Die schreibt:
Offiziöfe Zahlenkunftitücke.
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Norddeutsche Allgemeine Zeitung"
Eine derbe Züchtigung
berhelfen, und ohne die Möglichkeit, daß diese Fragen von anderen durchkreuzt werden, über welche die Großmächte entgegengesetzte ift, wir gestern schon furz mitgeteilt haben, Sem frommen fleritalen Abgeordneten zum elsaß lothringischen LandAnsichten haben könnten. tage, Notar Kübler in Kolmar , zuteil geworden. Der ehrens werte Herr Notar hatte unter dem Schutz der Immunität in offener Sigung der Zweiten Kammer des Landtages die Frau des Lehrers Hildwein in der ungeheuerlichsten Weise beleidigt, indem er sie der Beziehungen zu einem anderen Lehrer bezichtigte, ohne die geringsten
Politifche Ueberficht.
Das Zentrum und die Nationalliberalen.
,, Auf einen Bankett in Caen hielt am letzten Sonntag der französische Ministerpräsident Barthou eine Rede, in der er unter anderem ausführlich auf das Gesez über die dreijährige Dienstzeit einging und dessen Einbringung mit der Bes Die antibachemitische Köln. Korrespondenz" veröffentlicht Beweise für seine Behauptungen zu erbringen. Hildwein hatte von hauptung begründete, daß zwischen dem französischen und einige allerliebste Enthüllungen über die Absichten der großen ihm Genugtuung verlangt, die ihm dieser, sich hinter der Jmmunität dem deutschen Heere, selbst wenn man die bereits sicheren Zentrumstaktiker, die Nationalliberalen zur blauschwarzen verschanzend, nicht gab. Deshalb beschloß Hildwein, sich zu rächen. Steigerungen und das gegenwärtig in Deutschland besprochene Stoalition heranzuziehen und eine konservativ- klerital- national- Er trat am Mittwoch beim Bahnhof von Kolmar auf den AbgeordGesez nicht berücksichtige, ein Unterschied von 180 000 Mann be- liberale Tripel- Entente herzustellen, in der natürlich das neten zu, der nach Straßburg fahren wollte, und stellte sich vor. ſtehe. Wir kennen die Quellen nicht, aus denen der französische Zentrum eine ausschlaggebende Stellung einzunehmen hofft. Im felben Augenblick griff, der Straßburger Post" zufolge, Stübler Ministerpräsident sein Material für diese Berechnung der Friedens- Die Köln . Korresp.", die sich bisher noch stets als gut unter- in die Tasche und zog einen Revolver hervor, den er Hildwein entgegenhielt. Dieser war ihm jedoch zuvorgekommen und schlug auf präsenzstärken des deutschen und des franzöfifchen Heeres schöpfte, richtet über die Vorgänge im Klerikalen Lager erwiesen hat, ihn mit einer Hundepeitsche ein. Kübler versuchte mehrmals, den aber wir müssen feststellen, daß seine Angabe, das deutsche Heer erzählt: Revolver loszudrücken, dieser versagte aber. Die Tochter Küblers sei heute schon zu Friedenszeiten um 180 000 Mann stärker und der in der Nähe stehende Lehrer Meyer fielen Kübler in den als das französische, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht Arm, um ein Unglück zu verhüten. in Einklang steht. Die Gesamtstärke des deutschen Heeres beträgt im Frieden einschließlich der Stapitulanten und Einjährig- Freiwilligen 641 000, die des französischen 581 000. Mann, und daraus ergibt sich, daß zwischen den beiden Armeen nur ein Unterschied von 60 000, und nicht von 180 000 Mann zuungunsten Frankreichs bes steht, wie Herr Barthou irrtümlich behauptete.
Nun werden in Frankreich wie in Deutschland eine Anzahl Beute zum Dienste ohne Waffe eingestellt, die schlechterdings angesichts unserer modernen Kriegsführung nicht als Kombattanten in Rechnung gestellt werden können, wenn es sich um einen Vergleich zwischen der zahlenmäßigen Stärke der für die Entscheidungen auf dem Schlachtfelde in Betracht kommenden Truppen der beiden Nachbarmächte handelt. Aber selbst wenn man diese zum Dienst ohne Waffe eingestellten Leute etta 38 500 in Frankreich und 2700 in Deutschland in Abzug bringt, so zeigt eine einfache Rechnung, daß Deutschlands Ueberlegenheit auch dann nur 95 bis 96 000 Mann beträgt, also nur etwa die Hälfte dessen, was der französische Ministerpräsident vor seinen Zuhörern in Caen als Tatsache angab."
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Die gute Norddeutsche" flunkert hier in ihrer Besorgnis um das Zustandekommen der Wehrvorlage sehr start.
Alle militärischen Fachleute erkennen„ v. Löbells Jahresberichte über das Heer- und Kriegswesen" als durchaus zuverlässiges Nachschlagewerk über die fremden Armeeorganisationen an. Und was liest man in dem Jahresband 1912 dieses Werkes? In dem Kapitel über das Heereswesen Frankreichs heißt es da unter dem Abschnitt Friedensstärke":
" Im August 1912 betrug der Effektivbestand
der Truppen im Mutterlande 527 526 in Nordafrika 49 972 Busammen 577 498
Präsenz bestand 432 949 Mann
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40 889 478 838 Mann Wie stellt sich die Norddeutsche" zu diesen Zahlen? Oder will das Ministerblatt die v. Löbellschen Jahrbücher nicht als maßgebend anerkennen? Das hieße aber eine große Anzahl militärischer Autoritäten und Zeitschriften blamieren, die das genannte Wert bisher nicht genug loben fonnten.
Zum Ueberfluß hat einer der besten Kenner des französi schen Heeres, der General der Infanterie z. D. von der Boed, oft genug und bis in die neueste Zeit hinein im Militärwochenblatt" nachdrücklichst auf den klaffenden Widerspruch zwischen wirklicher Stärke und den auf dem Papier stehenden Zahlen bei den französischen Kompagnien, Schwadronen ufw. hingewiesen.
Unsere Dffiziösen greifen doch zu recht bedenklichen Mitteln, um ihre tollen Rüstungsgelüfte durchzusehen.
Die Balkankrife.
Die Botschafterkonferenz.
Loudon, 8. Mat. Die Botschafter sind heute nach mittag im Auswärtigen Amte zusammengetreten; sie erörtern die Zukunft von Skutari und die Frage der staatlichen Gestaltung Albaniens im allgemeinen.
Die Räumung Stutaris.
Entschädigungsgelder für Schöffen und Geschworene.
Ein Gesezentwurf, durch welchen, einem alten Wunsche des Reichstages Rechnung tragend, den Schöffen und Geschworenen eine Entschädigung gewährt werden soll, ist dem Reichstage zugegangen. Die Schöffen und Geschworenen erhalten Reisekosten und für jeden Tag der Dienstleistung Tagegelder, deren Höhe der Bundesrat durch allgemeine Anordnung bestimmt.
Jubiläums- Amnestie?
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Bon unterrichteter Seite erfährt das Berliner Tageblatt": " Der Kaiser wird, altem Gebrauch folgend, anläßlich seines Regierungsjubiläums eine Amnestie erlassen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß sie nicht über eine Strafgrenze bon etwa 6 bis 8 Wochen oder 500 M. hinausreichen wird. Eine Amnestie in großem Umfange ist kaum wahrscheinlich. Ebenso steht nicht zu erwarten, daß politische Bergehen in weiterem Maße von der Amnestie betroffen werden."
Wieder einer.
„ Es geben sonderbare Dinge im Zentrum vor. Das Zentrum, das sich so heiß um die Gunft der Konservativen bemühte und alles tut, um diese Gunft zu erhalten, wirbt jetzt um die Freundschaft der Liberalen. Liberalen. Aufmerksame Leser der Zentrumspreffe preffe Kölner Richtung haben längst beobachten fönnen, wie schonend diese mit den bösen Liberalen, die doch früher der Ausbund aller Schlechtigkeit waren, umgehen. Man hebt die pofitive Arbeit liberaler Männer in den parlamentarischen Körperschaften lobend hervor, man spricht von einem rechten Flügel im Liberalismus, der jetzt schon der stärkere sei und in Bälde die ganze Partei beherrschen werde. Unsere unentwegten Gegner im liberalen Lager seien eigentlich nur einige Schreihälse, die von den besonnenen Elementen entschieden desavoniert würden, und wenn die linksliberalen Gruppen für die christliche Weltanschauung noch nicht offen eintreten wollen, so seien sie doch wertvolle Bundesgenossen im Rampfe gegen den Umfturz. Auch bei den Wahlen müsse engerer Kontakt mit dem Liberalismus gesucht werden, jedenfalls dann, wenn das Zentrum allein nicht durchdringen könne. Derartigen Aeußerungen begegnet man seit Monaten in mehr oder minder verblümter Form in der Auguftinuspresse. Der Umstand, daß sie sich auch in Blättern vorfinden, deren Redakteure zur Bildung einer eigenen Vor dem Oberkriegsgericht der Marinestation der Nordsee in politischen Ansicht unfähig sind, deutet auf eine Parole. Ganz ist der Kampf gegen den Liberalismus natürlich nicht verstummt. Wilhelmshaven hatte sich am Sonnabend der Sergeant Ballschmiede von der 2. Kompagnie des 2. Seebataillons wegen erfolglofer AnEr wird in beschränktem Maße fortgesetzt. Das darf nicht stiftung zum Falscheide, Bedrohung mit einem Verbrechen, Mißhandwundernehmen: einmal muß das katholische Volt in lung in sechs und vorschriftswidriger Behandlung in vier Fällen soStimmung gehalten werden, und dann treibt auch schon wie wegen Anmaßung der Strafgewalt im Zusammenhang der Geschäftsneid zu gelegentlichen giftigen Ausfällen gegen mit vorschriftswidriger Behandlung in 35 Fällen au berantworten. die kapitalfräftigere Lokalfonkurrenz. Der Angeklagte hat wegen fleiner Vergehen seine Rekruten ges In Zentrumskreisen natürlich in unverantwortlichen( die in und außer dem Dienst geohrfeigt, gestoßen und eigentlichen Macher sind ja„ unverantwortlich!") haben treten. treten. Ganz besonders hatte unter seinen Schilanen der wiederholt Besprechungen stattgefunden, deren Gegen meldete. In der Silvesternacht tam der Angeklagte angetrunten auf Seefoldat Zimmer zu leiden, der schließlich seinen Vorgesetzten stand die Annäherung an den Liberalismus war. die Stube und rief: Seitengewehr her, ich steche den Kerl zu Bei einer ersten Besprechung im Herbst vorigen Jahres waren fammen!" Diejenigen Mannschaften, auf die er sich verlassen zu nur der Entdecker der neuen Idee und ein paar seiner Intimsten tönnen glaubte, ließ er hinter seinen Verschlag kommen, bewirtete anwesend. Zu einer zweiten, natürlich ebenso unverbindlichen und sie mit Bier, Eßwaren und Zigarren und teilte ihnen dann mit, daß ebenso vertraulichen Unterredung wurden auch einige andere er von 3. gemeldet worden sei. Er ersuchte die Leute, ihn nicht zu durchaus zuverlässige" Herren eingeladen. verlassen und ließ sie die Hände zum Schwur erheben, indem er sie Der Swed der lebung ist leicht ersichtlich. Man will aufforderte: Schwört, daß ich den Kerl nicht angefaßt habe 1" Der Angeklagte bestritt bis auf eine alle Straftaten. In der einen schwarz- weiß blauen Blod bilden, deffen Silvesternacht will er finnlos betrunken gewefen fein. Das Urteil ausgleichender Mittelpunkt das Zentrum wäre. lautete auf ein Jahr und einen Monat Zuchthaus sowie Ausstoßung Borerst erstrebt man freilich nur eine Tripel- Entente, die jedoch aus der Marine. immer fordialer gestaltet und schließlich zu einem tomp atten Blod ausgearbeitet werden soll. Das übliche, in den Vordergrund geschobene Motiv ist die Bekämp fung der Sozialdemokratie, die eine Sammlung aller staatserhaltenden Elemente heische. So nebenbei aber hoffen die in Betracht kommenden Zentrumsherren auch ein parteipoliti sches Geschäft zu machen. Wenn das Zentrum einmal als ber Gravitationspunkt des deutschen Lebens anerkannt wird, dann wird sich auch die Regierung immer mehr von seiner Be fähigung zum Regieren überzeugen, und die Situation gestaltet sich für die gegenwärtigen Parteischieber immer an genehmer und profitlicher."
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Tatsächlich behandelt die größere klerikale Presse, voran die Köln . Volksztg.", den Nationalliberalismus mit einer zärtlichen Rücksichtnahme, die gegen die scharfen Angriffe im vorigen Jahre merklich absticht.
Proteft gegen die Polizeiattacke in Wilhelmshaven . Eine Versammlung von 3000 Personen protestierte in Rüstringen Cetinje , 7. Mai. Der Zivilgouverneur von Sfutari begab sich heute nach San Giovanni di Medua, nach einem Referat des Genossen Hug gegen die unerhörte Säbelwo ihn der englische Admiral zum Frühstück lud. Er hatte attacke, die die Wilhelmshavener Polizei am 1. Mai an der olden von König Nikolaus den Auftrag, alle Einzelheiten bezüglich burgisch- preußischen Grenze auf die Maispaziergänger verübte und der Räumung Stutaris durch die Montenegriner und gegen die tendenziösen offenbar aus dem Polizeibureau stammenden dessen Uebergabe an die Kommandanten des Berichte der bürgerlichen Blätter über diese Vorgänge am 1. Mai. internationalen Geschwaders zu regeln. Die Nach Ansicht der Versammlung wurde das Vorgehen der Polizei von politischen Erwägungen diftiert. Es habe für die Attacke jeder fachRäumung wird sobald als möglich erfolgen. liche Grund gefehlt, da oft an Wochentagen nach Schluß der Arbeitszeit der Reichswerft Bassanten in gleich hoher Anzahl wie am Nom, 7. Mai. Die Agenzia Stefani" meldet aus Durazzo : 1. Mai die Straße benutzen, in welcher sich die Vorgänge abspielten. Essad Pascha kündigt an, daß er bereit sei, seine Truppen Die Versammelten sprachen zugleich den zahlreichen Opfern des in Durazzo einzufchiffen und bittet die Pforte, ihm die nötigen Polizeifäbels ihre Sympathie aus und verpflichteten fich, für die Dampfer zu senden. Effad bestreitet ferner, daß seine Truppen mit rechtliche und materielle Unterstützung der Berlegten und Inhaftierten denjenigen Ds chavid Paschas einen Kampf gehabt oder daß sie im vollsten Maße einzutreten. Getvalttaten begangen hätten.
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Effad Pascha.
Es geht auch so!
Demobilisierung. Eine Kabinettsorder bestimmt, daß die Kommandanturen in Konstantinopel , 8. Mai. Wie verlautet, werden die Darmstadt und in Karlsruhe fünftig wegfallen. Außerdem kommen friegführenden Staaten eine Woche nach Beginn in Wegfall die Kommandanturen in Dresden und auf der sächsischen der Friedensverhandlungen mit der Demobilisierung gefte Königstein . Die Kabinettsorder enthält ferner die Herabfeung beginnen. der Zahl der Rationen für die einzelnen Offiziere, die namentlich in Die Debatte im englischen Unterhaus. den höheren Stellungen nicht unbeträchtlich ist. Rationen und PferdeLondon, 8. Mai. Jm Verlauf einer Debatte über die Balfan- gelder werden von jetzt ab nur für wirklich gehaltene Pferde gewährt. fragen erklärte in Bertretung Greys Parlamentsuntersekretär Ackland: Um diese Streichungen ist im Reichstag schwer gefämpft worden. Ich vertraue darauf, daß die zukünftige Lage der Baltan- Die Heeresverwaltung stellte es so hin, als ob durch diese Maß staaten ein Zusammenarbeiten, wenn nicht ein nahme die Sicherheit des Reiches direkt gefährdet fei, und nun Bund befreundeter Mächte sein wird, gegründet auf geht's auch so! Die Aufgaben der gestrichenen Kommandanten gegenseitiger Achtung Wunsch, zu leben und werden fünftig nebenamtlich von anderen Dffizieren versehen, und leben zu lassen. Europa kam sich dazu beglückwünschen, die Aufsicht für den Truppenübungsplatz bei Darmstadt wird einem daß die kritischsten Fragen, welche die tatsächliche Existenz pensionierten Stabsoffizier übertragen, der dafür einen Zuschuß zu Albaniens als eines unabhängigen Staates hätten be- feiner Penfion bekommt. drohen können, gelöst sind, und daß jezt die einzige Sorge die ist,
und den
Abbé Thilmont gegen Bischof Benzler.
die anderen Balkanstaaten und sich in Zukunft einer gedeihlichen Der Abbé Thilmont, der einen jahrelangen Kampf gegen den Entwickelung und zivilisatorischer Fortschritte erfreuen zu fönnen Meger Bischof Benzler führt, weil er sich von diesem benachteiligt Die Fragen, welche den Mächten als die schwierigsten erscheinen, und schifaniert fühlt, hat einen neuen Vorstoß unternommen. Gegen nämlich die Grenzfragen, sind teils erledigt, teils auf den Abbé Thilmont haben eine Reihe Prozesse stattgefunden, in dem Wege freundschaftlicher Verständigung. Alba- denen auch der Bischof Benzler als Zeuge vernommen wurde. Der nien wird natürlich Städte, auf die es Anspruch hat, verlieren, wird fireitbare Abbé hat nun eine Anzeige wegen fahrlässigen Meineids aber auf der anderen Seite Städte behalten, auf welche andere An- gegen den Bischof erstattet und bei der Ersten Kammer den Antrag spruch haben. Die Hauptfache ist, ein Albanien zu schaffen, das gestellt, die Immunität des Bischofs für das Prozeßverfahren aufzus fähig ist, felbständig zu existieren und sich zu entwickeln. heben. Die elfaß- Lothringische Erste Kammer hat den Antrag ein Die politischen und wirtschaftlichen Fragen, welche im Zustimmig abgelehnt und ist damit lediglich einem alten parlamentari sammenhang damit entstehen müssen, fönnen mehr oder schen Brauch gefolgt. Was an der Anzeige selbst ist und was etwa weniger in Ruhe und mit dem Wunsche besprochen werden, bei einer späteren gerichtlichen Verhandlung herauskommen wird, Albanien zu wirklicher Unabhängigkeit und wirklichem Fortschritt zu läßt sich natürlich nicht sagen.
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Erschöpfung als Insubordination.
Die Kleinliche Aufaffung mancher militärischen Borgesehten vom Wesen der Disziplin zeitigt recht sonderbare Blüten. Dieser Tage wurde vor dem Dresdener Kriegsgericht eine Straffacho berhandelt, deren Ausgang geradezu aufreizend wirken muß. Die Refruten der 3. Kompagnie des Jäger- Bataillons Nr. 13 mußten am 1. April zum Schießdienst antreten, wozu auch der Jäger Beh mad als einziger alter Mann" beordert worden war. Ueber diese Maßnahme war B. sehr erregt, tam aber pünktlich mit Sandsack im Tornister und Gewehr in der Hand zum Dienst. Beim Antreten fagte er zum Feldwebel: Jch als einziger alter Mann muß SchießDienst mitmachen und die schlechten Schüßen können in der Stube fizen!" Es wurde ihm befohlen, den Mund zu halten und mit awei Gewehren Gewehrstreden" zu üben. Nachdem der Soldat die Uebung zirka 15mal ausgeführt hatte, war sein linker Arm derart ermüdet, daß er nicht mehr streden fonnte. Er erklärte, er tönne nicht mehr und bitte, abseßen zu dürfen. In dieser Beziehung hatte B. nur nach der Instruktion des Hauptmanns gehandelt. Von den Vorgesetzten will aber niemand die Worte Behmads gehört haben. Es wurde dem Soldaten vielmehr befohlen, die lebungen nicht so schlapp auszuführen. B. gab sich dann noch alle Mühe, aber er mußte dann doch wegen frampfartiger Erschöpfung des linken Armes, mit der er ohnehin schlecht fortkam, absehen und gab das eine Gewehr dem hinter ihn stehenden Kameraden, um dann die Uebung mit dem rechten Arm fortzusehen. Er kam aber nicht dazu, da er wegen feines dissiplin widrigen" Verhaltens zur Rede gestellt wurde. Die Vorgesetzten waren der Meinung, daß Behmad bie lebungen nicht aus Ermüdung, sondern um nicht mehr mitzumachen, eingestellt habe! Die Folge davon war, daß B. ein schlechtes Element" geschildert wird eine Anklage wegen fchtungsverlegung und Gehorsamsverweigerung bor bersammelter Mannschaft und unter Gewehr erhielt. Der Angeklagte bestritt entschieden, die Absicht gehabt zu haben, den Gehorsam zu verweigern; er habe nicht mehr gekonnt und schon vorher gebeten, abfeben zu dürfen. Das war ihnt auch nicht zu widerlegen. Immerhin erblickte das Gericht in seinem Verhalten eine Achtungsberlegung und erkannte auf die Strafe von drei Wochen strengen Arrest!! Schweiz .
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der als
Eine neue Proporzinitiative. Zürich , 6. Mai .( Eig. Ber.) Der Gotthandvertrag hat nachhaltige Wirkungen auf die parteipolitischen Verhältnisse in der Schweiz gezeitigt, die sich nun in dem Bestreben bekunden, Vor forge gegen die Wiederholung solcher unglücklicher Staatsverträge zu schaffen. So ist am Sonntag in der in Olten stattgefundenen Sigung des großen Komitees für den Nationalratsproporz beschlossen worden, neuerdings die Initiative für dessen Ginführung zu ergreifen, um eine andere, demokratischere und von Bundesrat unabhängigere Zusammensetzung des Nationalrates zu erhalten, als sie heute unter der Herrschaft des Majorzes mit einer dem Bundesrat völlig ergebenen freisinnigen Mehrheit ist. Der zur gleichen Zeit ebenfalls in Olten versammelt gewesene Bor= stand der schweizerischen sozialdemokratischen Partei stimmte der neuen Proporzinitiative zu.
Damit ist die dritte Aftion für den Nationalratsproporz be schlossen und wird wohl in der nächsten Zeit mit der Unterschriften. fammlung begonnen werden. Notwendig sind, da es sich um die Abänderung der schweizerischen Bundesverfassung handelt, 50.000 Unterschriften stimmberechtigter Schweizer Bürger. Im Jahre 1899 waren 64 865, im Jahre 1909 142 263 Unterschriften aufgebracht worden. In der Voltsabstimmung von 1900 wurde die Proporzinitiative mit 244 666 gegen 169 608 Stimmen verworfen, in ber von 1910 mit 265 194 gegen 240 305 Stimmen, also nur mit einer Mehrheit von 25 000 Stimmen. Der nunmehr beschlossene dritte Anlauf dürfte endlich zum Ziele der Einführung der Proportionalwahl des Nationalrates führen.