hier lediglich um die Einlösung alter Verpflichtungen, um eine Ehrenpflicht des Reiches, denn eS ist 1309 allseitig erklärt worden, daß, wenn sich Härten bei der Durchführung deS Besoldungsgesetzes ergeben sollten, sie immer noch beseitigt werden könnten. Man hat auch von der Rückwirkung auf dre Bundesstaaten gesprochen. 1309 aber ist Preußen selb- ständig vorgegangen und hat dem Reiche seinen Willen aus- L?dWpgt. lUbrigwS sind in Württemberg , in Hamburgund Bremen die Unterbeamten viel besser g e st e l l t. Es handelt sich hier um eine schwere Schuld der Parteien von- den Konser- vativen bis zu den Nationalliberalen und der Regierung.(Sehr richtig! bei den Soz.) Leider hat der Schatzsekretär in der Kommission eine ganz nichtssagende Erklärung in dieser Frage ab- gegeben. Von deni Widerstand der Regierung gegen diese Forde- rung der Beamten zeugt auch die Behandlung, die man den Ein- gaben der Unterbeamteu hat zuteil werden lasten. Auch die„Kon- servativen Mitteilungen", das Zentralorgan der konser - vativen Partei in Deutschland , haben in ihrer Nummer vom 12. Oktober vorigen Jahres von Teuerungsgeschrei der Unterbeamten und von ihrem unbilligen Verlangen nach Zulagen gesprochen.(Hört! hört! bei den Soziald.) Das ist das Organ derselben Leute, die nicht genug über ihre angebliche Notlage schreien können und sich selbst auf Kosten des Volkes ihre Taschen füllen. Aber der Wink des Junkerorgans hat bei der Negierung seinen Zweck nicht verfehlt. Sie hat eine hochnotpeinliche Untersuchung eingeleitet, um die Vertrauensmänner des Vereins der Unterbeamten bei den einzelnen Behörden zu er- Mitteln.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Und der Reichskanzler soll allen oberen Reichsbehörden Anweisung gegeben haben, Eingaben der Unterbeamten nicht nur nicht statt- zugeben, sondern sie überhaupt nicht zu beant- warten.(Zuruf: Unerhört I bei den Sozialdemokraten.) In ihrer Sjotlage würdigt die Regierung die Beamten keiner Ant- wort, aber bei Wahlen sucht man durch Kundgebungen und Er- lasse die Beamten zu zwingen, diese Regierungspolitik zu unter- stützen. Das ist der Gipfel hochnäsiger Bureaukratie. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Präsident Dr. Kacmpf: Dieser Ausdruck ist unparlamentärisch. Abg. Ebcrt(fortfahrend): Wenn eS an Geld mangelt, soll die Regierung mit der Besitz - st e u e r herausrücken. Der Reichstag wird sie gern bewilligen.(Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Aber es scheint mir an der nötigen Homogenität oder dem erforderlichen Mut zu fehlen. Eni« gegen dem Willen des Reichstages geschieht nichts für die Besser- stellung des Personals, wohl aber werden, auch entgegen dem Willen des Reichstages, die Ost markenzulagen wieder eingestellt. Wir werden sie nach wie vor ablehnen, wir verlangen statt dessen eine allgemeine Besserstellung der unteren und mittleren Postbeamten.(Sehr richtig!) Der Staatssekretär braucht also seinem gepreßten Herzen hier nicht Luft zu machen, sondern dem Bundesrat klar machen, daß er dieser Resolution zu- stimmen muß; daß würden die Beamten im ganzen Reich freudig begrüßen.(Zustimmung.) Auch bei den Verhältnissen der Telegraphenarbeiter ist kein Fortschritt zu verzeichnen, obwohl es sich um recht be- scheidene Forderungen handelt; über die Einrichtung einer Pensions- kasse ist uns eine Denkschrift versprochen, hoffentlich bedeutet das keine Ablehnung. Die Anrechnung der Arbeiterjahre auf das Be« soldungSdienstalter, der Ausbau der Arbeiterausschüsse sind ab- gelehnt, wir halten an dieser durchaus berechtigten Forderung fest. Noch ein paar Worte über die staatsbürgerlichen Rechte der Postbeamten und Arbeiter. Mit juristischen Finesse» sucht die Postverwaltung dieses Recht ihrer Beamten und Arbeiter zu erdrosseln. Wer das gutheißt, kann in den Beamten keine Männer von überzeugendem Charakter erblicken, sondern drückt sie u Heloten und willenlosen Sklaven herab.(Sehr wahr!) Das ist EerroriSmuS in schlimm stet Form. Nirgends kommt die Menschenwürde so sehr in Gefahr, als bei den Beamten und Staatsarbeitern. Wir haben diese Politik immer bekämpft und werden sie auch weiter bekämpfen. Auch die Staatsarbeiter und Beamten sind nicht Bürger zweiter Klaffe, und alle Versuche, ihnen die staatsbürgerlichen Rechte zu nehmen, sind nichts anderes. als Akte rechtswidriger Willkür. (Präsident K a e m p f ruft den Redner wegen dieses Ausdrucks zur Ordnung.) Wie die Beamten sich zu den Parteien und zur Sozialdemokratie stellen, geht lediglich sie selbst an, wer sie an der freien EntWickelung hindert, der scheint kein reines Gewissen zu haben, der scheint ihre Entscheidung zu fürchten, und erzielt nichts weiter als Gesinnungslumperei.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Mit solcher Politik werden Sie die Sozial- demokratie nicht schädigen. Vom Parteistandpunkt aus betrachtet, könnten wir uns mit der Postpolitik abfinden; denn der Staats- sekräter und seine Politik sind, wenn auch wider Willen, unsere besten Propagandisten unter dem Postvolk. Unter diesem Gesichtspunkt bettachtet, find Sie ein Teil von jener Kraft, die das Böse will und doch das Gute schafft.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Reichsschatzsekretär Kühn: Die von der Budgetkommission be- schlostenen Zulagen können nicht ohne weiteres in den Etat ein- «estellt werden. Der Reichstag kann nicht einseitig neue lositionen in den Etat einstellen oder bestehende Positionen erhöhen. Bisher hat er auch stets solche Wünsche in der Form von Reso- lutionen vorgebracht, über die dann zwischen der zweiten und dritten Lesung eine Verständigung erfolgen konnte. Ueber die staatsrechtliche Seite der Frage brauche ich jetzt wohl kaum zu sprechen; materiell hat der Bundesrat zu den Wünschen der Budgetkommission noch nicht Stellung genommen. Abg. Dr. Hegenscheidt(Rp.): Eine Besterung der Verhältnisse der unteren Beamten könnte erreicht werden, wenn die höhere Postkarriere gesperrt und die mittlere möglichst beschränkt würde dann könnte unten ein stärkeres Aufsteigen stattfinden. Ueberhaupt sollte die alte Stephansche Organisation, die den Beamten das Aufsteigen so außerordentlich erschwert, beseitigt werden; durch«inen frischen Luftzug sollte den tüchtigen Krähen das Aufsteigen erleichtert werdqi, sowohl bei den höheren, mittleren und unteren Be- amten. Ersparnisse müssen wir auch in Zukunft zu machen suchen, allerdings nicht beider O st marken zutage. Die Beamten in den Ostmarken haben geglaubt, einenJSistpnich auf diese Zulagen erworben zu haben.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: das war Aberglaube.) Die Resolutionen der Kommission, die ja sämtlich eine Besserstellung der Beamten wünschen, bitte ich anzunehmen. Abg. Windeck (Lothr.) begründet eine Resolution auf Gleich- stellung der in Elsaß-Lothringen beschäftigten Post und Telegraphen- beamten mit den Beamten der Betriebsverwaltung der Reichs« eisenbahnen in bezug auf die Gewährnng nicht penfionsfähiger Zuschüsse. Abg. Werner-Gießen(Antis.) bedauert die Ablehnung der Ost- Markenzulagen in der Kommission und loendet sich gegen die weitere Einstellung von Frauen in den Postdienft. Die Be- förderungsvsrhältniste der mittleren Beamten bedürfen der Ver- besserung. Die Telearaphenmechaniker wünschen eine Uniform; ich bitte, diesen Wunsch in wohlwollende Erwägung zu ziehen. Auch die Verhältnisse der Postagenten bedürfen besondere Berücksichtigung, ebenso wie die der Landbriesträger, der Postbolen, der Postillione, der Post- und Telegraphenarbeiter. Die weitere Debatte wird vertagt auf Freitag 1 Uhr. Schluß 7 Uhr._ Mgeorcinetenbaus. 131. Sitzung. Donnerstag, den 13. Februar 1313. vormittags 11 Uhr. Am Mimsterfisch: v. Breitenbach. Der Präsident verliest die Danktelegramme der kaiserlichen familie für die Glückwünsche des HauseS zur Verlobung in arlsruhe.„ Der Bauetat. E i n z e l b e r a t u n g.- Vierter Tag. In der Debatte werden zunächst K a n a l i s a t i o n s f r a g e n behandelt; eia dazu gestellter Kommissionsantrag wird ange- nommen. Der Neubau des Opernhauses in Berlin . Im Etat sind 100 000 Mark für die Vorbereitungsarbeiten auS« geworfen. Die Budgetkommstion beantragt Bewilligung unter folgenden Bedingungen: Bei der Ausarbeitung deS Entwurfs find die Ergebniste auS sämtlichen neuerlichen Jdeenwettbewerben. ins« besondere diejenigen Jdeenskizzen zu berücksichtigen, welche von der Akademie des Bauweiens als bemerkensivert bezeichnet sind. Zur Aufstellung des Bauentwurfs soll ein freier Künstler noch herangezogen und für die städtebauliche Gestaltung des Königs- Platzes ein allgemeiner Wettbewerb der Künstler« f ch a f t ausgeschrieben werden. Abg. Frhr. v. Malyahn(f.): Die Presseerörternngen über die Verhandlungen der Budgetkommission zur Opernhausfrage gehen vielfach von falschen Voraussetzungen auS. Mit einem allgemeinen Wettbewerb hätten wir auch nicht mehr gewonnen, als mit dem ersten Wettbewerb, an dem sich die große Mehrzahl der deutschen Künstler beteiligt hat. Die Platzsrage ist noch nicht endgültig ge- klärt. Es komnit nicht nur der K ö n i g ö p I a tz in Betracht, sondern z. B. auch das Ka st anien Wäldchen mit dem Finanzminister- Palais. Eine llntergrundbahuverbindung ist für das neue Opern- Haus notwendig. Die Mitarbeit des freien Künstlers soll sich auf die Ministerialarbeiten über den Innenausbau, die feuerpolizeilichen Rücksichten und die von der Intendanz gestellten Forderungen be- ziehen. Bevor wir die erste Baurate bewilligen, werden wir ein- gehend prüfen, ob der Bauentwurs unseren Ansprüchen genügt. (Beifall.) Abg. Roseno«(Vp.): Wir nehmen gern teil an den Vor- bereitungsarbeiten und bedauern keineswegs, im vorigen Jahre mit dazu beigetragen zu haben, daß ein allgemeiner Künstler- Wettbewerb für dieses bedeutsame Werk stattfindet. Wir er- warten, daß der zur Mitwirkung heranzuziehende freie Künstler ein hervorragender Künstler sein und den nötigen Einfluß haben wird. Ambesten wäre es selbstverständlich, das Opernhaus an einem zen- tralen Punkt zu errichten, aber es muß eben mit den tatsächlich bestehenden Verhältnissen gerechnet werden. Der Schloßplatz wäre ja sehr gut geeignet, aber bei den großen finanziellen Schwierig» ketten wird vorläufig am Königsplatz festzuhalten sein. Wir behalten uns da völlig freie Hand. Freilich, die gefahrvollen Zustände des jetzigen Opernhauses müssen sobald als möglich beseitigt werden. Die Stadt Berlin würde wohl ihre Untergrundbahn Moabit- Neukölln an ein auf dem Krollterrain errichtetes Opernhaus heranführen und auch sonst trotz der schlechten Behandlung, die es erfährt, alles Entgegenkommen beweisen. Das neue Theater in Stuttgart sollte man sich in baulicher Beziehung zum Muster nehmen. Hoffentlich wird im Zusammenwirken der Regierung mit den Künstlern ein Tempel der Kunst geschaffen, der ein Wahrzeichen für lange ist.(Beifall links.) Abg. Giemsa<Z.): Der jetzt eingeschlagene Weg sichert die nötige Freiheit und Entfaltung der künstlerischen Ausgestaltung. Wir machen unsere weiteren Entschlüsse davon abhängig, daß uns der Entwurf gefällt und die Stadt Berlin sich angemessen beteiligt. � Abg. v. Bülow-Homburg(natl.) hätte einen allgemeinen Weit- bewerb am liebsten gesehen. Warum sollte sich Berlin eigentlich beteiligen, wo doch hier schon eine Anzahl Opernhäuser bestehen? Aber vielleicht kann doch auch dieser Wunsch erfüllt werden. Abg. Borster(ftk.): Wir stimmen der Resolution zu. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Die große Beteiligung der Künstler an dem sogenannten Wett- bewerb im vorigen Jahr hat gezeigt, welch' großes Interesse an dieser Frage vorhanden ist. Es läßt sich nicht bestreiten, daß die vorgelegten Skizzen zahlreiche Anregungen geben und trotz der drückenden Bedingungen Fortschritte zeigen, sowohl in der Richtung der Lösung praktischer Probleme als auch in ästhetischer Beziehung. Die praktische Aufgabe war zugleich eine un- praktische, nämlich ein Hoftheater zu bauen, das gleich- zeitig in gewissem Sinne ein Volkstheater sein soll, denn der Hof kann es nicht allein ausfüllen, auch nicht erhalten, jedenfalls will er das nicht. So besteht ein offener innerer Riß, der ja von vornherein auch von Künstlern hervorgehoben worden ist. Den Künstlern wird von der Staatsregierung aufgegeben, praktischen Zwecken dienende Anbauten, Amtshäuier, Restaurationsgebäude u. dergl. vorzusehen, was auch ein Widerspruch gegen den künstlerischen Zweck ist. Es ist unbegreiflich, daß die Staatsregierung der einmütigen Zurückweisung dieses Verlangens durch die Künstler und das Haus zum Trotz es doch aufrecht erhalten hat. Im übrigen hat unsere Zeit sehr wenig den Beruf, ein fertiges architektonisches Kunstwerk ersten Grades zu schaffen, wie sie allerdings umsomehr den Beruf hat, in der Technik das höchste zu leisten. Die technische Lösung wird gelingen, ob aber die künstlerische, ist sehr die Frage. Die bisher vorliegenden Entwürfe genügen auf keinen Fall, es müssen neue eingefordert werden. Wir brauchen die Sache nicht über das Knie zu brechen, besser ein Jahr später mit der Ge- schichte anfangen, als ein unvollendetes unausgegohrenes Werk hin» stellen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die P l a tz f r a g e ist organisch verbunden mit der Frage der inneren und äußeren Ausgeftalwng. Die Ueberzeugung ist jetzt Gemeingut, daß man Gebäude nicht einfach wohin setzen und als für sich abgeschlossene Dinge bettachten kann. Sie müssen in die gesamte architektonische und � landschaftliche� Umgebung ein» gegliedert sein. Der Königsplatz wäre die beste Lösung. Soll man denn die Tatsache, daß es sich um ein königliches Theater handelt, noch mehr hervorheben, indem man es so unmittelbar an das königliche Schloß anklebt, wie es von gewisser Seite gewünscht wird? Ueber eine Heranziehung der Stadt Berlin zu den Kosten hat Herr Rosenow bereits das Nötige gesagt. Eine Stadt wie Berlin , mit einer Bevölkerung von über zwei Millio- nen. hat allerdings große künstlerische und ästhetische Aufgaben zu erfüllen, aber in erste, Linie für die großen Massen der Berliner Bevölkerung, denen die königliche Oper durch teure Plätze verschlossen ist. Für das königliche Opernhaus haben andere Faktoren zu sorgen.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Aber trotz deS Hofcharakters dieses Theaters wünschen wir, daß es vollendet gestaltet werde. Wir lassen uns dabei nur von künstlerischen Interessen leiten und wollen deshalb alles tun, um das Werk zu fördern. Aber zu den Aufgaben Berlins gehört eine Beteiligung am königlichen Opernhaus nicht. Der Vorschlag der Budgetkommission ist eine Halbheit und bedeutet nichts. Es wird alle« in die Hände der Regierung gelegt und die Berücksichtigung der von der Akademie für daS Bauwesen als bemerkenswert bezeichneten Entwürfe ist ein enger bureau- kratischer Standpunkt. Man sollte einen nochmaligen Wett- bewerb eintreten lassen und braucht nicht zu befürchten, daß sich die besten Künstler daran nicht wieder beteiligen würden. Warum sollten sie nicht auf Grund eines verbesserten Programms oder größerer Freiheit neue Skizzen einreichen, an sich arbeiten, wie eS unsere besten Künstler immer getan haben? Es ist noch nicht aller Tage Abend, es könnte noch etwas gut gemacht werden, allerdings auf dem Wege, den Sie jetzt beschreiten, kann nichts Gutes heraus- kommen.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Cassel(Vp.): Die Stadt Berlin braucht gar nichts dazu zu geben, denn vvn den Besuchern des Opernhauses werden aus den westlichen Vororten mindestens ebenso viele sein, als aus Berlin . Wir werden alle Opfer bringen, die wir als Residenzstadt verant- Worten können, aber mehr nicht. Der Kommissionsantrag wird gegen die Sozialdemokraten an- genommen. Nach kurzer unwesentlicher Debatte wird der»Bauetat er- ledigt und ohne Debatte die zwei Millionen Mark für Bauten auf der Berliner Museumsinsel bewilligt. Der Etat der Zölle und indirekte» Steuern. Abg. Bartscher(Z.): Die Reichswertzu wachssteuer ist ganz schlecht, verteuert Grund, Boden und Mieten und erzeugt eine Unmenge Prozesse, weg mit ihr! Dafür sollte die Umsatz- st e u e r erhöht werden. Die Besteuerung de» Grundbesitzes mit Stempelabgaben usw. ist schier unerträglich. Abg. Dr. Pachnicke(Bp.) verweist auf den Borschlag eines hervor-
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