Nr. 108. 30. Jahrgang.
Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt.
Montag, 5. Mai 1913.
v.Heeringen
Alpdrücken.
Valentini
16
A
„ Ganz recht!" sagte der Teufel. Gin Aber ist dabe Gie müssen mir für das Geld Jhren Schatten geben!" " Ja- aber meinen Schatten?" Irgend eine Erinnerung an Geld und Schatten und unheimliche Dinge huschte durch das Gehirn des jungen Menschen.
-
-
-
„ Sie meinen natürlich das Geld!" unterbrach ihn ungeduldig der Teufel." Nein, ich komɩme wegen der anderen Sache. Ich weiß, Sie sind in Verzweiflung, weil Sie feinen Schatten haben. Die Menschen verachten Sie, verfolgen Sie, die Straßenjungen schreien hinter Ihnen her. Sie dürfen sich in der Oeffentlichfcit Es war nachts um drei Uhr in einem Café in der Friedrich- Also, Sie sind einverstanden, Herr Schmidt!" überfiel ihn nicht sehen lassen, und des Nachts liegen Sie schlaflos im Bett und benezen ihre Kissen mit Tränen der Verzweiflung." stadt. Ein unendlicher Lärm erfüllte das Lofal. Die Musifer wieder der Teufel. Dann nahm er den Schatten arbeiteten wie wahnsinnig auf ihren Instrumenten herum, Mr. gerade unter einer mächtigen Bogenlampe „ Herr, sind Sie verrückt?" fragte ihn der, Dr. h. c. Schmidt Meschugge, der Kapellmeister, die erste Kanone in seinem Fach, auf, faltete ihn mehrmals zusammen und steckte ihn zu des andern entrüstet. Ich soll in Verzweiflung sein? Ich darf mich nicht sehen lassen? Für wen halten Sie mich? Ganz Berlin spricht mit tanzte während des Dirigierens Schuhplatterĭ, warf seine lange grenzenlosem Erstaunen in seine Brieftasche." So, und nun Künstlermähne wie einen Roßschweif in der Luft herum und merken Sie sich den Tag! Heute über ein Jahr werde ich wieder Bewunderung von dem Mann ohne Schatten. Ich bin ein wissen= erjezte durch unmögliche Beinstellungen, Körperverrenkungen, bei Ihnen vorsprechen, falls Sie dann noch einen anderen Handel rangiere zwischen Caruso und Roosevelt , bekomme 5000 Mark für schaftliches Phänomen, eine Weltattraktion, eine Berühmtheit. Ich Grimassen und unartikulierte Schreie ein ganzes Irrenhaus. Das mit mir eingehen wollen. Einstweilen leben Sie wohl." Publikum brüllte und tobte vor Begeisterung. jedes Auftreten im Wintergarten, werde von allerhöchsten HerrLeute, die den Damit eilte er mit schnellen Schritten davon und sah nur schaften mit Orden überschüttet, und mein Bild flebt in LebensTag über jeder Kunstbetätigung im Bogen aus dem Wege gingen, noch, wie der Mann ohne Schatten, von plöblichem Grauen über- größe an jeder Plakatsäule. Da soll ich Tränen der Verzweiflung waren jetzt plötzlich musikalisch geworden, stampften mit Stöcken fallen, quer über die Straße in eine Liförstube taumelte. So, den weinen?" und Schirmen im Takt auf den Boden und schlugen mit Schlüssel- hatte er sicher! Und der Teufel machte sich unsichtbar und tauchte bunden in rasselndem Rhythmus an die Biergläser und Kaffeetassen. schon eine Sekunde später in einer Newyorker Gesellschaft auf, Jünglinge, die sich vor Müdigkeit und Betrunkenheit kaum noch wo er irgend eine sensationelle Skandalgeschichte in Gang sehen auf den Stühlen halten konnten, sangen mit geschlossenen Augen mußte. ,, Gute Nacht, Du mein schö- önes Sorent!" Anständige Frauen wurden ausgelassen, und lachten und tranken, Damen der Straßen
*
„ Es steht doch im Chamisso. Fahren nicht die Frauen vor Entsetzen ,, Aber, mein lieber Herr," jammerte der Teufel verzweifelt. zurück, wenn sie Sie sehen? Werden Sie nicht von dem Hohn der Jugend und der Verachtung der Männer verfolgt? Hat Ihnen nicht, als Sie ein junges Mädchen liebten, der Vater in drohendem Tone gesagt:„ Ruchloser, wie können Sie es wagen, ohne Schatten um die Hand meiner Tochter zu bitten!?" Wurden Sie nicht von der Behörde aufgefordert, in 24 Stunden einen richtigen Schatten vorzuweisen oder die Stadt zu verlassen?"
faßen stumpfsinnig mit ihrem gewohnheitsmäßigen Lächeln da Pünktlich nach einem Jahr kam er dann wieder nach Berlin und starben vor Langeweile. Und dazwischen liefen flink die zurück und erkundigte sich sofort nach der Adresse seines jungen Kellner umher und schrien gellend ihre Bestellungen zum Büfett Freundes." Im Fürstenhotel", sagte zu seinem Erstaunen und hinüber. seiner Enttäuschung der diensthabende Unterteufel- er hatte ,, Ganz und gar nicht!" antwortete Herr Schmidt belustigt. Mitten in diesem Chaos von Lärm, Lustigkeit und Liebe saß etwas ganz anderes erwartet. Irgendwo auf dem Wedding hoffte Das mag bei Ihrem Peter Schlemihl der Fall gewesen sein, aber ein unscheinbarer, aber elegant gekleideter Mann mit glattrajiertem er den unglücklichen, schattenlosen Menschen wiederzufinden, im wir leben doch heute in einer modernen Zeit. Rie ist eine Frau in Gesicht, dessen Augen ruhelos und forschend durch den Saal glitten. Hinterhause, fünf Treppen hoch, gemieden und verachtet von allen, Entsetzen vor mir zurückgewichen, im Gegenteil. Und was die entEs war niemand anders als der Teufel, der hier höchst leibhaftig die noch einen richtigen Schatten haben, ein Verzweifelter, der rüsteten Schwiegerväter angeht, die haben mir ihre Töchter sogar mitten in der hellsten Caféhausbeleuchtung saß, eine Schale Braun sich überhaupt nicht mehr ans Licht wagte. Aber vielleicht war direkt aufgedrängt." trank und sich von den Anstrengungen der letzten Stunden aus der junge Mann in dem Hotel nur als Hausdiener oder als ,, Merkwürdig," sagte der Teufel. Das habe ich mir ganz ruhte. Er war mit seiner Arbeit zufrieden. Er hatte einem Küchenaushilfe beschäftigt, denn die 100 000 M. hatte er mit Hilfe anders gedacht. Aber Sie wollen doch Ihren Schatten schließlich Kassierer über die Skrupel beim ersten Eingriff in die Kasse von sehr eleganten Damen natürlich in wenigen Tagen durch- wiederhaben? Was ist ein Mann ohne Schatten? Ich habe ihn Hinweggeholfen, er hatte jungen Frauen gezeigt, wie leicht und gebracht. hier in der Brieftasche." Dann holte er ein zusammengefaltetes einfach es war, ihre Männer zu betrügen, und er war mit Erfolg.„ Ach so," sagte der Geschäftsführer des Hotels. Mr. Schmidt graues Etwas aus der Brieftasche und machte Wiene, es aufzubemüht gewesen, zukünftigen Hochstaplern, Falschspielern, Be- möchten Sie sprechen? Sie wollen ihn wohl auch interviewen? falten. trügern aller Art die ersten Schritte zu ihrer Laufbahn so angenehm Von welcher Zeitung tommen Sie?" Aber der Mr. Schmidt stürzte sich mit vor Wut funkelnden wie nur möglich zu machen. " Interviewen?" wiederholte der, Teufel ganz verblüfft, er Augen auf den Teufel. ,, Sie wollen mich ruinieren? Scheren Wie sich der Teufel nun so in dem Café umsah, bemerkte fühlte sich etwas dumm im Kopf. Sie sich zur Hölle mit diesem Schatten! Ich brauche ihn nicht und er einen jungen Mann, der an der Lustigkeit der anderen keinen Anteil nahm und ganz verstört vor sich hinstarrte. Der Teufel blicklich empfängt Mr. Schmidt eine Professorendeputation von der Sie werden sich auf jeden Fall gedulden müssen. Augen- will ihn nicht, und wenn Sie mir Geld herausgeben." Damit drückte er auf die elektrische Klingel, drei Diener erlächelte. Das war ja der Kassierer, den er mit den unterschlagenen Universität Cambridge , die ihm das Diplom zum philosophischen schienen, und schon flog sanft, aber energisch der arme Teufel aus tausend Mark sogleich in eine Bar geleitet und erst verlassen hatte, Ehrendoktor überbringt. Außerdem warten noch verschiedene andere dem Hotel heraus. Er war so verwirrt, daß er auf dem Potsdamer als die tüchtige kleine Cilly sich seiner annahm. Natürlich war Plaz beinahe von einem Auto überfahren wurde, und kam erst
Herren."
" Ja, der hat's gut!" sagte ein abgerissener junger Mensch, der ebenfalls die Plakatsäule betrachtete.
er inzwischen von den Weibern radikal ausgeplündert worden und Der Teufel saß eine halbe Stunde im Vorzimmer, dann wurde wieder zur Besinnung, als er vor einer Plakatsäule stand. Ueberfaß jezt hier verzweifelt und ratlos und trant für die letzten er ungeduldig. Und nachdem er eine Reihe von Angestellten be- lebensgroß grinste ihn hier das Porträt des Mannes ohne Schatten Groschen, die er in der Tasche hatte, ein Glas Bier. Der Teufel liebte eine solche Stimmung bei den Menschen, stochen hatte, stand er kurz darauf vor dem Mann ohne Schatten. an, und darüber stand in Riesenlettern: Die Sensation des Jahr. sie waren dann so widerstandslos und zu allem bereit. Auch jetzt Was kann ich für Sie tun?" fragte dieser in freundlicher hunderts! Das Rätsel der Wissenschaft! nahm er seinen jungen Freund ohne weiteres beim Arm und Herablassung. ,, Uebrigens seien Sie möglichst kurz. Seit drei führte ihn heraus. Da er in der Seele des andern las, brauchte Stunden gebe ich Audienz, ich habe kaum Zeit zum Frühstücken. er nicht viele Worte zu machen. Er zeigte ihm ein Batet mit Ja, ja, die Berühmtheit hat ihre Schattenseiten." hundert schönen braunen Tausendmarkscheinen. Die sind für Schattenseiten?" antwortete der Teufel. Aha, das ist das Sie!" sagte er lächelnd. Und als der junge Mann ihn verblüfft, richtige Wort. Unglücklicher junger Mann, erinnern Sie sich verwirrt und wie im Traum ansah, füget er noch hinzu:„ Nein, unserer Begegnung von heute vor einem Jahre?" fie sind echt, überzeugen Sie sich selbst, Sie sind doch Geldmensch." Ach, das waren Sie?" fragte Mr. Schmidt und drückte in Schatten an, gab ihm die Adresse eines Impresarios und ging zu" Ja", stammelte der junge Kassierer und blätterte verwirrt überströmender Dankbarkeit seinem Besucher die Hand. in den Scheinen.„ Aber-" Mann, Sie sind der Schöpfer meines Glüds."
Der Teufel wollte sich schnell entfernen, er liebte die Armut nicht. Plötzlich aber kam ihm ein Gedanke. Der da," sagte er zu dem jungen Menschen, verdient Tausende, weil er keinen Schatten hat. Sie aber sollen zwei Schatten haben und ihn glänzend aus dem Felde schlagen." Damit hing er ihm den überflüssigen
„ Edler frieden seiner Wege. Er kannte die Welt und wußte, daß Mr. Schmidt bald eine gefallene Größe war.