Nr. 81.
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Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Morigplak, Nr. 1983.
Montag, den 7. April 1913.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 1984.
Militärgeist und Volksgeift.
auf das Barrikadenjahr zuging, daß Bürgerkasinos Offiziere| Schrecken des Krieges vor Augen hat, da es entsetzt einzuhalten aus ihrer Mitte ausschlossen. Und auch das klingt heute wie und sich zu besinnen beginnt, sest ein militaristischer Höllenspekein Märchen, das nie Wirklichkeit gewesen!
tafel ein, um die inneren Stimmen der Völker zu erstiden im Getöse der Waffen, im Aufeinanderhäufen der Mordwerkzeuge, auf daß sie der Menschheit jeden Blick ins Freie versperren und sic hypnotisieren sollen zum kritiklosen Gehorchen gegen die Befehle der Häuptlinge der Soldateska.
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" Keinen Mann und keinen Groschen!" Da brachen die Versammelten in den Beifall aus, der die Befriedigung zeigte, daß die Partei des arbeitenden Volkes dem Schwindel von einem Verlangen des Volfs nach immer mehr und immer mehr und immer mehr Stanonen in Cherner Ruhe ihr Nein! entgegengesetzt.
Wenn Herr v. Bethmann Hollweg nicht ein steifleinener Denn nachdem sich der Militärgeist in den fünfziger Oberlehrer, sondern ein gelenfiger und gewandter Geist wie Jahren, als Preußen in drei Manteuffels Namen regiert sein Vorgänger wäre, könnte man sich für heute nachmittag, wurde, übermütig gefpreizt, nachdem er mit Bismarck und der da er im Reichstag den Wahnwiz der neuen Heeresforderung Heeresreorganisation der sechziger Jahre einen großen Sieg mit Methode zu vertreten hat, ein erlesenes Schauspiel ver- dabongetragen hatte, nachdem er auf den Schlachtfeldern von Aber vergebens all die Anstrengungen! Das sozialistische sprechen: dann gäbe es eine patriotische Rede in der Kostü- 1870/71 sich mit dem Volksgeist noch einmal verbrüdert zu Proletariat ist stark genug geworden, um alles Getöje der Rüstunmierung von 1813, mit schönen Säßchen und billigen Mäß- haben schien, war das deutsche Bürgertum im neuen Reich gen und Rüstungsforderungen, alles habgierige Geschrei der Interchen, mit Zitaten aus Fichte, Arndt und Körner, und wenn unrettbar dem Militärgeist verfallen. Von dieser deutschen essenten am Panzerplatten- und Geschüßabsaz donnernd niedersich der Kanzler gesetzt, wären die bürgerlichen Parteien über- Mittelklasse schrieb damals Karl Marx , daß sie in ihren zuschmettern mit dem über Stadt und Land, über alle Grenzen zeugt gewesen, ganz im Sinne der Generation von Groß- Kämpfen für die bürgerliche Freiheit von 1846 bis 1870 ein hinweg zu den Brüdern im Ausland dringenden Ruf des Friedensbeeren, Dennewitz und Leipzig zu handeln, wenn sie in nie dagewesenes Schauspiel von Unschlüssigkeit, Unfähigkeit willens und der Kriegsansage gegen den Krieg. Bausch und Bogen die neuen Bataillone und die neuen Mil- und Feigheit gegeben habe, aber dann höchlichst entzückt ge- Wenn man von diesem Berliner Protestsonntag vermutet hatte, lionen bewilligen. In Wirklichkeit aber kann es keinen wesen sei, die europäische Bühne als brüllender Löwe des daß der junge Frühling ihm Abbruch tun würde, so strafte sein größeren Unterschied geben als zwischen dem Geist, der 1813 deutschen Patriotismus zu beschreiten. In der Tat rasselte Verlauf die Zweifler Lügen: der Tag paßte sich dem Wandel an, just die besten Patrioten beseelte und dem, der 1913 aus der das mit dem Säbel, in der Tat klirrte das mit den Sporen, den die Versammlung, auf die sich nun alle Blicke richten, durchunerhörtesten aller Heeresvorlagen der deutschen Reichs- und das Leutnant d. R. auf der Visitenkarte wurde das höchste zumachen hat der Deutsche Reichstag, der nach einer Zeit wenig regierung spricht. Sehnsuchtsziel des Jünglings aus dem teutschen Bürgertum. bedeutungsvollen Tuns sich zu der ernsthaften Entscheidung wendet, Schon der originelle Westfale Justus Möser hatte im Damit wurde dieser Klasse auch das letzte Restchen von politi- die ihn jemals beschäftigt hat. Zehntausende Arbeiter- nicht nur letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts prophezeit, daß schem Rückgrat gebrochen, und selbst was sich heute zur burger- Arbeiter haben ihm gestern zugerufen, es zunächst genug sein Freiheit und Eigentumn bei der alten Heeresverfassung zu- lichen Opposition zählt, Fortschrittspartei und so, ist bis auf zu lassen an dem, was er dem Herrn v. Heeringen bisher schon so grunde gehen müßten und in hundert Jahren die National- die mürben Knochen militärfromm wie ein alter Trompeter- willig, allzu willig bewilligt hat und was der Kriegsminister mehrniliz das Hauptwesen ausmachen werde. In dem Jahre 1813, schimmel. Auf diese Nachtwächtergarde der Freiheit ist nun mals feierlich als das letzte Notwendige bezeichnet hatte. Von dem das die allgemeine Wehrpflicht schuf, die Landwehren an die und nimmermehr Berlaß, wenn es gilt, den Militärgeist durch schmählichen Versagen der Junker in den Napoleontämpfen gingen Front rief und den Landsturm auf die Beine brachte, schien den Volksgeist zu überwinden. die Redner aus, um aus den gewaltigen militärischen Leistungen der zweite Teil dieser Voraussage erfüllt, nachdem mit Jena Die Arbeiterklasse aber, noch ehe sie eigentlich zum Selbst- des letzten Revolutionsaufgebots, der Eanstulotten sie trugen und Auerstädt das Jahr 1806 schon den ersten Teil wahr ge- bewußtsein erwacht war, schlägt unverzagt ihre Schlachten teine Gardeliken und fein weißes Lederzeug! zur überzeugenden macht. Wenn ein Mann wie der große Gelehrte Niebuhr gegen den Militärgeist. Nicht nur, weil die Lasten des Begründung der Forderung nach der Volkswehr zu kommen. noch 1808 die allgemeine Wehrpflicht als einen fulturfeind- Militarismus, die Opfer, die er heischt an Gut und Blut, mit Sie würde ohne all die kostspieligen Kinterlitzchen und den Talmilichen, von rohen Hauptleuten ausgeheckten Gedanken ver- unverminderter Wucht auf ihre Schultern fallen, sondern auch glanz des stehenden Hecres Deutschland gegen jeden Feind schützen warf, aber 1813 von der Handhabung der Flinte mit Stolz weil sie flar erkennt, daß Militärgeist und Volfsgeist nicht freilich könnte man ihr nicht zumuten, das eigene Volf niederSchwielen an den Händen trug, wenn im gleichen Jahre der wesenlose Begriffe sind, sondern daß sich im Militärgeist jene zufämpfen, wenn es mehr Lohn, mehr Recht, mehr Menschenwürde Philosoph Gottlieb Johann Fichte , wie ihn ein zeitgenössischer junkerliche Klassenherrschaft verkörpert, die ins achtzehnte fordert. Stich darstellt, mit einem riesigen Sarras, den Gürtel mit Jahrhundert gehört, eigentlich bei Jena und Auerstädt für Pistolen gespidt, als Landstrummann ererzierte, schien das immer eingescharrt sein sollte und sich nur mehr mit Baschnöde Zeitalter des schnöden Militarismus ein für allemal ionetten und Kanonen hält, und daß der Volfsgeist jene vorbei. Die Epochen der stehenden Heere glaubte man über- Macht der Zukunft darstellt, die dem Militärgeist unweigerlich wunden zu haben, das Volf in Waffen und Volkskrieg hieß den Garaus machen wird. Die Arbeiterklasse erkennt auch, die Losung und die Eifrigsten der Eifrigen wollten nicht wie der Militarismus sich an seiner innerlichen Dialektik vermehr Soldaten, weil das an die Söldnerheere des achtzehnten blutet. Jede neue Heeresvermehrung bringt ihn der Stunde Jahrhunderts erinnerte, sondern Krieger heißen: so sehr feines Unterganges näher, im militärtechnischen Sinne schon, triumphierte 1813 der Volfsgeist über den Militärgeist. was hier darzutun zu weit führen würde, aber mehr noch im Aber schon jene Freiwilligen aus den gebildeten Ständen, politischen Sinne, denn indem er den Kreis feiner mitteldie sich 1815 den regulären Armeen angeschlossen hatten, ver- baren und unmittelbaren Opfer erweitert, vergrößert er spürten von diesem alten Militärgeiste noch einen recht träf- systematisch die Schar seiner Feinde, und wenn er den letzten tigen Hauch: mit ewigem unnüßen Paradedienst, Puzen und Mann in buntes Tuch wickelt und ihm den letzten Groschen wieder Buzen, Mäntelrollen, Haarefämmen und unnötigen aus der Tasche zieht, inacht er sich auch den letzten Mann zum und mühsamen Märschen tötete man in ihren Seelen jede Be- unversöhnlichen Gegner. geisterung für einen höheren Zwed. Noch 1816 schrieb Ernst Mag sich darum in der neuen Militärvorlage noch so sehr Moritz Arndt voller Hoffnung:„ Das Wuckernde und Flun- der ganze Wahnwiz des Militärgeiſtes austoben, und mögen fernde fann wohl Spektakel machen, ich hoffe nicht, daß es die bürgerlichen Parteien diesen Wahnmiz noch so sehr mit sich hält. Läte es das, so wären wir es wert. Denn ist aus ihrem Hipp hipp Hurra! begrüßen, die Arbeiterklasse führt 10 000 bis 15 000 gebildeten Jünglingen und Männern, die ihren Kampf ungebrochenen Mutes, der Stunde gewiß, da mit dabei gewesen sind in der großen Zeit, nicht soviel hervor- fie mit all dem Junkernden und Flunkernden gründlich aufgegangen, daß dadurch eine Meinung bestimmt werden kann, räumt und den Korporalstock über dem Knie zerbricht. so gebührt sich's, daß der Junker wieder seinen Korporalstock nimmt." Weit richtiger sah im gleichen Jahre der Vorfämpfer des süddeutschen Liberalismus, Karl von Rotted, die Dinge, als er in einem Schriftchen über stehende Heere und Nationalmiliz das stehende Heer als eine Stüße des Despo- 61 Volksverfammlungen gegen die Rüftungstismus bekämpfte, sich für ein kleines Heer geworbener Mann- vorlagen in Berlin . Kundgebungen im Reich. schaft im Frieden und für das Aufgebot der Landwehr im Die Befizer der Macht in Reich und Staat sind unermüdlich Heer berufen werden, so wird die ganze Nation von den Ge- daran, das arbeitende Volk immer häufiger sich in Massenkundfinnungen des Mietlings durchdrungen sein." Daß sich die gebungen sehen und zählen zu lassen und sie erschöpfen ihren Geist allgemeine Wehrpflicht bald zu einem Werkzeug der Reaktion darin, mit immer heftigeren Attacken auf die Nerven und die Geausbilden werde, das vorausgesehen zu haben, ist sein Ver- duld des Volkes stets größere Massen bislang Unbeteiligter und dienst und es ward so, wie er befürchtet: Der Militärgeist Abseitsstehender in die Versammlungssäle des Proletariats hineinschob den Volksgeist zur Seite, das Muckernde und Flunkernde zutreiben. Die rasch sich verschärfende Zuspißung der Klassenfam wieder oben auf und der Korporalstock, der freilich jetzt tämpfe und der weltpolitischen Gegensätze findet ihren Ausdruck illegitim auf den Rücken tanzte, war ein Sinnbild für das, fast ebenso start wie in den steigenden Rüstungsforderungen aller was in Preußen aus dem Bolk in Waffen" geworden war. Regierungen, in den gewaltig anschwellenden Protestbewegungen Aber selbst in dieser trübseligen Zeit zwischen 1815 und des internationalen Proletariats. 1848 brach im Bürgertum so manches Mal der Volksgeist„ Volksopfer als Jahrhundertfeier", lautete die durch. Da kam es wohl vor, daß der Oberpräsident v. Schön, Tagesordnung für nicht weniger als 61 Volfsversammlungen, der verdienstvolle Regenerator Preußens, auf einer Gesell- die gestern in Berlin , seinen Nachbarstädten und Vorortgemeinden schaft des Generals v. Uttenhoven ein Mitglied der oft- tagten. Jahrhundertfeier im Donner der Kanonen auf dem preußischen Landstände, das in Landwehroffiziersuniform Balfan, im Stöhnen der Verwundeten, im Jammer der Vererschienen war, erstaunt ansprach: Wie, Sie könnten den schmachtenden, im Seufzen der Völker Europas , denen die gleiche, Rod des freien Mannes tragen und Sie tragen den Rock des nur verschiedenfarbige Rüstung das Atmen von Stunde zu Stunde Dieners?" Wie ein Märchen flingt das heute! Und nicht schwerer macht. felten ereignete es sich in derselben Zeitspanne, als es schon
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Striege aussprach wenn alle Jünglinge", meinte er ,,, zum
Maffenproteſt.
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Wenn man vielleicht erwartet hatte, daß die stärkste Partei des Reichstags das Dedungsprogramm des Bundesrats mit chrerbietigem Dant begrüßen würde, so ward man sehr enttäuscht. Wir wissen wohl, daß es nur die starke Sozialdemokratie ist, die die Regierung samt ihren Mannen im Parlament bitteren Herzens darauf verzichten ließ, die Aufbringung der neuen Milliarde auch gleich auf die werftätigen Menschen zu wälzen. Aber noch bleibt genug der Kritik! Wo steht beispielsweise im Gesetz etwas von der Beteiligung der Fürsten ? Des verhaßten Reichstags Rechte sollen zum Dank für seinen Bewilligungseifer eingeschränkt werden, indem man die näheren Bestimmungen über die Aufbringung der neuen Heerestoften den Einzelstaaten zuweist; so soll an der Wiege der ersten direkten Reichssteder natürlich gleich die Feindschaft gegen das Parlament des gleichen Rechts stehen!
Im Protest gegen all dies verruchte Planen waren die Zehn
tausende- nicht nur in Berlin , auch im Reich fanden Massenmeetings statt mit den Referenten einig und des zum Zeichen beschlossen sie folgende Resolution:
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Die Versammlung spricht ihr Erstaunen und ihre Entrüstung über die ungeheuerlichen Forderungen aus, die auf das Kommando des Generalstabs hin von der Regierung dem deutschen Volke angesonnen werden. Sie erblickt in dem sinnlosen Wettrüsten eine neue Verschärfung der chronischen Kriegsgefahr, ein Attentat auf den Kulturfortschritt und die Entwickelungsmöglichkeit der Nationen. Sie verwirft prinzipiell das ganze militaristische System und fordert seine Ersetzung durch das Miliz. system, die freie Volkswehr.
Die Versammlung erklärt die Milliardenvergeudung für militaristische Zwecke für eine nachhaltige Schädigung der deutschen Volkswirtschaft, durch die auf alle Fälle die Arbeiterschaft schwer betroffen wird. Sie erklärt die Deckungsvorschläge der Regierung für völlig unannehmbar, für eine verwerfliche Verfälschung des Besizsteuergedankens. Sie brandmarkt insbesondere den Versuch, den Reichstag des gleichen Stimmrechts um sein Steuerrecht zu bringen und an seine Stelle die Steuerhoheit der Privilegienlandtage zu setzen. Die Versammlung begrüßt mit Begeisterung den bewunderungswürdigen Widerstand, den insbesondere die französische Sozialdemokratie den militaristischen Plänen entgegensetzt und gelobt in Uebereinstimmung und in brüderlicher Solidarität mit der ganzen Arbeiter- Internationale den Kampf gegen den Militarismus mit aller Energie fortzuführen.