1. Beilage zum„ Vorwärts" Berliner Volksblatt.
Nr. 291.
Parlamentsberichte.
17. Sigung vom 11. Dezember 1893. 1 Uhr. Am Bundesrathstische: v. Bötticher, v. Marschall, Graf von Posadowsky.
Das Haus verweist zunächst den Bericht der ReichsschuldenKommission an die Rechnungskommission.
Es folgt die dritte Berathung der kaiserlichen Verordnung betreffend die Erhebung eines fünfzigprozentigen 301lzuschlages für die aus Rußland beziehungsweise aus Finland kommenden Waaren. Es liegen hierzu 2 Resolutionen vor, 1. von den Abgeordneten Möller und Genossen betreffend die Waaren, welche auf grund der vor Erlaß der Verordnung abgeschlossenen Verträge eingeführt waren und 2. von dem Abgeordneten v. Salisch betreffend die Erhebung eines Bolles von sonst zollfreien Waaren im Falle eines Bolltriegs. Beide Resolutionen sind in der zweiten Berathung schon erörtert worden. Heute wird folgende Resolution von den Abgeordneten Mirbach und Luz eingebracht: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, schleunigst dem Reichstage einen Gesezentwurf vor zulegen, nach welchem der Zoll auf aus Rußland eingehendem Hopfen auf den Zoll erhöht wird, welcher zur Zeit für deutschen Hopfen bei der Einfuhr nach Rußland zu entrichten ist.
Abg. Möller( natl.) empfiehlt die Annahme seiner Resolution, wendet sich aber gegen die des Abg. v. Salisch, durch welche ein Bollkrieg nur verschärft werden würde. Redner richtet an den Bundesrath die Frage, ob die in Transitlägern befindlichen Waaren von dem Zollzuschlag befreit sind und ob auf Verträge, beren Ausführung sich über mehrere Jahre erstrect, in welchem Falle also die russischen Waaren die Grenze noch nicht über schritten haben, Rücksicht genommen werden wird.
Dienstag. den 12. Dezember 1893.
Abg. Rickert( F. Vg.): Ich kann auch nicht begreifen, was die Herren eigentlich wollen; 1879 haben die Herren von der Rechten selbst gegen den Flachszoll gestimmt.
Abg. von Kardorff: Seitdem hat sich die ganze Situation vollständig verändert.
Abg Möller warnt davor, das neue Patent zur Behandlung des Flachses allzu fanguinisch aufzufassen; es sind schon viele Patente genommen worden, ohne daß etwas herausgetommen ist.
Abg. v. Salisch erklärt, daß er zunächst nur während des Bollfriegs einen Flachszoll Rußland gegenüber eingeführt wissen wolle; er sei aber der Meinung, daß ein dauernder Flachszoll für die Landwirthschaft auch wünschenswerth wäre.
10. Jahrg.
Es folgt die Interpellation der Abgg. Werner u. Gen.: Sind die verbündeten Regierungen geneigt, angesichts der allgemeinen schlechten Geschäftslage dieses Jahres für die in § 105 E der Gewerbe Ordnung angeführten Gewerbe eine Verlängerung der Geschäftsstunden bis Abends 10 Uhr am 24. und 31. Dezember d. J. eintreten zu lassen?" zu deren sofortiger Be antwortung sich der Staatssekretär v. Bötticher bereit erklärt.. Abg. Werner( deutsche R.-P.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß die Interpellation von fast allen Parteien unterzeichnet sei; er habe dankbare Zuschriften von vielen Seiten erhalten und wolle den Dank auf die übrigen Unterzeichner überAbg. Lutz( dk.) weist darauf hin, daß die Einfuhr russischen tragen. Er bedaure deshalb umsomehr, daß einzelne Zeitungen Hopfens einen ungeheuren Preisdruck hervorbringe. Dazu kommt sich auf den engen Parteistandpunkt gestellt und behauptet haben, die Gefahr, daß der russische Hopfen allein oder mit deutschem daß der Antrag nur die mühsam erkämpfte Sonntagsruhe zervermengt als deutscher oder gar als bayerischer ins Ausland stören will. Wir freuen uns über die endlich herbeigeführte geht und den Ruf des deutschen Produktes zerstört. Deutscher Sonntagsruhe; aber die Handlungsgehilfen, glaube ich, werden Hopfen zahlt jetzt etwa 200 m. 3oll bei der Einfuhr nach Ruß - bei der jetzigen Geschäftslage gern bereit sein, ein kleines Opfer land, russischer Hopfen aber nur 20 M., also nur den zehnten zu bringen, indem sie hoffen, wenn sie einmal selbständig werden, Theil. Hier ist eine Aenderung dringend nothwendig. Das wird ähnlich behandelt zu werden. Unbegreiflich ist der Standpunkt nicht als begehrlich ausgelegt werden können, das wird nur als der Sozialdemokraten, welche mit der Kreuz- Zeitung " in ein ein Ausgleich zu betrachten sein. Horn stoßen. Diese Uebereinstimmung scheint mir sehr bedenkAbg. Aichbichler( 3): Das Zollverhältniß ist allerdings fich und ich würde den Herrn Reichskanzler, wenn er anwesend ein ganz abnormes. Der deutsche Hopfenbau will für sich feinen wäre, auf diesen Gegenstand aufmerksam machen und auch Schutzzoll, er will nur unter gleichen Bedingungen mit anderen darauf, daß die Sozialdemokraten der Berliner Stadt Hopfenproduzenten arbeiten. verordnetenversammlung unseren Antrag bekämpft haben natürAbg. Rickert: Für uns ist die Situation eine fatale; Sie lich ebenso wie die Börsensteuer lediglich aus dem Grunde, um wollen uns zwingen, während schwebender Vertragsverhand- die bestehende Gesellschaftsordnung und namentlich den Mittellungen über die Kampfzölle zu debattiren. Ich beantrage, stand, der das Fundament des Staates ist, zu vernichten. Wir die Absetzung des Antrages von der Tages Ordnung. erwarten von der Regierung eine günstige Antwort und die AnMit einem folchen Antrag in die schwebenden Berhandlungen erkennung, daß das Verlangen ein berechtigtes ist. einzugreifen; während sonst der Reichstag sich sehr zurückhaltend in solchen Dingen verhalten hat, ist sehr bedenklich. Heute ist es unmöglich, einen so wichtigen Antrag zu verhandeln. Abg. Kröber( süddtsch. V.-P.) erkennt an, daß die bayerischen deutschen Zolls, sondern über die Höhe des russischen Bolls, dessen Herabsetzung durch den Handelsvertrag herbeigeführt werden müsse. Abg. Aichbichler erklärt, daß er wegen des mangelnden Materials die Kommissionsberathung beantragt habe. Abg. Lutz weist darauf hin, daß die zahlreich eingegangenen Petitionen aus Bayern hinreichendes Material bieten.
Staatssekretär v. Bötticher: Ich halte es für ganz un zweifelhaft, daß die in Transitlägern befindlichen Waaren, welche also die russische Grenze bereits überschritten haben, der Be- Hopfenpflanzer sich beklagen, aber nicht über die Niedrigkeit des günstigung des früheren Zollfates theilhaftig werden. Bezüglich solcher Abschlüsse, deren Erledigung auf eine längere Reihe von Jahren läuft, wird der Bundesrath in jedem einzelnen Falle wohlwollend prüfen, ob eine bona fides vorhanden ist und ob die Umstände so liegen, daß man aus Billigkeitsgründen die Be: günstigung auch auf diese Abschlüsse anwenden kann.
Abg. Gamp( Reichspartei): Wir müssen damit rechnen, daß die Verhandlungen mit Rußland vielleicht nicht zu einem Ergebniß führen, daß der Bollkrieg vielleicht noch verschärft wird. Für einen solchen Zustand fehlt es in unserem Tarifgesetz an einer Handhabe; die Resolutionen sind in dieser Beziehung nicht scharf genug.
Abg. v. Heereman( 3.) spricht seine Befriedigung aus über die entgegenkommenden Erklärungen, welche die verbündeten Regierungen abgegeben haben; er wolle alles vertrauensvoll der Entscheidung des Bundesrathes überlassen und hoffe, daß dadurch das reelle Geschäft vor Schaden geschützt
werden wird.
Damit schließt die Generaldiskussion. In der Speziallion is die diskussion wird die Zollverordnung genehmigt gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Freisinnigen; die Resolution Möller- Heereman wird gegen die Stimmen der Deutsch konfervativen und der Reichspartei angenommen; die Resolutionen v. Salisch und Lutz werden der Handelsvertragskommission über wiesen.
In dritter Berathung erledigt das Haus den Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen dem Reich und Kolumbien .
Abg. Haffe( natl.) bemängelt die Bestimmungen der Art. 5 Abg. Graf Mirbach: Daß ein Zollfrieg etwas Un- und 20, nach welchen die Deutschen wie die Inländer behandelt angenehmes ist, kann ich nicht ohne Weiteres zugeben. Das werden sollen, wenn sie sich an Empörungen betheiligen und mag zutreffen für die Industrie, aber nicht für die Landwirth- nach welchen die Deutschen nicht entschädigt werden für Nachschaft. Wenn wir keine Industrie hätten, würde ich die Fort- theile, die ihnen zugestoßen sind ohne Verschulden der Regierung. dauer dieses Zustandes wünschen. In bezug auf die Verordnung Eine solche Bestimmung sei nur haltbar, wenn der Staat, mit find wir vollständig einverstanden mit der Regierung, deshalb dem man einen Vertrag abschließt, ein zivilifirter Rechtsstaat sei. müssen wir auch gegen den Antrag Möller Heereman stimmen. In Kolumbien aber fänden oft Empörungen statt und man wisse Jedenfalls sollte die Regierung nicht so weit gehen, da einen manchmal gar nicht, welche Regierung die berechtigte ist. Bollnachlaß zu gewähren, wo sich auf grund des Zollkriegs einstimmungen den allgemein geltenden Vorschriften des Völkerrechts Staatssekretär v. Marschall weist darauf hin, daß die Beverstärkter Import erst entwickelt hat. Abg. v. Salisch( dk.) bedauert, daß die Zollerhöhung entsprechen. Ein Deutscher, der sich an einer Empörung begegenüber Rußland nicht hoch genug ist. Ganze Heerden von theilige, könne nicht vom Deutschen Reiche in Schutz genommen Gänsen, die von Rußland eingeführt werden, bleiben zollfrei. werden. Ebenso könne man nur eine Entschädigung verlangen, Die Landwirthschaft würde es sich gern gefallen lassen, daß im wenn die Kolumbische Regierung sich einen Fehler habe zu schulden Interesse der Industrie die Superphosphatzölle erhöht würden, kommen lassen. Im übrigen darf der Vorredner versichert sein, wenn nur auch die Interessen der Landwirthschaft vertreten würden. daß die Deutschen im Auslande auf grund des Völkerrechts nach Die Aktienspinnereien machen ganz schöne Dividenden, aber die Möglichkeit geschützt werden. Landwirthschaft leidet durch die Zollfreiheit des Flachses.
Abg. Hammacher( natl.): Ursprünglich wollte der Vorredner nur Rampfzölle auf bisher zollfreie Produkte einführen, jetzt verlangt er aber die Einführung eines dauernden Flachszolls. Abg. von Kardorff( Np.): Der Flachs ist nur als ein Beispiel herausgegriffen worden.
Abg. Hammacher bestreitet dies und meint, daß dauernder Flachszoll nicht zur Sache gehöre.
Literarisches.
ein
Staatssekretär v. Bötticher: Die Regierung hat die Frage eingehend verfolgt, aber eine günstige Antwort kann ich dem Vorredner doch nicht geben, denn er hat sich an eine falsche Stelle gewendet. Die Frage gehört vor die Polizeibehörde und es würde sehr bedenklich sein, von der Zentralstelle schablonenmäßig einzugreifen; sodaß die lokalen Berhältnisse nicht berücksichtigt werden können. Wenn der Vorredner glaubt, daß die Handlungsgehilfen dies Opfer bringen werden, so irrt er sich doch wohl. Die Handlungsgehilfen sind mit der jezigen Regelung der Sonntagsruhe sehr zufrieden, wie wir aus verschiedenen Eingaben ersehen haben. Von einer Beeinträchtigung des Gewerbes fann vielleicht gesprochen worden, aber wenn der Gefezgeber einmal eine Gefeßgebung durchgeführt hat, so fann er davon nicht nach so kurzer Zeit Abweichungen gestatten. Das würde ein übereilter Schritt sein. Ich glaube, daß man es bei den bestehenden Vorschriften auch für die beiden Tage beläßt. Ich glaube das umsomehr, als in vergangenen Jahren, als für den sogenannten goldenen Sonntag ein weiterer Handelsverkehr gestattet wurde, über die sonst erlaubten Stunden hinaus der Verkehr außerordentlich minimal gewesen ist. Die Anfrage tann ich nicht beantworten, ich weiß nicht, ob die verbündeten Regies rungen zu irgend einer Maßregel geneigt sind; von einem n trage bitte ich die Herren dringend abzusehen. Damit ist die Interpellation erledigt. Es folgt die erfte Berathung des Uebereinkommens mit der Schweiz , betreffend den gegenseitigen Patent, Muster- und Martenschutz.
Abg. Hammacher( nationalliberal) weist darauf hin, daß das schweizerische Patentgesetz nicht so umfassend sei, wie das deutsch ; es würden nur Erfindungen, aber nicht Verfahren patentirt un es sei keinem anderen Staate, auch England und Frankreich richt, Das sei begreiflich, denn fein anderer Staat als gerade Deutschgelungen, die Schweiz zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen. land habe ein so erhebliches Interesse daran, daß die Patentirung ausgedehnt wird, namentlich zum Schuh seiner Farbenindustrie. In Basel bestehen wenige Fabriten, welche sich lediglich mit der Ausplünderung deutscher Patente befaffen. Man wundert sich z. B., daß Elsaß- Lothringen so wenig deutsche Farbewaaren verbraucht; es ist aber eine Thatsache, daß diese Waaren aus der Schweiz über die Grenzen geschmuggelt werden.
Abg. Frese( Fr. Vg.) empfiehlt die Annahme des Vertrags. Geheimer Regierungsrath Haus erkennt an, daß ähnliche Der Vertrag wird darauf im Ganzen angenommen; ebenso Klagen der Regierung bekannt geworden sind. Uebrigens ist das ohne Debatte in dritter Berathung das Zusatzprotokoll zu dem Abkommen nicht in perpetuum abgeschlossen, sondern auf sechs Vertrage zur Unterdrückung des Branntwein- monatliche Kündigung. Ergiebt sich die Schädlichkeit desselben, handels unter den Nordseefischern auf hoher See so kann die Kündigung erfolgen. Es ist also kein Grund vorund das Ausführungsgesetz zu diesem Vertrage. handen, das Uebereinkommen zu verwerfen. mündlichen Berichts des Abg. Bachem das Uebereinkommen Rommission überwiesen. Ohne Debatte wird in zweiter Berathung auf Grund des Das Uebereinkommen wird darauf der Handelsvertrags
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Tendenzdichtungen sind's, die hier gesammelt find; aber daß Ich spreche natürlich im allgemeinen und sehe troß meiner. die Tendenz zugleich in edlen poetischen Formen in die Gemüther Ginwendungen eine willkommene Bereicherung darin, daß Geder Leser überströme, das war mit die führende Absicht bei Karl dichte Liliencron's, Mackay's, Bierbaum's, Hart's, Conradi's, Henckell. Das ist für mich nach meiner persönlichsten Empfindung Senckel's u. a. m. in die Saminlung aufgenommen wurden. besonders erfreulich an dem Buche, daß ich bei seiner Tendenz Allein mir scheint, weniger wäre hierbei mehr gewesen. Ein die künstlerische Wärme, die künstlerische Reife nicht ver- bischen Shakespeare und Schiller mehr und weniger Mackay, das In den wilden trozigen aufrührerischen Rhytmen des misse. Darin scheint mir das neue Wert einen nicht unwesent- wäre wohl erfprießlicher geworden im Sinne eines Voltsbuchs Goethe'schen Prometheus hebt Henckell's Buch der Freiheit an lichen Fortschritt gegenüber der Gedichtsammlung Vorwärts" zu großen Stils. Ich meine, so herrliche Sprüche, gleich flar verund in ruhig erhabenen Bersen aus Shelley's Entfesseltem bedeuten, aus der übrigens die energischsten dichterischen Aeuße- ständlich für den gelehrtesten und für den einfachsten Sinn, wie Prometheus" flingt es aus. Dort die stolze Rebellion des selbst- rungen in das Buch der Freiheit" übergegangen sind. der folgende, hätten sich aus Shakespeare mehr holen lassen: bewußten Mannes, der nimmermehr erschrickt vor der dürftigen Wenn die Fähigkeit, seine Empfindungen in aller LebhaftigDurch zerlumpte Hadern Majestät der Himmlischen. In des Britten hoffnungsseligem feit, in allem Schwung auf seinen Nebenmenschen übertragen zu Hymnus sieht Prometheus, der Vorwärtsstrebende, der Vorwärts- können, den Künstler macht, so sehe ich nicht ein, warum ich schauende Wirrniß und Drangsal, Lüge und Heuchelei, Sklaverei dilettantisches Stammeln, und sei es aus noch so heißer, guter und Jchsucht überwunden; und der Geist der Stunde" entwirft Gemüthsaufwallung geboren, der überzeugungskräftigen fünftvor des Prometheus freudestrahlendem Auge ein troftreiches lerischen Gewalt vorziehen soll. Ich freue mich dessen, daß die Gemälde der Zukunft, da der Mensch befreit sein wird und Grundstimmung, die in meiner Seele lebt, in verhältnißmäßig szepterlos, befreit von Furcht und huldigender Demuth, sein so vielen echten Dichtungen widerhallt. eigner König!
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Und es ist eine stolze Befriedigung für mich, daß es jetzt Nicht ohne Vorbedacht hat Hendell für sein Buch der Frei- nicht mehr nöthig wird, gereimte Leitartikel, wenn sie nur heit" solchen Eingang und solchen Austlang" gewählt. Der tendenzerfüllt sind, als Poesie auszugeben. Ein Drittes noch ist gährende Drang nach Selbstbestimmung und die Berheißung des es, was ich besonders hervorheben möchte. Es zeugt von Muth und endlichen Sieges haben beide in Goethe's und Shelley's Dichtung Zuversicht, wenn man heute dem Proletarier, der nach geistigen den weihevollsten dichterischen Ausdruck gewonnen. In dem Höhen ringt, ein Werk anvertrauen darf, in dem Gedankeneinen zittert und tobt die Aufregung des Kampfes nach, heißer, dichtungen ernstester Art, in dem die Freenfülle eines Goethe und leidenschaftlicher Athem durchweht es, Frieden und Verklärung Schiller , eines Lenau und Platen, eines Heine und eines Gott befeelt das andere. Beide Dichtungen aber bedeuten ein doppeltes fried Keller, eines Byron und eines Shelley, eines Carducci Programm. Sie erläutern, was der Herausgeber des eben er- und eines Giusti, eines Jbsen und eines Turgenjew schienenen Buches wollte. Ein Merkbuch wollte er geben, in Plaz und Stätte finden.
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dem sich lyrische Dichtungen warnender, anfeuernder und trösten- Das Buch der Freiheit" ist ein Versuch, das darf man nicht der Poeten deutscher oder fremder Zunge vereinigten. Wo ein vergessen. Daß die Sonne des modernen Freiheitsbegriffes noch Sturmruf erbrauft, wo ein Trommelwirbel erklingt, wo der Haß viel mehr Strahlen aussendet, als sie die vorliegende Dichterlese gegen Unrecht und Unterdrückung eine befeuerte Sprache spricht, durchleuchten und durchwärmen", war auch dem Herausgeber, wie fei es in leidenschaftlicher Anklage, sei es in in er in seinem Nachwort vom 10. November d. J. schreibt, flar grimmiger Satire, moderner, freier Gedankenflug genug. Das sah er selber ein, daß in seinem Buch der Freiheit feierlich fich offenbart, das Dor Allem möchte Karl Die Gerechtigkeitsansprüche der Frau, wie sie das Bewußtsein der Henckell aufnehmen. Sein Buch sei ein Geleitbuch Gegenwart ausprägt, nur spärlich vertreten sind. Aber das ist für Jeglichen aus den Reihen der kämpfenden Menschheit. Es nicht seine Schuld. Die revolutionäre Logik der Vergangenheit spricht: Wach' auf! es reißt den Allerweltsträumer aus seiner mit ihren starten Instinkten für den politischen Freiheitsbegriff Berschlafenheit; es schärft das Gewissen; es rüttelt an dem Be- hat sich um die modernen gesellschaftlichen Probleme, um die ver quemen, das erschlaffen will; es spornt mit seinen muchtigen änderte Stellung von Mann und Weib nicht gefümmert; und die Anklagen Dichterzungen sind Richterzungen zum Aus- neue revolutionäre Lyrit ist so sehr mit Gedankenüberfracht beladen, harren; und es verkündet, wie trotz alledem und alledem der daß ihr zumeist eines fehlt, was ich das Draufgängerthum nennen Wahrhaftigkeit die Siegertrone zufallen müsse über die Lüge möchte. Ihr mangelt's an finnlich- packender Gewalt, sie ergeht sich zu der menschlichen Gemeinsamkeit über die gewaltthätige Ich gern in Abstraktionen, sie liebt die Weite, nicht den knappen lyrischen Ausdruck, der wie ein Hammerschlag trifft.
sucht.
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Scheint selbst das fleinste Laster durch. Amtsmäntel und pelzverbrämte Röcke decken Alles. Plattir' die Sünde nur mit Gold, gleich bricht Die starke Lanze der Gerechtigkeit
Ohnmächtig ab; bekleide sie mit Lumpen Und eines Narren Strohhalm sticht sie durch. Wohl weiß ich, daß auch modernste Stimmungen warm sinnlichen, liedermäßig knappen Ausdruck finden können. Ich sehe von Liliencron's ergreifender Ballade Pedder Lüng" mit dem Kehrreim lieber toot, als Stlave" ab. Auch Alltagsbegebenheiten find in manchen Gedichten zu echter Empfindungslyrit gewandelt, so daß kein Rest nüchterner Reflexion übrig bleibt. Gerade ein Henckell'sches Gedicht ist mir ein Beispiel hierfür. Friedhof ist es benannt. Eine einfache Friedhofsszene. Sie haben einen Freund begraben. Stumm drängt sich die Menge am Grabe. Da dröhnt es: Auseinandergeh'n! Und schon war Helm an Helm zu seh'n."
Nun flog ein Kranz mit rothem Band Wohl auf des Grabes Mitte; Und als er auf den Hügel sant, Da zogen schon die Wächter blant Der Zucht und frommen Sitte. Der Regen goß, der Sturm schrie auf Blut floß um Kranz und Hügel, Und ruhig von des Kranzes Schlauf Ein Vogel stieg gen Himmel auf Mit purpurrothem Flügel.
Aber derlei lyrisch beseelte Gedichte machen nicht die Stärke der Modernen aus; und es wäre mehr Raum gewonnen worden für unmittelbar wirkende, von heißem Odem erfüllte Dichtungen aus dem Ausland. Da ist z. B. das Barenlied aus der Todtenfeier des Polen Adam Mickiewicz . Das hat die Muse Haffes geboren, da lodert in jeder Verszeile der Groll übe Herrschaft der russischen Knute, in jedem Wort flam Empörung auf, und doch ist in dem ganzen Gedicht keir