Nr. 135. 30. Jahrgang.
Montag, 2. Juni 1913.
See on 27 APR WREND
Am Bahnhof in Berlin , den Zaren zu empfangen Viel Uniformen bunt und Ordensfterne prangen, Und Küraffierfchwadronen, den Zollernaar am Helme Und Schutzleuť ohne Zahl; dazu Ochranafchelme, Die Traugott Jagow nahm mit offenen Armen auf, Und an der Däufer Wand gepreẞt von Büttelreihen Der Gaffer blöde Schar'n begeistert Durra fchreien, Als Zar und Kaifer nun in ftolzer Prunkkaroffe Im flug vorüberzieh'n, gefolgt vom bunten Troffe. Und in der deutfchen Hauptftadt fchön gefchmückten Straßen Die Regimentskapellen voller Inbrunft blafen: Gott Schütze den Zaren!
Kolonialgemälde.
Endlich bin ich zum Kolonialsachverständigen avanciert. Denn ich war in Deutsch - Afrika . Die Pressekarte der allgemein- menschlichen„ Gleichheit" hat mir Tür und Tor geöffnet. Der Staatssekretär Dr. Solf selbst hat mich persönlich empfangen und als Ehrengast umhergeführt. Und der Berliner Bürgermeister Reide, der Admiral von Truppel, ja sogar der Polizeipräsident von Jagow, können mir das bezeugen.
Indes das hier gefchicht, die Schergen diefes Zaren An Schlefiens Grenzen flink am Denkerwerke waren, Ein deutscher Untertan, ein Bergmann, deffen Werben Den ruff'fchen Brüdern galt, damit fie nicht verderben Den Lohnkampf armer deutscher Bergheloten, Der fällt mit feiner Laft flugfchriften in die Hände Brutaler Grenzkolaken. Das Urteil fällt bebende: ,, Begrabt den deutfchen Hund fern im fibirischen Eife, Laẞt beulen Weib und Kind!" Und gleich geht's auf die Reife Ins grauf'ge Steppenland, wo Raben zieh'n im Kreife. Und zum Nagaikabieb ertönt die alte Weife:
Gott fchütze den Zaren!
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ich wohl kaufen mögen, auch einen Sandflöhe suchenden Bondeh. weder blind, oder er steht auf dem verrüdten Standpunkt, den ein Man wird da unten unwillkürlich gleich zum Menschenkäufer. boshafter deutsch - afrikanischer auf Urlaub befindlicher, Beamter mir Ach, was sage ich, am liebsten hätte ich mir gleich den ganzen fürzlich zu meinem Entsetzen im Bahnabteil entwickelte. Nachdem „ Aequator " kaufen mögen, um ihnen hier oben mal ordentlich da- er mir von der großen Kindesliebe der Afrikanerinnen geredet mit einzuheizen, aber ich war bange, daß ich mir die Hände daran hatte, und nachdem er hinzugefügt, daß man in Afrika überall ausverbrennen könnte. Giner Haussatänzerin" hätte ich fast einen reichend Hebeammen für die Frauen habe, und daß die afrikanischen fingerdicken Korallenstift aus der Nase gezogen. Jawohl, solche Wöchnerinnen gleich nach der Geburt wieder vor lauter Vergnügen Modetorheiten werden da unten getrieben. Henna- rote Zähne und an die Arbeit eilten, und nachdem er überhaupt den eingeborenen Hände sind an der Tagesordnung. Manche färben sich mit Ratarit-| Frauen und Männern höchstes Lob gespendet hatte, wozu. er sich erde und pulverisiertem Mahagoniholz rot. Ueberhaupt alles, was nach seinem 10 jährigen Dienst in den deutschen Kolonien vollauf rot ist, hat da Chancen. Haben Sie das gedacht von Afrika ? Ja, berechtigt und befähigt glaubte, begann er ganz gemein auf alle man muß erst immer richtig orientiert sein, ehe man loslegt. Das Missionare zu schimpfen. Zunächst erzählte er mir die Geschichte Also ich war in Puttkamerun und in Togo , in Deutsch- Südwest können Sie auch Redebour bestellen. Und eine„ Usukumafrau" sah von dem schlauen Sultan Msinga". Ein katholischer Missionar habe und in Deutsch- Ost- Afrika. Von der Missionsschule in Ketmans- ich, die nach Suaheliart frisiert wurde. Und die gelben„ Köfer- den Sultan Msinga zum Katholizismus bekehren wollen. Aber ehe hoep bis nach Lüderitzbucht, von Swakopmund nach den Diamanten- bäume" in Afrika sehen aus wie riesige Himmelskandelaber. Keine der Glaubenswechsel akzeptiert worden, sei ein evangelischer Missiofeldern bin ich gelustwandelt. Von Duala, Windhut, Dar- es- Sa- Uebertreibung. Diese Bäume wachsen nämlich immer weiter, nar auf der Bildfläche erschienen, der den Sultan zum evangelischen lam, Tanga, will ich heute gar nicht reden. Darüber weiß doch manche davon sind schon über tausend Jahre alt. Wer weiß, wo Glauben überreden wollte. Der Katholik habe zu Msinga gesagt: jedes deutsche Volksschulkind Bescheid. Außerdem muß jedes deutsch - die noch mal aufhören. Wenn der liebe Gott nicht sorgt, scheinen unser Glaube ist der uralte, einzig richtige. Der Evangelische habe europäische Volksschulkind vierzig bis sechzig Choräle auswendig mir das die Bäume zu sein, die in den Himmel wachsen. Ich habe gesagt: unser Glaube ist der wahre, gereinigte, schlackenfreie. Dem lernen. Das so nebenbei. Ich habe auf dem großen Thronsessel sie bei Sonnenuntergang am Karrasgebirge aufragen sehen. Essen Sultan stiegen Zweifel auf. Er lud Beide zugleich zu sich ein und der Häuptlinge von Bamenda gesessen und dem Häuptling Njoja, tun die Leute in unseren Kolonien meistens Kokosnüsse, Mais, Ba- sprach zu ihnen:„ Meme Brüder, ich will mich ja gern taufen lassen. der 425 Frauen und 130 Kinder hat,( Auszug aus dem deutsch - taten( Süßkartoffeln) und was ihnen so in den Mund wächst. Bei den Aber wie könnt Ihr Beide denn, die Ihr doch Beide an Jesu afrikanischen Standesamts- Register aus dem Jahre 1912), habe ich Wanderdünen auf den Diamantenfeldern" hätte ich beinahe eigen- Christi glaubt, miteinander verfeindet sein? Gehet hin und verAuge in Auge gegenüber gestanden. Uebrigens ist der Mann händig Edelsteine aufgelesen, aber ein verfluchter Sandsturm kam söhnet Euch, und dann kommt wieder, dann will ich Christ werden!" moderner angehaucht, als alle europäischen Häuptlinge, denn er dazwischen, der sogar einen Zugochsen mitsamt einer Burentarre Und da gingen die beiden europäischen Schwarzen fort, hohnläßt sich in allen politischen und höchsten Staatsangelegenheiten von umwarf. Na, und mehr Kräfte habe ich auch nicht. Und zur Di- lachte der boshafte Urlauber und sie sind bis heute bei meinem einer der bedeutendsten afrikanischen Frauenrechtlerinnen, nämlich amantenwäscherin" eignete ich mich nicht. Wenn ich waschen will, Freunde Mlinga noch nicht wieder angelangt!" Und dann fügte der von seiner Mutter, beraten. Nun, und wenn der Mann nun wirks kann ich das in Berlin besorgen, da wird auch gearbeitet. Und gottlose Sterl noch hinzu:„ Wenn ich einen Missionar auf die Stalich mal ärgerlich losbrüllt:" Die Frau gehört ins Haus!" Dann nur weil die Afrikaner, die Schwarzen, die Hottentotten usw., alle tion zukommen sehe, dann nehme ich meine Flinte auf die Schulter weiß nicht nur seine Mutter, dann wissen alle seine 425 Frauen, so furchtbar gern arbeiten und die Gegend dafür wie ge- und spaziere in den Urwald, da kann er mir den Hobel blasen. wohin sie zu gehen haben, denn jede von ihnen hat ein Haus, was schaffen ist, haben wir Deutschen dort Kautschukplantagen, Kaffee- Denn mir kommt es immer vor, als ob sich diese harmlosen afrikafich von ihren deutsch - europäischen Schwestern im allgemeinen nicht plantagen, Kataoplantagen usw. anlegen lassen. Bei dem„ Kupfer- nischen Kinderbölfer, tausendmal glücklicher bei ihrem Kinderglauben behaupten läßt. Dann gibt es in Afrika auch noch Fliegenwedel| bergwerk Tsumeb" sieht es schon gerade wie im Ruhrgebiet aus. befunden hätten!" So sprach der boshafte Freigeist und Kenner aus Pferdeschwanzhaaren mit perlgestickten Handgriffen zum be- Es war mit einem Wort gesagt, höchste Zeit, daß wir nach Afrika innerafrikanischer Kultur und Geisteszustände. liebigen Gebrauch für Eingeborene und Beamte.( Selbst in der gekommen sind. Auch die Unanständigkeit mit dem Nacktherum- So, das ist mein kleines, allerdings etwas zerfahren entworfe Hand gehabt. R. R.) Und unsere nach Afrika exportierten Flaschen laufen ist im Abnehmen begriffen, die Abnahme der Bevölkerung nes, aber dafür selbst geschautes, afrikanisches Kolonialgemälde". und Krüge entsprechen keineswegs dem Kunstgeschmack der Afri- geht damit Hand in Hand. Bei dem allgemeinen Geburtenrückgang Wenn es gefällt, kann ich noch viel mehr davon liefern, als der taner, sie werden dort noch mit ornamentalem Berlenschmud ver- beweist das natürlich gar nichts. Nun aber zur Hauptsache: Bahl- regierungsseitige Kolonialmaler Ernst Vollbehr hier zurzeit im ziert. Die Flaschen, die Krüge und die Afrikaner meine ich. Ein reiche Missionare, katholische und evangelische, sind zur größten Kunstsalon von Keller u. Reiner, Potsdamerftr. 118b ausgestellt hat. Klipptaffermädchen habe ich da gesehen, direkt zum Anbeißen, hätte Wohltat unserer Kolonien geworden. Wer das nicht einsieht, ist ent
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R. R.