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75 7ahre Zellenlcbrc, Ein Kapitel Monismus   von A. L i p s ch ü tz. Ein Jubeljahr in der Biologie ist das Jahr 1913. Fünfund- siebzig Jahre sind verflossen, seit der Berliner   Privatdozent Matthias Schleiden   durch seine Untersuchungen der Zellen- lehre ein neues Gesicht gegeben, so daß sie zu dem werden konnte, was sie heute ist: zu einem Grundpfeiler der Biologie, aller Lehre vom Leben. Nicht als ob Schleiden   der Zellenlehre das Gesicht gegeben, das sie heute hat l Nein aber einen Schritt hatte er getan, der den Fortschritt in der Zellenlehre bedeutete: daß er den Kern der Zelle als einen allgemeinen Bestandteil der pflanz- lichen Zellen erkannte und es dadurch ermöglichte, dax die Zelle als allgemeiner Baustein auch der Tiere erkannt werden konnte. Bei der mikroskopischen Untersuchung tierischer Gewebe springt einem zunächst nicht das ins Auge, was man bis Schleiden   für das Wesen der Zelle hielt: nicht dickwandige Kämmerlein, wie sie sich meistens in der ausgewachsenen Pflanze finden, sondern nur graue Klümpchen zähflüssigen Protoplasmas mit einem Kern darin. Und mit dieser Beobachtung, die mancher Mikroskopiker früher schon hin und wieder gemacht hatte, wußte man nichts anzufangen, bis Schleiden   zeigte, daß zur Zelle auch ein Kern gehöre, der in dem zähflüssigen Inhalt der Zelle gelegen ist. Da war der Weg geebnet zur Erkenntnis, daß die grauen Würfel mit den runden Kernen, die man im tierischen Gewebe fand, dasselbe sind wie die kleinen dickwandigen Zell  » Kämmerlein der Pflanzen. Theodor Schwann  , auch Privat- dozent in Berlin  , war eS, der auf Schleidens Anregung Unter- suchungen über den Aufbau der Tiere aus Zellen ausführte und 1839 darüber berichtete. Aber warum so großes Aufsehen wegen der Erkenntnis, daß Pflanze und Tier aus Zellen bestehen, kleinen ProtoplaSmaklümpchen mit einem Kern darin! Daß man darum gar ein Jubiläum feiern soll!... Es ist überhaupt eine mißliche Sache mit den Jubiläen. Warum z. B. darüber.jubeln", daß ein großer Dichter, der einst- malS   in jungen Jahren, als er noch nicht ein großer Dichter war, ein Meisterstück wie dieWeber" schreiben konnte, nun alt geworden und sich mit griechischen Orden schmücken läßt? Wilhelm Ostwald  hat einmal mit Recht gesagt, daß es Gelehrte gibt, die, wenn sie alt geworden, sich etwa ans den Wagen setzen, an dem ihre Schüler in rüstiger wissenschaftlicher Forschcrarbeit ziehen und so den SiegeSzug der Wissenschaft erschweren. Und gar, wenn man von all' den Festlich- leiten in Leibesfülle gerät! Aber ganz anders ist es, wie wir das Gedächtnis einer wissen­schaftlichen Theorie feiern, die in stets jugendfrischer AnpassungS- fähigkeit sich eine Welt erobert und stets wie ein schäumendes Roß den Streitwagen der Wissenschaft gezogen hat. Und das hat die Zellenlehre getan. Sie hat zunächst einen gemeinsamen Reif um Pflanze und Tier geschlagen, indem die Zelle sich ckls allgemeiner Baustein der Pflanzen- und Tierwelt erwies. Sie bildete die Vor- aussetzung für eine Erkenntnis über den Aufbau der mikroskopisch kleinen Lebewesen der Seen und Meere, die man als einzellige Lebewesen erkannte. Und die Zellenlehre revolutionierte die Embryologie oder die Ontogenese, die Lehre von dem Werden der lebendigen Einzelwesen, und die Phylogenese, die Lehre von dem Werden der Arten. Sie revolutionierte die Physiologie und sie revolutionierte mit Virchow die Pathologie. Und sehen wir genauer zu, so überzeugen wir uns, daß alles Wirken der Zellen- lehre ein Monismus in großem Stile war... Was ist überhaupt das Wesen einer Lehre, einer Theorie? Daß man einen ganzen Wust von Einzeltatsachen, die auf den ersten Blick unähnlich erscheinen, in eine kurze und prägnante Formel zwängt, so daß die Formel bis zu einem gewissen Grade auf all die tausend Einzeltatsachen paßt, die nun alle als bis zu einem ge- wissen Grade ähnlich erkannt find. Eine Manigfaltigkeit von bisher unähnlichen Dingen wird auf einen einheitlichen Ausdruck gebracht: das ist das Wesen aller Wissenschaft. WaS anderes ist eS denn in der Lehre vom Klassenkampf, auf der heute die siegreiche Praxis der Arbeiterklasse beruht, als daß in dieser Theorie die ganze Mannig- faltigkeit der sozialen Kämpfe in eine einheitliche Formel zusammen- geschweißt ist, die alle sozialen Kämpfe, wie verschiedenartig sie auch im einzelnen sein mögen, als ähnliche Erscheinungen auf- faßt, in ihrer Aehnlichkeit erkennt. Und hier hat der Monismus der Theorie zu einem Monismus der Praxis verholfen: zur inter  - nationalen Solidarität der Klassen, vor allem aber der Klasse, deren unbewußte Praxis sie zu einem Erfassen der Theorie des Klassen- kampfes am ehesten geeignet machen mußte der Arbeiterklasse. Die Praxis dieser Klasse wurde dadurch eine bewußte Praxis, eine orientierte Praxis: womit wir wiederum einen wesentlichen Zug der Theorie aufgedeckt daß sie, die einheitliche theoretische Formel, die Orientierung in der mannigfaltigen Praxis möglich macht oder erleichtert. Und wollten wir jede einzelne Wissenschaft- liche Theorie vornehmen, stets würden wir uns überzeugen, daß es der orientierende Monismus ist, der die Wissenschaft revolutioniert. Denken wir z. B. an das periodische System der Elemente, das die moderne Chemie revolutionierte, indem es die mannigfaltigen Eigenschaften ver chemischen Elemente auf einen ge- meinsamen Ausdruck, auf'daS in Zahlen ausdrückbareAtomgewicht  ", brachte. Und welch ein Triumph des orientierenden Monismus der Wissenschaft: man konnte auf Grund der Theorie die Existenz von bisher unbekannten chemischen Elementen mit ganz bestimmten Eigen- schaften voraussagen, genau so, wie die Theorie des Klassenkampfes uns die Praxis des Klassenkampfes auch dort an die Hand gibt, wo alles in eitler Harmonie zu leben scheint. Der Monismus ist es auch, der die große Tragweite der Entdeckung von der Wandelbarkeit der chemischen Elemente ausmacht, wie man sie im Anschluß an die Entdeckung des Radiums kennen lernte: Wieder waren scheinbar starre Grenzen gefallen, wieder war eine Welt von Mannigfaltigkeiten in ihrer Einheit erkannt.... Und so war auch die Zellenlehre eine Theorie, die eine große Welt von Mannigfaltigkeiten in ihrer Einheit erkannte, sie auf einen gemeinsamen Ausdruck bringen konnte: auf den der Zelle. Die Schranken zwischen den mannigfaltigen Formen der Lebewesen waren gefallen, die Schranken auch zwischen Pflanze und Tier. Die Ge- samtheit der mannigfaltigen Probleme der Biologie war nunmehr auf ein Problem reduziert: auf das Problem des Lebens der Zelle. Die Zelle wurde zum Ausgangspunkt und zur Richtlinie alles biologischen Denkens, das sich bisher in tausend Gassen verlor. Die Zellenlehre richtete monistisch die ganze Lehre vom Leben. Es ist die Tragweite einer monistischen Theorie, die die Zellen- lehre zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Ter Monismus der Wissenschaft ist es, den wir in diesem Jubeljahr der Zellenlehre feiern.... Wer hätte ein größeres Anrecht darauf, den Lorbeer zu winden als die Arbeiterklasse, deren siegreiche Praxis im Klassenkampf das größte Stück praktischen Monismus ist, das die Menschheit in der Praxis ihres Lebens bisher erprobt hat? Sin 8atyrlpiel. Die jüngsten Enthüllungen im Reichstage haben wieder ein> mal die beschämende Tatsache erwiesen, daß das Wahrzeichen der russischen Korruption, der rollende Rubel, auch in Teutschland durchaus nicht unbekannt ist. Das Besrechungsunwesen, das Schmiergelderwesen muß sogar einen recht großen Umfang angenommen haben, denn um diesem Krebsschaden entgegenzu- treten, besteht seit dem 6. Mai 1911 einVerein gegen das B c st c ch u n g s u n w e s c n". In der Gründungsversammlung im Sitzungssaalc der Berliner  Handelskammer wurde vom Referenten die Schaffung eines Ver- eins gegen das Bestechungsunwescn wie folgt begründet: Wenn auch noch vor einer Reihe von Jahren eine große An- zahl von Körperschaften sich auf den Standpunkt gestellt hat, daß Lüftung. Bajonette und Kanonen, Bäuft Ite auf Im Hrfcnal, füllt KartatTchcn und Granaten Crotzdem kommt kle doch einmal, Und tte pocht an eure Citren B3rt ihr fte die neue Zeit? fühlt ihr schon den Bauch der neuen BelTeren Gerechtigkeit! Ob, erfindet nur ein Pulver, Da» die CQclt zusammenreißt> Wir find drüber ganz beruhigt, Unfre Waffe nennt Reh Geist l Unsere Geschosse schlagen Ctcf in aller Stille ein» Qnd fie finden ihre Wege Keine Bütte ist zu klein. Ruttet nur auf Krieg und forden In der Stille wächst ein Keim! Ilt die frucht ertt reif geworden Bolen wir die Smte heim. _ fritz Sänger. Sinfoma milltarilTxma. A l l e g r o. DaS hak ja nun niemand anders erwartet. So wie der Ober- lehrer den Bratenrock des Alltags ablegt, um inschimmernder Wehr" vor die Gipsbüste zu treten, wenn sich wieder einmal der Geburtstag des Landesherrn jährt; wie dfle höchsten Zivilbeamten sich auch einmal ihres schmucklosen Frackes zu schämen beginnen, wenn von irgendeinem Bronee- oder Marmorfürsten die Hülle fällt und sich diesem Festakt nur im Waffenrock gewachsen fühlen: so genau so kommt am 23jährigen Regierungsjubiläum von S. M. der wahr­haft Treugesinnte nicht zum Landesvater, sondern zum obersten Kriegsherrn. Es ist ja auch nur logisch: der Friedensfiirst. dem nur dann wohlgefällig gehuldigt wepden kann, wenn man Waffen zum klirren. den Zusammenschlagen bei der Hand hat. Wer da noch nicht sieht, daß der Bürger alles im Staate gilt und das Militär ein not- wendiges Hebel ist, dem kann nicht geholfen werden. Es wird zwar immer Leute geben, die behaupten, wir lebten in einem Militär- staat, aber diese Leute haben höchstens Recht, niemals Rechte. Das sind Leute, von denen man sich am besten mit Abscheu wegkehrt, weil sie die Schamlosigkeit hatten, ein öffentliches Geheimnis zu verraten. Das Geheimnis, auf dessen Aussprache die Vaterlands- losigkeit steht, heißt: Der Staat ist wegen des ihn beschützenden Militärs da! So wie das Publikum von wegen der Beamten. So wie das Volk von wegen der Regierung! Pst! Pst! Nicht weiter sagen! Alle wissen es ja, aber inopportun, davon zu sprechen! Es läßt sich überhaupt beweisen, daß Volk und Militär das- selbe, ein Fleisch und ein Blut sind, und daß das Volk nur eines auszusetzen hat: daß es immer noch nicht genug Militär ist. Daher die neue Wehrvorlage, die drängend aus den Tiefen deutschen Volkstums aufstieg. Man weiß nicht genau, woher sie kam. Aber es mutz wohl so gewesen sein, daß im Herzen jedes Einzelnen der zehrende Wunsch brannte, daß. wenn zwei Männer sich begegneten, jedem auf der Zunge nur der Schwur lag: Für die allgemeine Wehr- Pflicht. Unausgesprochen lag das Sehnen nach einer Milliarden- Vorlage in jedem deutschen Herzen und einer feinfühligen, hell- hörigen Regierung war es gegeben, der allgemeinen Sehnsucht Worte zu verleihen. Jeder Schrei der von Unteroffizieren und alten Leuten" mißhandelten Rekruten wurde übertönt von dem Jubelruf, mit dem sich ganz Deutschland   zur Kasse stürzte. Be- sonders taten sich die Rittergutsbesitzer hervor, die mit tränendem Aug', ganz wie vor hundert Jahren, dünne, verarbeitete Goldreife, ausrangierte Silberblechgeschirre, altersschwache Ehignons auf den Altar des Vaterlandes legten sonst allerdings nichts! Aber man bedenke den Erinnerungswert all dieser Stücke! Ein einfacher Koofmich, der nicht befördert worden war, weil seine Großmutter ihre Wäsche immer im Haus gewaschen hatte, stiftete einen Kilo- meter Unteroffizierstressen, ein verabschiedeter Oberst, dem wegen Besuchs politisch verdächtiger Wirtschaften das Recht zum Tragen der Uniform aberkannt worden war, brachte nun diese, um die Kosten der Vorlage zu vermindern. Das Volk in Waffen, meine Herren, sollte zur Tatsache werden, der goldne Traum der allge- meinen Wehrpflicht wollte sich verwirklichen. Keine simplen Volks- genossen mehr, lauterLeute"! Keine geistigen Führer, lauter Unteroffiziere! Der Schrei nach dem Militärstrafgesetzbuch auch für Zivilisten tobte durchs Volk! Jedem Stand seine Uniform! Die ältesten Mitglieder der Kriegervereine schluchzten vor Rührung. Andante. Notabene: es ist leider nicht zum Lachen. Die Gesetzesvorlagen, die das meiste Geschrei um sich machen, sind nicht die grundlegenden kulturellen, sondern die kulturfeindlichen, nicht die produktiven, sondern die sterilen. Wenn man im Halbschlaf der gänzlichen Ver- blödung ob offizieller Politik Worte wie: Vaterland... Mannes- Pflicht... heiligste Güter... von der Maas   bis an die Memel   usw. hört, so kann man sicher sein, es handle sich wieder einmal um die das llebel, um das es sich handelt, nicht so groß sei, um eine be- sondere Aktion zu seiner Bekämpfung hervorzurufen, so hat sich doch immer mehr und mehr die Ueberzeugung durchgerun- gen, daß es so wie seither im geschäftlichen Leben mit diesem Unwesen nicht weiter gehen dürfe. Die verschärfte Konkurrenz im wirtschaftlichen Leben hat es mit sich ge- bracht, daß das Bestechungsunwesen zu immer grö- ßerer Bedeutung gelangt ist." Das klingt etwas anders, als im Reichstage vom Ministertische her. Aber auch der Einwand des Herrn Geheimrat Hugen- b e r g von der Firma Krupp  , daß man doch nichts für die Ver- fehlungen eines unteren Angestellten könne, wurde in der Gründungsversammlung des Vereins wie folgt vorweg abgefertigt: Ein weiterer Einwand, den man gegen die Gründung der Ver- einigung erheben könnte, ist der: In der Hauptsache liege doch der Mißstand bei den Angestellten.... Dieser Einwand ist zweifellos nicht richtig. Es beruhen diese Mißstände, da zu einem Vergehen ja immer zwei gehören, auf beiden Seiten."... TerVerein gegen das Bestechungsunwesen" besteht. Nicht etwa ein beliebiger Schulze oder Lehmann hat hier in Vereins- meierei gemacht und den vielen taufenden im Verborgenen blühen- den Vereinen einen neuen hinzugefügt. Ganz im Gegenteil! Der V. g. d. 58." ist gegründet worden von den hervorragendsten Vertretern der deutschen Industrie. Die Handels- fürsten und Jndustriebarone wollen gemeinsam zu Felde ziehen gegen Bestechungsunwesen und Schmiergeldershstem. Ein Verzeich- nis der Mitglieder nach dem Stande vom 29. Juni 1911 weist als korporative Mitglieder 3 königliche Behörden, 14 Hau- delskammern und 39 Unternehmerverbände der verschiedensten Industrien auf. Daneben gehören dem Berein noch 411 Firmen und Einzelmitglieder an. Aber derV. g. d. 58." besteht nicht nur, er betätigt sich auch. Und es ist ein reiches Arbeitsfeld, das sich der Verein gesteckt hat. Alle in das Gebiet des Bestechungsunwesen fallenden Dinge sollen bearbeitet, in geeigneckn Fällen die gerichtliche Verfol- g u n g veranlaßt werden. Und derV. g. d. B." nimmt es ernst mit seiner Aufgabe. Vorläufig freilich hat er noch mit seinen eigenen Mitgliedern zu tun, denn unter Nr. 294 der Mit- gliederliste finden wir die Firma Friedrich Krupp A.-G., Gußstahlfabrik, Essen. Arme Firma Krupp  ! Jetzt geht es dir erst an den Kragen! Am Sonnabend, den 3. Mai, ist derVerein gegen das Bestechungs- unwesen" in der Münchener   Handelskammer zu einer Hauptver- sammlung zusammengetreten. Die Firma Krupp   ist einstimmig aus dem Verein ausgeschlossen worden und ebenso ein- stimmig wurde beschlossen, die gerichtliche Verfolgung zu veranlassen, da die Krupp-Affäre einer dergeeigneten Fälle" sei. Wie wir weiter hören, stimmte man einer Erhöhung der Mitglieder- beitrage zu, denn es sei dringend erforderlich, das Verwaltungs- personal zu vermehren, da die zu bewältigende Arbeit von Tag zu Tag größer wird. In der Versammlung wurde die Vermehrung des Beamtenstabes auch damit begründet, daß der Reichstag   bald wieder zusammentrete und man könne doch gar nicht wissen... Vom Jahrmarkt des Lebens. Moknungskun ftler. Ein neuer Stern am Himmel der Sozialpolitik ist aufgetaucht, ein radikaler Umstürzler auf dein Gebiete der Sozialhygiene. Weißensce bei Berlin   gebührt der Ruhm, das neu erstandene Genie, Herrn Lehrer F r o m m o n t. in seinen Mauern zu bergen. Bisher glaubten naive Gemüter, daß das Wohnungselend eng ver- bunden sei mit den wirtschaftlichen Verhältnissen, daß das Wohnen von 19, 12 und mehr Personen beiderlei Geschlechts in einem Raum seine Ursache habe in der sozialen Not und in der unkulturellen Grund- und Bodenspekulation. Herr Frommont aus Weißensee ist nach eifrigem Studium zu einer höheren, durchgeistigteren A fasiung gekommen, die er in einem Vortrage im C a s s e l c r Hausbesitzcrvercinc niederlegte. Tort erklärte der neue Sozialpolitiker:Das sogenannte Wohnungselend sei viel weniger Schuld der Hausbesitzer als Schuld der Mieter, Frage: wieviel pekuniäre und körperliche, geistige Mittel woll-n wir diesem geliebten Vaterlande wieder mal entziehen. Der u fruchtbare Klotz, der auf allen arbeitenden Schultern lastet, sielst mißgünstig blinzelnd, daß die Arme an diesen gequälten Schultern immer noch zu viel zuwege bringen und versucht daher, noch etwas schwerer und breiter zu werden. Es ist der Haß alles Unfruchtbaren auf das Fruchtbare, das instinktive Gefühl, nichts zu gelten, wenn es sich nicht recht unangenehm bemerkbar macht. Hätte je�er Deutsche seine Flinte im Haus stehen, käme jeder, wenn wirklich Gefahr droht, von der Arbeit weg in dem Gefühl, hier handle es sich darum, die eigene Arbeitsstätte zu schützen, so gäb' es keine Militär- käste, sondern ein freiwillig bewaffnetes Volk. Da erfand mau den Klassendiünkel für die Oberen und den Zwang für die Unteren, und siehe, der Militarismus war geboren. Nun liegt es im Volk nn fruchtbar wie ein Kasernenhof, hart und häßlich wie eine Kaserne in einer grünen Gegend und nennt sich an JubiläumstagenVolk in Waffen", mit einem Vorwort von S. K. H. dem Deutschen Krön- Prinzen, Piachtband, zum Schleuderpreis von 5 Mark. Scherzo. Wer dieses Prachtwerk mit Erfolg gelesen hat der wird seinen Gott fragen: Mein Gott, warum hast du mir das getan! Wenn ihm nämlich eine Tochter geboren wird, die nicht eine von den herrlichen Monturen wird tragen können, die hier im Farbdruck angepriesen werden. Ein kriegerisches Modenmagazin ersten Ranges! Zum militärischen Warenhaus. Mit Texten des ersten Rayon-Chefs! Wem da nicht das Herz ausgeht der hat keines! Hier sind zu sehen die herrlichen Gardedukorps zu deutsch  Leib- wache", auf die durch einen bewölkten Himmel ein Lichtstrahl fällt. Hier sind die feinsten Instrumente in Tätigkeit zu betrachten, mit denen man am leichtesten und massenhaftesten Menschen hinmähen kann. Auf der einen Seite die Dreadnoughts. vom Geld der Völker erbaut, auf der anderen Seite ihre Vernichte! die Unterseeboote und Torpedos, vom selben Geld erbaut. Hier wird der Militaris- mus vorgeführt als die einzig nennenswerte Weisheit, die da lautet: Es kann immer noch nachdrücklicher gemordet werden! Da sieht man Leutnants ihren Kater in wilden Attacken wegreiten. wobei sie mit schwerem Kopf(nach dem Urteil des Kronprinzen, denken und flüstern:Donnerwetter, wenn das doch ernst wäre!" Man sieht, der Krieg als Katermittel anstatt daß man Aspirin in Sekt zu sich nimmt. Da lieft man. daß Friedensbestrebungen un- deutsch   sind und daß die alten Germanen, sagt der Kronprinz, auch der Ansicht waren. Da gewahrt man staunend, daß ewiger Ruhm zu erwerben ist. wenn man ein Maschinengewehr abbrennt und daß-in munteres Feuergefecht hoffentlich in Bälde verhindern werde, daß wir uns vom Fricdcnswiegenlied der Utopisten, meint der Kronprinz, in trägen Schlaf singen lassen. Hier ist alles ver- eint, was die enragiertesten Gegner des Militarismus an Material gegen diesen Nimmersatt zusammenbringen können, heißt«ch