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etatS auf» neue bewiesen. Im Mittelpunkt der Debatten stand der Fall Traub. Vorher allerdings fühlte sich Herr Cassel bemüßigt, in einer scharfen Polemik gegen unseren Genossen Hdffmann zu zeigen, daß der Zelotismus der Juden genau so abstoßend wirkt wie der Eifer der katholischen und der evangelischen Geistlichkeit. Worauf es Hofsmamr bei seiner Kritik ankam, hat Caflel immer noch nicht begriffen, und er wird e-Z wohl auch kaum begreifen, weil er ge- flissentlich um den Kern der Sache herumgeht. Herr Cassel glaubt, weil sich für ihn selbst alle? um seine eigene Person dreht, habe auch Hoffmann es einzig und allein auf persönliche Angriffe gegen ihn. noch dazu gegen ihn als Juden, abgesehen. Nichts falscher als diese Annahme. Was unser Redner treffen wollte, war- die de- und wehmütige Art. wie eine gewisse Sorte von Juden sich nicht scheut, denselben Staat, der sie um ihres Glaubens willen als minderen Rechts betrachtet, um Geldmittel anzubetteln. Dieser Mangel an Selbstgefühl und Stolz verdient die schärfste Kritik, und daß die Hoffmannsche Kritik angebracht war, unterliegt für vorurteilslose Menschen keinem Zweifel. Mag sich Herr Cassel in seinem Schmerz über die wohl- verdienten Hiebe Trost holen bei dem konservativen Vorkämpser der Orthodoxie, dem Abg. W i n k l e r, der ihm ritterlich zur Seite sprang. Bei der Beratung des Falles Traub, der von dem National- liberalen Dr. v. Campe angeschnitten wurde, stellte sich der Kultusminister völlig auf die Seite der kirchlichen Behörden, er verneinte die Notwendigkeit, irgend etwas an den Bestimmungen über das kirchliche Disziplinarverfahren zu ändern. Ihm pflichtete Abg. Hecken roth(I.) unter allerlei, einer Denunziation verteufelt ähnlichen Angriffen auf die Profefforen Baumgarten und Harnack bei, während Abg. Runze(Vp.Z das Verfahren gegen Traub als ein mittelalterliches Geheimverfahren bezeichnete und Genosse Liebknecht   die Grundursache in dem illiberalen Kirchen- regiment in Preußen erblickte. Bei einem späteren Kapitel setzte dann noch eine kleine Jesuiten  - debatte ein, bei der Genosie Hoffmann die Nationalliberalen wegen ihrer Furcht vor der Aufhebung des Jesuitengesetze« mit gutem Humor abführte. Freitag: Fortsetzung._ Ans der sozialdemokratischen Reichstagsfrattio». Die Fraktion bestimmte in ihrer Sitzung am Donnerstag als Redner für die Militärvorlage die Genoffen Haase, Scheidemann  und Dr. Frank.___/ Ungültige Reichstagswahl. Der Wahlkreis Zauch-Belzig-Jiiterbog-Luckenwalde hat eine Nachwahl vorzunehmen, da heute der Reichstag die Wahl des Reichsparteilers Ulrich von Oertzcn für ungültig erklärt hat, weil 412 Wähler der Heilstätte Beelitz   sowohl vom Magistrat als vom Landrat und Regierungspräsidenten   bon der Wahl ausgeschlossen worden sind. Die Aussicht, den Wahlkreis zu erobern, ist für uns recht günstig, denn bei der letzten Hauptwahl erhiett unser Kandidat Ewalds 13 367, der Reichspartetler 11 044, der Freisinnige 9226 Stimmen. Nur dadurch, daß bei, der Stichwahl der größte Teil der Freisinnigen für den Herrn v. Oertzcn stimmte und ferner die oben erwähnten 412 Wähler nicht zur Wahl zugelassen wurden. erlangte letzterer mit 16 942 gegen 16 682 Stimmen das Mandat. Die Konservative» und das Wahlumengesctz. Das dem Reichstag zugegangene Wahlurnengesetz, das, wie wir bereits gestern mitteilten, eine bestimmte Größe und Gestalt der Wahlurnen vorschreibt, macht zwar nicht die Verletzung des Wohl- geheimuisses und die Wahlfälschung durch die Wahlvorsteher und Wahlbeisitzer völlig unmöglich, erschwert aber immerhin diese Ver- gehen. Es ist daher begreiflich, daß das Gesetz bei den Konservativen wenig Beifall fflldet, denn fast immer sind e» bisher konservative Wahlvorsteher gewesen, die da« Wahlgeheimnis verletzt haben, um an jenen abhängigen Personen, die nicht den ihnen bezeichneten lonser- vativen Reichstagskandidaten wählten, in niederträchtigster Weise ihren Aerger'auszulassen. Die ehrsameDeutsche Tageszeitung" leistet sich sogar allerlei alberne Witze über die Wahlurnen; Witze, die, ihrer Witzlosigkeit nach zu urteilen, kaum von jemand anders fabri- ziert sein können, als hon dem sächselnden ütgermanischen Poeten, der sonst gewöhnlich zur Kennzeichnung semer geistigen Verfassung die bekannte Drei-Sternen-�ognakmarke benutzt. Das Bündlerblatt schreibt: .Wie wir in der Morgennummer mitteilten, ist dem Reichs- tage der Entwurf einer Bekanntmachung über eine Abänderung der Wahlvorschristen zugegangen. Danach sollen künftig zum Hinein- legen der Stimmzettel verdeckte viereckige Gesäße an den Wahl- vorstandttisch gestellt werden, die mindestens 00 om hoch und je SS ow lang und breit sind. Der Enttvurf nennt diese Gefäße .Wahlurnen" und tut damit der deutschen Sprach eTS e- walt an. Es handelt sich tatsächlich nicht um Urnen, sondern umKisten von absonderlicher Ge st alt. Wenn man grob sein wollte, würde man vielleicht sagen können, daß die Form dieser Kisten einigermaßen an den Nacht stuhl erinnert. Infolgedessen passen sie nicht übel zu der Wahlzelle, die von bösen Menschen bekanntlich.Wahlklosett" genannt wird. Wir können beim besten Willen diese neue Wahlkiste nicht völlig ernst nehmen. Diese Art von Sicherung des Wahl- geheimnisses muß denn doch einen lächerlichen Eindruck machen. Natürlich haben wir nichts dagegen und sind durch- aus nicht geneigt, diese wundersame Neuerung als Haupt- und Staatsaktion zu behandeln. Daß dos Reich die Kosten tragen muß, halten wir sür selbstverständlich: den Gemeinden können sie nicht zugemutet werden. Wir lassen aber dahingestellt, ob es zweckmäßiger sei, die Kisten selbst zu, liefern oder den Betrag von 4,60 M. in barem Gelde. Die Wahllisten sollen verständigerweise nicht auf den Tisch, sondern daneben gestellt werden. Nähere Bestimmungen über den Ort sind nicht getroffen worden. Das ist eigentlich bedenklich, denn auch die Wahl des Ortes könnte' vielleicht die Sicherung des Wahlgeheimnisses gefährden. Vor dem Be- ginne der Wahlhandlung hat der Wahlvorstand festzustellen, daß die Höhe, die Breite und die Tiefe der Wahlkiste den Vorschriften entspricht. Auch hier sollte doch eigentlich eine gewiffe Sicherheit geschaffen werden, daß nicht boshafter Weise falsche Maße an« gewendet werden. Es wird schließlich dem Reiche nichts übrig bleiben, als auch dtete Maße zu liefern!" Freilich, in einer Hinsicht hat das Bündlerblatt recht: das Gesetz genügt nicht. Soll der konservativen Verletzung de? Wahlgeheim- niffeS vorgebeugt werden, dann müßte in daS Gesetz die Be- stimmung Aufnahme finden, daß jede solche Verletzung mit Zuchthaus bestraft wird.___ Die Behörden können auch schnell arbeite«. Viele Monate wartet die-Bolksfürsorge' auf die Genehmigung ihrer Statuten durch die Aufsichtsbehörde. Anfang März be- schloß der schlesische Provtnziallandtag, eine ausgesprochene Junker- Versammlung, als Gegengewicht die Gründung einer Volksversiche- rung durch die Schlesilche Provinzial-Lebensversicherungsanstall, und schon am 2 6. März, also nach drei Wochen, war diese anti- sozialdemokratischr Gründung genchmtgt, und am 2g. März konnten die evangelischen Arbeitervereine die erste Propaganda für diese »Bolksversicherung" in die Wege leiten. Da sage noch einer, die Behörden arbeiten langsam; sie können auch sehr schnell arbeiten, Doppelzüngigkeit. ES gibt zwei Sorten von Zentrumsblättern: die.diplomatischen". die den Weisungen der Verantwortlichen Parteiführer folgen und die offizielle Parteipolitik in Reich und Staat unterstützen und die Naturburschen im Zenirumspreßlager, die ab und zu noch den Mut besitzen, zu sagen, was sie denken, ohne Rücksicht aus die politischen Folge». Die erstere Sorte erscheint meist in den größeren Städten, wo sie den sozialdemokratischenNörglern" undVaterlandöseinden gegenüber die opferwilligen Pateutpatrioten spiell: die letztere in den kleineren Ortschaften, wo man nochvollstümlich" reden, gelegentlich, loenn's zu dick kommt, sogar einmal ordentlich schimpfen darf- So wird nach oben hin der.staatserhaltende" Charakter der schwarzen Partei gewahrt und nach unten die unerschrockene Volks- und Oppo sitionspartei gemimt. Ein ti�fflicheS Beispiel für dieses Doppelgesicht und die Doppel- zllngigkeit der Partei fürWahrheit und Recht" bieten, wie unser Mannheimer   Parteiorgan nachweist, zwei badische Zentrumsorgane in ihren Aeußsrungen zu den neuen Rüstungsvorlagen und ihrer Deckung. ES sind die beiden klerikalen Organe von Mannheim   und Lahr  , dasMannheimer   Volksblatt" und derAnzeiger für Stadt und Land". Hier ihre Aeußerungen: . Anz. f. Stadt u. Land Erst sollten nur die Vermögen über 50 000 M. daran glauben. Das war ein Bluff. Jeder Fort bildungSschüler weiß schon, daß die Vermögen von der Hohe so heikle Schwänze haben, daß sie zum Geldschwitzen nicht einzusaugen sind. Dann gings auf IS 000 M. herab Erzberger   meint imTag", daß die unter 6000 M.kaum" her beigezogen werden: und jetzt liest man schon, daß die mit 4000 M. zum Teil schon blechen müssen. Schließlich wird die Vermögens« abgäbe auch wieder eine Ab gäbe der Nichtvermög- Ii che». Freue dich, Kleingütler! Dein Haus mit zwei Kühen und fünf Hühnern ist wenigstens beim Steueramt 4000 M. wert; Lehrer, Beamte. Geistliche, auch ihr höbt eine HauSeinrichtung, Viblioihek alles in allem wohl auch 4000 M. wert! Freut euch, ihr dürft eure Bettelpfennige auf denAltar des Vater- landes" legen und die Panzerplatten-, Kano- nenerzeuger usw. stecken sie tiefgerührt inihren unergründlichen Sackl Die Parole der nächsten Jahre für den Reichstag und die Landtage der Bundes- staaten wird lauten:Steuern, Steuern!" Eine dankbare Arbeit für unsere Abgeordneten! Am 24. Februar 1892 hat Wilhelm II  zu seinen Untertanen gesprochen Herrlichen Tagen führe ich euch noch entgegen." Jetzt wissen wir aber wirtlich nicht: sind die herrlichen Tage" schon wieder vorbei oder kommen sie erst?" ES ist äußerst heiter, zu sehen, wie der schwarze Naturbursche in Lahr   alles das glatt widerlegt, was sein Prehbruder im Diplomaten"-Organ von Mannheim   über die sozialen Wirkungen der famosen DeckungSsteuern sagt. Einer von den beiden kann natürlich nur recht haben. Es ist also entweder dievolksfreund. liche" Entrüstung in Lahr   Humbug oder derpatriotische" Opfer sinn in Mannheim  . Eine Lügennachricht trat jüngst wieder die Runde durch die bürgerliche Preffe an. In Breslau   sind zwei Bootsleute auf einem Oderkahn, der unter der Kaiserbrücke vor Anker lag, an Kohlengas   erstickt. Sofort tauchte ii der bürgerlichen Presse derVerdacht" auf, das Unglück sei durch Streikende verschuldet, die durch Mani- pulationen am Schornstein das Ausströmen des Gases verhindert hätten. Nach der behördlichen Unter- suchung dürfte das Unglück auf Schadhaftigkeit des Ofens zurück zuführen sein. DaS behördliche Gutachten stellt als wahrscheinlich hin. daß da« GaS beim Kochen des Abendbrotes ausströmte. Da es schwer ist. sammelte eS sich am Boden, so daß die Bootsleute zunächst davon nichts merkten. Die Betäubung und Erstickung trat erst ein, als die beiden Männer sich in die niedrigen Betten der Kajüte legten. DaS wird nun auch in der fraglichen bürgerlichen Preffe mit- geteilt, allerdings in möglichst kleiner Schrift, und ohne daß der groß hinausposaunteVerdacht" widerrufen wurde. Dieser dürfte sich vielmehr in der Reichsverbandspresse sehr bald zur vollendeten Tatsache eine»sozialdemokratischen Mordes" auswachsen. .Mannh. Volksblatt": ... DaS trotz allen Getue« in der deutschen   Presse im Grunde eine ziemliche Gleichgültig« keit in betreff der Reichswehr- Vorlage herrscht, illustriert am besten die geradezu glänzende Einhelligkeit, mit der die Blätter aller Parteien fordern, daßder Reichstag die Deckungsvorschläge der Regierung natürlich einer sehr genauen und eingehenden Prüfung unterziehen müsse".... Sind denn die Millionen, die jetzt den Besitzenden abgelnöpft werden, ganz und gar hinaus- geworfenes Geld oder kommt nicht vielmehr der größte Teil des.Nationalopfers" wieder unter die Leute? Wir hören. eS sollen Kasernen gebaut, neue Waffen, Lustschiffe eingeführt werden, die Industrie wird große Aufträgs erhalten: die Landwirtschaft er- hält Gelegenheit, Zehntausende von Pferden zu liefern, kurzum, es gibt Arbeit und Verdienst... Die Stärkung unserer Reichswehr ist eine ge- bieterische Forderung der Zeit. Wir wollen mit ihr keinen Krieg provozieren, aber wir müssen uns mit allen Kräften gegen die Umklammerung und Erdrückung durch das Slawentum wehren. Unsere nationale Ehre, die Ehre der freien, selb st bewußten, unabhängigen Nation gilt es zu erhalten. Und nichtswürdig ist ein Volk, das nicht alles einsetzt für sein'e Ehre!" Fortschrittlich-nationalliberales Wahlkomprountz in Altena  -Jserloh«. Der Wahlkreisvorstand der Fortschrittlichen Volkspartei   von Altena  -Jferlohn hat jetzt fest beschlossen, bei der LandtagZwahl die nationalliberalen Scharfmacher und Wahlrechtsfeinde Hirsch und H a a r m a n n zu unterstützen. Bezeichnend ist, daß auch der Bund der Landwirte für Hirsch und Haarmann eintritt. Ein Bundes- genoffe, auf den die Fortfchrittler stolz fein können! * Der dankbare Reichskanzler. Ein Berliner   Milstärverein hat dem Reichskanzler 100 M. an­geboten als Beitrag zu den Kosten der Heeresverstärkung. Dem Verein ging daraufhin folgendes Schreiben zu: Dem Verein der Kameraden vom Pionierbataillon v. Ratlch danke ich aufrichtig für die Darbietung eines Betrags von 10</M. zu den Kosten der Heeresverstärkung. Die patriotische'Gesinnung, die der Verein durch die Spende bekundet, hat mich sehr erfreut. Die Reichshauptkaffe ist zur Annahme der Summe an- gewiesen. v. Bethmann Hollweg  ." Die Kriegervereine im ganzen Reich werden sich natürlich be- eilen, eine kleine Spende zu senden in der Erwartung, dafür ein Dankschreiben de? Kanzlers zu bekommen, das dann im VereinSlokal unter GlaS und Rahmen aufbewahrt werden kann. Für die Unter- stützung der Veteranen bekunden die Kriegervereine eine solche Opfer- Willigkeit nicht. Die Reichshauptkaffe mnnnt also jetzt freiwillige Spenden entgegen. Nun können die Patrioten einmal zeigen, wie groß ihr Opfermut ist. Dänemark  . Tie PerfassuugSanderunz. Kopenhagen  , I. April. In der heutigen Sitzung oes Landsthing wurde über die Regierungsvorlage betreffend die Berfa s fu n g s- änderung verhandelt. Ter Freikonservative Graf FrijS bean­tragte Ucbcrgang zur Tagesordnung sowie Ernennung einer Kommission zur Beratung der Angelegenheit. Ministerpräsi« beul B e r n t s c n widersetzte sich diesem Antrage, der nach länge« rer Debatte mit 33 Stimmen der Mitglieder der Rechten und der Freikonservativen gegen 31 Stimmen der ministeriellen Linken, der Radikalen und der Sozialisten angenommen wurde. Da- mit ist die Regierungsvorlage betreffend die Verfassungsänderung gefallen.» China  . Verhandlungen mit der Mongolei  . Nrga, 3. April. tMeldung der Petersburger Telegraphen. Agentur.) Dem Hutuchtu ist ein neues Schreiben der chinesischen Regierung zugegangen, worin diese die Mongolen auffordert, durch Aufgabe ihrer Unabhängigkeit den Konflikt friedlich beizulegen. China   sei bereit, alle Schulden der Mongolen zu bezahlen und verspreche dem Hutuchtu und den Fürsten   Belohnungen. Es ver- pflichte sich, die Nordmongolei nicht in eine chinesische   Provinz zu verwandeln und die Kolonisation durch Chinesen nicht zuzulaffen. China   fordere aber, daß Verhandlungen in mongolischen Ange- lcgcnheiten mit Rußland   unbedingt von der chinesischen   Regie« rung geführt würden. Der Hutuchtu antwortete darauf, die Mongolen teilten den Wunsch, den Konflikt friedlich beizulegen. seien aber nicht geneigt, ihre Unabhängigkeit zu opfern. Vor allem müßten beide Regierungen ihre Truppen zurückziehen, worauf China   einen Bevollmächtigten, der ein Anhänger des Friedens fei, zur Führung der Verhandlungen nach Urga entsenden möge, wo dieser jedoch ohne Militär einzutreffen habe. Soziales* Beteronenfreuden! Dem deutschen Arbeiter ist bekanntlich seine Existenz gesichert bis ins hohe Alter hinein. Besonders, wenn er da« Glück hatte, zu den Kriegsteilnehmern der letzten glorreichen Kriege zu gehören. Tann- steht cr so gesichert da. das dankbare Vaterland sorgt so sehr für ihn, daß er vor Wollust und Wohlleben sich kaum auS- kennt. Es sind zwar schon einige hinter Scheunen und in Straßen- grüben, sogar in vollem Schmuck ihrer Orden, tot aufgefunden worden. Ucbelgcsinnte behaupten, sie seien verhungert. In der Tat haben die Betreffenden wahrscheinlich nur in vollem Ordens- schmuck mit ihrem Tod demonstrieren wollen, wie gut t» ihnen in ihrem Leben gegangen ist, wie sehr das dankbare Vaterland für sie gesorgt hat, sonst hätten sie sich wahrscheinlich nicht so öffentlich zum Sterben niedergelegt. Ein Beispiel, wie gut es den Veteranen besonders dann er« geben kann, wenn sie noch in ihren alten Tagen einen Betrieb«- unfall erleiden, liefert der Kriegsteilnehmer W. aus einem Hütten- dorf bei Ebcrswnlde. Er hat bei Königgrätz   gesochten, hat an den mörderischen Schlachten bei Gravelotte und Vionville teilgenommen und hat den*Marsch nach Paris   mitgemacht. Bei Vionville hatte ihn ein Sprengstück einer Granate an der Brust und am Knie gestreift und ihn besinnungslos niedergeworfen. Sieben seiner Nachbarsleute waren von derselben Granate getötet worden. Er hat dann längere Zeit an dem Bein kurieren müffen, bi» es einigermaßen wiederhergestellt»var. Im Jahre 1883 nahm er Arbeit bei der Firma Hoffmann u. Motz. Vor einem Jahre, am 30. März 1912, erlitt er einen Unfall, der ihm da« rechte Auge kostete. Auch da« linke Auge wurde stark in Mitleidenschast gezogen, so daß er nicht mehr viel sehen kann. Das Rentenverfahren schwebt bei der Eisen« und Stahlberuf«« genoffenschaft in LandSberz. Diese hat ei mit der Erledigung nicht sehr eilig. Bis vor fünf Wochen hat cr ja von der Krankenkasse vorschußweise da« übliche Krankengeld erhalten. Seit fünf Wochen hat die Kasse auf Anweisung der Berufsgenossenschaft die Zah- lungen eingestellt. Gr wandte sich nun vor etwa zwei Wochen an die Genossenschaft mit der Forderung, ihm einen Rentenvorschutz zu zahlen. Bis heute hat er noch keinen Bescheid erhalten. Er muß sich mit seiner alten Frau von einem Ehrensold von 10 M. pro Monat erhalten, der ihm auch erst seit April 1912 gezahlt wird. Aber den bekommt er noch nicht einmal ganz. Tie Beihilfe wird in dem Kontor der Firma Hofsmann u. Motz ausbezahlt. Da er nun in den Werkhäusern dieser Firma eine Wohnung, man nennt es wenigstens so. inne hat, so muß er von den 10 M. sofort 6 Mark Miete abgeben, denn sonst würde er seine Wohnung verlieren. Mit 4 Mark muß er sich also ernähren, bis es der Genossenschast endlich gefällt, das Unfallverfahren zu einem Abschluß zu bringen, das nun seit einem Jähre schwebt. E« geht doch nichts über die gesicherte Existenz der Arbeiter und über das dankbare Vaterland. Die Polizei i» der Uebungsstunde de« polnischen Gesangverein«. Ter Amtsvorsteher zu Schömberg   hatte am 29. November 1911 in die Uebungsstunde des polnischen Gesangverein«. Chopin  " zu Orzegotv(Kreis Beuthen O.-S.) einen Polizerbeamten gesandt, damit er alle Personen unter 21 Jahren beziehungsweise alle Per- sonen unter 18 Jahren feststelle.'Der Verein war zu der Zeit be- reits für einen politischen erklärt worden. Ter Zweck des Polizei- lichen Vorgehens»oar ein doppelter. Die Polizei wollte einmal feststellen, ob man sich gegen das Bereinsgesetz vergehe, indem man Jugendliche unter 18 Jahren an den Sitzungen eines politischen Vereins teilnehmen lasse. Zweitens wollte man feststellen, ob eine unzulässige Erteilung von Unterricht, nämlich von GestmgSunter- richt, an Miirdorjährige durch polnische GesangSlehver stattfinde, die keine Erlaubnis zur UnterrichtSerteiluug hatten. Der Borsitzende des Vereins, Kolporteur Biala», klagte vergeblich auf Aufhebung der polizeilichen Verfügung, durch die jene Störung der Gesangstunde veranlaßt worden tvar. Der Krei«au«schust zu Beuthen   wies die Klage ab. Der Bezirksausschuß zu Oppeln   be- stätigte das Urteil. Er führte aus, daß, abgesehen von der Frage der UnlerrichiSerteiluna an Minderjährige, zu befürchten gewesen wäre, daß Jugendliche entgegen dem Vereinsgesetz an den Sitzungen des für politisch erklärten Vereins teilnehmen würden. Früher hätte der Verein auch an noch nicht achtzehn Jahre alte Per- sonen Unterricht durch nationalpolnische Gesanglehrer erteilen lassen. Der Vorsitzende legte nun Revision beim OberverwaktungS- gericht ein. Das Obcrverwaltungsgericht wies jedoch dieser Tage die Re- Vision des Klägers mit folgender Begründung ab: DaS Gericht sei in diesem Falle Revisionsinstanz, vor der tatsächliche Feststellungen nicht mehr angreifbar seien. Der Bezirksausschuß habe nun aber tatsächlich festgestellt, daß für die Polizei Anlaß vorgelegen habe zu dem Verdacht, daß in den Versaimnlungen des Gesangvereins ..Chopin  ", der zweifellos ein politischer Verein sei, entgegen dem Vereinsgesetz Jugendliche unter 18 Jahren aiUveseno sein könnten. Die Polizei sei darum berechtigt gewesen, in die Versammlung (Uebungsstunde) am 28. November 1911 einzudringen, um sestzu- stellen, ob Jugendliche unter 18 Jahren anwesend seien, und sie eventuell zu entfernen. Diese Befugnis der Polizei, einzudringen. ergebe sich rechtlich aus den Aufgaben der Polizei nach dem Per- einSrecht und dem Polizeirecht. Ob sie im übrigen berechtigt ge- Wesen wäre, einzudringen, um festzustellen, ob an Personen unter 21 Jahren Gesangsunterricht erteilt werde, das komme gegenüber der ersten Feststellung, die schon das Vorgehen rechtfertigte, nicht weiter in Betracht. ES habe kein Anlaß vorgelegen, darauf ein- zugehen. Was doch alles unter dem Reichsvereinsgesetz möglich ist!