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da Politische Ueberlicht.

Verlogene Schufte.

Man ist von der Scharfmacherpresse schon ein reichliches Maß von Gemeinheit der Sozialdemokratie gegenüber ge­wöhnt, die legte Leistung der von Scharfmachergeldern aus­gehaltenen Tintenfulis übertrifft aber alles bisher Dagewesene. Die Enthüllungen über die Schurkereien des Rüstungskapitals müssen in den Redaktionen der von diesem Kapital künstlich im Mistbeet gezüchteten Preßerzeugnisse das ganze mo ralische Gleichgewicht, soweit ein solches überhaupt vorhanden war, zerstört haben.

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Den Ausgangspunkt der neuesten Schufterei bildet ein foeben erschienenes Buch des Genossen Gustave Hervé  , betitelt ,, L'Alsace Lorraine", in dem das Verhältnis Frankreichs   zu Deutschland   und die elsässische Frage behandelt wird. Die Post" stürzte sich als erste auf das Wert und behauptete mit der ihr zur zweiten Natur gewordenen frechen Verlogenheit, in dem Buche werde festgestellt, daß zwischen der französischen   und deutschen   Sozialdemokratie bestimmte Ab­machungen für den Kriegsfall bestünden. Serviert wurde diese Feststellung" mit der üblichen Hochverratssauce. Dieser fette Bissen reizte natürlich auch den Appetit der Rheinisch­Westfälischen Zeitung" und sie wiederholte die ,, Fest­stellung" unter Anrufung der starken Hand" gegen die roten Bolfsverräter".

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Wir haben im Vorwärts" bereits kurz die schmutzigen Anwürfe dieser journalistischen Scharfmacherlakaien zurück­gewiesen. Inzwischen hat uns Genosse Gustave Hervé   selbst sein Buch übersandt und wir haben nachprüfen können, ivorin der angebliche Hochberrat" besteht. Dabei hat sich heraus­gestellt, daß das" patriotische" Preßgesindel bewußt die Wahr­heit auf den Kopf gestellt hat.

Was schreibt Genosse Hervé über das Verhalten der deutschen   und französischen   Sozialisten in einem Kriegsfalle? Er schreibt:

,, Il serait malhonnête, après Bâle, de cacher plus long­temps que la Social- démocratie allemande n' a prïs, envers la Socialdémocratie française, aucun engagement de tenter l'insurrection le jour de mobilisation."( Es wäre wenig ehren­haft, wenn man nach dem internationalen Kongreß von Basel  noch länger verschweigen wollte, daß die deutsche Sozialdemokratie gegenüber der franzöfifchen feine[ der Uebersezer der Scharf­macherpresse fälscht frisch- fromm- frech eine"] Verpflichtung über­nommen hat, am Tage der Mobilmachung eine Aufstands­bewegung zu versuchen.)

Und weiter:

,, La Socialdémocratie allemande ne s'engage pas à faire l'insurrection le jour de la mobilisation; ce qui, par la même, interdit aux socialistes français de la tenter de leur côté, sous peine de saboter la mobilisation française seule, et de travailler uniquement pour le roi de Prusse."( Die deutsche Sozial­demokratie verpflichtet sich nicht, am Tage der Mobilmachung eine Aufstandsbewegung ins Leben zu rufen; dadurch werden die französischen   Sozialisten ganz von selbst daran gehindert, eine solche zu versuchen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, durch eine einseitige Störung der französischen   Mobilmachung einzig und allein die Geschäfte des Königs von Preußen zu besorgen.)

Die Schlußfolgerung, die Hervé aus dieser Haltung der Sozialdemokratie beider Länder zieht, ist die, daß eine deutsch   französische Verständigung herbeigeführt werden müsse.

Und aus all dem haben die Preßbanditen des Rüstungs fapitals Hochberrat" herausgelesen. Dümmer  , frecher und berlogener fann man die politische Brunnenvergiftung nicht betreiben. Aber wir wollen den armseligen Schächern mildernde Umstände bewilligen. Ihre zahlungsfähigen Brot geber haben ihnen Anweisung gegeben, die durch die Ent hüllungen über ihr forruptes Treiben erbitterte Deffentlichkeit durch potenzierte Verleumdungen gegen die Sozialdemokratie abzulenken. Und so ist dann einfach drauflos gefälscht morden. Wir erwarten von solchen Burschen, die sich nach außen mit höchster Korrektheit und allen deutschen   Männer­fugenden fpreizen, nicht, daß sie eine Richtigstellung bringen. Von solchem Gelichter soll man nichts Unmögliches verlangen.

Die Luftmarine.

Wie bürgerliche Blätter melden, ist durch eine Kabinettsorder bie Bildung einer Marineluftschiffabteilung und einer Marinefliegerabteilung bestimmt worden. Aus dem bis­herigen Luftfahrpersonal werden zwei selbständige Abteilungen ge­bildet, und zwar die Marineluftschiffabteilung mit dem borläufigen Standort Johannisthal   und die Marinefliegerabteilung mit dem Standort Buzig. Die Abteilungen unterstehen in allen Ausbildungs-, Versuchs und technischen Angelegenheiten unmittelbar dem Staats­sekretär des Reichsmarineamts. In allen anderen Angelegenheiten sind sie dem Inspekteur der Küstenartillerie und des Minentejens und weiterhin dem Chef der Marinestation der Nordsee unterstellt. Die Mannschaften beider Abteilungen tragen die Dienstbekleidung und Abzeichen der entsprechenden Dienstgrade ihrer bisherigen Marineteile.

Faules Wahlmanöver.

Die reaktionäre Presse sucht bereits, wie nicht anders zu erwarten war, das Münchener   Attentat auf den Major v. Lewinski für ihre volksfeindlichen Zwecke auszunuzen. Mit erstaunlicher Firigkeit hat sie herausgefunden, daß der Atten­täter, ein früherer Zinngießer namens Johann Strasser, ein Anarchist ist, und zwar ein sogen. Anarchist der Tat, der im Auftrage einer italienischen anarchistischen Verbindung gehandelt haben soll. Zwar die Beweise, welche die reaktio­nären Blätter für den anarchistischen Charakter des Attentats beizubringen wissen, sind gar mager, fast lächerlich, denn sie wissen nur zu berichten, daß Strasser früher schon mehr fach wegen Bettelns, Landstreicherei und Diebstahls bestraft worden sei, in den letzten acht Jahren in Holland   und Italien  gelebt und in legter Zeit zweimal von einer Dame Gelb er halten haben soll. Sicherlich recht furiose Indizien! Doch das macht nichts, den Schmocks der konservativen Blätter genügen fie für die Behauptung, Straffer wäre ein echter Anarchist

der Zat.

Doch mag Straffer Anarchist sein oder nicht; was geht das die deutsche Arbeiterschaft und die Sozialdemokratie an? Sie kann für die Tat des Straffer um so weniger verant wortlich gemacht werden, als er sich angeblich im Auslande zum Anarchisten entwickelt haben soll. Aber die konservativen Interessenpolitiker möchten gar zu gern ein Agitationsmittel haben, um den ehrsamen Pfahlbürger aus seiner Bequemlich­feit aufzurütteln und zur Wahl zu treiben und für diesen Zweck eignet sich nach ihrer Ansicht am besten das rote Schred­gefpenft".

Was wir wollen!

Die Sozialdemokratie will das allgemeine, gleiche, geweisen versucht, daß Sozialdemokratie un Anarchismus

heime, direkte Wahlrecht so wohl zum Landtag als auch für die Wahl der Gemeinde­vertretungen.

Die Sozialdemokratie will Einführung des Einkammer­systems, also Beseitigung des Herrenhauses mit seinen ge­borenen und willkürlich er: nannten Gesetzgebern".

oldeillo

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Die Sozialdemokratie will die Beseitigung der noch be­ftehenden und die freie Entwickelung des Staates hemmenden Vorrechte der Adelskaste.

Schon bei dem Attentat auf den König von Griechenland  und den Großherzog haben sie versucht, die Attentäter der Sozialdemokratie an die Rockschöße zu hängen- leider aber hat sich zum Bedauern der konservativen Intriganten heraus­gestellt, daß die beiden Attentäter Geistestrante waren. Nun soll dasselbe Fruftifizierungsmanöver nochmals versucht werden. So wird denn mit den albernsten Gründen nachzu­eigentlich ein und dasselbe seien. Am schönsten besorgt das natürlich die vaterländische Kreuzzeitung". Sie hat in ihrer tiefen Weisheit herausgefunden, daß das Abgeben roter Wahlzettel und das Erschießen von Offizieren eigentlich nur wenig verschiedene Betätigungsweisen der felben revolutionären Gesinnung sind und leistet sich deshalb folgenden tiefsinnigen Ausspruch:

Denn Anarchismus und Sozialdemokratie, in der Theorie Gegenpole, find praktisch eng verwandt. Der Haß gegen die bestehende Ordnung ist beider Nährboden, und ob die ihm ent­springende Heze schließlich in roten Stimmzetteln oder in anarchistischen Mordtaten zum Ausdruck kommt, ist mehr eine Frage der persönlichen Veranlagung derer, die unter den Einfluß dieser Heze gestellt werden."

Gegen solche Albernheiten ernstlich zu polemisieren, kann uns fein vernünftiger Mensch zumuten. Zudem bedauern wir aufrichtig die armen Exemplare der patriotischen Federvieh­gattung, die als Aushilfsjournalisten jegt in der Kreuz­Generalsekretariats solchen Blödsinn zusammenschreiben müssen. Natürlich macht auch der Scherlsche Lotal- Anzeiger" den Rummel mit. In seiner Mittwochmorgen- Nummer erzählt er:

Die Sozialdemokratie will Trennung der Kirche vom zeitungs"-Redaktion auf Anweisung des tonservativen

Staat.

Die Sozialdemokratie will unentgeltlichkeit des Schul­unterrichts und der Lehr­mittel. Die Kosten hat der Staat zu tragen. Für den Besuch höherer Schulen sollen nur die geistigen Fähigkeiten der Kinder maßgebend sein. Verpflichtung des Staates, bedürftige Schulkinder zu speisen. Beseitigung der geistlichen Schulaufsicht.

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Die Sozialdemokratie will Uebernahme der Armenlasten auf den Staat.

Die Sozialdemokratie will Beseitigung der jede kultu relle Entwickelung hemmen den Gutsbezirke, die sich jetzt von einem Beitrag zu den Armenlaften drücken.

Die Sozialdemokratie will Ausbau der Fabrikinspektion. Heranziehung von Arbeitern zur Kontrolle der Betriebe.

Die Sozialdemokratie will eine stärkere Progression der Einkommensteuer für hohe Einkommen. Ermäßigung der ansie ad DC Einkommensteuer für Ein­tommen unter 3000 M.

Beseitigung der im Staate und in den Gemeinden noch bes stehenden indirekten Steuern.

Die Sozialdemokratic will Verbesserung der Volks: gesundheitspflege durch Ber­staatlichung des gesamten Medizinalwesens einschließ lich der Apotheken.

Die Sozialdemokratie will Einschränkung der Gefängnis­arbeit. Verwendung der Ge fangenen zu staatlichen Me­liorationsarbeiten.

Der Attentäter ist, wie aus der Einwohnerliste festgestellt werden konnte, der 34 Jahre alte 8inngießer Johann Strasser aus Niederaltaich   in Niederbayern  . Er ist keines­wegs irrsinnig, sondern ein bekannter Desperado, der wegen Bettelns, 2andstreicherei, schweren Diebs stahls und verschiedener Gewalttaten schon achtzig Borstraten hat, darunter in Desterreich zweimal dreizehn Monate schweren Sterkers. Seit 1904 war Strasser aus München  ausgewiesen, war aber doch wieder zurückgekehrt, bei einer Razzia aufgegriffen und wieder freigelassen worden. Er hat sich mittler­weile auch in Italien   und Holland   umhergetrieben." dieser erbaulichen Lebens­Ganz unauffällig wird beschreibung des Attentäters" der Sak angehängt:

Der Mörder, den die Münchener   Polizei in den Listen der Anarchisten führt, erklärte, daß er den Major v. Lewinski nicht getannt, aber an seiner Uniform gesehen habe, daß er preußischer Offizier fei."

Nach dieser Fassung könnte es trotz der polizeilichen Anarchistenliste eher scheinen, als habe der 80 maI(?) bor­bestrafte Strasser aus preußenfeindlichem Partikularismus ge­handelt. Mit solchem Motiv läßt sich jedoch nichts anfangen, deshalb wird auf der dritten Seite des Lokalanzeiger" der Mörder schon schlechthin zum Anarchisten:

Der Anarchist Strasser, der in München   früher anarchistische Versammlungen besucht hat, war erst vor kurzem von Mailand   nach München   gekommen und mit Geldmitteln so gut versehen, daß er in der Elvira straße im Stadtteil Neuhausen   seine Wohnung im voraus bezahlen fonnte und noch 287 M. im ganzen bei der Verhaftung bei sich hatte. Die in seiner Wohnung gefundenen Zeitungen wurden beschlagnahmt."

Auch in der Mittwochabend- Nummer des Lokal- Anzeigers" wird der Johann Strasser als Anarchist ausgespielt. Es heißt bort:

Ueber den Mörder und seine Absichten schwebt noch ein gc­wiffes Dunkel. Daß er, der mit Gelb gut versehen war, nicht lediglich aus Mailand   nach München   gekommen ist, um beliebige Baffanten, die feinen Anarchistenhaß erregten, niederzuknallen, muß angenommen werden; er scheint vielmehr Anschläge gegen hoch­stehende Persönlichkeiten im Schilde geführt zu haben, und hat dann aufs Geratewohl den ihm begegnenden Major, den er trog des gleichartigen, grauen, preußischen Mantels an dem dunkleit Tuch der Müze und der Beinkleider als preußischen Offizier er­fannte, niedergeschossen. Im ersten Verhör hat er sich auf den Internationalen" hinausgespielt und geprahlt: Meine Heimat ist die Welt." Auf dem Wege zur Polizei hat er wirres Zeug ge­rebet und gesagt: Alle, alle hätte ich erschossen." Dann aber wird erklärt:

Der Mörder, Zinngießer Johann Strasser, ist, wie wir an zuständiger Stelle erfahren, der Berliner   Behörde als Anarchist völlig unbekannt, auch die Kriminalpolizei in Berlin   fannte ihn nicht."

Die Sozialdemokratie will Aufbefferung der Löhne und Gehälter der Arbeiter, An­geftellten und unteren Bes Also auch die Berliner   politische Polizei hat niemals amten in den Staatsbetrieben. etwas von dem großen Anarchisten der Tat" Johann ( Eisenbahn, Forstverwaltung, Strasser gehört. Arme Schrötersche Kreuzztg.". Bergwerke, Hütten und Sa 1 entschlüpfen die schönsten Agitations. mittel! linen.)

Die Sozialdemokratie will Ausbau und Förderung des

Eisenbahnwesens. Ber. billigung der Fahrpreise in den beiden unteren Wagen­tlaffen, event. Einführung des Zonentarifs.

Die Sozialdemokratie will Straßen-, Brücken- u. Wasser­bauten durch den Staat.

Die Sozialdemokratie will Aufhebung der Gesindeord: nung.

Die Sozialdemokratie will das Koalitionsrecht auch für In die Arbeiter und Angestellten

des Staates.

Die Sozialdemokratie will freiheitliche und zeitgemäße.

Revision und Umgestaltung der preußischen Berggesetze unbeschadet ihres Verlangens nach einem Reichsberggeseh.

Die Sozialdemokratie will Vermeidung aller überflüffi­gen Ausgaben, wie sie der preußische Junkerstaat zu re­präsentativen Zwecken macht.

Die Sozialdemokratie will Heranziehung von Arbeitern als Schöffen und Geschworene. Bezahlung von Diäten für diese Funktionen.

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Der bayerische Prinzregent hat an Wilhelm II.   von Darmstadt   aus folgendes Telegramm gerichtet:

Soeben erhalte Jch die Nachricht, daß der Militärattaché der preußischen Gesandtschaft, Major v. Lewinski, von ruchloser Hand ermordet worden ist. Ich bin auf das schmerzlichste berührt, daß ein trefflicher Offizier Deiner Armee in München   einer so entsetz­lichen Tat zum Opfer gefallen ist, und bitte ich Dich, Meiner auf­richtigen Anteilnahme versichert zu sein. Ich habe das Staats ministerium des Königlichen Hauses und des Aeußeren beauftragt, fofort eingehenden Bericht über das tiefbedauerliche Vorkommnis zu erstatten. ( gez.) Ludwig.

Brauchbare Polen  .

Die preußische Bolenpolitit, hinter der natürlich auch die Junker stehen, wird von einem Junker selbst recht hübsch verhöhnt. Die berzogliche Domänenverwaltung zu Trachenberg   hat an die ihr unter­stellten Inspektoren folgende Verfügung erlassen:

Da es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, brauchbares Gesinde zu bekommen, müssen schon frühzeitig, und zwar ein Jahr vor dem gefeglichen Bermietungstag, Schritte getan werben, Gefinde zu beschaffen. Es ist aber dabei zu beachten, daß fein Ausmieten von Nachbarn, insbesondere von herzoglichen Bächtern, erfolgt. Jedes zu mietende Gesinde muß den Nachweis liefern, daß es zu dem betreffenden Termin auch wirklich dienstfrei ist. Ferner wird verfügt, daß in Zukunft nur Gesinde tatholi fcher Konfession gemietet werden darf. Leute anderer Kon­fession dürfen nicht angenommen werden. Dagegen ist es gestattet, polnische Familien zu mieten, weil die Leute ret brauchbar und meistens auch sauber und ordentlich find." Herzogl. Domänenverwaltung. gez. v. Unwerth." Nach der Nationalliberalen Korrespondenz" soll dieser Erlag auf persönliche Anordnung des Fürsten   Hasfeldt des früheren reichsparteilichen Führers, ecgangen fein.

Der Streuzzeitung" ist die Sagfeldtsche Offenherzigkeit fehr un bequem, sie hofft, daß, wenn es mit dem Erlaß seine Richtigkeit habe, wohl noch ein Wort zu seiner Aufklärung gesagt werbe.